Verteilung ohne Geld?
(Voriger Artikel: Das Geld, eine historische Anomalie?)
[Dieser Text entstand im Rahmen des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts Die Gesellschaft nach dem Geld.]
Oft liegt Kritiken des geldbasierten Wirtschaftens die Vorstellung zugrunde, dass das, was früher möglich war, auch in Zukunft wieder funktionieren könnte. So erklärt Thomas Herzig (2011): „Zunächst einmal ist die geldlose Gesellschaft gar keine Utopie. Sie hat seit dem Erscheinen des Homo Sapiens vor ca. 160.000 Jahren die meiste Zeit nachhaltig funktioniert.“
Die Schwierigkeit einer solchen Vorstellung liegt darin, dass sie zum einen ungenau ist (wie wir gesehen haben, spielten Geld und Märkte in vielen früheren Gesellschaften zumindest eine gewisse Rolle), zum anderen von Voraussetzungen ausgeht, die sich von der heutigen Situation stark unterscheiden. Die Bevölkerungsdichte war früher sehr viel geringer. Zwar ist der Kapitalismus heute nicht in der Lage, sieben Milliarden Menschen „nachhaltig“ zu versorgen – vielen fehlt es am Nötigsten, während zugleich die Erde systematisch übernutzt wird. Jedoch brauchten frühere Gesellschaften, insbesondere die tatsächlich geldfreien Jäger-und-Sammler-Kulturen, ein Vielfaches der heute zur Verfügung stehenden Flächen pro Person. Da die sieben Milliarden nicht einfach verschwinden werden, ist ein direktes Zurück zu vorkapitalistischen Produktionsweisen schon deshalb undenkbar.
Ein anderer wesentlicher Unterschied ist die von Dalton (1971) betonte stark gestiegene Komplexität. Diese umfasst einerseits die zahlreichen produzieren Güter (Waren), die die Menschen konsumieren können (sofern und soweit sie bezahlen können). Andererseits umfasst sie die extrem ausdifferenzierte Arbeitsteilung, die zahlreiche unterschiedliche Berufe hervorgebracht hat. Heute ist diese Komplexität geldvermittelt: alle können zwar selbst entscheiden, was sie konsumieren, jedoch nur solange sie es bezahlen können – das Geld ist das Verteilungsmittel schlechthin.
Gleichzeitig spielt Geld eine essenzielle Rolle im Produktionsprozess: Firmen produzieren, um Profite zu machen, d.h. Geld in mehr Geld zu verwandeln, und Menschen gehen gegen Bezahlung arbeiten – sie verkaufen ihre Arbeitskraft (oder manchmal deren Resultate) an Firmen (oder manchmal Privatpersonen). Trotz aller ideologischen Überhöhung von Arbeit als Lebenssinn dürfte den meisten doch klar sein, dass sie das vor allem zum Zwecke des Geldverdienens machen.
In einer geldfreien Gesellschaft müssten Produktion und Verteilung vollständig auf andere Weisen organisiert werden – wie aber könnte das gehen und was wären die Konsequenzen? Im Folgenden sollen beide Aspekte – Produktion und Verteilung – zunächst getrennt voneinander betrachtet werden, wobei aber klar ist, dass sie nicht unabhängig sind. Ich starte mit der Verteilung, obwohl sie als nachrangig erscheinen mag, weil die Diskussion möglicher Verteilungsmodi Probleme aufzeigt, die bei einer produktionsorientierten Betrachtung nicht erkennbar sind.
Heute funktioniert die Verteilung sehr vieler Güter (worunter ich neben materiellen Gütern auch Informationsprodukte wie Software sowie Dienstleistungen verstehe) über Geld. Die meisten Güter haben einen Preis. Wer das Gut erwerben möchte, zahlt diesen Preis und erhält im Gegenzug Zugang zum Gut. Manchmal erhält man dabei volle Eigentumsrechte – inklusive des Rechts, das Gut nach eigenem Gutdünken und zu einem frei aushandelbaren Preis an andere weiter zu verkaufen –, manchmal nur begrenzte Nutzungsrechte (z.B. bei einer gemieteten Wohnung oder einer Software, die man für die Verwendung auf ein oder zwei Computern lizenziert). Wie könnte all das ohne Bezahlung funktionieren?
Eine Möglichkeit ist die Entnahme nach Bedarf, wobei es hier wiederum zwei Alternativen gibt, je nachdem, wie „Bedarf“ definiert wird. Entscheidet jeder Mensch nach eigenem Gutdünken subjektiv oder wird der Bedarf durch gesellschaftliche Institutionen gemäß objektiv formulierter Kriterien festgestellt? Im letzterem Falle handelt es sich um eine Verteilung gemäß gesellschaftlich festgestellter Bedürftigkeit. Heute funktioniert in Deutschland und anderen europäischen Staaten etwa die gesetzliche Krankenversicherung weitgehend auf diese Weise. Medizinisch notwendige und von einer Ärztin verschriebene Behandlungen werden von der Krankenkasse gezahlt und somit auf alle Versicherten umgelegt; dem Empfänger der Leistung entstehen dafür (von eventuellen Zuzahlungen abgesehen) keine direkten Kosten.
Wenn stattdessen jeder Mensch subjektiv entscheiden kann, handelt es sich um freie Entnahme (bzw. Nutzung) nach Lust und Laune. Heute funktioniert etwa der Zugang zu öffentlichen Parks und Straßen (sofern keine Maut erhoben wird) auf diese Weise. Dieses Modell klingt aus „kommunistischer“ Perspektive ideal, hat aber den offensichtlichen Nachteil, dass es nur funktioniert, wenn genug von dem fraglichen Gut vorhanden ist, um alle subjektiven festgestellten Bedürfnisse zufriedenzustellen. Das führt zur Frage einer geldfreien Produktion, auf die ich später zurückkommen werde. Aber unabhängig von dem konkreten Produktionsmodus dürfte klar sein, dass sich ein Nachfrageüberhang (mehr Menschen würden ein bestimmtes zum „Preis Null“ verfügbar gemachtes Gut gerne nutzen als entsprechende Güter vorhanden sind) bei materiellen Gütern und Dienstleistungen nicht generell und in allen Fällen vermeiden lassen dürfte. Dafür sorgt schon die Endlichkeit der Erde und ihrer Ressourcen.
Anders sieht es bei Informationsprodukten aus – sobald diese erst einmal da sind, lassen sich sich tatsächlich mit beliebig vielen weiteren Nutzerinnen teilen, wobei sich der zusätzliche Ressourcenverbrauch sehr in Grenzen hält. Für Informationsprodukte erscheint deshalb freie Nutzung nach Lust und Laune der adäquate Verteilmodus, womit die Frage nach ihrer Produktion freilich noch nicht beantwortet ist.
Wie aber können materielle Güter und Dienstleistungen verteilt werden, wenn es zu einem Nachfrageüberhang kommt? Eine Möglichkeit diesen aufzulösen ist, den Produzenten die Entscheidung zu überlassen, wer die vorhandene Güter bekommt. In diesem Fall könnten die Produzentinnen die Güter beispielsweise an die zahlungswilligsten potenziellen Kunden verkaufen, sie also im Effekt meistbietend versteigern – das wäre aber die geldbasierte Lösung, die für eine Gesellschaft nach dem Geld somit nicht in Frage kommt.
Eine andere Möglichkeit ist, dass die Produzentinnen in erster Linie für sich selbst, für ihren kollektiven Eigenbedarf produzieren. Nur falls darüber hinaus noch etwas übrig bleibt, wird es an andere verteilt (wofür dann die unten diskutierten Möglichkeiten in Frage kommen). Das wäre eine Rückkehr zur Subsistenzproduktion, der Produktion für den Eigenbedarf, die historisch in vielen nichtkapitalistischen Produktionsweisen eine wesentliche Rolle spielte. Eine postkapitalistische Subsistenzproduktion würde sich von einer präkapitalistischen aber stark unterscheiden, da sie zweifellos auf viele der heute bestehenden technischen Möglichkeiten zurückgreifen würde – ich habe sie deshalb als „High-Tech-Subsistenz“ bezeichnet (vgl. Kratzwald 2014: 122). Wurden in traditioneller Subsistenzproduktion vor allem Nahrungsmittel, Kleidung und Wohnraum bereitgestellt, würde eine High-Tech-Subsistenzproduktion dank moderner Produktionsmethoden wie 3D-Druck auch zahlreiche andere Güter herstellen können. Dabei müsste sie aber auch in der Lage sein, diese modernen Produktionsmethoden selbst komplett dezentral zu reproduzieren.
Inzwischen erscheint es mir zweifelhaft, ob Subsistenzproduktion (ob high- oder low-tech) in kleinen Gruppen eine wünschenswerte Basis für eine postkapitalistische Gesellschaft sein kann. Natürlich ist es denkbar, dass es (ob gewünscht oder nicht) zu solch einem Szenario kommt, wenn die hochgradig vernetzte und extrem komplexe kapitalistische Produktionsweise katastrophal zusammenbricht und kleinen Gruppen von „Überlebenden“ gar keine andere Wahl bleibt als auf ihre eigenen, lokalen Ressourcen und Fähigkeiten zurückzugreifen. Ob es dann allerdings noch Computer und zuverlässige Stromquellen als unabdingbare Voraussetzungen für High-Tech-Lösungen wie 3D-Drucker geben würde, ist fraglich – vermutlich würde eine „Post-Kollaps-Gesellschaft“ (Heimrath 2012) eher auf eine erzwungene Low-Tech-Subsistenz zurückgeworfen.
Aber selbst wenn High-Tech-Subsistenz eine Möglichkeit bleibt, dürfte eine Produktion in kleinen Gruppen – die sich spontan und geldfrei organisieren können – viele Wünsche offen lassen. Und bei der Kooperation in großen Gruppen stellt sich wiederum die Frage „Wie funktionieren Aufgaben- und Güterteilung spontan und ohne Geld und Zwänge?“, der Subsistenzproduktion im Kleinen erfolgreich entkommen kann. Wie bereits diskutiert, weist Dalton (1971: 90) darauf hin, dass in traditionellen Subsistenzökonomien nur wenige unterschiedliche Güterarten zur Verfügung stehen – von der Vielfalt, an die sich Konsumentinnen im Kapitalismus gewohnt haben, kann nicht annähernd die Rede sein.
Zwar dürfte eine High-Tech-Subsistenz deutlich vielfältiger produzieren können als traditionell möglich, doch an die kapitalistische Produktvielfalt dürften solche Gruppen nicht annähernd herankommen. Die Wundermaschine, die auf Knopfdruck „alles“ produzieren kann und dafür weder schwer zu bekommende Vorprodukte noch aufwendige Nachbearbeitungsschritte erfordert, steht bislang und wohl auch in absehbarer Zukunft nicht zur Verfügung. Zudem haben sich 3D-Drucker und ähnliche für dezentrale High-Tech-Subsistenz interessante Maschinen bislang vor allem bei der Produktion von Prototypen und individualisierten Einzelstücken (wie Zahnersatz) bewährt. Wo Produkte in größeren Stückzahlen gebraucht werden, ist industrielle Massenproduktion nach wie vor effizienter.
Somit droht die Subsistenzperspektive, selbst in ihrer High-Tech-Variante, eine Lebensweise „zweiter Wahl“ zu bleiben: Wer im Kapitalismus noch einen einigermaßen gut bezahlten Job findet, für den dürfte die große Produktvielfalt an kostengünstig produzierten Massenwaren in aller Regel attraktiver sein. Nur für Aussteigerinnen und diejenigen, die auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt kein Auskommen mehr finden, könnte eine mehr oder weniger hochtechnisierte Subsistenzproduktion einen Ausweg bieten, der aber einiges an Verzicht und wenig effizientem „Selbermachen“ erfordern würde. Das sind keine guten Perspektiven für eine postkapitalistische Lebensweise. Damit diese sich allgemein verbreiten kann, muss sie vielmehr so attraktiv sein, dass sie auch von der Mehrheit der Menschen vorgezogen wird, denen der Kapitalismus noch eine ganz annehmbare Perspektive bietet.
Diese Voraussetzung dürfte sich nur erfüllen lassen, wenn auch die postkapitalistische Gesellschaft in vielen Fällen in großen Stückzahlen und hochgradig arbeitsteilig produziert, wobei die Produzenten selbst nur einen kleinen Teil der von ihnen gefertigten Güter nutzen wollen. Womit wir zurück auf die Frage nach einer „geldfreien“ Verteilung der restlichen Güter kommen.
Eine denkbare Variante wäre eine Art „Vetternwirtschaft“: Die Produzentinnen entscheiden aufgrund persönlicher Bekanntschaft und Sympathie, wer ihre Produkte erhält. Persönliche Beziehungen wären in solch einer Gesellschaft alles; je besser vernetzt eine ist, je mehr persönliche Kontakte und Freundschaften sie knüpft, desto besser kann sie leben. Wer einsam und eigenbrötlerisch ist, bleibt hingegen arm und stirbt vermutlich auch früh, weil im Krankenhaus vorrangig die Verwandten und Bekannten der Ärztinnen und Pfleger behandelt werden. Klarerweise wäre ein Ersetzen des Geldes durch persönliche Beziehungen keine gesellschaftliche Verbesserung!
Somit bleiben noch Varianten, wo nicht die Produzentinnen nach eigenem Gutdünken entscheiden, sondern die Produkte nach einem gesellschaftlich ausgehandelten allgemeinen Modus verteilt werden. Nochmal zur Erinnerung: es geht nur um den Umgang mit einem Nachfrageüberhang – wo also jemand leer ausgehen würde, wenn sich alle nach Belieben bedienen. Solch ein Nachfrageüberhang könnte „geldfrei“ auf verschiedene Arten aufgelöst werden, etwa:
- First come, first served (FCFS, auf Deutsch auch als „Windhundprinzip“ oder „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ bekannt): Alle können sich frei von allen verfügbaren Produkten bedienen, aber wenn die Regele leer sind, hat man eben Pech gehabt.
- Los: Wer eine bestimmte Produktart haben will, trägt sich in eine Liste ein; die vorhandene Produkte werden unter allen Eingetragenen verlost.
- Rationierung: für jede knappe Produktkategorie wird genau festgelegt, wer wie viel davon konsumieren darf, so dass am Ende idealerweise niemand leer ausgeht – aber auch niemand diese Ration überschreiten darf.
Obwohl all diese Verfahren grundsätzlich fair sind, ist keines von ihnen rundherum überzeugend. FCFS sorgt für Stress, weil man bei allen potenziell knappen Gütern darauf achten muss, möglichst rechtzeitig zur Stelle zu sein, wenn deren nächste Verteilung ansteht. Zudem ist das Verfahren anfällig für „Vetternwirtschaft“, wenn Informationen darüber, wann es wieder etwas zu verteilen gibt, zunächst von Insidern an Freunde und Bekannte weitergegeben werden.
Das Losverfahren ist völlig willkürlich und zudem anfällig für Manipulationen. Man kann die eigenen Chancen erhöhen, indem man Freundinnen bittet, sich ebenfalls um das gewünschte Gut zu bewerben und es einer im Erfolgsfall weiterzugeben. Und das Rationierungsverfahren würde alle in ein und dasselbe Muster zwängen – auf die Unterschiedlichkeit individueller Bedürfnisse können einheitliche Rationierungsregeln keine Rücksicht nehmen.
Alle drei Verfahren dürften zudem zur Entstehung eines Schwarzmarktes führen, über den Personen, die eines der knappen Güter bekommen haben (bzw. die ihre Ration nicht komplett benötigen), sie an diejenigen weiterverkaufen, die leer ausgingen (bzw. denen ihre Ration zu klein ist). Selbst wenn es offiziell kein Geld gibt, dürfte sich dafür eine geeignete Gegenleistung oder Gegengabe finden lassen, so dass ein Tauschhandel zustande kommt, oder eines der knappen Güter übernimmt die Rolle einer Schwarzmarktwährung. Selbst wenn solche Schwarzmarktgeschäfte illegal sein sollten, würden sie sich in einer nicht-totalitären Gesellschaft nicht generell verhindern lassen. Auch wenn es offiziell keinen Markt und kein Kaufen und Verkaufen mehr gäbe, würden sie sich durch die Hintertür so doch wieder herstellen.
Auch eine algorithmische Rationierung, wie sie Stefan Heidenreich (im Erscheinen) vorschwebt, wäre nicht unbedingt besser. Gemäß Heidenreichs Vorschlag sollen „intelligente“ Computerprogramme entscheiden, wer welche Güter bekommt. Anders als bei den zuvor genannten Verfahren werden nicht alle über einen Kamm geschert, sondern verschiedene Leute haben individuell unterschiedliche Ansprüche auf Güter. Einerseits können damit die unterschiedlichen Bedürftigkeiten grundsätzlich besser erfasst werden als bei einem starren Rationierungssystem. Andererseits würden die Menschen damit die Kontrolle über wesentliche Aspekte ihres Lebens komplett an die Computer abtreten. Auch wenn Heidenreich betont, dass die von diesen verwendeten Algorithmen ein Ergebnis demokratischer Debatten sein müssten, wäre der individuelle Souveränitätsverlust dennoch erschreckend.
Zudem hätten die Verteilungsalgorithmen in solch einer Gesellschaft eine Macht, von der selbst Diktatoren nur träumen können. Somit stellt sich die Frage, wer die Programmiererinnen kontrollieren soll, die diese Algorithmen oder (bei selbstlernenden Algorithmen) zumindest ihr Grundgerüst erstellen, und wie Hacker daran gehindert werden könnten, die Algorithmen zu ihren Gunsten zu manipulieren. Selbstlernende Algorithmen sind zudem in aller Regel eine „Black Box“ – selbst ihre Programmierer können nicht detailliert nachvollziehen, warum ein Algorithmus eine bestimmte Entscheidung getroffen hat. Sollten die Entscheidungen der Algorithmen zu Leid oder offensichtlichen Ungerechtigkeiten führen, wäre es also schwierig, korrigierend einzugreifen – die Gesellschaft könnte sich vor der Wahl gestellt sehen, die Algorithmenentscheidung mit all ihren Konsequenzen blind zu akzeptieren oder aber den gesamten algorithmischen Ansatz wieder über Bord zu werfen.
Dieser Überblick über geldfreie Verteilverfahren zeigt, dass die vermeintliche Kur nicht unbedingt besser ist als die Krankheit. Natürlich haben Märkte und Preise gravierende Nachteile, jedenfalls in ihrer kapitalistischen Variante. Aber auch die Versuche, auf sie zu verzichten, hätten gravierende Nachteile; zudem würde sich der Markt durch die Hintertür vermutlich doch wieder einschleichen.
Ohne diese Nachteile käme nur eine genuine Überflussgesellschaft aus – in der es von jedem Gut so viel gibt, dass sämtliche Nachfragen danach befriedigt werden können, selbst wenn es zum „Preis Null“ abgegeben wird. Aber wie gesagt, ist eine universelle Überflussgesellschaft keine realistische Perspektive für die absehbare Zukunft, jedenfalls solange die Menschheit die endliche Erde noch nicht hinter sich gelassen hat.
