Die Commoners als Klasse?
Der Keimformtheorie fehlt das historische Subjekt. Es gibt durchaus grobe Skizzen davon, was sich ändern muss (Besitz statt Eigentum, keine getrennte Privatproduktion, Demonetarisierung, …) und sogar wie das von statten gehen soll (Commons Based Peer Production) und wie nicht (ohne Markt und Staat), und in diesem Blog kann man sie sehr materialreich nachverfolgen.
Gegenüber der klassischen Transformationsvorstellung des Marxismus-Leninismus bleibt aber eine entscheidende Leerstelle: Es fehlt die Antwort auf die Frage wer der Träger der gesellschaftlichen Transformation vom Kapitalismus in eine freiere Gesellschaft („Kommunismus“, „Commonismus“, whatever …) sein sollte. Das nennt man gemeinhin die Frage nach dem „historischen Subjekt“.
Eine erste triviale Antwort lautet „Die Commoners“, aber das ist natürlich nicht zielführend. Das wäre eine zirkuläre Antwort ungefähr so, wie wenn Marx auf die Frage, wer den Kommunismus bringt mit „die Kommunisten“ geantwortet hätte.
Der Anspruch an eine solche Antwort wäre, dass es eine materialistische Antwort wäre. Es ginge also darum zu zeigen, welche soziale Gruppe (oder meinetwegen auch „Klasse“) auf Grund ihrer Lage im gesellschaftlichen Prozess sowohl ein Interesse daran hat, die alte Gesellschaft zu verlassen, als auch die Möglichkeit es zu tun.
Die Antwort der Klassiker ist bekanntermaßen, dass es die Arbeiterklasse ist, die diese Aufgabe erfüllen sollte. Im Wesentlichen speist sich dabei ihr Interesse daraus, dass sie im Kapitalismus notwendig ausgebeutet wird von den Besitzern der Produktionsmittel und die Möglichkeit speist sich daraus, dass die Industrialisierung der Produktion zu großen Ansammlungen von Arbeitern in den Fabriken führte, die sich dort organisieren und durch Streiks die Produktion lahmlegen konnten und somit trotz ihrer untergeordneten Stellung relativ viel Macht hatten. Nun ist es mit der Ansammlung in den Fabriken zumindest hierzulande nicht mehr weit her, aber das wäre ja nur eine Frage der Organisation und Kommunikation und da gibt es ja heute auch wieder andere Mittel, die es damals nicht gab. Ob jemand zur Arbeiterklasse gehört entscheidet sich auch nicht darüber, ob er oder sie in einer Farbik arbeitet, sondern darüber ob er oder sie gezwungen ist seine oder ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Paolo Virno drückte das sehr treffend einmal so aus: „Die Arbeiterklasse ist ein theoretischer Begriff und kein Erinnerungsfoto“ (Grammatik der Multitude). In diesem theoretischen Sinn ist der Begriff der Arbeiterklasse auch nicht obsolet.
Das entscheidende Problem an der klassischen Transformationsvorstellung ist also nicht, dass wir in einer postindustriellen Gesellschaft leben, in der es vielleicht noch Fabriken gibt, aber dort nicht mehr die Zukunft gebaut wird (auch wenn das nicht egal ist), sondern es ist etwas anderes: Marx und Engels verlangten von der Arbeiterklasse ihre Selbstauflösung. Das ist für mich eine durch und durch idealistische Vorstellung. Keine Organisation welcher Art auch immer (und es gibt keine handlungsfähige Gruppe ohne Organisation) wird jemals freiwillig auf ihre Selbstauflösung hin arbeiten. Sobald eine Organisation eine gewisse Eigendynamik gewinnt (und das tut sie zwingend ab einer bestimmten Größe) würde sie selbst dann für ihren Erhalt sorgen, wenn jede_r Einzeln_e in ihr ihre Abschaffung wünscht.
Historischer Exkurs
Meiner Ansicht nach sind beide historischen Linien, die sich aus der traditionellen Transformationsvorstellung ergaben genau daran gescheitert. Im Westen setzte sich im wesentlichen die Sozialdemokratie durch, die durchaus erfolgreich darin war das Leben der Arbeiterklasse erträglicher zu machen, ohne am grundsätzlichen Ausbeutungsschema etwas zu ändern auch wenn der Zwang zur Lohnarbeit durch Bildungs- und Sozialprogramme immerhin leicht gemildert werden konnte (Heute sind diese Errungenschaften allerdings schon alle wieder auf dem Rückzug). Die Sozialdemokratie hat also die naheliegende Antwort auf das Paradoxon gefunden, einerseits sich nicht selbst auflösen zu können und andererseits eben genau das tun zu sollen: Sie hat es schlicht gelassen und nach- und nach jeden Transformationsanspruch aufgegeben.
Im Osten hat man umgekehrt versucht den Markt durch zentrale Planung zu ersetzen und eine „Diktatur des Proletariats“ zu errichten. Übrig blieb davon sehr bald dann nur noch eine Diktatur, weil alle Schritte, die wirklich zu einer Selbstauflösung der Arbeiterklasse beigetragen hätten aktiv bekämpft wurden.
In beiden Fällen scheiterten also die historischen Nachfolger der frühen Kommunisten an genau dieser unmöglichen Selbstauflösung. Marx ist also vielleicht nicht Schuld an Stalin oder der SPD, aber in dieser plötzlichen idealistischen Wendung in seiner Transformationstheorie, ohne Grund anzunehmen eine Organisation könnte ihre eigene Auflösung betreiben, ist das Scheitern durchaus schon angelegt. Die genaue Form dieses Scheiterns (Aufgabe des Transformationsanspruchs im Westen, Massenmord und Erstarrung im Osten) kann man ihm aber nicht anlasten (Was ja von antikommunistischer Seite gerne getan wird).
Man könnte auch sagen, dass historisch die Frage des „wer“ der Transformation die beiden anderen Fragen des „wie“ und des „was“ aufgefressen hat. Im Osten wurde vor allem das „wie“ vergeigt und im Westen das „was“.
Aus der Geschichte und dem Scheitern der Kommunisten und Sozialdemokraten Lernen hieße also vor allem anzuerkennen, dass die klassische Theorie des historischen Subjekts nicht funktioniert. Wir brauchen also eine Neue Theorie des „wer“, die dem „was“ und dem „wie“ nicht entgegensteht, sondern sich gegenseitig mit diesen befeuert.
Zurück ins Heute
Es ginge also für uns darum zunächst mal genauer zu bestimmen, wer diese „Commoners“ sind. Was ist ihre Stellung im gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozess heute? Wir haben sehr oft darüber gesprochen, was die Commons Based Peer Production gegenüber dem Kapitalismus auszeichnet und was an ihr schon Keimformen des Neuen sein könnten, aber weniger darüber, wie ihre Akteure im Alten verankert sind. Das versuche ich jetzt mal zumindest Skizzenhaft nachzuholen.
Zunächst einmal fällt auf:
- Die Commoners sind durchaus im Besitz (wenn es auch nicht notwendig ihr Eigentum ist) von Produktionsmitteln. Bei den alten Commons sind das meistens Randbereiche, die noch_nicht vom Kapitalismus erobert wurden. Die Einhegung der Commons war nie vollständig. Bei den neuen Commons sind das neue Bereiche, die durch die Dezentralisierung der Produktion möglich wurden. Der Computer auf dem Tisch mit der Leistungskraft ganzer Rechenfabriken ermöglicht dem Einzelnen enormen Zugriff auf Produktionskapazitäten.
- Gleichzeitig haben die Commoners aber keinen Zugriff auf die „Marktmittel“. Damit meine ich alle diejenigen Produktionsmittel, die Produkte marktförmig machen und halten, die den Zugang zu Märkten öffnen und andere Mitbewerber raus halten. Das können Werbeagenturen, Patentanwälte, Finanzprodukte, Serverfarmen oder Armeen sein. Alle diese Dinge sind also weiterhin im Besitz der alten industriellen Strukturen und sie sind ihnen auch nicht ohne weiteres zu nehmen.
In einer „erwachsenen“ kapitalistischen Produktionsweise werden die „Marktmittel“ aber immer wichtiger. Um das Eigentum an Produktionsmitteln auch verwerten zu können, muss man Zugang zu Märkten haben. In der expansiven Phase des Kapitalismus war es einfach diesen zu bekommen, heute bei global operierenden Oligopolen ist das extrem schwer.
Und genau dadurch entstehen die Commoners überhaupt erst als Klasse. Aus dem Widerspruch einerseits im Besitz von Produktionsmitteln zu sein, aber andererseits keinen Zugang zu Märkten zu haben. Um trotzdem von ihrem Produktionsmittelbesitz profitieren zu können sind sie also gezwungen an den Märkten vorbei Vorteile für sich und andere zu generieren. Diese Vorteile können dann durchaus auch wieder an noch leichter zugänglichen Märkten verwertet werden (Beispiele: Verdienen am Service für Freie Software oder Crowdfunding).
Die alten Commoners waren nicht wirklich eine Klasse. Sie waren eher das Außerhalb der Klassengesellschaft. Das gilt für die neuen Commoners nicht mehr. Diese haben eine ganz spezifische Stellung in der heutigen Klassengesellschaft. Sie sind einerseits mit einem Bein noch in der Arbeiterklasse und andererseits aber auch nicht in der Lage als Kapitalisten ihre Produktionsmittel zur Warenproduktion einzusetzen.
Marx und Engels gingen im Kommunistischen Manifest noch davon aus, dass sich die Vielfalt an Klassen mit dem Kapitalismus auf zwei reduziert. Alle werden entweder Arbeiter oder Kapitalisten (damals auch inhaltlich noch ohne die weibliche Form gedacht). In dem Maße wie der Kapitalismus aber immer weniger leicht zugängliche neue Märkte zur Verfügung hat, entstehen auch wieder neue Klassen.
In dem Maße wie sich nun diese neuen Commoners organisieren unterstehen sie natürlich auch dem Problem, dass sie sich nicht selbst abschaffen können. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: In dem was sie tun, also der Produktion der Commons arbeiten sie aktiv und permanent bereits an der Abschaffung ihrer selbst als Klasse. Während die Arbeiterin am Fließband mit jedem Hammerschlag ihre eigenen Ketten schmiedet, befreien sich die Commoner am Computer oder auf dem Feld mit jeder Handlung ein Stück weit aus ihrer klassenförmigen Beschränktheit. Die Inklusionslogik der Commons steht in einem permanenten Widerspruch zur Logik der Commoner als Klasse, denn eine Klasse ist ja gerade ein Teil einer Klassengesellschaft, also ein Teil einer Exklusionslogik. Während die Klassiker die Inklusion aller Menschen in eine nebulöse – im Kern wie oben geschildert idealistische, im schlechten Sinn utopische – Zukunft verbannten, produzieren die Commoners diese bereits im hier und heute, genau dabei produzieren sie sich aber eben auch als Klasse. Diesen Widerspruch findet man sicher an tausend Stellen in der alltäglichen Praxis der Commons (und auch hier sei auf unsere materialreiche Sammlung hier im Blog verwiesen), während der Widerspruch der Selbstauflösung der Arbeiterklasse von den Klassikern der Geschichte überlassen wurde (mit den bekannten teils recht unschönen Folgen).
Die Commoners als Klasse werden also in ihrer Eigenlogik dafür kämpfen, dass sie weiter in dieser Zwitterform existieren können, sie werden für den Zugang zu Produktionsmitteln streiten und für die Möglichkeit an Märkten vorbei ihre Güter verteilen zu können. Aus reinem Eigennutz. Damit sorgen sie für die Konstitution und den Erhalt der Commoners als Klasse, während sie gleichzeitig in Peer Produktion Commons erzeugen und erhalten und dadurch dem Kapitalismus Zugang zu Verwertungsmöglichkeiten vorenthalten.
Die Commoners schaffen also die materielle Basis für ein Ende des Kapitalismus in dem sie die Warenproduktion zurückdrängen. Wenn diese materielle Basis einmal geschaffen ist, brauch es aber vielleicht wieder eine neue Klasse, die dann dessen Ende besiegeln kann? Die Commoners selbst haben daran nicht zwingend ein Interesse, da sie durchaus auch im Spätkapitalismus existieren können, ja dieser sie sogar erst ermöglicht hat.
Ich hatte immer den Eindruck, dass die Formulierung vom „historischen Subjekt“ auch programmatisch gemeint war: Die Arbeiter werden ausgebeutet und es ist daher in ihrem Interesse, den Kapitalismus aufzuheben. Marx und Engels wollten ja auch die Arbeitsklasse radikalisieren, damit sie eben nicht beim Reformieren stehen bleibt. Sinngemäß: Wenn nicht ihr, wer soll es dann machen?
