Chronos & Kairos – unite!

Auf Einladung der Gesprächsrunde „Solawi & Gesellschaftliche Transformation“ des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft habe ich einen Vortrag mit dem unscheinbaren Titel „Mit Solawis die Gesellschaft ändern“ gehalten. Der Vortrag wurde aufgezeichnet: Ihr könnt ihn HIER anschauen und anhören, und HIER gibt es die verdichteten Folien (im Vortrag habe ich die Seiten schrittweise aufgeblättert).

Ich habe die Gelegenheit genutzt, ein paar grundsätzliche Überlegungen zur gesellschaftlichen Transformation vorzustellen, die keineswegs alleine auf meinem Mist gewachsen sind, sondern in vielen Zusammenhängen entwickelt wurden (explizit nennen möchte ich die AG „Verschränkung von Commons und Sozialen Bewegungen“ der Assoziation Kritik, Utopie und Transformation).

Neu eingeführt habe ich den Begriff „Chronos“, der sich zum bereits verwendeten Begriff „Kairos“ gesellt. Beide Begriffe stammen aus der griechischen Mythologie. Chronos versinnbildlicht den Ablauf der Zeit und Kairos die gute Gelegenheit, die ergriffen werden sollte bevor sie vorbeizieht. Chronos steht damit für den Prozess des Aufbaus des Neuen (in Keimform) und Kairos für die Chance auf den Bruch mit dem Alten, wenn die Bedingungen herangereift sind. Chronos-Bewegungen sind konstitutiver und Kairos-Bewegungen disruptiver Natur. Sie stehen damit auch für die in politisch-staatlichen Transformationsvorstellungen häufig gegensätzlich verstandenen Ansätze von Reform (Chronos/Prozess) und Revolution (Kairos/Bruch). Beide Momente – Konstitution und Bruch – sind für eine gesellschaftliche Transformation unabdingbar.

Im Vortrag diskutiere ich zwei nächste Schritte, die in Richtung auf eine Transformation gegangen werden sollten, um ihre Gelingenswahrscheinlichkeit zu steigern. Zu einen ist dies die Bildung von Commons-Netzwerken (aka Commonsverbünde), worunter ich die horizontale, sektorenübergreifende, materielle Integration unterschiedlicher Commons-Projekte bzw. Chronos-Projekte (breiter als Commons) verstehe; zum anderen sehe ich die Bildung von Bewegungs-Netzwerken, also die horizontale, politische und materielle Integration von konstitutiven Chronos- und widerständigen Kairos-Projekten als eminent wichtige Schritte an. Vorausgesetzt ist in dieser Betrachtung, dass wir mit der Klimakatastrophe in einen Zusammenbruch der basalen systemischen Strukturen kapitalistischer Vergesellschaftung steuern – worauf wir vorbereitet sein sollten. Das sind mithin die Bedingungen, die wir nicht (mehr wirklich) beeinflussen können. Und das macht Kairos-Momente aus: Sie sind vorher nicht genau bestimmbar, wann sie sich in welcher Verlaufsform ereignen. Aber dass sie kommen, können wir erahnen. Um dann handlungsfähig zu bleiben, müssen wir jetzt drüber nachdenken, was es für eine solche Handlungsfähigkeit braucht.

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