Vielleicht ist ein Preissystem also zumindest für manche der Güter, die nicht im Überfluss vorhanden sind, keine schlechte Idee? Zweifellos nicht für alle – für manches, etwa eine umfassende medizinische Versorgung, mag eine Verteilung gemäß gesellschaftlich festgestellter Bedürftigkeit sinnvoller sein. Und auch andere Verfahren wie das Windhundprinzip, das Losverfahren und Rationierung mögen gelegentlich ihre Berechtigung haben, wenn ihre Nachteile für gesellschaftlich weniger gravierend als ihre Vorteile erachtet werden. Aber da keines dieser Verfahren frei von Nachteilen ist, braucht es dazu eine gesellschaftliche Debatte. Es gibt keine allgemein „richtige“ Antwort und vermutlich dürfte sich eine gesellschaftliche Mehrheit in manchen Fällen mit guten Gründen für die Verwendung eines Preissystems zur Güterverteilung entscheiden.
Aber geht das, ohne dass man sich damit die gesamten Nachteile und Ausgrenzungen des kapitalistischen Verwertungsprozesses einhandelt? Ich denke schon, aber bevor ich mich dieser Frage zuwende, werde ich die Perspektive einer geldfreien Gesellschaft noch kurz von der Seite der Produktion erörtern: Wie, warum und unter welchem Umständen werden Güter jeder Art hergestellt? (im nächsten Teil).
(Fortsetzung: Geldfreie Produktion (1): Subsistenz, Zentralplanung, Commons)
Literatur
Dalton, George (1971). Economic Anthropology and Development. Essays on Tribal and Peasant Economies. New York: Basic Books.
Heidenreich, Stefan (im Erscheinen): Geld. Für eine non-monetäre Ökonomie. Berlin: Merve.
Heimrath, Johannes (2012). Die Post-Kollaps-Gesellschaft. München: Scorpio.
Herzig, Thomas (2011). Geldlose Gesellschaft – Alternative zum Kapitalismus mit Verfallsdatum? URL: http://www.streifzuege.org/2011/geldlose-gesellschaft-alternative-zum-kapitalismus-mit-verfallsdatum/, Zugriff 26.05.2017.
Kratzwald, Brigitte (2014): Das Ganze des Lebens. Selbstorganisation zwischen Lust und Notwendigkeit. Sulzbach (Taunus): Helmer.
Gute Ausführungen. Einige dieser Gedanken sind mir schon selbst durch den Kopf gegangen. Im frühen 20. Jahrhundert hat es ja bereits zwischen Sozialisten bzw. Verfechtern einer (Zentral-)Planwirtschaft und Wirtschaftsliberalen wie von Mises und Hayek Debatten über die Machbarkeit einer nicht auf Preisen und Märkten basierten Ökonomie gegeben.
Die Liberalisten räumten sogar eine Machbarkeit von Planwirtschaft ein und waren keineswegs der Ansicht Märkte wären zu allen Zeiten ein universelles Verteilungsmittel gewesen.
Mises räumte sogar ein, dass eine Planwirtschaft in einer statischen und überschaubaren Ökonomie der über den Markt vermittelten Allokation überlegen sei. Es sähe aber anders aus wenn wir von einer komplex-unüberschaubar-dynamischen Ökonomie ausgingen die obendrein zu einem hohen Ressourcenverbrauch neigt und deshalb mit Knappheiten rechnen müsse. Ohne einen Preismechanismus sei eine dezentral-flexible Allokation also kaum machbar bzw. zwar durchführbar aber langfristig höchst ressourcen-verschwenderisch und bürokratisch.
Die antikapitalistische Linke verwies hierzu entweder auf verbesserte Möglichkeiten zentraler Planung via Computertechnologie (siehe z.B. Cockshott und Cottrill) oder dezentraler Planung über Konsumbedarf-Erfassung inklusive mehrerer Iterationsrunden bis ein Gesamtplan stünde (siehe Alberts und Hahnels „Participatory Economics“).
Deine Ausführungen legen die Unattraktivität dieser Planvorstellungen leicht verständlich dar. Eine detailiertere Kritik an „dezentraler Planung“ qua individueller Bedarfsabfrage hat der US-amerikanische Philosoph und Mathematiker David Schweickart geliefert: http://orion.it.luc.edu/~dschwei/parecon.htm
Schweickart geht davon aus, dass ein neuer sozialistischer Anlauf in Bezug auf Konsumgüter nicht ohne Marktallokation auskomme. Auch er hält die Argumente der Österreichischen Schule bezüglich sozialistischer Planwirtschaft für stichhaltig. Allerdings möchte er in seiner „Economic Democracy“ Arbeits-, Boden-, und Kapitalmärkte weitgehend abschaffen: http://thenextsystem.org/economic-democracy/
Ein anderer Vorschlag, der an einer Art Crowdfunding auf gesamtgesellschaftlich vermittelten Nivrau erinnert, ist Pfreundschuhs Vorschlag einer „Sozialistischen Aktiengesellschaft“, wie sie auf Marx‘ Bemerkungen im 3. Band des „Kapitals“ zurückgeht:
„Für eine Umformung dieses Vorschusses aus der Geldform in eine Naturalform, also gegen die herrschende Form des Kapitals, gibt es Vorstellungen einer von der Geldform unabhängen Vorratsbildung, die für die Investition in Projekte nötig sind, die Bedürfnisse eines Menschen, einer Gruppe oder einer Organisation bewerkstelligen können.
Der Begriff „Aktie“ mag hierfür noch durch seine bestehende Wortbedeutung belastend oder irriierend und änderungsbedürftig sein. Aber eigentlich besagt er nur, dass eine Akte für ein Vorhaben anzulegen wäre, das einen Ertrag, in welcher Form auch immer, verabredet und dem sich gegenüber dem hierfür durch eine Leistung bereiten Einsatz auch eine entsprechende Ertragsbeteiligung verpflichtet.
Der Gedanke von einer sozialistische Aktiengesellschaft hat seinen Ursprung in einigen Bemerkungen von Marx im 3. Band seines Buches zum Kapital, worin er eine Umkehrung der Enteignung (Expropriation) zu einer freien Aneignung der Aktie aus der klassichen Form heraus beschreibt:
„Die Expropriation erstreckt sich hier von den unmittelbaren Produzenten auf die kleineren und mittleren Kapitalisten selbst. Diese Expropriation ist der Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktionsweise; ihre Durchführung ist ihr Ziel, und zwar in letzter Instanz die Expropriation aller einzelnen von den Produktionsmitteln, die mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion aufhören, Mittel der Privatproduktion und Produkte der Privatproduktion zu sein, und die nur noch Produktionsmittel in der Hand der assoziierten Produzenten, daher ihr gesellschaftliches Eigentum, sein können, wie sie ihr gesellschaftliches Produkt sind.
Diese Expropriation stellt sich aber innerhalb des kapitalistischen Systems selbst in gegensätzlicher Gestalt dar, als Aneignung des gesellschaftlichen Eigentums durch wenige; und der Kredit gibt diesen wenigen immer mehr den Charakter reiner Glücksritter.
Da das Eigentum hier in der Form der Aktie existiert, wird seine Bewegung und Übertragung reines Resultat des Börsenspiels, wo die kleinen Fische von den Haifischen und die Schafe von den Börsenwölfen verschlungen werden.
In dem Aktienwesen existiert schon Gegensatz gegen die alte Form, worin gesellschaftliches Produktionsmittel als individuelles Eigentum erscheint; aber die Verwandlung in die der Aktie bleibt selbst noch befangen in den kapitalistischen Schranken; statt daher den Gegensatz zwischen dem Charakter des Reichtums als gesellschaftlicher und als Privatreichtum zu überwinden, bildet sie ihn nur in neuer Gestalt aus.
Die Kooperativfabriken der Arbeiter selbst sind, innerhalb der alten Form, das erste Durchbrechen der alten Form, obgleich sie natürlich überall, in ihrer wirklichen Organisation, alle Mängel des bestehenden Systems reproduzieren und reproduzieren müssen.
Aber der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist innerhalb derselben aufgehoben, wenn auch zuerst nur in der Form, daß die Arbeiter als Assoziation ihr eigner Kapitalist sind, d.h. die Produktionsmittel zur Verwertung ihrer eignen Arbeit verwenden.
Sie zeigen, wie, auf einer gewissen Entwicklungsstufe der materiellen Produktivkräfte und der ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsformen, naturgemäß aus einer Produktionsweise sich eine neue Produktionsweise entwickelt und herausbildet.
Ohne das aus der kapitalistischen Produktionsweise entspringende Fabriksystem könnte sich nicht die Kooperativfabrik entwickeln und ebensowenig ohne das aus derselben Produktionsweise entspringende Kreditsystem.
Letztres, wie es die Hauptbasis bildet zur allmählichen Verwandlung der kapitalistischen Privatunternehmungen in kapitalistische Aktiengesellschaften, bietet ebensosehr die Mittel zur allmählichen Ausdehnung der Kooperativunternehmungen auf mehr oder minder nationaler Stufenleiter.
Die kapitalistischen Aktienunternehmungen sind ebensosehr wie die Kooperativfabriken als Übergangsformen aus der kapitalistischen Produktionsweise in die assoziierte zu betrachten, nur daß in den einen der Gegensatz negativ und in den andren positiv aufgehoben ist.“ (MEW 25, S. 455f)
Die Vorstellungen hierzu haben sich dahin entwickelt, dass eine sozialistische Aktiengesellschaft sich im Unterschied zur kapitalistischen nicht den Banken überantwortet, sondern der Kontrolle der Produzenten zukäme, die in einer sozialistischen Demokratie ihre allgemeinen Bestimmungsverhältnisse regeln.
Hierdurch werde Vermögen, das der Realisation des gesellschaftlichen Mehrprodukts entspringt, in das kreative und produktive Vermögen der Gesellschaft und ihrer Individuum, sofern sie neue und eigentümliche Beziehung auf die Produktion haben, quasi genossenschaftlich übertragen.
Die Vorstellungen von Sozialismus lassen dies auch möglich erscheinen, wenn man die Kritik am Realsozialismus einbezieht. Das bisherige Problem des Sozialismus des „Ostblocks“ war, dass der Staat als Diktatur bestimmt war, die das gesellschaftliche Vermögen lediglich zu verwalten und die Produktion alleine nach Plan zu entwickeln hatte (Planwirtschaft). Hierdurch war seine wirtschaftliche Entwicklung gelähmt und im Vergleich zur Marktwirtschaft kontraproduktiv verwaltet. (…)
Daher muss es eine gesellschaftlich kontrollierte Aktie als Vertragsform und Mittel des Vorschusses für eine spekulierte Entwicklungsleistung (z.B. für Projekte in freien Kooperationen) geben, die nicht über Kreditgeber mit Kreditverpflichtung vergeben wird, sondern noch über ein Gemeinwesen als Gesellschaftsspekulation von wertbedingter Konkurrenz frei bleibt und sich auf die Individuen oder in kooperativen Zusammenhängen befindliche Menschen anteilig zum Wert des Vorschusses vermittelt.
Die so gebildete Darlehensform macht sich in dem Maße überflüssig, wie sich hierin die „freie Assoziation“ der arbeitenden Gesellschaft überhaupt ergibt, das Wechselwirken von Einfall, Begabung und Arbeit, Reproduktion und Produktion in einem. Solche Auffasung von Gemeinwesen gibt es schon seit längerem unter dem Begriff des Kommunalismus. Dies würde auf internationaler Eben in einen Kommunismus übergehen, wenn es keiner Geldform der Arbeitsprodukte mehr bedarf.“
Quelle: https://kulturkritik.net/begriffe/begr_txt.php?lex=sozialistischeaktiengesellschaft
Jedoch bleibt die Frage ob die Existenz von Märkten nicht auch eines marktregulierenden, d.h. Gesetze hervorbringenden Gewaltmonopols in Form des Staates benötigt oder ob derartige Umwandlungsprozesse Ansätze zu einer „Rücknahme des Staates in die Gesellschaft“ beinhalten können.
Ein hierzu von mir in deinem vorherigen Post vorgebrachter Vorschlag war der Verweis auf Losverfahren und eine Dezentralisierung bzw. Aufteilung der politischen Kompetenzen.
Der Politikwissenschaftler Terry Bouricius hat auf Grundlage der Athenischen Demokratie ein modernisiertes Modell repräsentativer, funktionaler Körperschaften entwickelt welches zumindest mehr Mitbestimmung ermöglichen und – auf Basis der historischen Forschung, seiner 10-jährigen Erfahrung als Abgeordneter sowie des wissenschaftlichen Stands zu Gruppenverhalten – Missstände des derzeitigen parlamentarischen Systems überwinden könnte: http://www.publicdeliberation.net/cgi/viewcontent.cgi?article=1220&context=jpd
Bouricius Vorschlag wurde auch in David van Reybroucks mainstream-populären Buch „Against Elections“/“Gegen Wahlen“ erwähnt.
Der Artikel ist nicht logisch. Du sagst ohne Geld müsste man entweder A, B oder C machen: Also braucht man Geld! Dabei hast du doch selbst schon Bücher über D geschrieben!
Please forgive me for replying to this fascinating article in English.
But imagine a different kind of algorithm. Not so algorithmic. More transparent and open to human intervention. More like an economic simulation game. I hesitate to name games because you might think this is exactly what I mean, but it’s only to convey the idea: SimCity, Civilization, Settlers of Catan. But tailored for an egalitarian economy, and built from software lego blocks so the citizenry can improve it by popular demand.
I don’t mean this as the only element in a better economic system. I agree with the article above that many different methods will be needed. But in every case, the methods will need to be rethought, continuously.
Hier ist die Google übersetzte deutsche Version meiner Kommentare oben.
Aber stellen Sie sich eine andere Art von Algorithmus vor. Nicht so algorithmisch Transparenter und offen für menschliches Eingreifen. Mehr wie ein wirtschaftliches Simulationsspiel. Ich zögere, Spiele zu nennen, weil du denkst, das ist genau das, was ich meine, aber es ist nur die Idee zu vermitteln: SimCity, Zivilisation, Siedler von Catan. Aber maßgeschneidert für eine egalitäre Wirtschaft, und gebaut aus Software lego Blöcke, so dass die Bürgerschaft kann es durch die beliebte Nachfrage zu verbessern.
Ich meine das nicht als das einzige Element in einem besseren Wirtschaftssystem. Ich stimme dem Artikel zu, dass viele verschiedene Methoden benötigt werden. Aber in jedem Fall müssen die Methoden kontinuierlich überdacht werden.
@Christian:
In Kürze und damit vermutlich verkürzend: In der Tat, du trennst Produktion und Vermittlung (die du schon begrifflich zur bloßen Verteilung herabsetzt). Und gehst so getrennt völlig nachvollziehbar von isolierten bloßen Konsument*innen aus, wie wir sie kennen. Keine Verfügung über die Schaffung der Lebensbedingungen, sondern bloße Nachfrager*innen, die Überhänge erzeugen. Damit schreibst du den Fetischismus fort: Sachliches und Soziales sind getrennt und die Sachlogik diktiert. Keine Kommunikation über Bedürfnisse ex ante, sondern Universalisierung der Ex-post-Vermittlung. Soziale Verhältnisse und Care? Kein Thema für bloße Verteilung. Wirtschaft plus abgespaltener unsichtbarer Rest (siehe meinen Kommentar beim ersten Text zum Geld).
Damit hast du schon so viele Prämissen in ihren bürgerlichen Formen gesetzt, dass am Ende nur Geldvermittlung als Lösung herauskommen kann. So lese ich das, aber vielleicht kommt mit deinem Produktionsteil alles ganz anders?
Ich arbeite seit 2 Jahren zum Thema:
Unsere Gesellschafft ohne Geld.
Hilfreich
– für das sehen der scheinbar unsichtbaren Arbeit, meistens von Frauen
geleistet – war die Lektüre des Buches von Gabriele Winker:
CARE Revolution Schritte in eine solidarische Gesellschaft.
Winker stellt die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt.
Es
sind nach Untersuchungen von Winker 2012 in der BRD: 59% nicht
entlohnte Care-Arbeit und 7% entlohnte Care-Arbeit und nur 34%
Lohnarbeit ohne Care-Arbeit!
59 % der Arbeiten werden ohne Geld erbracht!
Hilfreich auch:
Frigga Haug:
Die-Vier-in-einem-Perspektive.
Wie soll diese „Kommunikation über Bedürfnisse ex ante“ in einer global vernetzten Massengesellschaft eigentlich jenseits überschaubarer Kreise (siehe Dunbar-Zahl) überhaupt ohne Repräsentations-Ebene machbar sein?
Die seitens der antikapitalistischen Linken oft vorgelegten Modelle sind selten überzeugend, da sie oft mit bloßen Analogien arbeiten und sich durch die Hintertür immense Probleme einheimsen, die dann angeblich schon irgendwie von den Menschen gewuppt werden.
Seitens Stefan Meretz wird kritisiert es würden bereits „viele Prämissen in bürgerliche Form gesetzt“, aber viele Prämissen, die auch bezüglich der Peer-Economy/des „Commonismus“ getroffen werden sind einfach Annahmen, dass sich die Gesellschaft durch Teilen und Beitragen von Individuen, ähnlich wie bei Wikipedia, genauso im materiellen Bereich schon irgendwie ergeben würde. Als wäre Vergesellschaftung in einer hochgradig arbeitsteiligen Massengesellschaft als bloße Summe agierender Individuen, die halt irgendwo nach Muster einer To-Do-Liste freiwillig etwas beitragen, vorstellbar.
Soweit ich verstanden habe, will Christian aufzeigen, dass es so etwas durchaus gibt, es förderungswürdig ist, aber eben nur auf kleinem, überschaubaren Niveau funktioniert und keineswegs für alle attraktiv ist, die nicht hinter das erreichte Produktivitätsniveau zurückfallen wollen (auch wenn das vielleicht aus ökologischen Gründen notwendig wäre?).
Der Unterschied zwischen uns beiden, Perikles, ist: Du stellst deine Eingangs-Frage (gegen Stefan) rhetorisch – es geht doch nicht anders. Ich hingegen stelle sie destruktiv-kritisch, im Sinn von: Wie soll das je gut gehen? Es geht überhaupt nicht.
Und das einzige, was man denen zugutehalten kann, die jetzt auf Hayek und Mises zurückgreifen, ist: dass die Kritik der Politischen Ökonomie die Kritik noch nicht bis zum äussersten Endpunkt getrieben hat, dem nämlich: dass Geld diese Monster-Produktionsweise nicht steuern KANN.
Ich glaube, dass man diesen Nachweis begrifflich führen sollte, und: dass man es kann.
Auch hier ein PS: Die Debatten über die „Alternative“ oder Utopie“ legen, wie könnte es anders sein, immer wieder auch das (kritische) Verständnis der jeweiligen Autoren vom Funktionieren des Kapitalismus offen, also dessen (daran), was sie (nicht) abschaffen/ersetzen wollen.