Genauso wenig wie damals die organisierten Arbeiter wollen heute die Commoners mehrheitlich den Kapitalismus aufheben. Sicher tragen Commons zunächst auch dazu bei, den Kapitalismus (grade in der Krise) wiederzubeleben. Aber langfristig gesehen zeigt eben doch jedes Commons-Projekt, dass es auch nicht-kapitalistisch geht. Daher denke ich, dass die Commoners tatsächlich das „historische Subjekt“ der nächsten Transformation sind. Allerdings gibt es auch hier keine Garantie, dass es gelingt; insbesondere wird der Zugang zu Rohstoffen zu einer Schlüsselfrage werden.
Hehe, Facebook verlassen setzt Kreativität frei 😉
Für mich liest sich das so, als ob du nach der Multitude als Ersatzklasse jetzt die Commoners an diese Stelle des »historischen Subjekts« setzt. Kann man ja mal durchspielen. Aber so richtig überzeugend finde ich das nicht:
Die Trennung von Produktionsmitteln und »Marktmitteln« kann ich nicht nachvollziehen. Es ist doch nicht so, dass kleine PM-Besitzer_innen keinen Marktzugang hätten oder bekommen könnten. Klar unternehmen die etablierten Marktteilnehmer alles, um neue Player in jeweils ihrem Feld draußen zu halten. Aber hier liegt auch die begrenzende und regulierende Rolle des Staats: Per Politik und Gesetz dafür zu sorgen, dass der Markt »frei« bleibt (oder wird: vgl. Deregulierung). Das ist doch gerade das neoliberale Mantra.
»Marktmittel« so wie du sie fasst sind sowas wie Mittel zur Schaffung künstlicher Knappheiten. Die stehen aber mehr oder minder allen zur Verfügung, etwa über die Gesetze zur Durchsetzung künstlicher Knappheiten im Bereich immaterieller Güter. Klar sind Patente für große Firmen ein geeigneteres Mittel als für Selbstangestellte, aber einen prinzipiellen Unterschied gibt es nicht. Es ist die Logik der Warenform, der alle unterliegen.
Es ist doch auch kein »an den Märkten vorbei«, wenn Entrepreneurs sich ihre Marktnische auftun, um dort ihre Dienstleistungen oder Waren zu verticken. Dort sprichst du dann auch wieder vom »leichter zugänglichen Märkten«. Mir ist auch nicht klar, ob diese (von mir jetzt mal so genannten kleinkapitalistischen) Entrepreneurs auch Commoners sind oder nicht. Mir scheint, du subsumierst (ähnlich wie der traditionelle Marxismus bei der AK) alles unter »Commoners«, damit sich überhaupt eine Gruppe findet, die nach »Klasse« aussieht und sich durch gemeinsame »Interessen« definiert.
Richtig finde ich die Einschätzung, dass die alten Commoners eher das »Außen« der Klassengesellschaft repräsentieren, während die neuen mittendrin sind. Aber ist deren Stellung so spezifisch, dass sie eine neue Klasse bilden? Hier gibt es sowohl die klassischen Arbeitskraftverkäufer, die Selbstangestellten mit ihren Mini-Dienstleistungen und Kleinprodukten, die Entrepreneurs mit Angestellten und auch größere Arbeitskraftkäufer (Unternehmer). Deren immanenten (Verwertungs-) Interessen sind keineswegs einheitlich. Sie teilen vielleicht, dass Open-Source für sie Vorteile bringt und Marktzugänge eröffnet.
Auch die Doppellogik leuchtet mir ein, nach »Möglichkeit an Märkten vorbei ihre Güter verteilen zu können«, um damit dann auch Marktnischen aufzutun. Das nutzt den Commons. Das haben wir auch schon immer so analysiert: Open Source entwertet einen bestimmten Bereich, um eine Verwertung in einem anderen Bereich sicherzustellen und zu ermöglichen. Aber auch das erzeugt IMHO keine einheitlichen Interessen.
Grundsätzlicher frage ich mich, ob der Interessen-Begriff überhaupt taugt, eine gesellschaftliche Transformation begreifbar zu machen. Allerdings ist er klarerdings mit dem Klassenkonzept verbunden. Konsequenterweise müsstest du dann aber begründen, warum die Commoner-Klasse auch gleichzeitig die Allgemein-Interessen repräsentiert (so wie weiland die AK). Aber am Ende brauchst du dann doch nochmal eine neue Klasse, weil in der Interessen-Logik die Selbstaufhebung eben nicht funktioniert.
Commeners sind im Besitz von Produktionsmitteln, das ist notwendig, um Güter – egal welcher Art – herstellen zu können. Außerdem verfügen sie über Zeit und Ressourcen. Damit sie Waren produzieren könnten, bräuchten sie auch noch Kapital, das ihnen jedoch fehlt. Sie können daher nicht kapitalistisch produzieren, also Waren herstellen. Sie können aber aus diesem Grund auch nicht als Klasse verstanden werden, denn dann wären sie durch ihre Stellung im Produktionsprozess als soziale Gruppe definiert. Das fehlende Kapital kann die „mangelnden Marktmittel“ als Erklärung auch voll ersetzen, denn Zugang zur Werbeagentur habe ich eben nur mittels Kapital. Wichtig ist die freie Zeit: Es reicht eben nicht, potentiell Zugang zum Fablab, den nötigen Ressourcen und zum notwendigen Wissen zu haben, wenn wegen einer 60h-Woche keine Zeit bleibt, wird man kein Commoner. Hier könnten sich auch Unterschiede zwischen digitalen und stofflichen Commons zeigen. Ich vermute jedenfalls, das sich leichter (gelegentliche) Beiträge zu digitalen als zu stofflichen Commons leisten lassen.
Zu welcher Klasse gehört denn ein Arbeiter, der seine Ersparnisse in Aktien anlegt? Irgendetwas scheint an Marx Klasseneinteilung nicht zu stimmen.
Hans-Hermann Hoppe stimmt mit Marx überein, dass es eine Klasse von Ausbeutern gibt und eine ausgebeutete Klasse. Allerdings sieht er die Kapitalisten nicht als Ausbeuter. Die Kapitalisten behalten zurecht einen Zins für ihr Kapital ein. Die Arbeiter wollen schließlich nicht auf eine eigene Fabrik sparen, sondern lieber heute etwas konsumieren können (=Zeitpräferenz). Darum arbeiten sie freiwillig in der Fabrik. (Diesen Einwand machte bereits Böhm-Bawerk gegenüber Marx.)
Die einzige Institution, die in einer Marktwirtschaft Zwang ausübt, ist die Regierung. Daher sieht Hoppe im Staat sowie seinen Günstlingen und Transferempfängern die Ausbeuter und in den Netto-Steuerzahlern die Ausgebeuteten:
Siehe Kapitel 4 „Marxistische und österreichische Klassenanalyse“ in
https://mises.org/document/860/Economics-and-Ethics-of-Private-Property-Studies-in-Political-Economy-and-Philosophy-The
Ein Interview mit Hoppe auf deutsch schneidet auch das Thema:
“Produzenten gegen Parasiten: Aufruf zum Klassenkampf”
http://www.misesde.org/?p=1985
„Zu welcher Klasse gehört denn ein Arbeiter, der seine Ersparnisse in Aktien anlegt?“ Antwort: Zur Arbeiterklasse. Warum? Weil man nach Marx nur Kapitalist ist, wenn man zwei Bedingungen erfüllt. Man muss 1. genügend Geld besitzen, um damit (fremde) Arbeitskraft kaufen zu können und muss 2. diese Arbeitskraft einsetzen, um mehr als das investierte Geld zu erwirtschaften (G‘). Erst dann wird es zu Kapital. Ein Arbeiter, der ein paar Aktien kauft, kann das nur bei vorherigem Verkauf seiner Arbeitskraft erreichen. Damit sind wir im Kreislauf W-G-W, denn zunächst wird Arbeitskraft verkauft, um Geld zu erhalten. Da der Arbeiter weiter vom Verkauf der eigenen Arbeitskraft lebt und nicht von der Aneignung fremder Arbeitskraft, bleibt er Arbeiter und wird auch durch den Aktienkauf nicht zum Kapitalisten. Falls der Einwand von Böhm-Bawerk nicht vereinfacht dargestellt wurde, ist er schlichter Unfug: Es gelingt weder mit damaligen noch heutigen Löhnen / Gehältern etc. genügend Geld zu ersparen, um eine Fabrik (!) oder allgemeiner, Produktionsmittel in großem Umfang, zu kaufen.
Empfehlenswert ist gegen solches Nachplappern auch heute noch die Zur Einschätzung auch und gerade der Fehler der universitären Marxkritik ist die Lektüre der sozialistischen Presse um 1900 empfehlenswert. Zu finden ist die Kritik an Böhm-Bawerk bspw. in der Neuen Zeit (http://library.fes.de/cgi-bin/populo/nz.pl).
„Die einzige Institution, die in einer Marktwirtschaft Zwang ausübt, ist die Regierung.“ Völlig richtig, aber auch nicht verwunderlich, da der Staat (und nicht nur die „Regierung“ als Teil der Exekutive) ein institutionalisierter Zwangsapparat ist. Warum er der einzige sein soll, erschließt sich wohl nur Liberalen, ich jedenfalls habe noch mit weiteren zwingenden Institutionen zu tun: lokalen Verwaltungsbehörden zum Bsp., die Geldzahlungen einstellen können (gehören zur Verwaltung und damit zur Exekutive, aber nicht zur Regierung), private Firmen wie die Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs, die zum Kauf von Fahrscheinen zwingen und andernfalls mit zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen drohen, der Vermieter, … Daneben existieren auch noch soziale Zwänge (versuch dich mal über alle Moralvorstellungen hinwegzusetzen) und Weiteres.
Hallo Stefan,
ich halte von Überlegungen, nach denen gewisse Menschen nicht zum „historischen Subjekt“ gehören (was ja die Suche nach demselben impliziert) für reichlich antiquiert und einen der größten Konstruktionsfehler des Traditionssozialismus. Von dort zum rezenten Stalinismus ist es nicht mehr weit. Mehr dazu in meinem Text „Wie geht Fortschritt“.
Meine Antworten lauten: „wer“ – „alle“, „was“ – „konkrete kooperative Praxen in ihrer vollen Breite und Widersprüchlichkeit“, „wie“ – „konkrete kooperative Praxen in ihrer vollen Breite und Widersprüchlichkeit“. Die Dopplung hier ist kein Schreibfehler. Insofern, Stefan, sind wir bis dahin wohl nahe beieinander. Eine herausgehobene Rolle der „Commoner“ jenseits des Umstands, dass es für eine gewisse Zeit der menschlichen Entwicklung (die Praxen sind nicht neu – Verweis auf E. Ostrom) keine dominanten Praxen waren, kann ich nicht erkennen. Du schriebst vor zwei Jahren
Dem habe ich nicht viel hinzuzufügen als die Bemerkung, dass diese Praxen nach meiner Beobachtung derart verschieden voneinander sind, dass sie nur als je konkrete Realität begrifflich gefasst werden können. Das hat gewisse epistemologische Konsequenzen.
@Buchfreund
Meines Wissens sieht Marx gar nicht vor, dass Arbeiter Anteile erwerben statt immer weiter zu verelenden. Etwa weil sie mit steigenden Löhnen einfach mehr Kinder in die Welt setzen.
Es gibt nicht bloß Marxkritik, sondern Marx ist in gewissen Punkten schlicht widerlegt. So ist die Arbeitswerttheorie inzwischen als unhaltbar widerlegt, die Marx übernommen hatte, um seine These von der Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten zu belegen. Die Früchte der Arbeit, die dem Arbeiter angeblich vorenthalten werden, sind in Wirklichkeit Zinsen.
Natürlich können die Arbeiter nicht mal so eben eine Fabrik kaufen. Das ist genau der Punkt. Böhm-Bawerk kann mit der Zeitpräferenz den Zins erklären. Zeitpräferenz bedeutet, dass der Besitz eines Bestimmten Gutes etwa einem Fisch heute mehr Wert ist, als wenn man ihn erst eine Woche später besitzt. Das gilt auch ganz ohne Klassen: Wenn Robinson Crusoe Hunger hat, kann er sich nicht erst einmal eine Woche hinsetzen und ein Netz knüpfen. Sondern er muss erst einmal mühsam Fische von Hand fangen, um satt zu werden. Erst wenn er einen ausreichenden Fischvorrat zusammen hat, wird er ein Netz knüpfen.
Wenn Freitag hinzukommt und auch ein Netz haben will, hat er es einfacher. Er kann Robinson um einen Fischkredit bitten und kann dann sofort ein Netz knüpfen. Dadurch fängt er von Anfang mehr Fische, und kann seinen Kredit mit Zinsen aus diesem Überschuss zurückzahlen.