Man könnte darum die gesamte Debatte über „die Alternative“ auf weite Strecken als erneute Durcharbeitung der Kritik der Politischen Ökonomie (und dessen, was sich daran anschliesst: Staat/Staatensystem, Zivilgesellschaft, Diskurse/Ideologien/notwendig falsches Bewusstsein etc) betreiben. Als ob man sich darin einig wäre. Als ob da Klarheit herrschte.
Franziska, dann bestünde, aus meiner Sicht, die einzige Alternative darin die Produktion drastisch zu dezentralisieren und das bisherige Niveau an Komplexität und Dynamik zugunsten einer für den Einzelnen in jeder Hinsicht überschaubaren und weitgehend statisch funktionierenden (kommunalen) Ökonomie herunterzuschrauben.
Denn es geht nicht darum was man ersetzen will, sondern was man überhaupt ersetzen kann. Jedenfalls wenn man die Beschränktheit des Menschen durch sein evolutionäres Erbe bzw. den bisher dazu erreichen Forschungsstand unter welchen Bedingungen kommunistische Kooperation überhaupt möglich ist.
Viele Linke setzen aber die Machbarkeit einer solchen für Menschen durchsichtig-nachvollziehbaren und bewusst gesteuerte, sich irgendwie spontan und durch Freiwilligkeit ergebende, einzig per Kooperation funktionierende (dezentrale oder zentrale) Planwirtschaft theoretisch einfach voraus.
Einzig die sozial-kulturellen, ideologischen und machtpolitischen Umstände würden die Menschen daran hindern ihr volles Potenzial zu entfalten um die Weltkommune zu errichten.
Das sind aber einzig Vermutungen. Es könnte ebenso sein, dass die antikapitalistische Linke von Zielen ausgeht welche die Mehrheit der Menschen – trotz besserer Bildung und mehr arbeitsfreier Zeit als heute – mittelfristig schlichtweg überfordern und eine horrende Bürokratie erfordern würde.
Dass alle alles – über einen Zeitraum von Jahrhunderten – gemeinsam planen können und wollen (!), und dabei alle Schritte harmonisch ineinandergreifen (können), müsste erst bewiesen werden.
Hierzu bedürfte es experimenteller Freiräume die größer als die geschichtlich bisher hervorgebrachten (und überwiegend gescheiterten) anarchistischen/kommunistischen Kommune-Projekte sein müssten.
Vielleicht bedarf es zu einem globalen Projekt, wie du es vorschlägst, Franziska, wirklich eines (gentechnisch und/oder per Computertechnologie veränderten) neuen Menschen.
Was den heutigen Menschen und seine Kapazitäten anbelangt bin ich da jedenfalls skeptisch. Ebenso was die Machbarkeit einer marktfreien, global geplanten Ökonomie anbelangt.
Im Endeffekt steht hier „Glaube“ gegen „Glaube“, Behauptungen gegen Behauptungen. Die Erfahrungen der letzten 100 Jahre und der (bisherige) wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ambivalenz und Möglichkeiten der „menschlichen Natur“ lassen mich jedoch auf der skeptischeren Seite stehen und deshalb dazu neigen es sinnvoller zu erachten „kleinere Brötchen“ zu backen.
Nun- da beklagen wir im Denken der radikalen (anti-kapitalistischen; nicht-reformistischen) Linken*) dieselben Mängel. (Ich führe diese Mängel obendrein auf grosse Lücken im theoretischen Begreifen der bestehenden Verhältnisse zurück. Ein weites Feld…)
Was ich zu sagen habe, kann nicht mehr sein als Andeutung der Richtung, in der Lösungen zu suchen wären für die von dir aufgeworfenen Probleme – eher sind es „Aporien“ . als alter Athener verstehst du vielleicht, wovon ich spreche 😉
Am Anfang steht der Satz: Eine Produktionsweise, die die Anforderungen an den Erhalt unserer biologischen Lebensgrundlagen beachtet, muss RADIKAL ANDERS als heute ansetzen.
Ironischerweise ist gleich der nächste Satz: Eine Produktionsweise, die unseren biologisch verankerten Dispositionen und Reproduktions-Anforderungen gerecht werden soll, wird GANZ GENAUSO ansetzen.
Heisst: Zur radikalökologischen ist die radikal menschen- und bedürfnisgemässe Produktionsweise GERADE KEIN Widerspruch, im Gegenteil.
Marx, der alte Romantiker, hat das mit der berühmten Wendung Fischer-Jäger-Kritiker angedeutet, was er nicht ausgearbeitet hat, war: Dass da etwas absolut Rationales, Realitäts-Gerechtes angesprochen sein könnte.
Etwas, das über die Kritik unserer Vergesellschaftung noch hinausgreift: eine Kritik der modernen Produktionsweisen und Einstellungen zur Welt selbst. Und zwar gerade NICHT eine, die dahinter zurückfällt.
Wobei die Trennung beider, Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte (die im aktuell modernen linken Denken gradezu endemisch ist), elementaren Einsichten von Marx/Engels widerspricht.
Die Produktivkraftentwicklung stellt Aufgaben, die die Änderung des Produktionsverhältnisses („bei Strafe des Untergangs oder Rückfalls in Barbarei“) ERZWINGEN. So stehts geschrieben – und, kaum zu glauben: So ist es!
Wer über die Produktivkraft-Ebene und die dort sich stellenden Aufgaben nicht reden will, soll von eigentumsfreiem und kollektivistischen Produktionsverhältnis schweigen.
Noch eine Andeutung, mal vonseiten der Alternativ-Selbstversorgungs-Gartenbäuerin gesprochen: Die industrielle Landwirtschaft und darauf beruhende Ernährungsstile ist in vielen Hinsichten am Ende. Ihr stellt euch hier gerne grosszügig vor, wie man doch „im kleinen Rahmen“ verständigt, kollektiv sich sein täglich Brot (oder eben die kleinen Brötchen) erarbeiten kann. – Natur-analoger Gartenbau zum Zweck der kompletten und gesunden Selbstversorgung auf relativ kleinen siedlungsnahen Flächen ist aber ein ungelöstes Produktionsproblem.
Alles, was ich weiss, deutet darauf: Dass die Leute, die sich dem widmen, und zwar so, dass sie maximal viel freie Zeit haben, die biologische Situation in ihrem Gelände sehr genau kennen müssen, und diese Kenntnisse gemeinsam verarbeiten müssen. Weitestgehende Regionalität und cradle-to-cradle-Kreisläufe einzurichten (so, dass sie dauerhaft funktionieren), sind ebenfalls unglaublich anspruchsvolle Herausforderungen an eine raffinierte low-tech-Produktionsweise.
Technologisch können wir derzeit auf einen riesigen Werkzeugkasten zugreifen, eben die „entwickelten Produktivkräfte“. Aber die Auswahl, die wir treffen, und die Weiterentwicklungen, die sicher noch anstehen, werden hoch-selektiv sein. Wissensverwaltung ist ein Schlüsselthema in der Nachmoderne. (Dass sie entweder kollektivistisch sein wird, oder nicht sein wird, ist zu beweisen.)
Übrigens: Die Leute, die in diese Richtung gehen… die gibt es schon.
Warum das zu erwarten ist… das abzuleiten ist noch so ein weites Feld.
Ich kann Leute nicht verstehen, die heutzutage keinen Theoriebedarf haben. Die (geistige) Welt, die radikal linke zumindest (das ist die, auf die es ankommt!), die Welt der Fragestellungen und dafür (eigentlich) benötigten Begrifsbildungen, oder Rückbesinnungen auf Kategorien – die dehnt sich heute so weit – und sie ist so unglaublich leer.
———————–
*) vgl hierzu:
http://www.selbstbestimmung-als-aufgabe.de/pages/untersuchungen-und-bemerkungen-zu/kommunismus-und-kommunalismus/untersuchungen-und-bemerkungen-zum-radikallinken-denken.php
@Perikles #2: Von Schweickart u.ä. hörte ich schon, muss ich mir aber noch genauer anschauen; danke für den Hinweis auf Bouricius.
#8: Mir scheint auch, dass der „Kommunikation über Bedürfnisse ex ante“ oft ein methodischer Fehlschluss zugrunde liegt — die Idee, dass was im Kleinen funktioniert, doch auch im Großen auf eine ganz ähnliche Weise funktionieren müsste. Das ist aber noch genauer auszuführen.
@Benni #3:
Du meinst mein Beitragen statt tauschen? Dort gibt es ja eine Kopplung von Geben und Nehmen und zur Verrechnung beider eine geldartige Verrechnungseinheit, die „Gewichtete Arbeit“. Was oft kritisiert wurde! Tatsächlich wäre meine These heute eher: derartige geldartige Verrechnungseinheiten sind nicht verzichtbar. Ob das dann Geld im heutigen Sinne oder Gewichtete Arbeit ist, ist vielleicht gar nicht so wichtig – aber essenziell ist natürlich, dass die negativen Effekte der kapitalistischen Profitmaximierung mit Unterbietungskonkurrenz, Externalisierung und Ausgrenzung nicht mehr auftreten. Diese hängen aber, wie der historische Abriss zeigt, gar nicht so eng am Geld als „allgemein anerkanntem Tauschmittel“, wie ich früher dachte.
Unter einer „Gesellschaft nach dem Geld“ würde ich eine verstehen, die komplett auf jegliche Verrechnung verzichtet — und das sehe ich inzwischen sehr kritisch.
@Bob #4:
No problem, writing in English is fine 🙂
The difference, I’d say, is that in an economic simulation game, people are just simulated, while in real life, they—and the choices they make—are real. People have to make their own choices, it’s no use if a computer makes them for them; and if people’s actual choices are constrained by the choices made by computers/algorithms, that might quickly become pretty bad. Or do I misunderstand?
@Stefan #6:
Ich halte die begriffliche Unterscheidung zwischen Produzent_innen und Konsument_innen/Nutzer_innen in der Tat für überhistorisch relevant, weil beide in keiner Gesellschaft in Bezug auf alle Güter komplett zusammenfallen. Selbst bei Subsistenzproduktion in kleinen Gruppen produziert ja nicht jede_r für sich selbst, noch beteiligen sich alle an allen Produktionsprozessen. Auch dort lässt sich für manche Güter eine kleinere Gruppe, die sie produziert, und eine größere Gruppe, die sie (auch) konsumiert, feststellen. Allerdings sind dort die Verhältnisse tatsächlich so überschaubar, dass eine direkte (face-to-face) „Kommunikation über Bedürfnisse ex ante“ möglich ist. Wobei allerdings, wie mein voriger Artikel zeigte, solche kleinen Gruppen auch niemals völlig autark gewesen sein dürften: Es gab eigentlich immer auch Außenbeziehungen, wo in irgendeiner Form Leistung/Gabe gegen Gegenleistung/Gegengabe getauscht wurde.
Sobald dann aber solche überschaubaren Verhältnisse verlassen werden, stellt sich erst recht die Frage, wie die notwendige Ausdifferenzierung in (Auch-)Produzent_innen und (Nur-)Konsument_innen gelöst werden kann, wenn keine direkte (face-to-face) Kommunikation mehr möglich ist und das Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“ (gegenseitig ausgehandelte Verträge) nicht mehr gelten soll. Dafür nenne und kritisiere ich ja durchaus Möglichkeiten: Vetternwirtschaft, Losverfahren etc. Du kannst natürlich sagen: „stimmt, so geht es nicht, aber es geht anders“, aber das muss du dann schon inhaltlich ausführen — mit der bloßen Formel „Kommunikation über Bedürfnisse ex ante“ ist es nicht getan.
Nun gibt’s dafür ja durchaus konkretere Vorschläge, wie etwa Stigmergie. Warum ich die nicht für ausreichend halte, werde ich in der Tat im nächsten Teil ausführen.
Der Verweis auf „bürgerliche Formen“ ist in meinem Empfinden nur ein Versuch, Kritik zurückzuweisen, statt sich ihr inhaltlich zu stellen. Das kannst du doch eigentlich besser!
@Franziska.
Ich weiß nicht wirklich ob wir von der gleichen Kritik ausgehen oder ob ich deine, pardon wenn ich es so empfinde, etwas „abgehobene“, sehr an kategorialen Begrifflichkeiten aufgezogene, Betrachtungsweise richtig nachvollziehe. Ehrlich gesagt fehlt mir auch Zeit und Lust sich durch die von dir verlinkten Textwälder zu arbeiten.
Ich halte es für sinnvoll sich so einfach wie möglich auszudrücken und so konkret wie möglich zu werden. Denn meistens kann sich niemand etwas genaueres vorstellen worum es gehen soll, wenn es nicht so bildlich wie möglich beschrieben wird.
Aber wenn ich dich richtig verstanden habe, dann willst du den bisherigen Grad der Industrialisierung kritisch hinterfragen oder sogar „zurückdrehen“ bzw. manche Industrien verwerfen und zeigst die Notwendigkeit einer überschaubaren Subsistenzökonomie auf.
In Teilen mag das notwendig und richtig sein (mir fielen hier Niko Paechs Ausführungen ein, die in eine solche Richtung geht). Auf der anderen Seite ist fraglich ob es machbar ist Milliarden von Menschen per permakultureller Subsistenzwirtschaft durchzubringen.
Ich bezweifel auch stark, dass sich dafür freiwillige Mehrheiten finden werden. Einen analogen Verständigungsprozess auf Ebene der Weltvergesellschaftung an der dann Milliarden von Menschen an den bewussten Planentscheidungen beteiligt sein sollen, halte ich inzwischen für illusionär.
Dahingehend erscheint mir vieles was Karl Marx bzw. die nach ihm folgenden „Marxisten“ für notwendig und erstrebenswert hielten, und entsprechend den Kommunismus umrissen, für Sozialromantik und aus der Hegel’schen Dialektik und dem Historischen Materialismus abgeleitete „Geschichtslogiken“, die darüber hinaus greifende Faktoren wie genetische Disposition und konkrete Durchführbarkeit auf Ebene global vernetzter Gesellschaften überhaupt nicht diskutieren.
Außerdem wird von einer Art anzustrebenden, beinah mythischen Überflussgesellschaft ausgegangen, in welcher sich dann alle Zuteilungsfragen irgendwie in Luft auflösen würden. Gerade in Zeiten der Ökokrisen halte ich das inzwischen für überaus illusionär.
Ohne einen Preismechanismus ist es für Planer und Produzenten sehr schwer zu wissen was und wie viel produziert werden soll und welche Produktion und Marketingmethoden die effizienteste Lösung darstellen (könnten). Außerdem ist es schwierig die Produzenten dazu zu motivieren effizient und innovativ zu sein. „Der Markt“ (sinnvoller wäre es wohl sich die Konstitution konkreter Märkte anzuschauen) löst diese Probleme – wenn auch mit problematischen Nebeneffekten verbunden – auf nicht-autoritäre und mit möglichst wenig dazwischentretender Bürokratie.
Bezüglich marktfreier Sozialismusvorstellungen, vor allem wie sie im sozialistischen/kollektivistischen Anarchismus anzutreffen sind (und einiges davon erinnert mich an den „Commonismus“), finde ich einen Hinweis von Robert Kurz treffend:
„Der anarchistische und überhaupt jeder kleinbürgerliche Sozialismus, der von transzendentalen Formen des gesellschaftlichen Verhältnisses abstrahiert, die dem empirischen Willen vorgeschaltet sind, möchte die Alternative eben stets auf unmittelbar empirische und ‚einfache’ Willensverhältnisse reduzieren. Deshalb kommt er immer auf kleine, überschaubare ‚Modelle’ von Genossenschaften und basisdemokratischen Gemeinden. Innerhalb von deren Grenzen soll alles ‚herrschaftsfrei’ und nach gemeinsamen Beschlüssen ablaufen.
Damit ist jedoch weder die Realität noch der Begriff eines gesellschaftlichen Zusammenhangs gewonnen, es sein denn, man wollte die Menschheit auf das Niveau voneinander isolierter Kuhdörfer mit rohester Subsistenzproduktion zurückwerfen. Auf deren Basis würden sich dann allerdings erst recht entsprechend rohe und primitive Herrschaftsstrukturen herausbilden.
Die entscheidende Frage ist also die nach den übergreifenden Organisationsformen der vielen einzelnen Teilproduktionen, Infrastrukturen und ‚Gemeinden’, nach ihrem inneren Beziehungsverhältnis, das erst als Ganzes so etwas wie Vergesellschaftung und damit ein gesellschaftliches Verhältnis ausmacht. Weder kann man sich dabei begnügen, die befreite Gesellschaftlichkeit als bloß äußerliche ‚Summe’ jener genossenschaftlichen Mikrostrukturen zu bestimmen noch ist deren ‚Modell’ hinreichend für eine gesamtgesellschaftliche und gar transnationale oder planetarische Vermittlung der Milliarden von einzelnen Reproduktionstätigkeiten. […]
Wollte man die gesellschaftliche ‚Gesamtheit’ und damit den Charakter eines übergreifenden ‚gemeinsamen Plans’ näher bestimmen, so müsste die qualitativ andere gesellschaftliche Formbestimmung, die das Diktat des ‚abstrakten Reichtums’ abschüttelt, in Grundzügen formuliert werden. Es geht also nicht um ein utopisches Ausmalen von Einzelheiten und eine Vorwegnahme zukünftiger Praxis, sondern um die allgemeine Bestimmung der Differenz zur kapitalistischen Vergesellschaftung. […]
Kein Wunder, dass die von diesem [staatstheoretischen] Defizit geprägte Linke ebenso regelmäßig vor dem Problem der ‚gesellschaftlichen Synthesis’ zurückscheut und in den ‚Modellplatonismus’ der Genossenschaftsideologie flüchtet, die seit dem 19. Jahrhundert in zahlreichen Variationen bemüht wird bis zu den alternativen Ideen eines ‚sinnvollen Arbeitens ohne Chef’ und den Kommunen der 1980er Jahre. Der betrieblich oder kommunal bornierte Horizont wird dabei nicht verlassen; und sobald die ‚gesellschaftliche Synthesis’ ins Blickfeld gerät, regrediert die Vorstellung sofort auf quasi- oder proto-etatistische Formen mit illusionärer ‚basisdemokratischer’ Rückversicherung.
Weiter als bis zur Idee einer genossenschaftlichen, als ‚herrschaftsfrei’ imaginierten Mikro- oder Lokalstruktur hat es gerade der Anarchismus nie gebracht […] und wäre er je in die Verlegenheit gekommen, einen gesellschaftlichen Zusammenhang seiner Basisgemeinden praktisch ins Auge fassen zu müssen (etwa bei einem anderen Verlauf des Spanischen Bürgerkriegs), dann hätte er genauso wenig auf eine naturwüchsig sich herausbildende entfremdete Staatlichkeit als politischen Ausdruck des unüberwundenen ‚abstrakten Reichtums’ und seines Formzusammenhangs verzichten können.“
Quelle: „Es rettet euch kein Leviathan – Thesen zu einer kritischen Staatstheorie Zweiter Teil“, in: EXIT! – Krise und Kritik der Warengesellschaft, Nr.8, Berlin 2011, S.109-162, S.129f.
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Allerdings hängt Kurz selbst naiven Vorstellungen an bzw. macht sich um eventuelle Durchfürbarkeiten von Alternativen keine oder nur äußerst unzureichende Gedanken, wenn er meint, es müsse halt darum gehen die Warenproduktion (und damit jede Marktvermittelung) durch direkte Absprachen zu ersetzen und gut ist.
Auf der anderen Seite verweist er darauf wie eine Gesellschaft die noch Warenproduktion kennt vermutlich nicht ohne einen politischen Überbau auskommt der die (vertrags-)rechtlichen Rahmenbedingungen vorgibt auf Basis derer die Austauschenden zusammenkommen. Das wäre dann der Staat.
Inwiefern also dennoch (quasi-)staatliche Institutionen, selbst wenn eine Überwindung der Warenproduktion in den von Polanyi genannten Bereichen der „fiktiven Waren“ (Arbeit, Boden, Geld) möglich sein sollte, notwendig sind, bin ich mir unschlüssig.
Es wird aber öffentliche Institutionen geben müssen um die Austauschakte zu kontrollieren und Betrug zu verhindern. Denn bisherige Studien zeigen, dass ohne eine solche „Beobachtung“ die Austauschenden durchaus zu ihrem Vorteil betrügen. Wo sie aber um die Beobachtung und mögliche Sanktionen wissen (das kann bereits ein zerstörter Ruf sein), steigt die Bereitschaft zu Kooperation und Fairness enorm.
Ich weiss nicht, ob die Debatte hier bereits vorgreifend geführt werden sollte, oder ob man nicht lieber Christians Text über Geld und Produktion abwarten sollte.
Die Diagnose, wonach die Abtrennung der (Überlegungen über die) Produktionsverhältnisse von den(jenigen über die) Produktivkräfte(n) bei radikalen Linken „endemisch“ ist, scheint sich zu bestätigen.
Wobei die Produktivkräfte ja vorkommen, aber nur als: Milliarden Menschen, wie kann man da anders… im Gegensatz zum „Subsistenz-Kuhdorf“ und „permakulturelle Subsistenzwirtschaft“ (als ob man davon allzuviel wüsste; zB warum die Permakultur in der Tat nicht hinreicht, aber eben auch nicht den Höchststand der Entwicklung markiert dessen, was man „biologisches High tech“ nennen könnte. Wo es zB AUCH um die Frage geht, wie man notwendige Arbeit stark reduziert – nur eben (dort) mit GANZ anderen Mitteln…)
Das Versprechen (hauptsächlich an sich selbst) der „Marxisten“ einer „Überflussgesellschaft“ findet also keinen Glauben mehr bei dir; das Versprechen von Agrar- und Lebensmittelkonzernen, Milliarden „durchfüttern“ zu können, hingegen schon.
Man merkt: Die Produktivkraftebene ist hier einfach nicht Thema, da werden überaus simple, überaus optimistische Voraussetzungen gemacht – wobei man dann freilich, was den Satz über die Produktivkräfte, die bestimmte ihnen gemässe P.Verhältnisse erzwingen, erstaunlich bestätigt – wieder und wieder bei den bürgerlichen Formen landet. Es geht nicht anders. Stefan hatte es oben, aus meiner Perspektive (die vermutlich nicht seine ist, darum ist das nicht vorzuwerfen) unpräzise, auf den Punkt gebracht: Wenn man exakt jene Produktionsweisen unterstellt, die bestenfalls noch bürgerlich (schein)reguliert werden können, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die zugehörigen P.Verhältnisse (Geld, sozialistische Aktien) unvermeidlich erscheinen. Wobei meine (derzeit begrifflich noch unbewiesene; ich arbeite dran) Behauptung da fast nur noch einen besserwisserischen Schnörkel dranhängen würde: die Regulierung (mit Geld und Preisen, wenn „Dynamik“ gleich welcher Art unterstellt ist) ist illusionär. (Ach, lass dir mal von Praktikern Geschichten erzählen (schöne Bilder!), wie nebulös Preiskalkulation in Betrieben geht, und was da von Hayeks „Information“ übrigbleibt. Hinterher allerdings… (nach der Insolvenz, zB)… da haben alle es schon vorher wissen können. Im commonalistischen Wirtschaftsraum trägt dann „die Gesellschaft“ die Verluste… nun ja, das tut sie heute auch schon. Von dem, was sich mit Geld nicht abbilden lässt (Naturzerstörung, Ressourcenverbrauch, Produzenten-Bedürfnis-Verleugnung) zu schweigen.)
Wie wunderbar auch Robert Kurz sich in diesem Gegensatz herumwindet, sieht man am Adornitischen Irrealis, in den er an der entscheidenden Stelle verfällt: Oh, so kleinklein-bürgerlich-anarchistisch gehts natürlich nicht, aber… wenns dann so recht gross-spurig (oder gar: transzendental!) um die „Differenz zur kap.Vergesellschaftung“ geht, dann „müsste die qualitativ andere gesellschaftliche Formbestimmung, die das Diktat des ‚abstrakten Reichtums’ abschüttelt, in Grundzügen formuliert werden“. Äh.. ja. Müsste sie wohl. (Von Bildern sieht man da nichts, stattdessen eine etwas kahle Begriffs-Baumgruppe. Bestenfalls. Dann doch lieber üppig und robust wachsende Textwälder, zur Fruchtbarmachung linker Denk-Brachen (wenn nicht -Wüsten)…)
@Franziska.
Wenn ich dir Positionen unterstellt habe die du nicht teilst, dann pardon. Wenn du mir unterstellst ich hätte behauptet es könne mit (konzerngesteuerter) Wachstumswirtschaft einfach weitergehen, dann machst du einen Strohmann auf. Meine Ausführungen mögen aber einen solchen Eindruck gemacht haben. Dahingehend möchte ich allerdings betonen, dass ich die Debatten über eine Postwachstums-Ökonomie für wichtig, wenn auch bisher unausgegoren halte.
In der bisherigen Diskussion ging es um die – für eine postkapitalistische Gesellschaft vermutlich (!) weiterhin gegebene – Notwendigkeit von (Konsumgüter-)Märkten und Geld. Christian wies darauf hin, dass dadurch noch lange nicht bürgerliche Verhältnisse einziehen müssen.
Wobei die Frage besteht, wenn man Meiksins Woods Entstehungsursachen und -geschichte des Kapitalismus für korrekt annimmt, ob „bürgerlich“ automatisch kapitalistisch meinen muss. Hier besteht für mich inzwischen Zweifel, insofern die traditionsmarxistische Erzählung zur Entstehung des Kapitalismus (Übersee-Kolonien, italienische Stadtstaaten und ihr Bankenwesen, niederländischer Kolonialismus etc.) dann nicht hinhauen würde.
Was deine Ausführungen zu Produktivkräfte vs. Produktionsverhältnisse anbelangt weiß ich nicht genau worauf du hinauswillst, also wo der blinde Fleck in den linken Diskursen liegen sollte. Vielleicht kannst du hier kurzerhand Aufklärung reinbringen.
Was Kurz‘ Kritik am Klitschen-Sozialismus anbelangt stimme ich dir zu. Ich sehe darin auch viel theorietrabendes und adornitisches Geschwurbel das zwar ein „Es müsste und sollte“ in die Welt posaunt damit aber noch lange nicht klar ist ob eine solche Perspektive überhaupt machbar ist. Mir ging es einzig darum mich des Zitates zu bedienen um auf die gleichermaßen unzulänglichen Sozialismuskonzepte eines bloßen „Klein, Klein“ hinzuweisen.
Bisher sehe ich keine andere Möglichkeit jenseits von Gemeinschaft eine Gesellschaftlichkeit herzustellen die nicht über Märkte vermittelt ist. Ich kann natürlich ebenso falsch liegen. Aber die bisherigen historischen Anläufe sehen dahingehend nicht überzeugend aus und die meisten von der radikalen Linken formulierten Alternativmodelle ebenso wenig.
Ein weiteres Modell, das sich eines „künstlichen Marktes“ bedienen will ist die „Umfassende Demokratie“ des griechischen Ökonomen Takis Fotopoulos. Hierbei soll die Grundversorgung Eigentum der (föderierten) Gemeinden sein und das Geld durch (nicht übertragbare, d.h. personengebundene) Gutscheine ersetzt werden. Fotopoulos beschreibt dies wie folgt:
„Sie sollten nicht vergessen, dass es sich hier um ein Modell einer Wirtschaft handelt, das keinen Staat voraussetzt. Es ist auch geldlos in dem Sinn, dass es kein Geld, wie wir es gegenwärtig kennen, voraussetzt. Und es ist marktlos, in dem Sinn, dass es keinen realen Markt, sondern nur einen künstlichen Markt gibt. Daher sind es nur die Bürgerinnen, die Entscheidungen treffen.
Wenden wir uns also zuerst der Nachfrageseite der Wirtschaft zu. Hier können wir sehen, dass die Bürgerinnen als Konsumentinnen entscheiden, wie sie ihr Einkommen ausgeben, das sie in Form von Gutscheinen bekommen. Das heißt, die Entlohnung, welche die Bürgerinnen im Austausch für ihre Arbeitsleistung bekommen, erfolgt in Form von Gutscheinen.
Hier können wir nun zwischen Basis-Gutscheinen und Nicht-Basis (bzw. Extra-) Gutscheinen unterscheiden.
Beginnen wir mit den Basis-Gutscheinen auf der rechten Seite. Wir können die Zahl der Personenstunden, die die Menschen der Gesellschaft bzw. der Gemeinschaft zur Verfügung stellen müssen, um ihre Grundbedürfnisse befriedigen zu können, schätzen.
Die Planerinnen können nun, auf Grundlage der Schätzungen bezüglich der Grundbedürfnisse, aber auch auf Grundlage von Schätzungen über die Bevölkerungszahl und der Anspruchsrechte jedes einzelnen Bürgers auf bestimmte Grundbedürfnisse einerseits sowie andererseits auf Basis von technologischen Durchschnittswerten, die Gesamtzahl der Stunden (und damit auch der Basis-Gutscheine) ermitteln, die in einer Gemeinschaft benötigt werden, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Die Schätzung der Grundbedürfnisse erfolgt aber auf Basis einer demokratischen Entscheidung, keiner objektiven, denn wenn man das Element der Objektivität einführen würde, könnte das leicht zu allen möglichen arbiträren Entscheidungen führen. Also die Bürgerinnen entscheiden demokratisch, welche Bedürfnisse Grundbedürfnisse sind und auch über den Grad der Befriedigung dieser, z.B. Essen, Bekleidung oder was auch immer.
Die Extra-Gutscheine werden an Bürgerinnen ausgegeben, die über das Mindesterfordernis zur Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus arbeiten möchten. Nehmen wir an, die Planerinnen hätten geschätzt, dass jede Person drei Stunden pro Tag arbeiten muss, damit alle Grundbedürfnisse gedeckt werden können.
Wenn nun jemand mehr als drei Stunden arbeiten will, entweder im selben Arbeitsbereich oder einem anderen, dann wird er oder sie dafür mit den Extra-Gutscheinen entlohnt. Damit kann er oder sie dann Waren, d.h. Güter oder Dienstleistungen jenseits des Grundbedürfnisbereichs, kaufen. Die sich im Zusammenhang mit Extra-Gutscheinen stellende Frage ist nun, wie wir die Tauschraten festsetzen können, das heißt, die »Preise«, zu denen Arbeit gegen Extra-Gutscheine getauscht wird.
Für Basis-Gutscheine ist das kein Problem, weil jede Person eine Mindeststundenzahl arbeiten muss, um seine oder ihre Grundbedürfnisse zu decken. Aber mit Extra-Gutscheinen stellt sich die Frage des Lohnsatzes.
Nun, hier können wir – und deshalb habe ich früher von künstlichen Märkten gesprochen – die Nachfrage- und Angebotsbedingungen der Vergangenheit zu hilfe ziehen. Anders gesagt, wenn zum Beispiel ein Mobiltelefon von den Versammlungen als Nicht-Basis Gut qualifiziert wurde, und wenn während der letzten sechs Monate in diesem Gemeinwesen es ein Angebot von sagen wir 100.000 Extra-Gutscheinen zum Kauf von Mobiltelefonen gegeben hat, und die Leute mit diesen 100.000 Gutscheinen 1.000 Mobiltelefone kaufen konnten, weil das die Gesamtproduktion von Mobiltelefonen war, dann bekommen wir die Zahl 100, wenn wir die Anzahl der Gutscheine, die zum Kauf von Mobiltelefonen verwendet wurden durch die Anzahl der produzierten Mobiltelefone dividieren. Also sind 100 Extra-Gutscheine der Preis eines Mobiltelefons.
Und auf ähnliche Weise können wir die Preise jedes anderen Nicht-Basis Guts festlegen, indem wir einfach die Produktion einer bestimmten Periode mit der Nachfrage nach einem bestimmten Gut oder einer Dienstleistung zueinander in Beziehung setzen.
Auf diese Weise gehen wir von den tatsächlichen Nachfrage- und Angebotsbedingungen aus, und nicht – wie es ein großer Nachteil der meisten Planungssysteme darstellte – indem wir die Leute im vorhinein fragen, was sie kaufen möchten, um dann mittels Planungsmechanismen rechnerisch zu ermitteln, was produziert werden soll.
Der Nachteil all dieser Planungsarten besteht darin, dass die Menschen sechs Monate oder ein Jahr im Voraus entscheiden müssen, was genau sie kaufen wollen, und das stellt natürlich eine schwerwiegende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit dar.“
Bezüglich des „Arbeitsmarktes“ schlägt Fotopoulos einen „Erwünschtheits-Index“ vor:
„Zuerst ein Blick auf den Erwünschtheitsindex: wir können ihn als Umkehrfunktion der Erwünschtheit konstruieren, in dem Sinn, dass je nachgefragter eine bestimmte Art von Arbeit ist, desto geringer die Entlohnung dafür ausfällt. Auf diese Art können wir einerseits die Wünsche der Menschen befriedigen und andererseits die Bedürfnisse der Gesellschaft, indem die Entlohnung für unpopuläre Arbeit höher ausfallen sollte, also ein Bauarbeiter oder Minenarbeiter einen höheren Lohn bekommen als ein Universitätslehrer, wenn die Tätigkeit des Universitätslehrers intensiver nachgefragt wird – schließlich bezieht er aus dieser Arbeit ja ein höheres Maß an Befriedigung – als ein Bau- oder Minenarbeiter.
Außerdem, und das ist wichtig, gibt es hier einen Anpassungsmechanismus. Wenn nämlich für eine bestimmte Arbeitstätigkeit das Arbeitsangebot sehr gering ist, wenn also zum Beispiel nicht viele Menschen zusätzliche Arbeit für die Produktion von Mobiltelefonen aufwenden wollen, dann würde sich das in den Preisen von Mobiltelefonen niederschlagen. Der Preis für Mobiltelefone würde mit fallender Produktion steigen. Indem aber der Preis für Mobiltelefone steigt, würde der Lohnsatz ebenfalls steigen, und das wäre ein Anreiz für mehr Arbeiter, Mobiltelefone zu produzieren.“
Quelle: http://www.inclusivedemocracy.org/fotopoulos/other_languages/germ/Kurswechsel.htm
Fraglich ist ob das Modell der „Umfassenden Demokratie“ und ihres „künstlichen Marktes“ nicht eine ebenso umfassende Bürokratie erfordern oder sich nicht nebenher ein System von Schwarzmärkten etablieren würde.
Die Schwierigkeiten hören nicht auf, wenn wir die Produktivkräfte ausblenden und zum Thema „unbürgerliche Geldverwendung“ kommen. Und obwohl man der Meinung sein kann, dass Christians Abhandlung hier bereits Anlass für Anmerkungen wie deine, Perikles, sein kann, weil es da eben auch um Verteilung, Bezugsrechte usw geht, wäre es doch besser, das Gesamt aus „Verteilung“ und Produktion zu betrachten.
Zwei allgemeine Hinweise zu Geld möchte ich gerne noch anbringen (und entfernt, ich habe sein Buch (noch) nicht gekauft, mag das auch Rolf mit betreffen, was ich jetzt sage):
1. Erklärtermassen ist das marktwirtschaftliche Szenario des Tauschs von „entäusserter“ Eigen-Leistung gegen Fremdleistungen nur sehr schwer oder gar nicht imstand, wichtige Parameter des gegenwärtigen Wirtschaftens mithilfe von Geld und Preisen abzubilden, nämlich etwa Parameter bezüglich…
a. …der „Produktionsarchitektur“ ausser „Produktivität“
(das ist ökonomisch ungenau, weil es ausschliesslich die Produktivität des Wertgutes oder der Wertgüter betrifft, aber das kann hier nicht ausgeführt werden) vgl die Beispiele hier: http://keimform.de/2017/das-geld-eine-historische-anomalie/#comment-1186997
b. …der „Ökologizität“
c. …der Lebensfreude der Produzenten
d. …der relativen und absoluten „Knappheit“ bzw des (wie zu gestaltenden?) rationalen Umgangs damit (zB „Recyclingfähigkeit“; Produktionskapazitäten)
e. ..der Innovativität (die aber früher oder später zur neuen Normalität wird) und der dafür (einmalig) aufzubringenden Kosten.
f. …der planetaren Solidarität und Herstellung gleich-wünschenswerter Verhältnisse für alle Menschen.
2. Die Aufzählung unter 1 listet (womöglich einander widersprechende) Kategorien dessen auf, was einzelne wünschen, aber nicht „in beliebigem Umfang, oder zugleich mit allem andern“ bekommen können.
Die Frage ist aber, was sie eigentlich dafür geben sollen?
Die uniforme (und ökonomisch so überaus bequeme) Antwort lautet: Arbeit – eine Grösse, die ja irgendwie als „Wertgrösse“ sich halbwegs rationell in Geldgrössen darstellen lässt. So scheint es.
Aber das, worüber verfügt, und wofür aus Sicht der einzelnen Entscheider Prioritäten zu setzen sind, endet ja nicht beim „Wünschen“ und Herstellen einer Rangordnung von Zielen, sondern erstreckt sich auch auf den Umgang mit Notwendigkeiten, Zwängen, Zweckmässigkeiten, Mitteln: Da soll alles durch politischen Beschluss reguliert werden? Und wie ist es mit dem individuellen Zusammenhang zwischen dem Umgang mit Mitteln, und dem, was man „dafür“ rauskriegt: Sind die Stimmen dann gewichtet etwa mit gleich-verteilten Anteilen an knappen Ressourcen und Produktionskapazitäten? Also jeder ein bisschen Besitzer von ALLEM?
Oder doch nur von „Arbeitskraft“?
Und über den Rest… entscheiden, o so „objektiv“, die „Planer“ (DDR 2.0)? Darüber nämlich:
Wo wird investiert, welche knappen Ressourcen wofür?