Ludwig Mises hat später gezeigt, dass diese Zinstheorie praxeologisch richtig ist. Das heißt sie baut nicht auf Beobachtung auf, sondern lässt sich unwiderleglich aus der Logik des Handelns zeigen.
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Die Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs zwingen niemanden zum Einsteigen. Die Bezahlung erfolgt also nicht unter Zwang. Das ist Unsinn.
@HGG: Kann es sein, dass du mir irrtümlich die Autorenschaft des Artikels zugeschoben hast?
@Stefan: In der Tat, entschuldige.
Entschuldigt bitte die späte Antwort.
@Stefan: Mir geht es nicht darum einfach die AK oder die Multitude durch die Commoners zu ersetzen, dass sollte wohl deutlich geworden sein.
Zu „der Staat ist dafür zuständig den Marktzugang offen zu halten“. Genau das ist doch der Punkt, dass das im Moment genau umgekehrt läuft. Von der Bahnprivatisierung über die Energiewirtschaft oder von Softwarepatenten bis zum Leistungsschutzrecht passiert doch genau das Gegenteil und das nicht nur hierzulande. Das ist ein globaler Trend. Oligopole schotten sich staatlich unterstützt ab.
Ich wollte gerade deutlich machen, dass die Commoner eben gerade _nicht_ die Allgemeininteressen repräsentieren aber trotzdem einen Beitrag zur Überwindung des Kapitalismus aus Eigeninteresse leisten. Ist mir wohl nicht so ganz gelungen. Der Witz ist doch, dass die gesellschaftliche Transformation gerade von der Klassen-/Interessenhaftigkeit hin zu deren Abschaffung verlaufen soll aber ja nirgendswo starten kann ausser in eben einer von Klasseninteressen geprägten Gesellschaft. Das einfach zu ignorieren und davon auszugehen dass sich das schon irgendwie richten wird, weil muss ja, ist für mich schlechter Idealismus.
@Hans-Gert: Herzlichen Glückwunsch. Du bist der erste, der mir Stalinismus unterstellt, das hat bisher noch niemand geschafft. Schon ein bisschen absurd, nur weil ich davon ausgehe, dass eben nicht alle Menschen das gleiche Interesse haben, oder?
@both: Klar, konkrete Praxen gilt es zu untersuchen. Aber diese Gesellschaft wird eben gerade nicht nur von konkreten Praxen sondern vor allem von abstrakten Prinzipien beherrscht und ohne Kräfte, die _innerhalb_ dieser Logik funktionieren wird es keine Transformation geben, weil man die sich dann vielleicht wünschen kann, aber sie eben keine materielle Grundlage hat. Das ist ja der Grund weswegen Marx und Engels das mit dem historischen Subjekt sich überhaupt ausgedacht haben. Dass ist wie gesagt so falsch gewesen (deswegen ja mein historischer Exkurs), aber die theoretische Lücke, die dieses Konstrukt gefüllt hat, kann ja nicht einfach leer bleiben ohne in idealistischen Volontarismus zu verfallen.
@Buchfreund: „Damit sie Waren produzieren könnten, bräuchten sie auch noch Kapital, das ihnen jedoch fehlt.“ das ist imho falsch. Zur Warenproduktion braucht man einen Markt und das Eigentum an Produktionsmitteln, Kapital ist nur das Mittel um das zu bekommen.
@Benni: Offensichtlich haben wir grundlegend verschiedene Vorstellungen darüber, in welchem Umfang Stalinismus strukturelle Wurzeln hat.
Zum Thema „abstrakt“ empfehle ich unbedingt Kleemanns Variation auf das Hegelsche Thema „Wer denkt abstrakt?“ in unserem MINT-Band.
@Benni: Mir ist immer noch nicht klar, warum du eine Klasse brauchst, also ein einheitliches Subjekt. Die Argumentation über die wiedersprüchlichen Interessenlagen ist doch ausreichend: Wenn die These von der doppelten Funktionalität stimmt (dritter Schritt im Fünfschritt), und genau so argumentierst du ja, dann findest du immer auch Subjekte, die genau die zwei widersprechenden Funktionen ausfüllen: Es gibt die, die peercommonistische Produktion im Rahmen der Verwertung nutzen (und gleichzeitig für Entwertung von anderen Segmenten sorgen), und es gibt die, die den verwertungs-inkompatiblen Aspekt vorantreiben — und das ggf. in ein und derselben Person. Die Aufhebung der alten binären Klassenlogik (mit der Perspektive der Aufhebung von Klassen überhaupt) läuft bereits und ist kein Prozess, der irgendwann später kommt. IMHO müssen wir dafür keine neue Klasse (er)finden.
@Stefan: Für mich ist eine Klasse kein einheitliches Subjekt, sondern einfach eine Gruppe von Menschen mit ähnlicher Interessenlage mit dem Potential in dem Prozeß der Durchsetzung dieser Interessen zum Subjekt zu werden. („Klasse an sich“ vs. „Klasse für sich“)
Wenn es keine gemeinsamen geteilten Interessen gibt die ein Ende des Kapitalismus befördern, wird es auch nicht kommen (So weit sind wir uns ja sicher einig). Ich argumentiere nun nur dafür, dass dieses gemeinsame geteilte Interesse nicht eines der Selbstauflösung sein kann, deswegen aber trotzdem zur Entwertung beitragen kann. Der eigentliche Aufhebungsprozess kann dann erst darauf aufbauend beginnen (kann sein, dass man dann keine Klassen mehr braucht, aber so weit sind wir ja nicht).
Zu „Die Aufhebung der alten binären Klassenlogik (mit der Perspektive der Aufhebung von Klassen überhaupt) läuft bereits“: Das sehe ich nun gar nicht. Das letzte Mal als ich geguckt hab, gab es den Arbeitszwang noch und er verschärft sich auch immer mehr. Das ist ja aber der ganze Witz bei der „binären Klassenlogik“: Die einen müssen arbeiten, die anderen nicht. Wo läuft denn da die Aufhebung bereits? Da würd ich nämlich gerne hin 😉 Wie gesagt: Die Arbeiterklasse ist kein Erinnerungsfoto.
@Benni: Fragwürdig scheint mir an deiner Argumentation u.a., dass du Commoning scheinbar als Defizit-Aktivität betrachtest, weil du meinst, nur weil sie „keinen Zugang zu Märkten […] haben […] sind sie also gezwungen an den Märkten vorbei Vorteile für sich und andere zu generieren.“ Fragen dazu:
Haben sie den generell nicht? Es gibt doch durchaus auch kapitalistische Commoners. Ich bewege mich derzeit stark in der RepRap-Szene (werde darüber bei Gelegenheit auch noch bloggen). Das ist zwar eine stark von Hobbyisten geprägte Szene, aber es gibt auch allerhand Firmen wie LulzBot, die einerseits materielle Dinge verkaufen, andererseits aber ihr Wissen (z.B. ein neues Fabber-Design oder Komponenten) freigeben und so zu den Commons beitragen. Bei deiner Argumentation der „Commoners als Klasse“ scheint mir eine gewisse Detailblindheit zu bestehen, die diese kapitalistischen Commoners schlicht übersieht.
Auch bei den Commoners, die sich nicht am Markt bewegen, stellt sich mir die Frage: Machen sie das, weil sie nicht können (wie du unterstellst) oder weil sie nicht wollen? Linus Torvalds hätte sein neues Betriebssystem ja z.B. durchaus als Shareware auf den Markt werfen können, ähnlich wie das bei seiner Inspirationsquelle MINIX der Fall war. Klar dann hätte er keine Mitstreiter_innen gefunden, sondern alles alleine machen müssen, und sicherlich wäre das System dann nicht sehr erfolgreich geworden, aber ein kleines Zubrot hätte er sich wohl verdienen können. Der Zugang zum Markt war da, dass er ihn nicht genutzt hat, war seine Entscheidung, nichts wozu er „gezwungen“ war.
Am Rande sei noch angemerkt, dass es auch an der Realität vorbeigeht, wenn du „der Klassikern“ unterstellst, sie hätten geglaubt, die Arbeiter(klasse) und ihre Organisationen würden pauschal ungefähr dieselben Interessen haben und bei der Auflösung des Kapitalismus daher schon an einem Strang ziehen. Von Friedrich Engels gibt’s z.B. folgendes Zitat (Brief von 1882):
@Christian:
ad 1) mit „Zugang zu Märkten“ meine ich jetzt nicht irgendwelche Nischenmärkte, sondern dass wo das große Geld gemacht wird. Das gibt es via Commons fast nicht.
ad 2) Es geht ja nicht um die Entscheidungen von Individuen. Klar hätte Linus Thorvalds Linux an 5 einhalb Leute verkaufen können, aber das ist für das Big Picture nicht relevant. „Systemrelevant“ wurde Linux eben nur, weil es auf Commons gesetzt hat. Und es ist ja schon lange komplett unmöglich ein neues Betriebssystem im Massenmarkt zu etablieren, dass nicht einen der Big Player im Rücken hat. Es gab ja zu der Zeit einen ganzen Zoo von unixoiden proprietären Systemen: Alle mehr oder weniger tot.
und zu den Klassikern: Klar, dass ist ja aber eine konkrete Unterscheidung und keine theoretische. Die haben dann eben noch kein „Klassenbewusstsein“.
Der Rätsel Lösung um die Klasse ist, dass sie ziemlich brutal durch den Druck seitens des Kapitals geschaffen wird – durch sogar mit außerökonomischen Druck durch Staatsmacht und davon abgeleitet, kulturellem und sozialem Druck. Die gute Seite der Grundidee der Commons ist, sich ein wenig der formellen Subsumtion der Arbeitskraft zu entziehen und damit der weitergehenden, bei der Arbeitsintensität, nämlich fast der Subsumtion des Großteils ihrer Seele und Kopfes. Letzteres droht sogar den Akademikern, und ist da zum Teil recht fortgeschritten. Die schlechte wäre, genau das Gegenteil, als eine Art umgekehrter Mephisto, zu bewirken. Das „Klassenbewusstsein“ sollte dafür sorgen, die vielen Störmanöver als solche recht schnell auszusondern. Sie kommen von interessierter Gegenseite und teilweise von, schreiben wir, fast notwendiger „Ungeübtheit“ und dann fehlerhafter Freund/Feind Unterscheidung. Vertrauensverhältnisse sind im Internet extrem schwierig zu schaffen.
@Benni: Ob nun »Klasse ist« oder »Klasse wird« — wozu?
Äh, ne, sieht so aus, als ob nicht. Ich glaube nicht, dass im Interessen- oder Klassenmodus das Ende des Kapitalismus erreicht werden kann. Oder bestenfalls in dem dystopischen Sinne, dass danach nochmal Kapitalismus kommt, nur deutlich ätzender. Aufhebung geht im Interessenmodus nicht, sondern Aufhebung ist auch Aufhebung des Interessenmodus, sprich der Exklusionslogik des Kapitalismus. Behältst du die Interessen-Exklusionslogik bei, ist kein Commonismus machbar.
Der Prozess der Aufhebung der binären Klassenlogik läuft in dem Sinne, dass es eben nicht schlicht die gibt, die arbeiten müssen und andere nicht. Der Lottogewinner, der nicht mehr arbeiten muss, gehört dann zur, ja was, »Geldklasse«? So sind doch binären Klassen nicht bestimmt. Sondern dadurch, dass die einen gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, weil sie keine Produktionsmittel haben, und die anderen, die Produktionsmittel haben, die Arbeitskraft kaufen, um sie zu verwerten. Diese binäre Logik löst sich auf, allerdings (noch) nicht, weil die Funktionen verschwänden, sondern weil die Funktionen nicht mehr personell geschieden sind und durch die Menschen hindurch gehen. Damit wird aber klar, dass es sich nicht um ein Klassenproblem handelt, das etwa durch Enteignung der Produktionsmittel zu lösen wäre (dem/der Softwareentwickler_in den Laptop wegnehmen?), sondern um ein Klassenproblem, das nur durch die Aufhebung der Klassen und der durch sie ausgeübten Verwertungs-Funktionen beendet werden kann. Die Klassen verschwinden sehr schnell, wenn sie ihre Funktion verlieren. Sie jetzt genau gegenläufig nochmal als wie auch immer definierte Klassen zum Subjekt machen zu wollen, ergibt für mich keinen Sinn.
@Benni:
Also die RepRap-Firmen waren jetzt das erste Beispiel, was mir in den Sinn kam, klar ist das ein Nischenmarkt. Wobei Firmen wie LulzBot und TrinityLabs m.W. gut ein Dutzend Mitarbeiter haben, also typischer „Mittelstand“. Klar die haben keinen Zugang zu den Märkten, wo nur big players mitmachen können und wo das ganz große Geld gemacht wird – aber das gilt für 99% aller kapitalistischen Unternehmen und für alle Individuen sowieso. Also wenn das eine Gemeinsamkeit aller Commoners wäre, wäre es banal, denn diese Gemeinsamkeit teilen sie mit unzähligen Nicht-Commoners.