Welche Fortschrittspfade werden eingeschlagen, wie schnell soll es gehen?
Wie riskant wird kalkuliert, mit wieviel Sicherheitsmargen für alles mögliche?
Wie kostspielig darf die „erwünschte Gestaltung von Arbeitsplätzen (der ANDERN!)“ zu Buche schlagen?
Die Produzenten-Assoziation muss also ihren Produktionsmittelapparat managen. Wie macht „sie“ das? Mit… Geld?
Sehr interessante Diskussion! Den Text von Christian habe ich zur Gänze, die Kommentare leider aus Zeitgründen nur teilweise gelesen.
Ich will an der Stelle auf zwei ältere Debattenbeiträge von mir verweisen, deren Gedanken eventuell manches von Christians Argumentation bestärken, anderem entgegen stehen: Der etwas jüngere in Telepolis (https://www.heise.de/tp/features/Es-rettet-uns-keine-hoehere-Technologie-3368318.html) zur Frage der Subjektivität, der etwas ältere zur Frage des Degrowth und der Pfadabhängigkeit von Entwicklungen (http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/10455752.2014.882963?journalCode=rcns20).
Bestärken dürften diese beiden Argumentationslinien die Zweifel an der Machbarkeit (oder auch Wünschbarkeit) einer Gesellschaft jenseits der Wertform, während die heute dominierenden Wünsche nach Waren sowie eine bestimmte Form von Subjektivität aufrecht erhalten werden sollen. Sie dürften aber auch jene Zweifel bestärken, die von der Machbarkeit (oder auch Wünschbarkeit) einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft mit einer „eingehegten“ Wertform ausgehen.
Grundsätzlich möchte ich darüberhinausgehend die Frage einwerfen, von welchem Standpunkt und mit welchem Ziel wir über alternative Vergesellschaftungsmodi diskutieren? Geht es um ein kurzfristig-strategisches Anliegen? Dann wäre der Aufwand für diese Überlegungen begrenzbar, weil nur Mittel für einen anderen Zweck, propagandistisch eher, sozusagen. Oder geht es um die Frage einer Planung, der bewussten Herstellung einer anderen Art von Vergesellschaftung? Das schiene mir fraglich.
Die Regulationstheorie hat Regulationsweisen, die gesellschaftliche Widersprüche temporär stabilisieren, einem Bonmot von Lipietz entsprechend als „historische Fundsachen“ begriffen. Es scheint mir einiges dafür zu sprechen, dass auch eine emanzipatorische Alternative zur Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise eher einer Fundsache gleichen würde, in die bewusste Anstrengungen eingehen, aber bei weitem nicht nur diese allein; und nicht unbedingt mit dem intendierten Ergebnis (falls gesellschaftliche Vorstellungen überhaupt je eine Kohärenz erreichen, die eine solche Feststellung erlauben würden).
Warum nicht Gesellschaftsformen als Artikulation verschiedener (antagonistischer, in Dominanzbeziehungen gesetzter) Produktionsweisen verstehen? Wie ließe sich die Frage der Alternativen dann reformulieren (ohne der Idee nachzuhängen, die kapitalistische Produktionsweise ließe sich oder ließe sich so einfach „einhegen“)? Oder: Warum nicht Wege einer Kritik jenseits großbegrifflicher Strukturen explorieren, die wohl für bestimmte Erkenntniszwecke und Kritikziele notwendig sind, aber nicht unbedingt für alle möglichen – solche Kritik kam nicht nur aus dem Poststrukturalismus, sondern kommt neuerdings auch aus der Anthropologie, ohne dass damit eine Aufgabe von Kapitalismuskritik verbunden sein muss, das heißt ohne auf die großbegriffliche Struktur deshalb per se verzichten zu müssen.
Die Realität ist, wie ich denke, komplexer als eine einzige Theorie zu fassen oder zur vernünftigen Konstruktion bringen kann. Das könnte für eine Diskussion von Alternativen vielleicht fruchtbar sein oder auch ergänzende Perspektiven eröffnen.
Auf alle Fälle ganz vielen Dank an Christian! Ich bin gespannt auf den dritten Teil!
Ich greife von Andreas auf und bekräftige aus meiner Perspektive:
Kann das sein:
„Gross- und Hightechindustrie global zieht unweigerlich Geld und Gewalt nach sich.“?
Und kann DAS sein:
„Auf Dauer will niemand so leben, nicht so global, nicht so gross- und hightechindustriell; man KANN es nichtmal wollen, globale GrossHightechindustrie auf Dauer GEHT NICHT.“?
1.Die (Re)Produktivkräfte, als materielle Basis, sind entscheidend; aber nicht als einfach „vorhandene“; sondern sie sind kollektiv-arbeitsteilig (wie auch immer) organisiert, auf (kollektive) Zwecke zu beziehen. Welche Anforderungen (schon vielfach bei keimform erörtert) stellt allein diese Koordinationsaufgabe?
Und um welche Zweck-Dimensionen könnte es gehen (schon weniger)? Wie beides realistisch „kollektiv“ aufeinander beziehen, ohne dass Einzelnen Gewalt angetan wird? (wurde das schon mal bedacht?)
Geht das überhaupt?
2. Sich vorstellen, wie man sinnvoll gestalten möchte, und was einem persönlich so alles gefiele, ist eines.
Aber da draussen sind so viel andre mit eignen (darum Eigentum? aus Eigensinn?) Vorstellungen. Darüber wird wenig nachgedacht.
Noch weniger darüber: Wie sich das weiter entwickeln könnte (von sich aus).
Am wenigsten: Ob man DARAUF gestaltend (Andreas fiel ein: „propagadistisch eher, sozusagen“) „einwirken“ kann.
Kann man das überhaupt?
3. Theoretische Aktivitäten haben ihren Platz im Leben (sozusagen) noch nicht gefunden, sie kommen am ehesten vor als Kanon und/oder Jargon („grossbegriffliche Struktur“), seltener schon als Textwald, -Dschungel, -Gebirge – wer will die durchwandern?, am seltensten aber als nützliche punktuelle Vorschläge für punktuell angemeldeten Klärungsbedarf. Auch hier die Frage: Wer wird solche Vorschläge liefern? Braucht man sie überhaupt?
((Kollektive Aufmerksamkeitsorganisation als (unerlässliche?) Basis kollektiver Erfahrungsverarbeitung und (auf der Grundlage) Beherrschung der gemeinsamen (Re)Produktion?))
Ich danke Euch allen für diese gute Diskussion. Ich hatte „keimform.de“ jetzt lange Zeit gar nicht mehr auf dem Schirm, weil es für mich uninteressant geworden war (grad, als wir anlässlich des „10“ was schreiben sollten). Ich glaube, jetzt kommt mal wieder was in Bewegung. Die geäußerten Zweifel an bisherigen Konzepten können eine neue Entwicklungsstufe dieser Konzepte einleiten, denn sie sind durchaus berechtigt.
Und bitte, wenn es um die Zukunft geht, vergesst nicht, dass sich die Bedingungen, was das natürliche Milieu angeht, gerade in einer Weise verändern, wie es die Menschheit seit 11 000 Jahren nicht mehr erlebt hat (https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2017/06/27/5-vor-12-ist-schon-vorbei/). Alles, was das nicht berücksichtigt, ist dann bald sowieso Makulatur.
Natürlich wird die Aufgabe, sich jetzt schon was Vernünftiges auch noch für diese Situation auszudenken („Kommunismus auf verbrannter Erde“) noch schwerer. Aber wenn wir uns mal auf den Standpunkt der „virtuellen Eule der Minerva“ stellen, sehen wir vielleicht, dass diese Umstände es dann gewesen sein werden, die zum radikalen Wandel herausgefordert haben, den wir schaffen oder auch nicht…
@Andreas #20: Danke für den Hinweis auf deine Texte. Den Telepolis-Artikel kannte ich schon. Dass allen gesellschaftstransformatorischen Ansprüchen, und so auch dem heutigen Commonismus-Konzept, bestimmte Menschenbilder zugrunde liegen, in denen sich auch der jeweils aktuelle Zeitgeist widerspiegelt, ist ein interessanter Aspekt, auf den ich bislang nicht eingegangen bin, dem ich aber zustimmen kann.
Der andere Artikel ist leider nicht frei zugänglich — kannst du ihn anderswo online stellen oder mir zukommen lassen?
Was eine „eingehegte Wertform“ sein könnte und ob es in Hinblick auf vor- (und ggf. nach-)kapitalistische Märkte überhaupt Sinn macht, von „Wertform“ zu sprechen, wäre noch zu klären. Ich glaube meinerseits aufgrund von in diesem Artikel schon angerissenen Gründen, dass es — außer bei einem katastrophischen Zivilisationszusammenbruch — keine Zurück hinter eine hochgradig arbeitsteilige Gesellschaft geben wird, weil das für die meisten Menschen nicht wünschenswert wäre. Deshalb betrachte ich Vorstellungen eine kleinräumigen Subsistenzproduktion (egal ob hier von franziska vertreten oder in deinem Text durch Verweis auf Ted Trainer) mit Skepsis.
Dass es hinterher in aller Regel anders kommt, als man sich vorher vorgestellt hat, würde ich auch als Binsenweisheit ansehen. Andererseits verändert sich Gesellschaft aber nie „einfach so“, sondern immer im Kontext gesellschaftlicher Debatten darum, was möglich und wünschenswert ist und wohin die Reise gehen soll oder muss. Und da sind linke Perspektiven, die die Möglichkeit, Wünschbarkeit und Notwendigkeit einer nachkapitalistischen Gesellschaft nachvollziehbar machen und dabei nicht sogleich von den meisten mit „So kann das aber nicht klappen!“ oder „So will ich aber nicht leben!“ zurückgewiesen werden, äußerst dünn gesät. Das sehe ich als schweres Defizit, zu dessen Behebung ich gerne beitragen würde.
@Christian
A.
„Kleinräumige Subsistenz“ ist nicht geeignet, um das von mir vorgeschlagene Produktionsmodell zu charakterisieren:
http://keimform.de/2015/eine-idee-fuer-den-uebergang/#comment-554506
Richtig ist, dass es „produktionsarchitektonisch“ und auch mit Blick auf die zu entwickelnden oder überhaupt zum Einsatz kommenden Technologien („technologische Strategie“) eine andere Verwendung von vorhandenem naturwissenschaftlichem Wissen macht, als eine industrielle technologische Strategie und darauf abzielende Produktionsarchitektur.
Um die Kritik an der industriell orientierten Produktionsweise anzudeuten: Sie schafft seit vielen ihrer Innovationszyklen Nebenfolgen, die die Nutzung der Produkte des nächsten Zyklus nötig machen – also einen rasenden Stillstand bei zugleich irrwitzig gesteigerter Fortschritts-Geschwindigkeit. Man könnte dabei als Ziel der (alternativlos erscheinenden) industriellen technologischen Strategie (wieder äusserst grob) angeben: Immer mehr, immer komplexeres können, und es in zweiter Linie immer produktiver können, um… produktive Ressourcen freizumachen, um das Können im ersten Sinn weiter zu steigern; ultimative Fernziele so gesteigerten Könnens sollen sein: Voll-Automatisierung („Natur-ähnlich-Werden von Technik“) und technische Simulation und Ertüchtigung biologischer Systeme („technischeKontrolle über Natur“).
((Der Begriff „Produktionsarchitektur“ bezieht sich mehr auf mögliche alternative Auswahlen und Anordnungen von Technologien in einem (Re)produktionssystem auf gegebnem technologischen Niveau, „technologische Strategie“ hingegen auf die Forschungs- und Entwicklungsziele – die Frage, wie weit und was man da im voraus überhaupt planen kann, ist nicht die geringste dabei. Auch eine „radikalökologische technologische Strategie“ wäre also denkbar; und noch mancherlei andre. ))
B.
Der von Andreas ins Spiel gebrachte neue Gesichtspunkt („Menschenbild“) ist viel zentraler, als es zunächst den Anschein hat. Er wirft nämlich die Frage auf (ohne sie zu beantworten), ob „linke Perspektiven“ es überhaupt darauf anlegen müssen, können, sollen, „nicht sogleich von den meisten mit usw. zurückgewiesen zu werden“.
C.
Aber natürlich, und da kommt alles, worüber ich mich hier so ermüdend verbreite, zusammen: Wer hoch- und höchstarbeitsteilig, höchst-produktiv, global-industriell, unter Ausnutzung der derzeit „fortgeschrittensten“ Technologien (naja; was Bio-Technologien angeht, sind da Zweifel mehr als angebracht) weitermachen will, also die, wie von den Klassikern versprochen, so überaus entwickelten bestehenden Produktivkräfte kollektivistisch beerben möchte – der muss natürlich „für die meisten“ attraktiv sein (oder sie, durch Krise und Kritik, ob sie wollen oder nicht, auf seinen Standpunkt gezwungen sehen). Und zwar beinah schon von Beginn an – darum ja auch die Notwendigkeit der „Revolution“ und des im wesentlichen kollektivistischen Kaltstarts. „Keimformen“ sind dann wesentlich Probeläufe des neuen Produktionsverhältnisses – die Produktivkräfte haben ihre Schuldigkeit getan, sie sind ja „entwickelt“.
Und darum erneut:
Kann es so sein:
„Wer über Technik, ihre Weiterentwicklung, ihre Anordnung in einer Produktionsweise, nicht reden will, hat kaum Optionen hinsichtlich des Produktionsverhältnisses.“?
((Ist zB die Frage schon beantwortet: Wieviel und was am gegenwärtigen Kapitalismus ist eigentlich „Industrie“ und verschwindet NICHT mit ihm?))
Und nochmal:
Kann es sein, dass globale HightechIndustrie Geld und (auch kollektivistische) Gewalt unumgänglich nach sich zieht?
PS: Bitte nicht nochmal die allerersten theoretischen Bemühungen um ein Verständnis von „Industrie“ (als technoligische Strategie und in der Folge Produktionsarchitektur) und mögliche Gegenentwürfe dazu gleichsetzen mit der Befürwortung „kleinräumiger Subsistenz“ (also Mittelalter, primitiv, stagnierend, borniert, roh uswusw). Im vorhinein: danke!
PPS: Ich hoffe, dass das Zusammentragen ALL dieser Aspekte nicht missverstanden wird als Versuch, einer Diskussion der Entbehrlichkeit oder Unentbehrlichkeit wie auch immer modifizierten Geldes (und aller dranhängenden Kategorien) soviel Hindernisse wie möglich in den Weg zu legen. Sondern als konstruktive Beiträge, die thematisch exakt ins Zentrum einer solchen Diskussion zielen.
Hey allseits,
Danke franziska, Annette, Christian, deren letzte postings ich gelesen habe.
Andreas Reckwitz macht den Punkt stark, dass sozialer Wandel unter bürgerlichen Verhältnissen immer ein Produkt des Wandels der Subjektformen sei. Nun halte ich seine Theorie zwar für überzogen und es ist eine interessante Aufgabe, sich einer Kritik derselben zu widmen, was aber viel Aufwand mit sich bringt und ich weiß nicht wann ich dazu in der Lage bin, obwohl ich es für produktiv halten würde. Plausibel aber scheint mir jedenfalls, die Frage nach der Subjektivität weit mehr zu berücksichtigen als insbesondere im Marxismus üblich.
Sicherlich schränkt die Ausrichtung perspektivischer Überlegungen auf die heute dominierenden Subjektformen (inkl. spezifischer Wünsche nach Produktvielfalt etc.) das an sich Denkmögliche stark ein. Subjektformen kann eins aber auch nicht unhistorisch voraussetzen und einfach unterstellen: „Das werden andere Menschen dann schon wollen.“
Empirisch spannend wäre hier, immer wieder das Augenmerk auf mögliche neue Subjektformen zu richten. Reckwitz z.B. hat schon vor einigen Jahren postuliert, die heute m.E. nach wie vor dominante postmoderne Form der „ästhetisch-ökonomischen Doublette“, wie Reckwitz es bezeichnet, könnte in näherer Zukunft durch ein moralisches Subjekt wieder abgelöst werden. Die seit vielen Jahren wiedererstarkenden religiös-fundamentalistischen Bewegungen (auch im Christentum), aber m.E. auch die Bewegungen um „Solidarische Ökonomien“, oder, schon konventioneller, um eine „Moralisierung der Märkte“ (Nico Stehr) könnten vielleicht Vorzeichen davon sein. Aber diese Fragen sind sehr komplex und bedürfen der empirischen Forschung. Auch ist nicht von vornherein klar, was das für Überlegungen zu Alternativen zur kapitalistischen Produktionsweise bedeutet.
Was nun das Perspektivische als solches anlangt, so schätze ich deine Bemühungen sehr, Christian! Sicherlich treffen sie auch einen eklatanten Mangel in der linken Theoriebildung. Ich persönlich lese diese eher in der Art von „Modellen“ – ein vielgescholtener Ausdruck in „anti-positivistischen“ Kreisen. Aber ich denke, Modelle haben ihre Berechtigung. Ob sie sich weiter noch dazu eignen, auch Leidenschaften zu befeuern und Strategien zu inspirieren, bin ich weniger sicher. Wenn wir spezifische Leidenschaften als verankert in spezifischen Subjektformen verstehen, dann reicht die Motivationsstruktur für soziales Handeln jedenfalls in Bereiche, die zwar wesentlich diskursiv hergestellt werden, aber kaum über logische Argumentation.
Hier finde ich den Punkt von franziska wichtig: soziologisch betrachtet bewegen sich solche Debatten in sehr eng umgrenzten Milieus. Es liegt in der Natur des Subjekts, seine eigene Form zu idealisieren und wir – so unterstelle ich einmal – gehören noch dazu zu einem Milieu-Komplex, der hegemonialen Status in der gegenwärtigen Klassenstruktur beansprucht. Das heißt: zu dieser Subjektivität gehört die Ansicht, beispielgebend für die gesamte Gesellschaft zu sein und sich „altruistisch“ für andere einzusetzen. Wie auch immer eins diesen Anspruch beurteilen mag – einer der springenden Punkte dabei ist wohl, dass sich die Gesellschaft, Wünsche, Leidenschaften, Ordungsvorstellungen etc. aus Sicht von Angehörigen anderer Milieus gänzlich anders darstellen können – oder aber auch überraschende Parallelen existieren, die aber kaum zur Debatte kommen, weil die soziale Distanz zwischen den Milieus enorm (geworden) ist.
Hier sehe ich einen wesentlichen Unterschied zu Vorstellungen gesellschaftlicher Zukünfte in der alten Arbeitendenbewegung im Vergleich mit der Gegenwart. Existierte damals eine Vermittlung links-intellektueller Diskurse mit den Milieus untergeordneter gesellschaftlicher Gruppen (über Gewerkschaften, Parteien, Bildungseinrichtungen, Medien etc.), so hat sich dieses Band seit den 1970er Jahren zusehends aufgelöst, und zwar nach beiden Richtungen. Weder gilt den heutigen links-alternativen Diskursen der Lebensstil oder das Gesellschafts- und Menschenbild der untergeordneten Gruppen als Orientierungsrahmen oder Bezugspunkt, noch gilt diesen Gruppen der links-alternative Diskurs als ein solcher. Ich glaube, das ist ein schwerwiegendes strategisches Problem. Aber vielleicht unterstelle ich hier auch ein wenig zu sehr die fordistischen Verhältnisse.