Aber selbst die big players, die nach deiner äußerst restriktiven Lesart als einzige „Zugang zu Marktmitteln“ haben, setzen ja zunehmend auf Commons – sei’s dass sie selbst dazu beitragen, wie Google und IBM, sei’s dass sie sie einfach ausnutzen ohne etwas zurückzugeben, wie Apple. Klar, Apple ist kein Commoner und um die von großen Firmen wie Google und IBM initiierten Projekte bildet sich selten eine gut funktioniere Community (meist muss der Großteil der Beiträge von Angestellten derselben oder anderer Firmen kommen, wie bei Eclipse). Dennoch scheint es mir falsch, diese big players pauschal zu Nicht-Commoners zu erklären – dass es für sie sinnvoll ist, sich auf die Commons zu beziehen und diese oft sogar zu unterstützen, ist ja gerade einer der spannendsten Aspekte der derzeitigen Situation.
Ansonsten scheinen mir Stefans Ausführungen stimmig. Die Commoners zu einer Klasse schmieden zu wollen, die zum Kapitalismus allesamt in einem ganz bestimmten Verhältnis stehen, kommt glaubich beim besten Willen nicht hin. Dafür sind sie viel zu vielfältig – aber gerade darin liegt ihr Potenzial.
Die Klassenlogik ist die einer „Kristallisation“ aus der Masse (Multitudo) – Defaultzustand jedes Gesellschafstmitgliedes. Es geht da weniger um eine möglichst „korrekte“ Einordnung jedes Gesellschafstmitgliedes sondern um die großen ALS KOLLEKTIVE zusammenwirkende, also überindividuelle Handlungssubjekte, mittlerweile mit verschieden „Kulturen“, Sitten etc. die recht weit verzweigt und verästelt sind. Engels selbst war formal und real Kapitalist, Unternehmer. Nur liegt die Erkennstnsifähigkkeit und seine Macht Ideen zu bilden (überlichweise asl „Meunungsfreiheit“ bezeichnet“) neim Gesellschafstmitglied so hovch dass man nicht nur einfach der intellektulee Anhängsel seiner sozioökonomischen Lage ist – obschon „das Sein (nicht nur das ökonimische) das Bewusstsein“ bestimmt . Insbesondere Kunst und Wissenschaft haben schon stark auf „Selbstverwirklichung“ und „Allgemeine Wohlfahrt“ ausgehende Kulturen geschaffen, die von der Informatik doch stark abweichen. Das Schrifsteller und Journistenwesen ist natürlich stark von den politische Klassenkulkturen durch sein Leserschaft geprägt. Analog die andern Medien die aber nicht staaatlcih udn wirthaftlcih kontrolliert werden. In dem Massenkulturen, ist die Polarierung und Kristallsierung so ähnlich wie in stark gemischten geologischen Schichtenn im Verhältnis zu den reinen Kristallen. Um die Ausgangsfrage zu beantworten, ist die „technische“ Intelligenz, auch die mediale in meinen Augen eien veallgemeinernde Fortsetzung dr früheren Arbeiterklasse, da sie dei „SChwammigleit“ der Msassenkulturen wegen der schärgren Intellektualität schnelr und ssssichdr „kristalisiert“. Sozusagen eine erweitete „ober Schicht“ der Arbeiterklasse, wei si esich ökonomisch nicht mayassewnahft aus FeRevenuen reproduzieren kölne wird, Fpr eienen Ausdrucjk der Arneutrerklsse sit sie aber zu groß oder zu klein, je nachdem. In der Ausbildung ist sie sozusagen Lohnenpfänge im Wartestand – oder aufdies bezogen. ES ist dei „Gegebamchr“konzeption zum Bürgertum, die sie eint.
Im reinen Kapitalismus ohne „geistiges Eigentum“ sind Ideen, Rezepte usw. freie Güter – wie die Atemluft. Das heißt, sie werden nicht bewirtschaftet, weil sie nicht verbraucht werden oder im Überfluss vorhanden sind. Die Commoners müssen daher keineswegs Anti-Kapitalisten sein. Die Comic-Autorin Nina Paley bezeichnet sich z. B. selbst als freisinnig („libertarian leaning“).
Ich verstehe nicht, warum hier manche „den Kapitalismus“ überwinden wollen. Im Kapitalismus kann nur derjenige reich bleiben, der seinen Mitmenschen dient. Er hängt vom Stimmrecht der Verbraucher ab, die mit jedem Cent ihre Stimme abgeben. Der Reiche mag zwar mehr Geld haben, aber auch er kann sein Geld nur einmal ausgeben. Das scheinbar mächtige Firmenimperium Schlecker wurde ganz einfach durch das Votum der Verbraucher zu Fall gebracht. Die Firma war in ihren Augens nichts mehr Wert, womit ihr Eigentümer entmachtet wurde.
Viel gefährlicher sind die Politiker, die z. B. über die Zentralbanken gefälschte „Stimmzettel“ in Umlauf bringen, und damit die Banken retten.
Ich denke, wir wären schon weit, wenn wir hinter dieser Vielfalt der Commons und damit der Vielfalt der Praxen auch die Vielfalt der Lebensentwürfe genauer in den (theoretisierenden) Blick bekämen, die ja auch logischerweise Parallelität (concurrent – vor langer Zeit hatten wir mal den Begriff Kooperenz geprägt) mit sich bringt, die einerseits zu Synergien, andererseits zu Konkurrenz führen kann. In einer aktuellen Leipziger Debatte habe ich noch einmal gefragt, wie viel Kapitalismus denn nun in den rezenten Commons steckt (und ob es schlimm wäre, wenn die Antwort lautete „ganz schön viel“). Schließlich agieren die rezenten Commoners im Kapitalismus, einem System, das erwiesenermaßen in der Lage ist, selbst auch aus Vielfalt neues Potenzial zu generieren. Insofern, Christian, Zustimmung, auch wenn ich weiß, dass sie dir nicht gefallen wird.
@Thomas, HGG: Genau, dass Commons generell antikapitalistisch sind, würde ja auch niemand behaupten.
Thomas, du machst allerdings den Fehler, nur „Verbraucher“ – also zahlungsfähige Konsument_innen – als Menschen anzuerkennen. Wer kein Geld hat, zählt für dich nicht; wer weniger hat, weniger. Aber vermutlich ist das gar kein Fehler, sondern Ideologie.
@Stefan:
Du verwechselst hier notwendige mit hinreichenden Bedingungen. Ich denke schon, dass wenn es keinerlei Interessen innerhalb des Kapitalismus gibt, die über ihn hinausweisen, er auch nicht enden sollte. Im Kapitalismus ist eben alles nach Interessen organisiert. Das heißt ja aber noch nicht, dass es auch hinreichend ist, wenn es diese Interessen gibt. Das ist doch im Kern die Keimformfrage: Wie kommen wir raus, obwohl wir ja noch mit beiden Beinen drin sind?
Das war ja aber genau mein Punkt. Selbst wenn wir (als hochqualifizierte ITler) inzwischen fast alle Produktionsmittel haben, müssen wir halt trotzdem arbeiten gehen. Das ist meiner Meinung nach anders als zu Marx Zeiten und erklärungsbedürftig. Ich habe versucht das mit dem Begriff der „Marktmittel“ zu beleuchten. Kann sein, dass das schief ist, trotzdem sehe ich da weiterhin Erklärungsbedarf.
@Christian:
Ja, das sehe ich inzwischen eigentlich auch so. Dennoch bleibt für mich eine „Erklärungslücke“ und die deckt sich auch ziemlich damit, dass Keimformtheorie für viele Menschen nicht anschlussfähig ist. Und die geht auch nicht einfach weg, wenn wir nur warten bis alle Zugang zu nem 3D-Drucker haben.
Für mich ist da momentan so etwas wie ein Stillstand eingetreten. Es gibt z.B. sehr viele Bereiche der immateriellen Produktion die fest in der Hand des Proprietariats sind und das hat strukturelle Gründe und ich hab manchmal den Eindruck, dass wir uns denen nicht stellen. Nach bisheriger Keimform-Theorie dürfte es die nämlich nicht geben, bzw. sie müssten auf dem Rückzug sein. Sind sie aber nicht. Und auch schon lange nicht. Warum hat die Enzyklopädia Brittanica verloren aber Apple gewonnen? Das sind Fragen, die werden hier nicht beantwortet und ich glaube ohne einen näheren Blick auf die Funktionsweisen und Interessen innerhalb des Kapitalismus und die Motivationslagen von Commoners und Proprietariern kommt man da nicht weiter.
Aber kann ja sein, dass das nur meine Probleme sind und ihr das alles schon wisst.
Christian, mich würde mal interessieren, ob du Teilauto zu den Commoners rechnest, schließlich
@Benni:
Nicht im Interessenmodus. Wie aber dann? Im Interessenmodus mit den neuen Mitteln (cbPP) das tägliche Leben sichern und jenseits davon die Dinge tun, die mir ein wirkliches Bedürfnis sind. Und eben damit leben, dass beides in Widerspruch zueinander gerät, da mensch ja nur eine Person ist und die doppelte Funktion nicht auf zwei verteilen kann. Oder formelhafter: das Alte im Interessenmodus, das Neue im Bedürfnismodus und das gleichzeitig (3. Schritt: »doppelte Funktionalität«).
Ok, dann ist das das eigentliche Thema! Dann lass uns doch mal direkt darüber diskutieren. Deine These war, das die Keimformtheorie nicht anschlussfähig ist, weil sie kein historisches Subjekt kennt, unter das sich die Beteiligten subsumieren können, obwohl sie eigentlich (»objektiv«) müssten. Korrigiere mich, wenn ich das falsch zusammenfasse.
Dem würde ich entgegensetzen, dass die Keimformtheorie kein historisches Subjekt im alten Sinne kennen kann, weil der Kapitalismus genau in dem (Klassen-/Interessen-) Modus nicht aufhebbar ist. Ironisch könnte ich sagen, dass du das historische Subjekt findest, wenn du in den Spiegel schaust — oder eben nicht 😉
Damit ist die Frage aber nicht gelöst.
@alle: Ist die Keimformtheorie nicht anschlussfähig, und wenn ja, warum nicht? Wenn doch, was sind dennoch Probleme?
Beiträge gerne auch als eigene Artikel 🙂
@HGG:
Jup. Zeigt allerdings auch, weshalb ich Commons allein noch nicht so spannend finde. Die vielen Car- etc. Sharing-Projekte sind zweifellos ein Indiz für das Umsichgreifen des Commons-Ansatzes, aber erst da, wo Neues produziert oder Vorhandes reproduziert (und nicht in erster Linie einfach nur genutzt) wird, kann dieser sein volles Potenzial entfalten. Deshalb finde ich die „commonsbasierte Peer-Produktion“ auch den wichtigeren Begriff, auch wenn er langatmig ist.
@Christian: Verstehe ich dich richtig, dass sich aus deiner Sicht Teilauto von einer spannenden zu einer weniger spannenden Praxis entwickelt hat in dem Maße, wie die Idee „die Massen ergriff“? Es ist ja in der Tat ein Unterschied in der Organisation einer Unternehmung erforderlich, wenn „Zehn Leute sich entschlossen, einen Skoda Favorit gemeinsam nutzen zu wollen“ oder wenn „rund 13.000 Privat- und Geschäftskunden täglich unsere 400 Fahrzeuge an 250 teilAuto-Stationen in inzwischen 16 Städten nutzen“. Allerdings organisiert Teilauto (im Gegensatz zu solchen Späßen wie Wikispeed) in der Tat einen Mobilitätsservice, der es mir zum Beispiel heute erlaubt hat, mit der Bahn nach Erfurt und zurück zu fahren (21 Euro Sachsenticket) und dort ein Teilauto für den Tag gebucht zu haben (ca. 40 Euro incl. Benzin). Ist eine solche Form von „Arbeitsteilung“ (Bereitstellen und Nutzen eines solchen Service) jenseits von CBPP? Worauf käme es ggf. an?
@HGG: Teilauto begann womöglich als Commons – jedenfalls habe ich den Anfang deiner zitierten Quelle so gelesen, dass da die gemeinsame Nutzung einer auch gemeinsam verwalteten Ressource (der Skoda) durch „Gleichgesinnte“ Zweck des Ganzen war. Heute scheint es hingegen ein ganz gewöhnliches kapitalistisches Unternehmen zu sein, dass seine privaten Ressourcen („unsere 400 Fahrzeuge“) einsetzt, um Geld zu vermehren. Das hat mit Commons nichts zu tun und ist auch nicht neu, vermieten und verleihen gegen Geld waren immer schon typische kapitalistische Geschäftsmodelle.
Auch vom wesentlichen Merkmal der Peer-Produktion – stigmergische Selbstorganisation mittels freiwilliger Beiträge – ist dort nichts zu sehen. Stattdessen gibt es „15 feste Mitarbeiter“, die das machen, was im Kapitalismus eben fast alle machen: ihre Arbeitskraft verkaufen, weil sie Geld verdienen müssen.
@Christian: Da entsteht natürlich sofort die Frage, wo und warum ist das Ganze (in deinem Verständnis) gekippt? Als langjährig praktisch involvierter Nutzer des Service sehe ich auch einen klaren Unterschied zwischen Teilauto und einer Autovermietung. Schade, dass dich das Maß deiner Visionen an der Stelle offensichtlich schon zum Urteil führt „unspannend, der weiteren Betrachtung nicht würdig“.
@Stefan: Nein, so kommen wir noch nicht zusammen. Du drückst Dich da um was. Mir geht es um die Erklärungslücke und weniger um die Anschlussfähigkeit (die folgt für mich eher daraus). Die scheinst Du aber gar nicht als Problem zu sehen. Ich formuliere mal ein paar Thesen. Sag mir, wo Du widersprichst:
1. Ohne Interessen und deren Organisation gibt es keine Keimformen. Das ist eben genau der Unterschied zwischen den 80ern und heute. Damals gab es zwar Selbstorganisierung, aber sie traf nicht im gleichen Maße wie heute auf ein gesellschaftliches Interesse.
2. Wenn es diese Interessen gibt und sie wichtig für uns sind, dann macht es auch Sinn, diese als Klasseninteressen zu analysieren. Denn,
3. Interessen in Klassengesellschaften organisieren sich als Klasseninteressen und wir leben in einer Klassengesellschaft namens Kapitalismus.
Und zum widerholten Male, auch wenn Du mir immer das Gegenteil unterjubeln willst:
4. Ja, Kapitalismus ist nicht im Interessenmodus aufhebbar, aber trotzdem sind die Bedingungen seiner Aufhebung nur im Interessenmodus zu erreichen, eben weil es auf gesellschaftlich wirksamer Ebene einfach nichts anderes gibt als Interessen zur Zeit, eben weil wir noch nicht in einer Interessenlosen Gesellschaft leben. Also:
5. Interessen führen dazu, dass sich Interessenlosigkeit entfalten kann. Und zwar
6. (was der eigentliche Punkt an dem Artikel war über den fast nicht diskutiert wurde): Anders als im alten Marxismus, ohne dass man die Selbstauflösung der Klasse fordern müsste.
(Ich verwende hier übrigens Deinen Begriff von „Interesse“ als etwas das immer Partialinteresse ist, auch wenn ich das nur so halb einleuchtend finde, aber sonst kommen wir fürchte ich gar nicht zusammen).
Wenn ich das recht verstehe – eine Keimform, eine Klasse. Über wie viele solcher Keimformen denkst du da nach? Keimform im Singular oder Plural?
@HGG: Keine Ahnung. Wir hatten das mal diskutiert, gab aber kein Ergebnis, wenn ich das recht erinner.
Hallo Benni, du hast mit deinen sechs Punkten recht deutlich gemacht, dass du (auch) mit den Commoners eine Kampfrhetorik verbindest und wohl deshalb mit dem Klassenbegriff spielst (der sich ja angesichts der historischen Erfahrungen fragen lassen muss, wie er mit „Bewusstwerden der Klasseninteressen“, „bewusste Vorhut der Klasse“, „Disziplin“, „Pflicht“, „Diktatur der Klasse“ und dann vor allem der Frage „Anders Denkende“ – kurz, der ganzen „Stalinismusfrage“ – umgeht). Dazu finde ich bei dir nichts.
Vielleicht sind ja Keimformen auch eher eine Suchbewegung? Wie steht das etwa zu Blochs konkreten Utopien?
@Stefan: Trotz neuem Editor Formatierung des Texts erst im zweiten Zugriff „Bearbeiten“ möglich. Zeilenumbrüche werden vorher komplett in Leerzeichen verwandelt.
@HGG: Hör bitte auf, mich einen Stalinisten zu nennen. Von all dem was Du da reinfabulierst steht nichts in meinem Text und auch nichts in irgend einem anderen Text von mir im Gegenteil hab ich ja sogar den Stalinismus explizit kritisiert. Ich möchte nicht länger als Projektionsfläche für Deine biographischen Traumatisierungen dienen. Wenn Du das brauchst, mach das in einem eigenen Blog, aber nicht hier.
@HGG #29:
Keine Ahnung, aus dem minimalen geschichtlichen Abriss lässt sich ja
nicht mal absehen, ob das Ganze jemals als Commons gedacht war. Falls
dich das so interessiert, mach doch ne Studie dazu, du scheinst dich mit
dem Unternehmen ja gut auszukennen.
@Benni: Ja, irgendwo reden wir aneinander vorbei. Ich sehe die Erklärungslücke nicht, vielleicht bin ich ja blind. Und ich unterstelle dir gar nichts. Ich kann dich nur so verstehen und darauf reagieren, wie ich dich eben verstehe.
Zu deinen Thesen:
1. Es gibt Keimformen ohne Interessen. Keimformen haben mit Interessen zunächst nichts zu tun.
Aus meiner Sicht ist der Unterschied zu den 80ern umgekehrt: Heute ist eine Konstitution des Neuen im Interessenmodus nicht möglich. Anders gesagt: Die Selbstorganisation seinerzeit war im Keimformsinne nichts Neues. Folglich gab es auch kein großes gesellschaftliches Interesse (im Sinne von Funktion), IMHO aus Gründen der begrenzten bzw. rückwärtsgewandten Produktivkraftentwicklung.
2. und 3. sind damit gegenstandslos.
4. Mir ist der Unterschied zwischen »Aufhebung im Interessenmodus« und »Bedingungen der Aufhebung im Interessenmodus« nicht klar.
Ich denke, dass sich Keimformen ganz wesentlich ihre eigenen Bedingungen und damit die Bedingungen ihrer Entfaltung mit der Perspektive der Aufhebung des Kapitalismus selbst schaffen. Peer-Produktion funktioniert nur im Peer-Modus, Commons nur im Commons-Modus. Diese Bedingungen müssen selbst geschaffen werden. Dass dies wiederum als Faktor zur Verbilligung der Warenproduktion genutzt werden kann, ist klar (doppelte Funktionalität).
Dies tun die Keimformen im Raum der Partialinteressen, in dem sie logischerweise agieren müssen, um ihr Tun auch interessenförmig abzusichern (etwa der Kampf gegen Patente etc. oder auch die Geldversorgung). Dieser Absicherungskampf (»Dämme bauen« wurde das mal genannt) hat aber nichts mit der Aufhebung zu tun. Aufhebung ist, verkürzt gesagt, die neue Produktionsweise durchzusetzen (»Schiffe bauen« in dem Bild). Dabei kommt es immer wieder zu Konfrontationen mit der alten Interessenlogik (etwa die »Eigentumsfrage«), aber darin liegt aus meiner keine Aufhebung. Nun ist mir nicht klar, ob du das bereits mit »Bedingungen der Aufhebung im Interessenmodus« meinst. Dann könnte ich zustimmen, finde das aber so formuliert zu unspezifisch, weil es sich so anhört, als ob aus dem Interessenkampf selbst das Neue wächst — und das sehe ich nicht.
5. und 6. kann ich nicht zustimmen, weil es mir nicht einleuchtet. Interessen reproduzieren stets Gegeninteressen und damit sich selbst.
@alle: Das mit dem Editor ist Kacke. Wenn jemand Lösungs- oder Alternativvorschläge hat, dann bitte heraus damit.
@Christian #22
Wenn ich mit einem Mensch nicht in eine Austauschbeziehung trete, wird er dadurch nicht als Mensch abgewertet.
Ich wäre z. B. als Profifußballer nichts Wert. Trotzdem verachtet mich ein Bundesliga-Trainer nicht als Mensch, wenn er mich nicht in seine Mannschaft aufnimmt.
Auf dem Heiratsmarkt zählt auch nicht nur das Geld.
Jeder Libertäre erkennt zudem das Selbsteigentum eines Menschen an seinem eigenen Körper an – auch das eines Habenichts.
@Benni #30
Du schreibst von einer „Interessenlosen Gesellschaft“. Wäre eine interessenlose Gesellschaft nicht in jeder Hinsicht tot? Man stelle sich einmal einen interessenlosen Heiratsmarkt vor.
Man darf den Menschen nicht ihre Interessen absprechen. Es reicht eine gesellschaftliche Ordnung, die Konflikte regelt. Und die Eigentumsordnung ist eine solche Ordnung.
@Thomas: Du darfst da nicht den umgangssprachlichen Begriff von „Interessen“, der oft einfach Bedürfnisse meint mit dem hier verwendeten verwechseln. Ich bin auch nicht immer glücklich mit dieser Verwendung, hab sie aber hier verwendet, weil Stefan das so sieht und ich mich auch mit ihm verständigen wollte. Seine Sichtweise hat er mal hier http://keimform.de/2012/diskursfigur-9-jenseits-der-politik/ beschrieben.
@Stefan:
Du sprichst von „Funktion“ oder „doppelte Funktionalität“. Soweit sind wir uns ja einig. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass mit diesen Funktionen und Funktionalitäten auch (Gruppen von) Menschen verbunden sind, die sie ausüben und die haben eben Interessen.
Man kann das natürlich ignorieren und rein auf der werttheoretischen Ebene verharren, aber dann bleibt die eigene Theorie soziologisch blind. Das ist für mich die Erklärungslücke, eben die zwischen Werttheorie und Individuellem handeln, oder wenn Du so willst die soziologische Ebene. Diese Ebene ist wichtig, weil da sehr viel passiert. Wenn man die ignoriert endet man schnell bei völlig unverbundenem Volontarismus (inidividuelle Ebene) und kompletter Funktionslogik, in der Menschen gar nicht mehr vorkommen (werttheoretische Ebene).
@Thomas: Ergänzend zu Bennis Hinweis hier ein Artikel, wo ich das Verhältnis von Bedürfnissen und Interessen explizit diskutiert habe: http://keimform.de/2012/beduerfnisse-und-interessen/
Geht so ziemlich gegen das Alltagsverständnis, das ist mir klar. Aber ich halte die Differenzierung für notwendig.
@Benni: Jetzt machst ein neues Thema auf ohne auf meine Antworten auf deine Fragen/Thesen einzugehen. Das verstehe ich nicht.
Der Interessendiskurs liegt nicht auf der werttheoretischen Ebene, sondern auf der von dir eingeforderten soziologischen. Auf der Ebene haben wir aber doch diskutiert. Nur kann ich nicht erkennen, wie uns das weiterhilft — siehe die Argumente oben. Dass die Menschen nunmal »eben Interessen« haben, sagt doch nichts.
Bei der Klassenkategorie ist es noch problematischer, sie ist noch nicht mal eine soziologische, sondern eine objektive Kategorie innerhalb des Kapitalverhältnisses. Die verfehlt die von dir eingeforderte Ebene völlig.
Exakt um die Vermittlung von Struktur/Funktion und Indidividuum/Handlung geht’s mir. Aus dieser Perspektive kritisiere ich die Klassenkategorie mit den gleichen Argumenten, die du anführst. Die Interessenkategorie macht es nicht besser.
So, wie kommen wir jetzt weiter?
@Stefan:
Offensichtlich gar nicht. Bin grad mal wieder etwas gefrustet, dass es mir offensichtlich überhaupt nicht gelingt, mich verständlich zu machen.
@Thomas Leske # 7
Da hast du dein „Wissen“ aber von einem ganz unzuverlässigen Hörensagen. In Wirklichkeit hat Marx diese Theorie (Mathus „ehernes Lohngesetz“) scharf kritisiert.
Marx: Kritik des Gothaer Programms, MEW Bd. 19, S. 25
Marx auch keine Arbeitswerttheorie aufgestellt. Arbeit hat nach Marx keinen Wert, sie schafft höchstens welchen.
@Benni
Nunja, das ist schon eine arge Verballhornung der marx/engels’schen Perspektive :-).
Vielleicht hatte Marx ja ein unstillbares Verlangen nach der Selbstauflösung des Proletariats. Aber verlangt hat er da gar nichts.