Was nun Ted Trainer angeht: im Telepolis-Artikel verweise ich eher kursorisch darauf. In dem Buch, das ich von ihm gelesen habe, erscheint mir seine Vision auch zu „dörflich“. Weniger eng fand ich dahingehend PMs „Subcoma“.
Die Frage ob eins von einer „Wertform“ unter post-kapitalistischen Vorzeichen sprechen kann ist interessant. Grundsätzlich würde ich nicht ausschließen, dass es unter solchen Vorzeichen „etwas“ geben kann, das wir als „Geld“ bezeichnen würden, unter solchen Vorzeichen aber eine ganz andere Funktion haben würde. (Ähnlich wie Marx von feudalen Elementen in der kapitalistischen Gesellschaftsformation sprach, die jedoch in deren Rahmen eine gänzlich andere Funktion erhalten; wie ja auch beim Geld der Fall, das mit dem vor-kapitalistischen „Geld“ wenig bis nichts zu tun hat.)
Die Texte von Meiksins Wood übrigens, die in postings zuvor erwähnt wurden, halte ich für sehr spannend, weil sie einigen „received wisdom“ zur Entstehung des Kapitalismus – plausibel wie ich finde – dekonstruieren. Ihrer Argumentation zufolge hat das Bürgertum keine wesentliche Rolle bei der Entstehung des Kapitalismus gespielt, und auch die Städte nicht. Außerdem betont sie die entscheidende Rolle der Entstehung von Märkten (gegenüber der Enteignung) für die Entstehung kapitalistischer Produktionsverhältnisse.
Der „Demonetization and Degrowth“-Text ist auf meinem researchgate.net acccount frei zugänglich.
@Annette #22:
Zum Klimawandel noch ein dramatischer Artikel, der auch in deine Richtung geht: http://nymag.com/daily/intelligencer/2017/07/climate-change-earth-too-hot-for-humans.html
Es stimmt, dass in der ganzen sich positiv auf die Produktivkraftentwicklung als Basis einer postkapitalistischen Zukunft beziehenden Debatte zwei Aspekte zu kurz kommen:
Danke Annette, und auch Andreas, dass ihr immer wieder auf diese Probleme hingewiesen habt! Was daraus letztlich folgen muss, ist natürlich noch eine weitergehende, nicht leicht zu beantwortende Frage.
@franziska #24:
OK, diesen alten Kommentar hatte ich nicht mehr parat. Wobei ich die Vorstellung, Gruppen von 10 Personen sollten ihr Essen (komplett?) selber anbauen, weiterhin als sehr kleinräumig gedacht empfinde. Aber nun gut…
Das stimmt, ist aber im Grunde schon eine vertiefende Frage. Wenn man einigermaßen konkrete Vorstellungen davon hat, wie es nach dem Kapitalismus in besser Weise weitergehen könnte, dann stellen sich Fragen wie, ob man dafür Mehrheiten zumindest soweit überzeugen muss, dass sie einen bei in die entsprechende Richtung zielenden Gehversuchen nicht gleich abschießen, oder ob es reicht, sich kleine „Koalitionen von Willigen“ suchen, mit denen man sich zusammentun kann, ohne sich um alle anderen groß zu kümmern. Oder auch, ob es komplett andere Modelle der gesellschaftlichen Transformation braucht.
Ich habe allerdings das Gefühl, dass selbst für den ersten Teil der Frage noch viel zu tun ist, so dass sich der zweite noch gar nicht so direkt stellt.
Andreas #25:
Ja. Aber ich würde auch sagen: Ohne gute Modelle „Leidenschaften befeuern“ zu wollen wird mit Sicherheit in Sackgassen führen oder andere unerfreuliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Danke. Ich habe den Artikel inzwischen gelesen und finde es interessant, dass du dort ja streng aus der „Demonetarisierungs“-Perspektive argumentierst: Schon die bloße Geldverwendung führe notwendigerweise in den Kapitalismus und sei deshalb zu überwinden. Anhand deiner aktuellen Kommentare habe ich aber den Eindruck, dass du das inzwischen auch nicht mehr so eng siehst?
Christian, es besteht wirklich die Frage, ob das klassisch marxistische Beklatschen der „Entfesselung der Produktivkräfte“ weiterhin eine Lösung sein kann oder ob es nicht sogar um ein „Maßhalten“ ginge.
Niko Paech argumentiert ja in diese Richtung bezüglich seines Modells einer Postwachstumsökonomie (PWÖ). Seine Ausführungen zur Illusion einer rein technischen Lösung des Klimawandels, auch bezüglich der Erneuerbaren Energien, finde ich sehr treffend.
Dahingehend höre ich von Seiten vieler Linker aber nur den Vorbehalt, dass Paechs Postwachstums-Perspektive eine „Verzichts-Ideologie“ bedienen und deshalb in der Nähe reaktionärer bis (öko-)faschistischer Gesellschaftsvorstellungen zu verorten seien und „bornierter Heimattümelei“ Vorschub leisten würden.
Ich halte derlei „Kritik“ für wenig überzeugend und sehe darin einzig Polemik die auf die angesprochenen Probleme überhaupt nicht eingeht.
Es kommt mir eher derart vor, als wollen viele Linke ihr produktivistisches Paradigma gar nicht hinterfragen, weil es gewissen marxistischen (geschichtsobjektivistischen) Dogmen widerspräche und man den Proletarisierten nicht zumuten könne ihre Vorstellungen von einem angemessenen Lebensstandard zu hinterfragen und diese Verzichtsforderungen den Klassenkampf behindern würden.
Dabei werden gegenüber der PWÖ größtenteils Strohmänner aufgemacht, die von Paech so gar nicht vertreten werden (beispielsweise räumt er die Notwendigkeit von Wachstum für viele Regionen des globalen Südens ein).
In meinen vorherigen Kommentaren habe ich allerdings hinterfragt ob eine solche Perspektive – zumindest aus Sicht des heutigen, westlich sozialisierten Menschen – wünschenswert ist und überhaupt gewollt.
Für viele klingt das nach DDR 2.0 oder einfach ein Zurück in die 1960er Jahre. Womöglich ist es das, zumindest was das materielle Niveau anbelangt.
Die Postwachstums-Gesellschaft müsste dann viele lebensqualitativ steigernde Kompensationen bieten damit Leute das mitmachen. Fraglich ist auch ob nicht mit Abwanderungen in Regionen zu rechnen ist die weiterhin das kapitalistische Wachstumsschema betreiben.
Auf der anderen Seite besteht die Frage ob es nicht eigentlich um viel besser entwickelte Hochtechnologie als heute ginge um all das was durch dieses Jahrhundert an Klimawandel noch auf uns zukommt (siehe den von Christian verlinkten NYMag-Artikel) aufhalten bzw. zumindest drosseln zu können und beispielsweise Landwirtschaft auf Basis von Vertical Farming und ähnlicher weitaus künstlicher Verfahren als heute aufrecht erhalten zu können.
Womöglich bedarf es sogar einer Mischung aus beidem. Wobei wir dann bei Franziskas Technologiefragen wären und wie hier ein bewusster Entwicklungspfad beschritten werden kann der von allen in seiner Sinnhaftigkeit nachvollzogen wird, so dass wichtige Prozesse nicht blockiert werden. Andererseits muss die Möglichkeit bestehen eingeschlagene Wege stets hinterfragen und ändern zu können.
Es bleibt die Frage inwieweit das alles mit Märkten vereinbar ist, welche Rolle diese überhaupt spielen können und wo sie mehr Probleme aufwerfen und Wege blockieren.
Und: Wie sähe Entwicklung in einer statischen Wirtschaft aus?
„Wie sähe Entwicklung in einer statischen Wirtschaft aus?“
Ich denke nicht, dass eine „statische Wirtschaft“ das Ziel sein sollte/müsste. Letztlich zeigt ja auch die Natur ein dynamisches Verhalten und ist ebenfalls Quelle des möglichen Reichtums. Die Gestaltung der Natur durch Menschen muss und kann in Ko-Evolution mit den natürlichen Möglichkeiten erfolgen (http://www.thur.de/philo/as251.htm).
Hier gäbe es viel Anknüpfungspunkte für mich. Ich halte mich aber mit Antworten im Moment lieber zurück, weil alles an Stichworten gefallen ist, was vorab Christian für die Abfassung seines angekündigten Textes zu bedenken gegeben werden konnte. Vieles, was speziell ich darüber hinaus zu sagen hätte, steht schon in andern Beiträgen von mir, oberhalb von dem oben @24 verlinkten, wer will, kann vorerst dort nachlesen.
Im Begriff „Geld“ (im Unterschied zu oder zusammenfallend mit „Kapital“) fokussiert sich sehr viel an Vorher/Nachher-Betrachtungen; das Thema scheint mir (auch wenn das nicht primär Christians Absicht war) „diskussions-strategisch“ gut gewählt.
@Christian
Seit dem „Demonetization and Degrowth“ Text ist das Ausmaß meines Vertrauens in die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von „großen Würfen“ zurückgegangen. Gleichwohl denke ich nach wie vor, dass „große Würfe“ im Sinn auch von „Modellen“ durchaus ihren Sinn haben. Wichtig war mir in dem Text u.a. der Hinweis, dass es gesellschaftliche Pfadabhängigkeiten gibt. Daher das Argument, dass eine Gesellschaft, die „sozialistisch“ sein soll, sich ja über „sozialistische“ Auseinandersetzungen und Vergesellschaftungsweisen erst einmal herstellen muss. Diese würde ich in Widerspruch und Frontstellung zu einer weitgehenden Vermittlung des Stoffwechsels über Geld sehen. Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Text und deinen Überlegungen hier: du sprichst ja davon, „Geld“ (oder etwas, das wir mit diesem Wort belegen würden) auf Konsumgüter einzuschränken, wenn ich es richtig verstehe. In „Demonetization and Degrowth“ kritisiere ich dagegen die Vorstellung einer „sozialistischen Marktwirtschaft“, in der alle für gesellschaftliche Bedarfe hergestellten Güter Waren sind. Zu einer Vorstellung von „Geld“ für gewisse Konsumgüter hatte ich mir damals keine Gedanken gemacht. Diese eingeschränktere Funktionalität von „Geld“ scheint mir ad hoc eher vergleichbar mit „Bezugsscheinen“ oder aber mit limitierten Auktionen. Aber das wird ja noch Thema deines kommenden Beitrags sein. Ich vermute, die konzeptuellen Schwierigkeiten solcher „Bezugsscheine“ sind durchaus nicht gering. Ich glaube, Alfred Fresin hat darüber auch in seinem Buch geschrieben.
In „Demonetization and Degrowth“ jedenfalls meinte ich: „Perhaps a form of market socialism with a very limited role of markets would be compatible with the necessary strategy of enlarging solidarity at the expense of markets; but if markets only play an accidental and restricted role, one might ask why socialism would need them at all. Most importantly, it is questionable whether markets and monetary calculation could allow degrowth.“ – und weiters: „Second, we can set up a thought experiment and ask how market socialism would deal with bankruptcies (…)“.
@Annette
Das Stichwort „Degrowth“ oder „Postwachstum“ leitet schon über zum Begriff der „statischen Wirtschaft“. Dazu hat vor einigen Jahren Christian Kerschner in Ecological Economics einen guten Artikel geschrieben. Die beiden Begriffe kommen aus verschiedenen Debatten und setzen daher den Schwerpunkt an spezifische Bedeutungen, schließen einander aber nicht aus. „Statische Wirtschaft“ meint jedenfalls nicht eine Gesellschaft ohne Dynamik, sondern bezieht sich immer auf den Ressourcendurchfluss.
(Ich bin übrigens nicht sicher, ob die Rede vom „Kommunismus auf verbrannter Erde“ so adäquat ist. Die Lebensbedingungen waren in vielen Teilen der Welt immer schon von Unsicherheit geprägt, Dürren, Überschwemmungen etc. – auch wenn die vom Klimawandel und anderen anthropogenen Umweltveränderungen getriebenen Verschlechterungen der Lebensqualität nicht unterschätzt werden dürfen, so glaube ich doch, dass das gesellschaftliche Naturverhältnis, also der Umgang mit diversen Widrigkeiten – oder auch Vorteilen, die der Klimawandel ja manchen Regionen auch bringen dürfte – die Determinante bleibt.)
@Perikles
Du sprichst die Subjektivität an, die auch die spezifischen Bedürfnisse prägt, die sich in Warenkonsum ausdrücken, der heute einen viel zu hohen Ressourcenverbrauch involviert (wobei wir allerdings den Ressourcenverbrauch auf der Seite der Produktionsmittel nicht vernachlässigen sollten; der lässt sich freilich allenfalls relativ von dem auf der Seite der Konsumgüter entkoppeln). Grundsätzlich denke ich auch, dass die heute hegemoniale Subjektivität und ihre Bedürfnisstruktur nicht aufrechterhaltbar sind, wenn wir normativ denken. Ein solches Denken für sich genommen spielt für die Veränderungen von Subjektivitäten aber keine wesentliche Rolle, wie ich meine. Diese reagieren wohl eher auf innere Widersprüche der Subjektivität und sind Ausdruck des Versuchs, diese zu sistieren.
Wichtig scheint mir hier, die Sozialstruktur differenziert zu betrachten. Dafür halte ich einen Klassenbegriff in Nachfolge von Bourdieu für unverzichtbar. Die Studie etwa von Vester et al. (2001) zu den sozialen Milieus in Deutschland zeigt erhebliche Unterschiede in den Mentalitäten und Bedürfnisstrukturen zwischen sozialen Gruppen, die nur zum Teil mit ihrer sozialen Lage parallel gehen. Gruppenspezifische Konsumweisen sind seit den 2000er Jahren ein ein paar Projekten näher untersucht worden, aber m.E. unzureichend. Teilweise zeigen sich fast keine Unterschiede, etwa in einer österreichischen Studie zum Energieverbrauch, teilweise durchaus substanzielle, etwa in einer Studie des ISOE zu Ernährungsgewohnheiten. Ein konzeptionelles Problem vieler oder vielleicht gar aller solcher Untersuchungen ist, dass ihr Klassen- bzw. Milieubegriff schlecht konzeptualisiert ist.
Langer Rede kurzer Sinn: es besteht sehr wenig Wissen über die Bedürfnisstrukturen „realer“ sozialer Gruppen (im Sinn der Bourdieu’schen Klassen bzw. sozialer Milieus im Sinn von Vester et al. 2001) und ich denke, einiges deutet darauf hin, dass wir nicht von einem übergreifenden Wunsch nach „immer mehr Konsum“ ausgehen dürfen. (Klassisches Beispiel bei Bourdieu ist die „Arbeiteraristokratie“, die sich einen viel höheren Konsum im Frankreich der 70er Jahre hätte leisten können als sie tatsächlich realisierte; ihr Klassenhabitus war prägend.)
Die sozialen Unterschiede in den Bedürfnisstrukturen kommen deshalb nur eingeschränkt zur Geltung, weil Infrastrukturen in aller Regel gesellschaftlichen Charakter haben und schon von daher der Ressourcenverbrauch der einzelnen sozialen Gruppen sehr hoch ist unabhängig von solchen Unterschieden.
Ganz allgemein ist Warenkonsum eine Funktion sozialer Positionierung. Schon von diesem Gesichtspunkt aus gesehen wäre ich skeptisch, spezifische Bedürfnisse – auch normativ – festzuschreiben.
@Andreas:
Ich glaube nicht, dass es besonders praktikabel wäre, eine Art Geld nur für den Zugang zu Konsumgütern zu verwenden. Das würde für die Organisation der Produktion — da es keine Märkte für Produktionsmittel, Vorprodukte etc. gäbe — ja entweder eine Art Zentralplanungswirtschaft oder ein „wir schenken uns all die nötigen Produktionsmittel“ erfordern. Bei beidem wäre ich skeptisch. Meine Tendenz geht eher dahin, dass die Verwendung von Geld und Preisen für Produkte (ob für produktive oder konsumtive Zwecke gedacht) okay sein kann, solange der Zugang zu Land, natürlichen Ressourcen und Arbeitskraft auf andere Weise erfolgt, also eben das „Marktprinzip“ nicht gilt. Das ist aber noch genauer zu entfalten.
Ich denke, das sowohl die Verfechter des Kapitalismus als auch die meisten Marktsozialist_innen ganz bestimmte Vorstellungen von Markt haben, die ich hinterfragen würde — z.B. dass Betriebe notwendigerweise gegeneinander konkurrieren muss und „den letzten beißen die Hunde.“ Dabei gibt’s ja noch andere Möglichkeiten, z.B. die mittelalterlichen Gilden, in denen die Produzent_innen sich in verschiedener Hinsicht miteinander abgesprochen und untereinander kooperiert haben. Sowas kann, muss aber nicht auf Kosten der Konsument_innen gehen. Auch da handelt es sich um Märkte und es wird Geld verwendet, trotzdem kann von der heutigen Verdrängungskonkurrenz nicht die Rede sein.
Hast du den verlinkten NYMag-Artikel gelesen? Wenn der auch nur halbwegs richtig liegt, scheint mir der Begriff „verbrannte Erde“ doch bestürzend treffend zu sein.
@Andreas: „
Ich bin übrigens nicht sicher, ob die Rede vom „Kommunismus auf verbrannter Erde“ so adäquat ist. Die Lebensbedingungen waren in vielen Teilen der Welt immer schon von Unsicherheit geprägt, Dürren, Überschwemmungen etc. – auch wenn die vom Klimawandel und anderen anthropogenen Umweltveränderungen getriebenen Verschlechterungen der Lebensqualität nicht unterschätzt werden dürfen, so glaube ich doch, dass das gesellschaftliche Naturverhältnis, also der Umgang mit diversen Widrigkeiten – oder auch Vorteilen, die der Klimawandel ja manchen Regionen auch bringen dürfte – die Determinante bleibt.“
Natürlich gehe ich auch davon aus, dass „das das gesellschaftliche Naturverhältnis…die Determinante bleibt“ (solange Menschen weiter existieren). Und ich gehe sogar auch davon aus, dass das nicht nur eine Not-Überlebensgesellschaft werden wird, sondern sogar und vielleicht nicht nur trotz alledem sondern *wegen alledem* dann endlich Kommunismus. Aber eben auf „verbrannter Erde“, mit nicht denselben Ressourcen wie früher, mit viel instabileren ökologischen Verhältnissen, als die Menschheit jemals erlebt hat. Ohne Bereiche (wie bisher), die jeweils für lange Zeiten von Dürren, Überschwemmungen etc. verschont blieben…
Ein kleiner Tipp noch: Kunstprojekt „Wie wäre dein Leben in einer Welt ohne Geld“ : https://www.baerensuppe.berlin/
@Christian und alle anderen:
Ein seit beinah 50 Jahren bestehendes praktisches Beispiel das mir noch einfiel, ist das (Konsum-)Kooperativen-Netzwerk Seikatsu Club in Japan, das über 100.000 Mitglieder hat und stark an die von dir genannten historischen – ich nenn es mal so – „vermittelten Märkten“ jenseits der Verdrängungskonkurrenz erinnert:
Hier deren Website: http://www.seikatsuclub.coop/about/english.html
Die P2P-Foundation hat dazu auch was in ihrem Wiki: http://wiki.p2pfoundation.net/Seikatsu_Cooperative
In ihrer Selbstbeschreibung taucht auch der Prosumenten-Begriff wieder auf. Besonders der Abschnitt „To Create an Alternative Economy“ ist hier interessant.