Er hat nach historischen Möglichkeit geforscht, Lohnabhängigkeit und deren Ausnutzung zu überwinden und danach, unter welchen Bedingungen sich diese Möglichkeiten entwickeln (können). Im Blick waren z.B. systemisch notwendige Konzentrationsprozesse des Kapitals, die einen hohen Grad an Produktivkraftentwicklung, Planung, Wissenschaft, usw. bedeuten und daher den Widerspruch zwischen der Gesellschaftlichkeit kapitalistischer Produktionsverhältnisse und den privateigentümlich (auch betriebswirtschaftlich) bornierten Aneignungsformen auf die Spitze treiben und zunehmend als Anmaßung und irrational empfunden werden müsste. Ähnliches sah er in der weitgehenden Globalisierung kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse, die die soziale Emanzipation zum umweltbewussten Mitmenschen zugleich notwendig als auch – im Prinzip – möglich macht.
In den 1980er und 1990er Jahren hieß die schwarzrotgelbe Sch….hausparole des Kapitals: die 35 Stundenwoche (in Deutschland) schafft Arbeitsplätze – in Japan (oder war es schon China?) Das zeigt die Notwendigkeit gobalistischer Kooperationen derer, die kürzere arbeitszeiten für geboten halten. Was die Organisation angeht ist klar, dass die Verhältnisse die Vertretung von Interessen Lohn- und Gehaltsabhängiger innerhalb kapitalistischer Borniertheit erzwingen und dies blöderweise auch an die Kapitalinteressen bindet (was allerdings nicht immer so ganz klappt wie der Fall Nokia/Bochum zeigte).
Marx und Engels haben das gesehen. Von Engels gibt es einen Text, in dem er erlutert, wieso „das Proletariat“ aus sich selbst heraus zu keinem kommunistischen Bewusstsein bzw. Streben kommt sondern nur zu einem gewerkschaftlichen Bewusstsein / Streben gelangen – wenn nicht Impulse von außen hinzukommen würde, die zugleich die Notwendigkeit und die Möglichkeit einer (welt-)kommunistischen Mitbestimmung der Produktion herausarbeiten.
@Benni #34: Spannende Reaktion, zumal mit Blick auf die folgenden beiden Sentenzen aus deinem Text:
sowie
Was ist das für ein eigenartiges Subjekt „Die Commoners als Klasse“, wie konstituiert sich diese komische „Eigenlogik“ und wieso muss sich ein Anders Denkender da schon mal seine angeblichen „biographischen Traumatisierungen“ vorhalten lassen? Und wieso ist es – bei derart offensichtlichen strukturellen Parallelen der Theorien – kein Thema zu fragen, wie deine Theorie das damalige praktische Dilemma zu vermeiden beabsichtigt?
Nein, Benni, mit mir nicht. In meinen umfangreichen praktischen Commoning-Versuchen hier in Leipzig (die für dich sicher alle nicht zählen) sind es nicht so sehr die offen neostalinistischen Attitüden einer „Links“partei als vielmehr die subtilen und weniger subtilen Ausgrenzungen unter „Ehrenämtlern“ verschiedener Coleur und Schattierung in der Vielfalt von Commoning-Projekten oder solchen, die sich so geben oder es gern wären usw., in denen das ganze mir nur zu bekannte Instrumentarium eingesetzt wird, das ich unter dem Begriff „struktureller Stalinismus“ zusammenfasse. Und wenn ich sage „du schreibst darüber nicht deutlich genug“, dann sage ich nicht, „du bist ein Stalinist“. Drehe mir also bitte nicht (wiederholt) die Worte im Mund herum. Ich kann gern auf diese verbreitete Art linken Kasperletheaters verzichten.
@Christian #35: Ich bin seit 2006 bei Teilauto und sehe eine spannende und zugleich ambivalente Entwicklung. Ob man es nun besser unter Commoning oder Prosumement oder was auch immer rechnet, ist mir letztlich egal. Im Gegensatz zu den „Immaterial-Commons“ wie Linux usw. ist hier aber eine reale Infrastruktur von Ressourcen zu bewirtschaften. Die Rechtsform war 2006 die für solche Fälle typische – ein gemeinnütziger eV, der „teilAuto Halle (Saale) e.V.“ hieß mit Vereinszweck u.a. „eine gemeinschaftliche Fahrzeugnutzung mittels Stellung, Verwaltung und Wartung von Kfz“ als Hülle, dessen Geschäftsbetrieb (schon damals) von einer eigenständigen Einheit, der „Mobility Center GmbH Halle“, verantwortet wurde. Die mir vom 16.12.05 vorliegenden Nutzungsbedingungen (ich bin kein Vereinsmitglied) stimmen fast wörtlich mit den aktuellen überein, einziger Unterschied – überall, wo 2005 „teilauto e.V.“ stand, steht heute „Mobility Center GmbH“.
Studien dazu anzufertigen überlasse ich dafür geschulten Personen, auch mit Blick auf meine jüngsten Überlegungen zum Verhältnis von empirieloser Theorie und theorieloser Empirie.
@Benni #39
@Stefan #41
Die von euch verlinkten Artikel beziehen sich darauf, dass Interessen politisch durchgesetzt werden – also durch Lobbyarbeit und das Organisieren von Mehrheiten.
Ludwig von Mises sah als Lösung den Nachtwächterstaat an, der keine Sonderinteressen durchsetzt. Der Schutz von Eigentum und Vertragsfreiheit ist im Interesse aller.
Hans-Hermann Hoppe geht noch einen Schritt weiter und gesteht auch dem Staat nicht zu, Bürger durch Steuern zu enteignen. Als Lösung für das Problem der sozialen Ordnung lässt sich nur das Eigentum in einer Argumentation rechtfertigen. Man kann das Selbsteigentum des Diskussionspartners an seinem Körper (einschließlich seiner Stimmbänder) nicht in Frage stellen, weil man es anerkennen muss, damit überhaupt eine Diskussion stattfinden kann. Die ursprüngliche Aneignung von Gegenständen führt zu keinen Konflikten, kann andererseits aber auch nicht auf unbestimmte Zeit verboten sein, weil sonst die Diskussionsteilnehmer verhungern würden:
http://mimiandeunice.minimalstaat.de/content/%C3%BCberzeugen
http://mimiandeunice.minimalstaat.de/content/schuldigkeit
Wenn zwei Bürger nun einen Vertrag miteinander abschließen, erhoffen sich beide davon einen Vorteil. Soweit gibt es also keine Ausbeutung und keine Klassen. Ausbeutung wäre z. B. Raub. Und wenn der Raub in Form von Steuern durch den Staat organisiert ist, stellen die Regierung und ihre Günstlinge die Klasse der Ausbeuter dar.
Thomas Leske:
Nein, Interessensgegensätze treten im Kapitalismus wegen des Eigentums auf. Ist der Kapitalismus beseitigt, müssen auch keine Interessensgegensätze mehr vermittelt/versöhnt werden.
Der Staat soll also die Interessen der Eigentümer gegen die Masse der Nicht-Eigentümer durchsetzen. Das war seit jeher seine Hauptaufgabe. Mit einem Nachtwächterstaat würde sich nichts Wesentliches ändern, außer dass der Willkür von Firmen gar keine Grenzen mehr gesetzt werden. Was jetzt so toll daran sein soll, von tausenden Firmen (oder einem Megakonzern, der sich als Monopol durchsetzen wird) schikaniert und beherrscht zu werden anstatt durch einen bürgerlichen Staat mit gewissen Kontrollmechanismen (Gesetzgebung, Justiz, demokratische Herrschaft), leuchtet mir nicht ein. (geniale Parodie dazu) Der Minimalstaat wurde doch schon in der Frühzeit der Industrialisierung erprobt, einfach weil er damals die ursprüngliche Form des Staates war, und ist gescheitert, weil sich die Kapitalisten durch zu starke Ausbeutung ihre Arbeitsressource (das Proletariat, das Humankapital) kaputt gemacht haben. Darum brauchte es eine zentrale Instanz, die die Ausbeutung zügelte. Frühe sozialstaatliche Elemente (Arbeitszeitbeschränkungen, Arbeitsschutz, rudimentäre Krankenversicherung) waren zuallererst im Interesse des Kapitals. Der moderne bürgerliche Staat ist ein Produkt und eine notwendige Voraussetzung eines längerfristig funktionierenden Kapitalismus.
Mir ist die Simulation einer Argumentation von Hoppe bekannt, somit auch seine Schummeleien und Denkfehler. Um zu diskutieren, braucht niemand Eigentum. Er muss lediglich seinen Körper in einer bestimmten Weise nutzen und kontrollieren können. Nutzung und Kontrolle setzen keineswegs Eigentum voraus. Die Menschheit ist die längste Zeit ihrer Geschichte ohne Eigentum ausgekommen.
Die Geschichte der ursprünglichen Akkumulation lehrt etwas anderes. Mit brutalster Gewalt gegen die Mehrheit der Bevölkerung, die insbesondere auch staatlich durchgesetzt wurde, wurde eine Eigentumsordnung hergestellt, unter der der Kapitalismus gedeihen konnte. Menschen lassen sich eben nicht freiwillig unterjochen.
Nein, der Schluss ist unzulässig. Es gibt Verträge, in denen eine Partei immer übervorteilt wird. Und trotzdem kann es für die benachteiligte Partei günstiger sein, den Vertrag einzugehen als ihn nicht einzugehen. Dies gilt für die Lohnarbeit ebenso wie es für Raub gilt. Unter der Bedingung, dass eine Waffe auf dich gerichtet wird, ist es für alle Beteiligten von Vorteil, dass du einen Vertrag über den Eigentümerwechsel deines mitgeführten Geldes abschließt. Du gewinnst dein Leben und der Räuber gewinnt dein Geld. Win-win für alle! Man sieht also, Rechts-Libertarianismus, aka Propertarianismus, aka Anarcho-Kapitalismus, mehrt den Nutzen aller.(Ich habe kürzlich den ideologisch gestützten Irrtum des Propertarianismus in diesem Kommentar nachgezeichnet.)
Entschuldigung! Ich wollte meinen Kommentar noch nachträglich bearbeiten. Absätze und HTML funktionieren nicht und es tauchen Zeilenumbrüche auf. Nach dem Speichern meiner Überarbeitung wurde nur „fail“ angezeigt. Und jetzt lässt sich der Kommentar nicht mehr bearbeiten. Bitte ändert dringend etwas an eurem Kommentarfeld. Könnt ihr nicht das WordPress-Standard-Kommentarfeld einsetzen? So ist für mich ein Mitdiskutieren sehr schwierig und bindet auch die Zeit der freundlichen Korrektoren, die meine Beiträge immer überarbeiten. Tausend Dank dafür! Bei anderen scheinen ja wenigstens Absätze und HTML zu funktionieren. Bei mir geht auch das nicht. Bitte überlegt euch eine Lösung.
@libertär und alle:
Das Zurücksetzen auf das WP-Standardkommentarfeld schließt jene aus, die kein HTML können, denn dort kann nur HMTL zur Auszeichung verwendet werden.
Wir haben schon etliche Kommentar-Editoren durchprobiert, und keiner brachte eine allgemeine gute Lösung.
Deswegen nochmal der Aufruf an alle: Kennt ihr einen Editor, der ein paar Grundauszeichnungen (fett, kursiv, Link, Liste, Aufzählung, Zitat) anbietet und mit den meisten Browsern funktioniert?
Huch? Denkbar, dass sich im Zuge der Etablierung (öko-)kommunistischer Formen der Zweckbestimmung Interessengegensätze anders vermitteln/versöhnen oder aufheben bzw. sich gemeinsame Interessen anders herstellen als durch gesonderte Körperschaften zur Gesetzgebung, Rechtsprechung und -durchsetzung, die zwar auf Basis von (monetärem) Steueraufkommen (und damit dem Gelingen privateigentümlicher Aneigung) aber von Privatinteressen formal unabhängig agieren.
Aber die Vorstellung, es gelte einen Zustand anzustreben, in dem es keinerlei Interessengegensätze mehr gibt, die entweder toleriert werden können oder halt in der einen oder anderen Art zu vermitteln oder aufzuheben wären, halte ich für einen sehr frommen Wunsch mit entsprechend gefährlichen Implikationen.
Im Übrigen denke ich, dass die verzweifelte Suche nach einem revolutionärem Subjekt ruhig aufgegeben werden kann und man lieber nach Potenzialen (in gewisser Weise Produktivkräften) einer Transformation der herrschenden Vergesellschaftungsweisen Ausschau halten sollte, die Menschen, die sich in einem bestimmten Verhältnis zu den gesellschaftlichen Existenz- und Bereicherungsmitteln bewegen, zu Subjekten der umwälzenden Veränderungen machen – könnten. Das heißt, möglicherweise, unter bestimmten Umständen.
Ich bin übrigens sehr froh über die Möglichkeit, hier die Kommentare eine gewisse Zeit nacheditieren zu können, auch wenn die gegebene Zeitspanne (in der man dann auch die verschwundenen oder automatisch hinzugefügten Absätze korrigieren muss) größer sein könnte.