Hallo ihr Alle!
Ich werde auch nur auf einige Kommentare eingehen und hab bei weitem nicht alles gelesen – scheit mir auch recht maßlos bei einigen Diskutierenden .. naja …
#15 Ich hab das Gefühl du hast Stefans Einwand nicht so richtig verstanden. Den bei mir kam ein ganz ähnliches Gefühl hoch: Du trennst einfach Produktion und Vermittlung voneinander ab. Du stellst nur die Frage wie eine ‚Verteilung‘ nach einer fertigen Produktion stattfinden soll. Produktion scheint damit zuerst ungestaltbar, als ‚black box‘. Diese und jene Produkte wurden produziert und nun müssen wir diese verteilen. Aber in einer freien Gesellschaft geht es doch gerade darum schon bei der Produktion die Bedürfnisse einzubeziehen. Wenn wir darum etwas wirklich wollen müssen wir die Produktion so organisieren, dass davon genug hergestellt wird. Wenn wir etwas wollen und nicht genug Menschen Lust haben den Aufwand zu leisten das herzustellen, dann können wir schon vorher darüber reden, wie wir mit dem Problem umgehen und ob wir die Produktion nicht doch ausweiten können oder für wen es nicht so wichtig ist. Weil schlussendlich ist die entscheidende Frage: Wie geschieht die Produktion nach unseren Bedürfnissen, dass bedeutet, dass wir ganz simpel auch eine Möglichkeit finden unsere Bedürfnisse in einem ‚Knappheits’fall zu vermitteln. Dafür können wir abstrakte ‚Gesetzeslösungen‘ finden. Wir müssen unsere Bedürfnisse herrschaftsfrei vermitteln. Die interessante Frage ist: wie geht das? Ich glaube dies geht nur auf interpersonaler Ebene, also wo tatsächlich Menschen miteinander in Beziehung treten und diesen Konflikt bereden, wenn die das nicht hinkriegen muss der Konflikt ausgedehnt werden und mehr Menschen umfassen.
Ich glaube Stefan meinte all deine Verteilungsvorschläge sind ex-post. Aber in einer freien Gesellschaft müssen wir die Entscheidung über die Produktion ex-ante fällen. Und dies wird nicht über ‚face to face‘ Kommunikation gehen sondern auf einer gesellschaftlichen Ebene. Warum glaubst du denn das diese ex-ante Vermittlung nur „direkt“ „face to face“ gehe kann? Genau diese gesellschaftliche ex-ante Vermitllung versuchen wir ja mit Stigmergie zu begreifen ..
Und ja, es kann dann passieren, dass wir noch eine Vermittlung ex-post brauchen für bestimmte Dinge wo wir doch zu wenig produziert haben, aber dies ist eine Ausnahme und nicht immer so bloß weil „die Erde begrenzt ist“.
Alles Liebe!
Simon
@Simon:
Wie aber sollte die „gesellschaftliche Ebene“ aussehen? All die Varianten, die ich hier durchspiele, sind ja gerade Versuche zur Lösung auf gesellschaftlicher Ebene. Und auf andere, die enger mit dem eigentlichen Produktionsprozess verwoben sind, werde ich im nächsten Teil (vielleicht werden es auch zwei Teile) noch eingehen – unter anderem warum Stigmergie nicht das erhoffte Wundermittel darstellt.
Du scheinst mir zu schwanken zwischen der absolut richtigen Erkenntnis, dass es eine gesellschaftliche Ebene braucht, und der Hoffnung, dass es doch ohne gehen könnte. Wenn du schreibst:
dann ist die gesellschaftliche Ebene wieder komplett weg! Stattdessen soll sich dann jede potenzielle Nutznießerin eines Guts mit allen anderen potenziellen Nutznießern „interpersonal“ darüber austauschen, warum es immer noch nicht da ist. Aber jede_r von uns nutzt im Alltag oder zu gelegentlichen Anlässen Hunderte bis Tausende von Gütern, und wenn man alle notwendigen Vorprodukte und Produktionsmittel einbezieht, geht das schnell in die Millionen. Ebenso sind schnell Millionen von Menschen potenzielle Nutznießer (und manchmal auch potenziell Geschädigte), wenn es z.B. um den Bau von U-Bahnen, Flughäfen oder Fabriken geht.
Nein, „da reden wir dann mit allen anderen drüber“ ist nicht die Lösung! Und die ausweichende Antwort „vielleicht finden sich ja welche, die (a) stellvertretend für alle anderen darüber reden und (b) das Beredete im Idealfall dann auch gleich ausführen“ wäre auch nur ein Versuch, die tatsächlich benötigte gesellschaftliche Ebene durch einen Verweis auf das Prinzip Hoffnung zu ersetzen.
Was uns fehlt, ist wohl doch die Erfahrung und das Wissen über modernste reale Produktionsverfahren. So was wie Marx mal schnell für seine Zeit als „Große Industrie“ analysierte. Wir nehmen i.a. nur das zur Kenntnis was uns ins Konzept passt (z.B. die dabei – wenigstens teilweise und für einige – erweiterten Bedürfnisse und Fähigkeiten der ProduzentInnen, damit der Widerspruch zwischen Selbstentfaltung und Selbstverwertung hoffentlich weiter wächst und das Potential, es einst auch anders machen zu können). Was mit den neueren Entwicklungen verbunden ist, ist aber eine globale Komplexität, die rein sachlich sehr, sehr viele diverse Anforderungen stellt, wie sie mit Stigmergie wirklich so gut wie gar nicht abgedeckt werden können. Nichts von der Arbeit in der Firma, in der ich arbeite, könnte z.B. so verwirklicht werden, auch nichts von unseren Kunden (allen, die Werkzeuge herstellen und verwenden, und damit komplexe Produkte fertigen…- oder in Chipfabriken oder bei der Herstellung und Entwicklung von Solarzellen ).
„Industrie 4.0“ wird zwar kapitalistisch kaum gut funktionieren (weil das rein sachlich unternehmensübergreifend stattfinden müsste), aber so in die Richtung sollte das von uns Anvisierte schon auch gehen.
Aber wie von mir schon öfter gesagt, vielleicht gehts demnächst im „Anthropozän“ für die Menschheit eh erst mal drum, wieder kleinere Brötchen zu backen und den zu befüchtenden Verteilungskämpfen eine radikal inkludierende Praxis auf allen Feldern entgegen zustellen.
@Christian:
1. Wie soll die „gesellschaftliche Ebene“ gehen?
Im Moment habe ich das Gefühl, dass wir noch ganz schön viel über Gesellschaftstheorie herausfinden müssen um diese Einheit (und Diferenz) von Herstellung und Vermittlung wirklich denken zu können. Ich persönlich nähere mich erst Begriffen wie Elementarform usw. an. Ich glaube da sind noch einige theoretisch große Frage zu entscheiden, bevor wir genau sagen können wie diese transpersonale/gesellschaftliche Ebene konkreter aussehen kann. Bis jetzt können wir nur abstrakt sagen, dass sie die Bedürfnisse der Menschen inklusiv vermitteln muss. Und dann haben wir noch einige Modelle die Versuchen das etwas konkreter zu denken (wie Stigmergie, polyzentrische Selbstorga, etc.). Aber ich kann verstehen, dass dir diese Aussage „Da brauchen wir noch mehr Theorie“ nicht ausreicht, aber mir wäre es lieber das als Einladung zu verstehen diese Vermittlungsebene noch genauer mit zu diskutieren ;).
2. Interpersonal und Gesellschaftliche Problemlösung
Ich glaube Konfliktlösung bei Bedürfnissen funktioniert meist nur interpersonal, unmittelbar. Natürlich kann man es auch mit abstrakteren Abstimmungsverfahren (wie systemischer Konsensieren) probieren, aber Bedürfnisse sind so vielfältig, dass ich bezweifle, dass das so gut geht. Aber woher nimmst du die Aussage, dass alle Menschen die von dem Konflikt betroffen sind sich intpersonal vermitteln soll?
Ich glaube ich verstehe weshalb, weil ich von „wir“ müssen darüber reden schreibe. Aber dieses „wir“ umfasst eben nicht uns unmittelbar alle, sondern meint das „gesellschaftliche wir“. Man könnte auch schreiben „die Gesellschaft“ muss das dann lösen aber das klingt dann schnell danach, als hätte das nichts mit uns zu tun.
Ich glaube es ist gerade eine Qualität einer Inklusionsgesellschaft, dass ich nicht überall dabei sein muss, sondern das andere Menschen gute Gründe haben meine Bedürfnisse trotzdem miteinzubeziehen. Für dieses Einbeziehen muss man Formen finden. Ich meinte nur, wenn diese kleinere Konflikt-Hub nicht hinkriegt, das Problem zu lösen müssen mehr Menschen einbezogen werden. Aber nicht, dass immer alle Menschen mitentscheiden müssen. Das wäre WG-Commonismus. Der Versuch alle Entscheidungen auf der unmittelbaren, interpersonalen Ebene zu fällen. In welchen Formen, dass genau stattfinden müssen wir noch erforschen. Aber sind wir auch mal ehrlich, wir sind im Moment echt wenig Menschen die überhaupt über diese gesamtgesellschaftlichen Probleme nachdenken. Wir sollten eher darüber überlegen wie wir organisatorisch hier mehr Menschen einbeziehen können in die Diskussion.
@Annette:
Wie kommst du zu dieser Einschätzung? Nach meiner Einschätzung haben wir Stigmergie noch nicht wirklich durchdrungen.
Aus meiner Sicht wird diese Komplexität bereits schon jetzt stigmergisch vermittelt. Denn die Wertform leistet nichts anderes, nur komplett reduziert auf eine Dimension. Bedürfnisvermittlung, das setze ich jetzt mal, bedeutet aber, das es eine mehrdimensionale Vermittlung geben muss. Die Frage ist also, ob wir bei gesellschaftlicher Vermittlung notwendig die (von vielen ja gelobte, vgl. v.Hayek) Reduktion brauchen oder ob auch eine mehrdimensionale Vermittlung möglich ist. Sodann, welche Voraussetzungen sie braucht, Formen sie haben muss, Funktionen notwendig sind etc. Das ist ein Forschungsprogramm. Ich hatte gehofft (und formuliert), dass Christian sich auf diese Fragen (zusammen mit mir) einlässt, anstatt sie – ähnlich wie du das jetzt hier auch machst – von vorne herein aus dem Kanon diskussionsfähiger und forschungswürdiger Fragen ausschließt.
Das finde ich sehr schade, weil ich deine (und Christians) Fähigkeiten sehr schätze. Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, dich (und Christian) wieder in den Prozess hineinzuholen, dann lass(t) es mich wissen. Was bräuchtest du, um wieder dabei zu sein?
Im Moment fühlt sich das wie eine Entscheidung an, die nicht rückholbar ist. So wie wir früher gemeinsam nach Argumenten gesucht haben, um theoretische Probleme auf dem Weg zu knacken, so sucht ihr jetzt die Fehlstellen. Ist auch ok, aber eine andere Perspektive. Eher die eines Zurück zu alten Formen, aus meiner Sicht.
Wenn Stigmergie das ist, was von denen, die bisher darüber geschrieben haben, dann ist es einfach zu unterkomplex. Unsere Auffassung darüber ist tatsächlich eine Debatte wert.
Dass ich seit längerem diesbezügliche Fragen und Zweifel habe, müsstest Du schon länger gemerkt haben, ich suche nach wie vor nach Antworten, wie Du an meinem letzten Kommentar, wo ich u.a. Industrie 4.0 erwähnt habe, auch gesehen haben müsstest.
Ob ich auch in Eurem Prozess irgendwie noch mit drin bin, weiß ich nicht, ich bin nie offiziell „ausgestiegen“. Ich bin auch nicht mit Christian gemeinsam (weil Du ihn immer mit nennst) eine Art „Aussteigergruppe“, auch wenn Dir vielleicht meine Fragen erst in diesem Kontext und Zusammenhang auffallen.
Du schreibst, wir suchten nach den „Fehlstellen“. Na, was sollen wir denn sonst machen, wenn wir etwas weiter entwickeln wollen??? Bei mir jedenfalls war der Weg auch nicht, dass ich danach gesucht hätte, aber es blieb seit langem sehr viel offen (wir haben uns schon vor zwei Jahren über die fehlene Füllung der Worthülse „polyzentrische Organisierung“ unterhalten).
Einen größeren Dissens haben wir in Bezug auf das, was ich beinah als eine „Enteignung“ von Begriffen empfinde (wenn die Verwendung von Wörtern für allgemeinmenschlich-überhistorische Merkmale von Dir nur für den Kapitalismus vorgesehen ist und Zurechtweisungen erfolgen,wenn jemand dem nicht folgt). Damit kann ich aber auch umgehen , wenn andere auch damit umgehen können, dass ich Deinen Vorschlägen dabei aus von mir genannten Gründen nicht folge.
Ein anderes Thema, mit dem ich mich allerdings außerhalb Eurer Kontexte sehe, betrifft die mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgenden Umwälzungen im Mensch-Natur-Verhältnis. Ich hab nicht umsonst schon vor zwei Jahren den „Crashtest für Utopien“ angemahnt und meine derzeitigen Beschäftigungen mit der Veränderung der ökologischen Rahmenbedingungen zeigen mir, dass das kein Thema „am Rande“ sein wird, sondern die Haupt-Herausforderung, die auf die Menschheit noch in unsrer Lebenszeit trifft.
Zur Vergesellschaftung:
Wir in einem stinknormalen kapitalistischen Betrieb produzieren übrigens zu 100% nach dem ex-ante-Prinzip 😉 Wir stellen Messgeräte her, die „Messlösungen für die Messaufgabe des Kunden“ liefern. Die Vertriebler erstellen eigentlich für jedes Gerät ein eigenes Konzept für jede spezielle Lösung der Messaufgabe eines (zuerst nur potentiellen) Kunden und übergeben dies dann an FuE und von da aus wirds dann hergestellt (wenn der Kunde dem Konzept entsprechend bestellt)…
Was dabei NICHT funktionieren würde, wäre eine Stigmergie-Lösung, weil die Kunden normalerweise keine „roten Links“ hinterlassen, sondern uns konkret in ihre Aufgaben einbinden, was unter Umständen komplexe Kooperationsprozesse anschiebt, bei der dutzende Menschen manchmal monatelang eingebunden sind (wo Verlässlichkeit und Verbindlichkeit extrem wichtig sind, damit nicht alle anderen, die sich daran halten, umsonst gearbeitet haben).
Wesentlich an der Problematik ist: Wenn Menschen irgendwelche Bedürfnisse äußern (nach Fahrzeugen für ihr Mobilitätsbedürfnis z.B.), dann stecken wir in der Arbeitsteilung in ziemlich vielen Verschachtelungen: Für das Fahrzeug werden z.B. Teile gebraucht, die mit bestimmten Fertigungstechniken (aus diversen Materialien und Vorprodukten) hergestellt werden, für die es Werkzeuge braucht, deren Herstellung auch wieder laufen muss… und irgendwo da drin steckt unser Messgerät. Ich wüsste nicht, wie ich durch die Bedürfnisse dessen, der das Lastenfahrrad braucht (wobei zur Herstellung eines der bei dessen Herstellung benötigten Teile ein Werkzeug damit gemessen werden muss), angeregt werden sollte, an dem Messgerät zu arbeiten…
Ich glaube, die sachlichen Notwendigkeiten, die sich da zwischen das Bedürfnis des einen und meine Tätigkeit schieben, lassen sich nicht alle als „Bedürfnis“ umformulieren (so als hätten alle Kooperationsbeteiligten jeweils das Bedürfnis, das Bedürfnis des anderen zu erfüllen und und gäben so den „Bedürfnisstaffelstab“ weiter…) Hierfür brauchts andere Analysebegriffe.
Mit dem, was man sich unter Stigmergie vorstellen kann (*), sind diese arbeitsteiligen, rückgekoppelten Prozesse einfach nicht machbar. Wenn jemand ein Lastenfahrrad braucht, kann er nicht hoffen, mit einer Weiterleitung und -vermittlung von „roten Links“ irgendwann zu seinem Lastenfahrrad zu kommen.
(*) Vielleicht wird für diese komplexen Koordinationsprobleme die Metapher „Stigmergie“ auch einfach unhaltbar (wenn man in sie plötzlich viel mehr hineinstopfen will, als sie ausdrücken kann).
@Annette
Du hast in Deinem Beitrag unter https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2016/05/20/geldlose-utopie/
eine Frage gestellt:
„Diese individualistischen Lösungen passen gut zum individualistischen
Zeitgeist – an „große Erzählungen“ mit der Vision eines „geldfreien
Lebens für alle“ traut sich kaum jemand heran. Oder kennt Ihr aktuelle
Geschichten und Romane, die sich der Aufgabe stellen, eine Welt ohne
Geld zu erdenken und möglichst noch so, dass sie nicht in
Wolkenkuckuckheim verankert ist, sondern sich auf unserer Erde in
nächster Zukunft verwirklichen könnte?“
Als ich Deinen Beitrag vor gut einem Jahr las, da hatte ich schon mit dem Schreiben dieser „großen Erzählung“ begonnen.
Ich fühlte mich zusätzlich motiviert.
Damals plante ich einen Roman in zwei Teilen.
Im Teil 1 soll unsere Welt ohne Geld beschrieben werden.
Im Teil 2 soll der Weg von der Welt wie sie heute besteht hinüber in die Welt ohne Geld beschrieben werden.
Du schreibst oben in (43):
„Ich glaube, die sachlichen Notwendigkeiten, die sich da zwischen das
Bedürfnis des einen und meine Tätigkeit schieben, lassen sich nicht alle
als „Bedürfnis“ umformulieren (so als hätten alle
Kooperationsbeteiligten jeweils das Bedürfnis, das Bedürfnis des anderen
zu erfüllen und gäben so den „Bedürfnisstaffelstab“ weiter…)
Hierfür brauchts andere Analysebegriffe.“
Nein, Du brauchst keine (unendlichen) weiteren Analysen.
Du brauchst zunächst ein satt gemaltes Bild von unserer Welt ohne Geld.