@libertär #48
„Nein, Interessensgegensätze treten im Kapitalismus wegen des Eigentums auf.“
Ein Interessengegensatz wäre auch, wenn ich mir strahlenden Sonnenschein fürs Freibad wünsche, und mein Nachbar für eine Reise eher bewölkten Himmel. Das ist aber ein Interessengegensatz ohne Konflikt.
Einen Konflikt gibt es, wenn mein Nachbar und ich verschiedene Dinge mit knappen Güter erreichen wollen. Es gibt z. B. nur ein Auto, mit dem ich ins Freibad fahren will und mein Nachbar zu seiner Freundin.
„Ist der Kapitalismus beseitigt, müssen auch keine Interessensgegensätze mehr vermittelt/versöhnt werden.“
Der Kapitalismus hat eine einfache Konfliktlösung: Derjenige entscheidet, dem das Auto gehört. Wenn das Auto niemand gehört, muss müsste ich mich mit meinem Nachbarn erst durch alle Instanzen klagen, bevor es einer von uns beiden benutzen könnte.
„Der Staat soll also die Interessen der Eigentümer gegen die Masse der Nicht-Eigentümer durchsetzen.“
Weil ich bisher Eigentümer eines Wasserclosets bin, haben alle armen Inder und Afrikaner in Zukunft also einen Teilhabeanspruch mir gegenüber?
Zur angeblichen Macht der Firmen: Wenn ich mit Coca-Cola nicht zufrieden bin, kann ich einfach zu Pepsi wechseln. Und selbst wenn es irgendwann ein Brause-Wasser-Monopol gibt, heißt das nicht, das nicht jederzeit ein Konkurrenzbetrieb gegründen werden kann.
Die Gesetzgebung zerstört nur das natürliche Recht einer Eigentumsordnung, so dass man auf sie gut verzichten kann. Welcher Richter zur Schlichtung zuständig ist, können Vertragspartner untereinander vereinbaren. In der Regel werden die Sicherheitsagenturen der beiden Streithähne im Vorhinein ein Schlichtungsverfahren vereinbart haben.
Der Minimalstaat ist wirtschaftlich nicht gescheitert. Er hat erst die Kapitalakkumulation und damit die Industrialisierung ermöglicht. Ohne Industriealisierung hätte die Übervolkerung in Europa zu einer Hungersnot geführt. (Einem Bauern bleibt z. B. mehr Zeit auch schlechtere Böden zu bestellen, wenn er Textilien billig aus der Fabrik bekommt.)
„Die Menschheit ist die längste Zeit ihrer Geschichte ohne Eigentum ausgekommen.“
Das halte ich für ein Gerücht. Funde zeigen, dass weiträumiger Handel schon bestanden haben muss, noch bevor der Mensch überhaupt sesshaft wurde.
Der Räuber in deinem Beispiel beachtet schon das Selbsteigentum an meinem Körper nicht, wenn er mich mit einer Waffe bedroht. Hoppe behauptet nicht, dass die Geschichte konfliktfrei war. Er stellt nur eine gesellschaftliche Ordnung vor, innerhalb der jeder Handeln kann, ohne mit anderen in Konflikt zu geraten.
Interessenskonflikte gibt es natürlich weiterhin. Wenn mein Nachbar und ich dasselbe Mädchen heiraten wollen, verbietet mir Hoppes Ordnung sowohl die Ermordung des Konkurrenten wie die Entführung der Auserwählten. Solange der Staat den Bürgern nicht vorschreibt, welche Interessen sie haben, muss es Interessenskonflikte geben.
Menschen in einer klassen Lage stellen ja oft krude Fragen wenn es darum gehen soll, Kapitalismus in Frage zu stellen. Diese hier ist die mit Abstand die albernste unter den vielen sehr albernen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.
Aus einer gemeinsamen (wenn man so will: kommunistischen) Perspektive heraus würde sich die Frage ein wenig ernsthafter stellen.
Etwa so: Wie können die Menschen, die Baumwolle sähen und ernten und die, die in den Anbaugebieten von Baumwolle leben, mit denen, die für die Weiterverarbeitung der Rohbaumwolle zu Textilien und für die Konditionen ihrer Aneignung verantwortlich sind bzw. davon profitieren, dazu kommen, sich auf vernünftige Methoden und auch auf ein vernünftiges Maß an Baumwollproduktion zu einigen? (Letzteres dürfte weit unter dem heutigen Niveau liegen)
Als vernünftig sollte z.B. gelten, dass dies die Möglichkeit des Zugangs zu sauberem Wasser in den Anbaugebieten nicht verschlechtert.
Oder dass Methoden eingesetzt werden, die den Einsatz von Agrochemie minimieren oder überflüssig machen, weil deren Energie aufwendige Produktion die Erdatmosphäre zu sehr mit Treibhausgas anreichert, die Bodenqualität und die biologische Vielfalt minimiert, Gewässer und nicht zuletzt auch die Gesundheit der mit der Ernte beschäftigten Menschen belastet. http://marktcheck.greenpeace.at/umwelt.html
@Thomas#53:
Nein, ist kein Gerücht. Handel kannst du mit Eigentum nicht gleichsetzen, und Eigentum und Besitz sind zu unterscheiden. Mehr dazu hier: http://keimform.de/2010/commons-und-eigentum-vortrag/
Thomas Leske:
„Einen Konflikt gibt es, wenn mein Nachbar und ich verschiedene Dinge mit knappen Güter erreichen wollen. Es gibt z. B. nur ein Auto, mit dem ich ins Freibad fahren will und mein Nachbar zu seiner Freundin.“
Dieser Konflikt wird ja gerade von der kapitalistischen Eigentumsordnung erzeugt. Kapitalismus produziert Knappheit, damit die Erpressung „Arbeite oder stirb!“ möglich ist. Am logischsten wäre es, als erstes die Ursache der Knappheit zu beseitigen. Die allermeisten Interessengegensätze wären dann nicht mehr konfliktträchtig.
„Der Kapitalismus hat eine einfache Konfliktlösung: Derjenige entscheidet, dem das Auto gehört.“
Das ist eine idiotische „Lösung“ für einen künstlich erzeugten Konflikt. Und sie ist typisch kapitalistisch. Es war das Auto- und Ölkapital, das im 20. Jh. seine rückschrittliche und kostspielige Mobilitätslösung, die die Gesellschaft ans Öl gekettet hat, durchgesetzt hat. Besser wäre doch, wenn die Befriedigung der Bedürfnisse aller das Ziel des Produzierens wäre.
„Wenn ich mit Coca-Cola nicht zufrieden bin, kann ich einfach zu Pepsi wechseln.“
Man kann nur das wählen, was einem vorgesetzt wird. Und vorgesetzt wird nur, was profitabel herzustellen ist und auf eine zahlungskräftige Nachfrage stößt. D.h. alle Bedürfnisse, die dem nicht konform sind, sind in diesem System negiert. Giftfreie und gesunde Nahrung kann ich nicht wählen, weil dem der Profit im Weg steht. Milliarden Menschen haben nicht mal genug zu essen und zu trinken, weil sie per Gewalt des Eigentums von den Konsumtionsmitteln ausgeschlossen werden. Kapitalistische Produktion widerspricht also auf eklatante Weise den Bedürfnissen der Menschen. Der Kapitalismus ist das bisher effektivste System, um Menschen zu beherrschen und maximalen Reichtum einer Ausbeuterklasse zuzuschanzen, also die Masse immer weiter zu verelenden.
„Die Gesetzgebung zerstört nur das natürliche Recht einer Eigentumsordnung, so dass man auf sie gut verzichten kann.“
Natürlich ist am Eigentum gar nichts. Es wurde ja gewaltsam durch Souveräne durchgesetzt. Ein Recht ist ohne Gewalt, die ihm Gültigkeit verschafft, nichts wert. Eigentum setzt also notwendig irgendeine Herrschaft voraus. Wer sollte mich sonst daran hindern, dir dein „Naturrecht“ auf Eigentum abzusprechen?
„Welcher Richter zur Schlichtung zuständig ist, können Vertragspartner untereinander vereinbaren. In der Regel werden die Sicherheitsagenturen der beiden Streithähne im Vorhinein ein Schlichtungsverfahren vereinbart haben.“
Die Naivität, die solchen Visionen zugrundeliegt, gibt mir wieder etwas Sicherheit, dass diese kranke rechtslibertäre Diktatur nie verwirklicht werden kann. Ohne ein übergeordnetes Recht und eine übergeordnete Instanz, die für alle Rechtssubjekte zuständig sind, kann Recht nicht durchgesetzt werden. Ich kaufe mir von meinem Government-Provider mein Recht und du kaufst dir deins. Wer hat nun Recht? Zu glauben, dass sich die einzelnen Government-Provider untereinander einigen, ist absurd. Warum sollten sie? Sie würden es nur tun, wenn es eine übergeordnete Gewaltinstanz gäbe, also wieder ein Staat.
Ich finde es immer wieder putzig, wie sich Rechtslibertäre über die Korruption der Herrschenden aufregen (die größtenteils von den so vergötterten Firmen verursacht wird), dann aber ein System vorschlagen, das nur noch korrupt ist. Im Rechtslibertarianismus ist schlichtweg jeder Richter korrupt, weil von seinen Kunden (sic!) gekauft. Recht hat, wer mehr Geld hat!
Das einzig Tröstliche an diesem Irrsinn, ist, dass das Kapital selbst an Rechtslibertarianismus kein Interesse hat. Das Kapital strebt Rechtssicherheit an. Eine Unternehmung wird nie gestartet werden, wenn es nur ein einziges Recht (das „Naturrecht“ Eigentum) gibt und jede Kleinigkeit mit ungewissem Ausgang vor korrupten Richtern verhandelt werden muss. Jede kleine Streitigkeit wäre ein Konflikt ums Ganze. Eine Firma könnte im Handumdrehen von beliebigen Leuten aus fast beliebigen Gründen in den Ruin geklagt werden. Da es keine Gesetze gibt, kann keiner absehen (außer dem korrupten Richter und seinen Auftraggebern), wie ein Prozess ausgehen wird. Dieses System wäre der reinste Wahnsinn.
„Der Minimalstaat ist wirtschaftlich nicht gescheitert. Er hat erst die Kapitalakkumulation und damit die Industrialisierung ermöglicht.“
Aber er ist dann gescheitert, weil das Kapital einen starken Staat braucht. Irgendwie muss seine Gewaltordnung ja durchgesetzt werden. Der Staat ist das ausführende Organ des Kapitals, der Gewaltmonopolist, der die Eigentumsordnung garantiert.
„Der Räuber in deinem Beispiel beachtet schon das Selbsteigentum an meinem Körper nicht, wenn er mich mit einer Waffe bedroht.“
Dann wäre es doch die Lösung, das Eigentum abzuschaffen. Dann könnte es auch keine Verbrechen gegen das Eigentum mehr geben.
@Hans-Hermann #54
Der Brunnen mit dem sauberen Trinkwasser hat auch einen Eigentümer, der gegen den Baumwollbauern klagen kann. (Vorausgesetzt es gab noch keinen Chemikalieneintrag bevor das Grundstück mit dem Brunnen besiedelt wurde.)
Verbleibt nur das Treibhausgas. Weil die Atmospäre niemand gehört, kann niemand gegen dessen Ausstoß vorgehen.
@Stefan #55
Handel Treiben setzt Eigentum voraus, weil dabei Güter ihren Eigentümer wechseln.
Besitz ist entweder gleichbedeutend mit Eigentum, oder es setzt Eigentum voraus, wenn Besitzer und Eigentümer verschiedene Menschen sind.
Und selbst wenn es in Familien oder Kleingruppen Gemeinschaftseigentum geben sollte, ist es komplizierter als das Privateigentum eines einzelnen Menschen. Nur einzelne Menschen können Handlungen vollziehen. Die Entscheidung, was ich tun darf, ist im Fall von Gemeinschaftseigentum offenbar komplexer als bei Privateigentum einzelner Menschen.
In seinem TED-Vortrag „When ideas have sex“ sieht Matt Ridley Handeln als entscheidenen Schritt zur Arbeitsteilung:
https://www.youtube.com/watch?v=OLHh9E5ilZ4
In Minute 11 sagt er, dass Menschen seit ca. 100.000 Jahren Handel zwischen verschiedenen Gruppen treiben.
@libertär #56
Wenn es keine Knappheit gibt, kommt auch Hoppe zu dem Ergebnis, dass dann kein Eigentum notwendig ist. Z. B. ist die Luft zum Atmen normalerweise ein freies Gut. Wären alle Güter frei, dann lebten wir im Schlaffenland.
Wirtschaften heißt:
1) Die Mittel sind knapp.
2) Deswegen können nicht alle Wünsche befriedigt werden.
Die Nahrung ist den Verbrauchern offensichtlich ausreichend giftarm und gesund genug, sonst würden sie dafür mehr Geld ausgeben auf Kosten anderer Dinge.