Dieses Bild zu malen ist die erste Aufgabe. Ohne ein eigenes Bild von der Welt ohne Geld bleibst Du blind.
Erst dann hast Du einen Traum von der Sache.
Dazu das treffliche Zitat von Marx bei
Wolfram Pfreundschuh in http://keimform.de/2017/gebrauchswert/
(10):
„Es wird sich … zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt.“ (MEW 1, S. 346)
Erst dann kannst Du auch begreifen, „daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt“.
Die neue Arbeit – ohne Geld – ist zunächst genau die alte Arbeit. An dem Tag, an dem wir das Geld abschaffen, und die Formel G-W-G´ keinerlei Bedeutung mehr hat, an diesem Tag lassen wir uns endlich alle leiten von unseren tatsächlichen Bedürfnissen.
Die wahren Bedürfnisse treten unverfälscht ins Licht…
Heiter weiter …
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
wenn Du so weit bist mit dem Schreiben, dass Du es anderen zeigen möchtest, bin ich sehr interessiert daran.
Ich habe ja viele alte und neuere Utopien durchgelesen in Bezug auf die Frage nach möglichen Welten ohne Geld, ich bin aber nicht dazu gekommen, mehr als das bisher Vorhandene dazu in den Blog zu stellen.
@Stefan #41:
Marktverhältnisse haben aber neben dem stigmergischen Element noch ein anderes Element, das der Stigmergie selbst fehlt, nämlich das Vertragsverhältnis, auf das sich beide Seiten einlassen (ob das nun Kauf- oder andere Verträge sind). Es gibt eine explizite Rückkopplung zwischen Nutznießern und Produzent_innen, eben die vielgeschmähte „Kopplung von Geben und Nehmen“. Diese Rückkopplung fehlt bei rein stigmergischen Systemen; hier können die potenziellen Nutznießer zwar Wünsche äußern, aber die Produzent_innen entscheiden dann ganz autonom — anders als beim Vertragsverhältnis, das erst zustande kommt, wenn sich beide Seiten einig werden können. Und tatsächlich sind Vertragsverhältnisse keineswegs eindimensional — zwar steht auf der einen Seite oft tatsächlich nur eine Zahl (der zu zahlende Betrag), aber auf der andere Seite stehen ja mehr oder weniger detaillierte ausformulierte Gegenleistungen, zu denen sich die Produzent_innen verpflichten.
Diese explizit vereinbarte Gegenseitigkeit ist ein zusätzliches Element gegenüber rein stigmergischen Systemen, dessen Weglassen mir derzeit nicht komplett praktikabel erscheint — auch wenn klar ist, dass sie zu Problemen führen kann, z.B. dann, wenn Leute keine Verträge abschließen können, weil sie aus Sicht von anderen diesen nichts hinreichend Attraktives anzubieten haben. Wie sie diese und andere Problemen am besten lösen kann, ist eine Herausforderung, der sich die Gesellschaft stellen muss — aber dass der komplette Verzicht auf explizit vereinbarte Gegenseitigkeit da eine praktikable Lösung (oder gar die beste Lösung) darstellt, ist aus meiner heutigen Sicht eher unplausibel.
Genau, solch einem Forschungsprogramm widme ich mich ja auch, nur würde ich es etwas offener formulieren, z.B.: „Wie kann eine Gesellschaft funktionieren, in der sich die Vermittlungsformen nicht verselbständigen und gegen die Menschen selber richten und in der niemand — weder einzelne Menschen noch die Natur — auf der Strecke bleibt?“ Dabei scheint es mir kontraproduktiv, sich von Anfang an durch willkürliche Setzungen wie „explizit vereinbarte Gegenseitigkeit darf es nicht geben“ oder „gewählte oder ausgeloste Delegierte darf es nicht geben, alle müssen sich selbstauwählen“ einzuschränken. Ich forsche gerne mit, habe aber das Gefühl, dass du — und auch Simon — euch durch solche Vorabfestlegungen so sehr einschränkt, dass dann nur große Ratlosigkeit rauskommen kann.
Hallo!
#Gemeinsame Theoriearbeit: Nun ich kann das Gefühl von Stefan etwas teilen. Es ist ein Unterschied ob man gemeinsam nach Probleme und Lösungen sucht oder ob man Probleme sucht und sich dann abwendet. Ich hab bei euch (Annette und Christian) normal nicht das Gefühl, aber in letzter Zeit manchmal. Ich wünsche mir das wir wieder gemeinsam forschen.
Z.B. Wenn wir feststellen es braucht Absprachen und tiefe Zusammenarbeit in der Herstellung, dann ist die Frage für mich: Wie können diese Absprachen funktionieren und trotzdem die Menschen sich selbstauswählend dazu verhalten? Das wäre meiner Meinung nach eine „produktive“ Wendung des Problems und nicht einfach: das geht ja mit Stigmergie nicht also Blödsinn. Ich bin auch oft kritisch bei Stigmergie es scheint so „vereinfachend“ und Konflikte fallen da schnell raus, aber Stefan versteht es ja auch nicht einfach nur als „rote Links“ sondern als Teil eines gesellschaftlichen Vermittlungsprozess.
#Erweiterung des Forschungsrahmens
Ich verstehe noch nicht genau was du mit dieser explizit vereinbarten Gegenseitigkeit meinst, aber es hat irgend etwas mit Tausch zu tun, oder? Und mit ausgelosten Delegierten meinst du das irgend jemand durch ein Los dafür zuständig sein kann die Klos zu putzen, oder?
Apropos Gefühle: Was meinst Du, wie es sich anfühlt, wenn man seine Bedenken öfters signalisiert, aber sie nie aufgenommen erfährt?
Es ist nun mal so, dass manche Menschen auch einfach mehr Möglichkeiten haben, ihre Ansichten zu verbreiten und zu stärken, während andere zumindest zeitweise etwas leiser reden oder es nicht ausführlich aufschreiben können und sich dann abgehängt fühlen.
„Abwendung“ ist übrigens relativ. Die Frage ist, ob bestimmte Entscheidungen dazu führen, dass die Betroffenen damit automatisch einander abgewendet sind (wie z.B. vielleicht die Begriffsverwendungen), oder ob sich noch etwas findet, dem man gemeinsam zugewendet ist.
@Simon #47:
Meine Kritik an der Stigmergie ist ja noch gar nicht erschienen (kommt demnächst), also Geduld, junger Mann! Was du hier mit „trotzdem die Menschen sich selbstauswählend verhalten“ meinst, ist mir nicht ganz klar, immerhin basiert auch der Markt auf Selbstauswahl — im Kontext von Markttransaktionen wird niemand direkt (durch andere) zu etwas gezwungen.
Ja, das führe ich im nächsten Artikel (gerade in Korrekturphase) noch aus.
Das eventuell auch, aber ich meine eher im Rahmen politischer Institutionen oder z.B. zur Besetzung von Schiedsinstanzen, die in anderweitig nicht lösbaren Konfliktfällen das letzte Wort haben (was ich übrigens in Freie Quellen oder wie … schon vorgeschlagen hatte).
@Stefan #50:
Der Unterschied zwischen Verträgen (auf dem Rechtsweg einklagbar) und anderen bindenden gegenseitigen Verpflichtungen finde ich auch interessant, aber jetzt nicht soo wichtig — in meinem nächsten Artikel (gerade in Korrektur) schlage ich vor, beides unter „Abkommen“ zusammenzufassen. Was mich etwas erstaunt, ist dass sich solche Vereinbarungen, wenn sie asymmetrisch sind (Leistung gegen Gegenleistung bzw. Gabe gegen Gegengabe) doch mit Sicherheit oft auf eine Art „universelles Äquivalent“ auf einer Seite der Vereinbarung beziehen werden. Naturalientausch ist einfach zu unflexibel, um eine weitverbreitete Lösung zu werden — ich schätze, soweit sind wir uns einig.
In meinem Feedback zu deinem Textentwurf frage ich deshalb:
„Wenn solche Vereinbarungen explizite Verpflichtungen für beide Seiten enthalten, wie unterscheiden sie sich dann von Kauf/Miet/Arbeits- etc. -verträgen auf dem Markt, die das auch tun? Sprich: Wäre es nicht naheliegend, dass eine Art Geld (zahle X, bekomme Y) Bestandteil vieler dieser Vereinbarungen sein dürfte?“
Die mangelnde Einklagbarkeit ist ein Unterschied, schon klar — aber nicht einklagbar sind auch viele andere Transaktionen, z.B. die auf Schwarzmärkten.
OK, das wäre dann eine staatsfreie Gesellschaft, aber eine, in der vermutlich eine Art Geld bzw. „universelles Äquivalent“ in vielen gegenseitig bindenden Vereinbarungen auftauchen dürfte? Wenn das deine aktuelle Position ist, sind wir uns wahrscheinlich näher als ich dachte — aber ich wäre davon auch wirklich überrascht!
@Christian#52: Zum Vorschlag Blockchain zu verwenden:
Blockchain ist zunächst nur ein Protokoll von Transaktionen. Verpflichtung muss damit nicht verbunden sein. Kann aber. Aber die Entscheidung darüber, welcher Grad an Verbindlichkeit zwischen den Agierenden besteht, sollte eben diesen überlassen bleiben. Also keine Suspendierung der generellen Freiwilligkeit. Dann ist der Unterschied zwischen Verträgen und transparenten Protokollen ein qualitativer. Stimmst du mir zu?
Das „asymmetrisch“ verstehe ich nicht, m.E. stehen deine Beispiele für Symmetrie, denn Geben und Nehmen sind reziprok aneinander gekoppelt und spiegelbildlich strukturiert (Geben und Nehmen können die Postionen tauschen). Anyway, der Punkt ist: Ein Äquivalent brauchst du, wenn du verallgemeinert tauschst. In bedingungsfreien, entkoppelten Reziprozitätsverhältnissen, sprich ohne Tausch, brauchst du das nicht. Beitragen kennt kein Äquivalent.
Mein Eindruck ist: Was du mit alten, etwas ermäßigten Formen erreichen willst – Tausch, Äquivalenz, Vertrag – will ich mit Freiwilligkeit und Transparenz erreichen. Also musst du nicht überrascht sein: Ich denke, dass eben diese alten Formen auch notwendig eine Clearinginstanz abstrakter Allgemeinheit brauchen, mit Gesetzen, Sanktionen und all dem, um zu funktionieren.
Wer also A sagt (Tausch/Vertrag), muss auch B sagen (Staat, kind of). Also geht’s nur ohne A und ohne B.
Ich hatte mir extra Zurückhaltung auferlegt, aber wenn ihr soweit schon debattiert, möchte ich meine Fragen stellen:
1. Was hat da wer als Eigentum, derart dass sie überhaupt was zum „Tauschen“ haben? Welche Produktionsstruktur, welche Art Arbeitsteilung ist da unterstellt? Ist das anderswo bereits alles unter euch geklärt worden?
2. Was ist eigentlich die Stellung derer, die – wenn alles freiwillig ist – lieber nicht teilnehmen, woran auch immer? Was wird ihnen überlassen, derart dass sie sich solch eine Nicht-Teilhabe leisten können? Etwa die gute alte Freiheit, unbehelligt unter Brücken verhungern zu dürfen?
3. Wenn Eigentum – darf man es dann auch für sich behalten – und einen Tausch „nicht lohnend“ finden – auch wenn andre das aus guten Gründen anders beurteilen – darf man, mit andern Worten, die Vorenthaltung des Hergebens zum Mittel des Erwerbs machen? Wo endet die subjektive Vorstellung, dass etwas „so, wie vorgeschlagen, nicht fair ist“ der einen und der andern – und wenn es da endet – warum werden die Grundsätze nicht gleich zur „gerechten“ Verteilung genutzt?
@franziska: Ich bin mir unsicher, ob ich dich verstehe, aber ich versuche es mal:
(1) Eine freie Gesellschaft, an die ich denke, kennt kein (juristisches) Eigentum. Aber Besitz. Das ist das, was du nutzt.
(2) Die individuelle Existenz ist gesichert, jede/r nimmt sich, was sie zum Leben braucht.
(3) Die „Vorenthaltung des Hergebens“ ist in der Regel kein Problem, wenn die anderen das Gleiche auch einfach bekommen/nehmen können. Also ist das kein Weg zum Mittel des Erwerbs, aber wozu auch? Gerechte Verteilung halte ich für einen Widerspruch in sich: Wer entscheidet das und wie? Besser ist Nehmen nach Bedürfnissen und Beitragen nach Bedürfnissen.
@Stefan 55, genau so sehe ich das auch. Meine Fragen oben richten sich also eher an Christian. Bleibt das Problem, wie eine derart freie Gesellschaft ihre (Re)Produktion und eventuelle Fortschritte organisiert. Wir werden wohl drauf zurückkommen, wenn Christian seinen Text fertig hat.
@Stefan #53:
Naja, zwischen Verträgen und Protokollen würde ich eh einen grundsätzlichen Unterschied sehen, da Protokolle ja eher die Form haben: „Wenn jemand X machen will, dann auf diese/jene Weise“. Während gegenseitige Verträge oder Vereinbarungen die Form haben: „A macht/gibt X, B macht/gibt dafür Y“. Also Verträge/Vereinbarungen drücken eine gegenseitige Verpflichtung aus (unabhängig davon ob diese einklagbar ist), Protokolle nicht. Aber gerade weil Protokolle nur die unverbindliche Wenn…Dann-Form haben, glaube ich nicht, dass sie die Rolle heutiger Verträge vollumfänglich übernehmen können. Darauf gehe ich aber im nächsten Artikel (erscheint übermorgen) viel genauer ein, vermutlich macht es Sinn, die Debatte dann dort wieder aufzunehmen.
Eine weitere Fundsache auf die ich hinweisen möchte ist der in der PROKLA 78 (Jahr 1990) erschienene Beitrag „Markt-Sozialismus oder Sozialisierung des Marktes“ der britischen (feministischen) Ökonomin und Soziologin Diane Elson (siehe hier: http://www.prokla.de/wp/wp-content/uploads/1990/Prokla78.pdf – ab Seite 60)
Dabei geht sie auch auf die Planungsdebatte zwischen Nove und Mandel ein und an welche – oft aus der Neoklassik hervorgehende – Annahmen bei dieser Debatte einfach unhinterfragt angeknüpft wird und die Planungsdebatte bis heute in eine Schieflage bringen.
Außerdem spricht sie die Vor- und Nachteile der Entscheidungsfindung auf Märkten an und weshalb es auch in einer sozialistischen (aka postkapitalistischen) Ökonomie eines Preismechanismus bedürfe.
Wobei sie wiederum verbreitete Konzepte des Marktsozialismus ebenso wie Vorstellungen „Dualer Ökonomie“, der Zentralplanung oder dezentral-„selbstverwalteten“ Planwirtschaft ohne Geld kritisiert. Der Keynesianismus kriegt auch sein Fett weg.
Sie weist darauf hin wie naiv viele Vorstellungen sozialistisch-selbstverwalteter Ökonomien ausfallen und dass die Allokations- und Koordinationsfrage zwischen Produzenten und Konsumenten bzw. Haushalte beinah von keinem Modell zufriedenstellend geklärt wurde.
Sie selbst schlägt einen sozialisierten Markt- und Preismechanismus vor. Zieht’s euch rein. Für mich jedenfalls eine der ausführendsten Analysen und Überlegungen zu dem Thema.
[Zwei Off-Topic-Kommentare gelöscht, CS.]
Hallo Christian,
wenn bereits in einem Forum, in dem es um nichts anderes als einen Gedankenaustausch geht, Kommentare zensiert werden, möchte ich gar nicht mehr wissen, wie Eure angeblich schöne „Commons-Welt“ aussehen würde.
Sicherlich anders, als sich einige das vorstellen.
Grüße
Andreas Lindner
Hallo Andreas, ich kenne die Beiträge nicht, die Christian gelöscht hat. Grundsätzlich jedoch denke ich, dass auch Commons kein „Niemandsland“ sind, sondern dass sich bei Bedarf auch hier unterschiedliche Umgangsregeln bilden. Die können dann natürlich auch diskutiert werden und wie von Dir hier kritisiert.
Ich mache die Erfahrung, dass es häufig passiert, dass Off-Topic-Kommentare den Denkfluss der am Thema Interessierten häufig sehr stört und viele Menschen sich davon so abgestoßen fühlen, dass sie auch zum Thema dann nichts mehr schreiben (das wird mir häufig zu Erfahrungen auf meinem Blog gesagt, wenn Menschen mir z.B. Mails schreiben und ich sie frage, warum sie nicht gleich einen Kommentar schreiben). Deshalb kann es verstehen, dass Christian dies so praktiziert und ich denke, als Autor des Beitrags kann er bei seinem Thema auch entsprechend agieren. Es gibt schließlich in der Blogwelt viele AutorInnen die grundsätzlich so vorgehen, um eben das Commons „Blog“ für jene, die es (etwas strukturiert, nämlich entsprechend den in den Beiträgen angesprochenen Themen, statt nur einem allgemeinen „Gedankenaustausch“) nutzen wollen, besser nutzbar zu halten.
In der „Commons-Welt“… nun ja, das werden wir auch im Einzelfall sehen müssen, was passiert, wenn es Gründe gibt zu vermuten, dass an bestimmten Stellen so etwas wie die „Tragedy of the Commons“ (bei denen eben nur unregulierte Commons gedacht werden) geschieht…
@Andreas (ergänzend zu Annettes Ausführungen): Nein, das Durchsetzen von Hausregeln ist keine Zensur, genau wie es keine unsägliche Beschränkung persönlicher Freiheiten ist, wenn die Bewohner_innen einer Wohnung ihren Gästen verbieten, innerhalb der Wohnung zu rauchen. Glaubst du ernsthaft, das Internet (oder allgemeiner: die Welt) wäre ein besserer Ort, wenn alle Trolle und Spammer ihrem Hobby nachgehen könnten, ohne zumindest von Zeit zu Zeit ein bisschen ausgebremst zu werden?
Und natürlich grenzt es an Trolling, wenn du unter einen Artikel deine (auch schon in anderen Kommentaren, die wir stehen gelassen haben, zigmal geäußerte) Standard-Kapitalismuskritik äußerst, scheinbar ohne überhaupt zu bemerken, dass es in dem Artikel gar nicht um Kapitalismus geht, sondern um die Schwierigkeiten einer geldfreien Verteilung! Als ob es da nicht noch andere Möglichkeiten gäbe…
Also wenn du kommentierst, bleibt beim Thema (beziehe dich auf den Artikel), sei originell (schreib nicht immer wieder dasselbe oder Sachen, die die meisten Leser_innen eh schon wissen dürften), sei sachlich und höflich (einer der Kommentare enthielt einen persönlichen Ausfall gegen einen anderen Kommentator — auch das ein guter Grund für eine Löschung, denn wer hier mitdiskutiert, sollte nicht damit rechnen müssen, ohne Not von anderen angepflaumt zu werden). Dann wirst du keine Probleme haben.
Zum Thema „Privat-Zensur“ hier noch ein Klassiker von xkcd.