Von Lebensmitteln im Eigentum anderer sind die Hungernden zurecht ausgeschlossen. Denn diese dienen deren Bedürfnissen. Der Kapitalismus dient daher sehr wohl den Bedürfnissen von Menschen. Die Bedürfnisse unterschiedlicher Menschen lassen sich nicht objektiv gegeneinander aufrechnen.
„Eigentum setzt also notwendig irgendeine Herrschaft voraus. Wer sollte mich sonst daran hindern, dir dein „Naturrecht“ auf Eigentum abzusprechen?“
Ich habe wie jeder ein Notwehrrecht gegen Angriffe auf mein Eigentum. Ich kann auch Auge um Auge und Zahn um Zahn Vergeltung ausüben, jedenfalls solange mir dafür keine geordneten Gerichte zur Verfügung stehen.
„Ohne ein übergeordnetes Recht und eine übergeordnete Instanz, die für alle Rechtssubjekte zuständig sind, kann Recht nicht durchgesetzt werden.“
Es gibt auch zwischen Staaten keine übergeordnete Instanz, die als Weltregierung ein Machtmonopol gegenüber Staaten ausübt. Krieg zwischen Staaten ist teuer, so dass beide Länder an einer friedlichen Lösung interessiert sind.
Das gilt für Privatleute noch eher als für Staaten, weil sie alle „Kriegsschäden“ ganz unmittelbar selber tragen müssen. Die berüchtigten Blut-Fehden fanden zwischen Familien statt, die fast autark von ihrem Land lebten. Normalerweise treiben die Menschen aber untereinander Handel und profitieren so von der Arbeitsteilung. Der Verlust durch Misstrauen und Abschottung während einer Blut-Fehde wäre unvergleichlich höher.
Damit der Richterspruch den Streit beendet oder zumindest schlichtet, hat auch der Geschädigte ein Interesse daran, eine Autorität als Richter zu wählen, die möglichst von beiden Seiten anerkannt wird.
Es wird sich schon ein Recht herausbilden. So ähnlich wie das englische Common Law auch ungeschrieben war. Vielleicht wird es auch niedergeschrieben und dann freiwillig verwendet. Aber das Recht hängt von den beiden Streithähnen ab (bzw. ihre Familenclans oder ihre Sicherheitsagenturen), und wird ihnen nicht von Politikern aufgezwungen. Z. B. könnten traditionelle Moslems untereinander die Sharia verwenden.
„Der Staat ist das ausführende Organ des Kapitals, der Gewaltmonopolist, der die Eigentumsordnung garantiert.“
Das tut der Minimalstaat nach Mises Vorstellung auch. In diesen Bereichen müsse er ein starker Staat sein. Aber Arbeitszeiten, Mindestlöhne usw. gehörten nicht dazu.
Sein Schüler Rothbart hat dann ein Modell entwickelt, wie der Markt diese Aufgaben auch übernehmen kann.
„Dann wäre es doch die Lösung, das Eigentum abzuschaffen. Dann könnte es auch keine Verbrechen gegen das Eigentum mehr geben.“
Ohne Eigentum würde sich die Menschen entweder ständig um herrenlose Äpfel, Fahrräder usw. prügeln. Oder sie würden brav diskutieren und prozessieren, und dabei verhungern und verdursten.
Thomas Leske:
„Wenn es keine Knappheit gibt, kommt auch Hoppe zu dem Ergebnis, dass dann kein Eigentum notwendig ist.“
Dann können wir ja in schöner Eintracht daran arbeiten, das Eigentum abzuschaffen. Denn Knappheit muss erst hergestellt werden, damit der Kapitalismus funktioniert. (Zum Mythos der Knappheit siehe: http://keimform.de/2012/diskursfigur-2-jenseits-der-knappheit/)
„Die Nahrung ist den Verbrauchern offensichtlich ausreichend giftarm und gesund genug, sonst würden sie dafür mehr Geld ausgeben auf Kosten anderer Dinge.“
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich sprach davon, dass es auf dem Markt nur solche Alternativen gibt, die Kapitalisten anbieten. Die Konsumenten haben nichts zu melden und zu entscheiden. Und Nahrung wird auch nicht weniger giftig, je teurer sie ist.
Die Gesetzmäßigkeit von Angebot und Nachfrage ist übrigens auch ein Mythos. Der behauptete Mechanismus der Preisfindung funktioniert – das ist mathematisch bewiesen – nur in Ökonomien, die vorindustriell produzieren (d.h. die Produktionskosten je Artikel steigen mit wachsender Produktionsmenge), genau einen Konsumenten haben, der zugleich Produzent ist, und genau einen Warentyp haben. Eine ausführliche Widerlegung der bürgerlichen Vulgärökonomie (VWL, BWL) findet sich aktuell in „Debunking Economics“ von Steve Keen.
„Von Lebensmitteln im Eigentum anderer sind die Hungernden zurecht ausgeschlossen. Denn diese dienen deren Bedürfnissen.“
Das ist Unsinn. Wenn die Lebensmittel den Bedürfnissen dienten, wären sie ja bei den Hungernden. Wieso hat ein Herr Aldi das Bedürfnis nach vielen Tonnen Lebensmitteln in tausenden Märkten? So viel kann kein Mensch essen. Und kein Händler will die Produkte in seinen Geschäften selbst konsumieren. Das ist absurd. Daher ist es eine Lüge, dass diese Produkte den Bedürfnissen der Eigentümer dienten. Das Eigentum dient als Mittel des Ausschlusses, als Mittel der Trennung von Bedürftigen und Bedürfnisbefriedigung, also als Erpressungsmittel einer gewalttätigen Klasse.
„Ich habe wie jeder ein Notwehrrecht gegen Angriffe auf mein Eigentum.“
Das ist eine Fiktion von Legalisten. Es gibt kein Recht von Natur aus. Du formulierst dir einfach das, was du gerne tun würdest, als Recht. Solches „Recht“ ist dann aber völlig beliebig und nicht intersubjektiv. Jeder kann sich alles als Recht erfinden. Ein Recht ohne durchsetzende Gewalt ist folgenlos. Dein Recht auf Eigentum krankt schon daran, dass es Eigentum voraussetzt. Ohne eine rechtsetzende Gewalt, die regelt, wie Eigentumstitel erworben werden können, gibt es aber kein Eigentum.
In deiner libertären Dystopie würde ich dir z.B. alles absprechen, was du als dein Eigentum bezeichnest. Deinen Körper darfst du von mir aus behalten, solange ich deine Organe nicht brauche. Ich berufe mich dabei auf den Präzedenzfall der Kolonisation. Da es kein Recht und keine Rechtssicherheit gibt, bin ich ziemlich sicher, einen Richter zu finden, der ganz meiner Meinung ist, wenn ich die dir abgenommenen Werte mit ihm teile. Da du dein Eigentum m.E. nicht profitabel genug nutzt, steht es dir nicht zu. Eine Enteignung ist also nur gerechtfertigt und zu deinem Besten. Wenn du lange genug für deinen Lebensunterhalt ohne Arbeitszeitbegrenzung gearbeitet hast und auch deine Kinder 18 Stunden am Tag ohne Lohn schuften, wirst du sicher einsehen, dass ich Recht habe. Du bist schließlich ein freier Lohnarbeiter und hast aus freien Stücken einen Vertrag geschlossen. Du hättest ja auch die Wahl gehabt, mit deiner Familie verhungern zu dürfen. Dank meines großzügigen Angebots der Lohnarbeit hast du nun aber die Gelegenheit, dein ganzes produktives Potenzial auszuschöpfen und dich selbst zu verwirklichen. Das ist Nutzenmehrung für uns beide. Dank Tausch bist du zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft geworden. Als Arbeiter bist du zwar trotzdem „Ungeziefer“ (Ayn Rand), ein „Parasit“ und „Betrüger“ (Hoppe). Aber ich bin gnädig und lasse dich und deine Nachkommen deine ewige Schuld abarbeiten. Und das völlig zurecht, denn Eigentümer sind „weitsichtig“ und „Genies“ (Hoppe). Also knie schon mal vor mir nieder!
Ich kann verstehen, dass einem dieses (logisch absolut inkonsistente) System gefällt, wenn man sich ausrechnet, zu der Klasse des neuen Adels zu gehören. Für den Rest wäre es aber die Hölle auf Erden, ein Feudalismus mit High-Tech. Und die Wahrscheinlichkeit, zu diesem Rest zu gehören, ist weitaus größer als zum Adel zu gehören.
„Es gibt auch zwischen Staaten keine übergeordnete Instanz, die als Weltregierung ein Machtmonopol gegenüber Staaten ausübt.“
Dementsprechend sieht die Gewalt zwischen Staaten auch aus. Einen Weltpolizisten, der seine Rechtsvorstellungen durchsetzt, gibt es natürlich, die imperialistische Nation Nr. 1, die USA. Die setzt eben ihre Interessen mit aller Gewalt durch.
„Krieg zwischen Staaten ist teuer, so dass beide Länder an einer friedlichen Lösung interessiert sind.“
Das ist zynischer Mist. Gewiss ist Afghanistan sehr „an einer friedlichen Lösung interessiert“. Kein Wunder, es hat ja auch keinen Krieg begonnen, sondern wurde angegriffen. Und für die Militärindustrie lohnt sich der Krieg sehr wohl. Er ist eine sichere Profitquelle. Für die imperialistischen Staaten lohnt sich der Krieg natürlich auch. Dass du als Nutzenoptimierer das nicht siehst, wundert mich. Glaubst du denn, Staaten leisten sich zum Spaß eine Militärindustrie und einen Militärapparat, um dann nach jahrelangen Kriegen festzustellen: „Ach, vielleicht wäre es billiger, keinen Krieg zu führen. Oops, wir haben uns um ein paar Billionen verrechnet.“ Stimmte das, würde man sich von vornherein Waffen und Militär sparen.
„Es wird sich schon ein Recht herausbilden. So ähnlich wie das englische Common Law auch ungeschrieben war. Vielleicht wird es auch niedergeschrieben und dann freiwillig verwendet.“
Junge, Junge, mach mal einen Realitätscheck! Es hat sich schon ein Recht herausgebildet und es ist sogar niedergeschrieben. Schlägst du jetzt ernsthaft vor, alles Recht (bis auf dein „Naturrecht“ Eigentum) abzuschaffen und wieder auf dem Stand von vor ein paar tausend Jahren neu zu beginnen? Um beim Beispiel Common Law zu bleiben: Das ist doch genau so entstanden wie es dir vorschwebt, nämlich aus konkreten Fallentscheidungen gewachsen. So ist es unter den Bedingungen des Feudalismus und des Kapitalismus angepasst und erweitert worden. Wozu sollte man wieder bei Null anfangen? Wozu noch mal alle Erfahrungen aus Jahrhunderten der Rechtsprechung neu machen, wo doch alles schon da ist?
„Das tut der Minimalstaat nach Mises Vorstellung auch. In diesen Bereichen müsse er ein starker Staat sein. Aber Arbeitszeiten, Mindestlöhne usw. gehörten nicht dazu.“
Du willst also ökonomisch zurück ins frühe 19. Jh. in England. Das hatten wir schon und es ist gescheitert bzw. hat sich weiterentwickelt.
„Ohne Eigentum würde sich die Menschen entweder ständig um herrenlose Äpfel, Fahrräder usw. prügeln. Oder sie würden brav diskutieren und prozessieren, und dabei verhungern und verdursten.“
Warum sollten sie? Wenn es keine Knappheit gibt, gibt es keinen Grund, sich um Güter zu streiten.
@TL #57
Ja, das ist so die typische Konstruktion, mit der sich Liberalisten aller Herren Länder eine für sie konfortable Wirklichkeit zurecht ideologisieren. Natürlich (man kann bei Naturideologen ja nicht einmal von Kultürlichkeit reden) kommt ihnen nicht in den Sinn, dass
1.) zur Bewässerung der Weltbaumwollproduktion mehr als ein „Brunnen“ notwendig sein könnte, dass
2.) die, die auf sauberes Wasser angewiesen sind, in der Regel gerade nicht „Brunneneigentümer“ sind (und ihnen höchsten ein Recht auf ein heimliches Wehklagen zusteht), außerdem
3.) die Rohbaumwolle bevorzugt nachgefragt wird, bei deren Produktion auf kein Wehklagen irgendwelcher Habenixe Rücksicht genommen (d.h. bei der auf soziale bzw. ökologische Kosten geachtet) werden musste.
Wer soll denn z.B. der Eigentümer des Aralsees und seiner Zuflüsse sein, die der Baumwollproduktion geopfert wurden? Und gegen wen sollte der jetzt klagen?
http://de.wikipedia.org/wiki/Aralsee