Schlagwort: ökonomiekritik

Profitmaximierung und die Alternativen

Mutmaßliche Mitglieder eines Kooperativbetriebs beim Diskutieren; Bild von MisterMatt und MesserWoland, Lizenz: CC BY-SA 3.0(Voriger Artikel: Märkte für reale, aber nicht für „fiktive“ Waren wie Arbeits­kraft und Land?)

Im vorigen Artikel hatte ich festgestellt, dass die Alternative zu einem Markt für Arbeitskraft (wo Menschen ihre Arbeitskraft an Firmeneigentümer verkaufen, die sie dann nach eigenem Gutdünken einsetzen) demokratische Kooperativbetriebe sind, deren Mitarbeiter alle sie betreffenden Entscheidungen gleichberechtigt treffen. Nach innen unterscheiden sich solche Kooperativbetriebe (kurz: Kobetriebe) radikal von kapitalistischen Firmen, da es keine Trennung zwischen weisungsbefugtem Management und weisungsgebundenen Angestellten gibt. Nach außen ändert sich hingegen nicht zwangsläufig allzu viel: Kobetriebe stehen womöglich in Konkurrenz zu anderen Betrieben; sie können, wenn sie wollen, versuchen möglichst viele möglichst billig hergestellte Produkte möglichst teuer zu verkaufen, um so ihre Einnahmen zu maximieren und ihre Ausgaben zu minimieren.

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Märkte für reale, aber nicht für „fiktive“ Waren wie Arbeitskraft und Land?

Reale Waren auf einem Marktplatz in Äthiopien (eigenes Foto) (Voriger Artikel: Vorüber­legungen)

Karl Polanyi weist darauf hin, dass es Ware­nmärkte in sehr vielen Gesell­schaf­ten gegeben hat, sich aber erst mit der Ver­brei­tung des Kapi­ta­lismus auch Märkte für fiktive Waren im großen Stil durchgesetzt hätten. Als „fiktive Waren“ bezeichnet er Arbeits­kraft, Boden und Geld, da sie nicht für den Verkauf produziert werden, auch wenn sie im Kapi­ta­lismus wie Waren gehandelt werden (Polanyi 1978, 108). Diese fiktiven Waren sind zu unter­scheiden von echten Waren (Real­waren), die in Betrieben oder von Einzel­produzen­tinnen für den Verkauf produziert werden.

Der Kapitalismus braucht augenscheinlich Märkte für fiktive Waren, während andere Gesellschaften weitgehend ohne diese auskamen. Eine zu untersuchende These ist somit, dass eine Gesellschaft, in der fiktive Waren nicht mehr (oder jedenfalls nicht in erster Linie) auf Märkten erhältlich sind, nicht mehr kapitalistisch wäre, selbst wenn es noch Märkte für Realwaren gäbe.

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Märkte jenseits des Kapitalismus? – Vorüberlegungen

Bazar von Athen (Ausschnitt), Gemälde von Edward Dodwell (1821, gemeinfrei)

In der linken Kapitalismuskritik ist es üblich (und auch ich habe das lange so gemacht), Märkte und Kapitalismus weitgehend gleichzusetzen und jede Kapitalismuskritik gleichzeitig als Kritik an Märkten als gesellschaftlichen Vermittlungsinstrument aufzufassen. Üblich ist dieselbe Gleichsetzung – nur nicht kritisch gesehen – aber auch in der Mainstream-Ökonomie (Neoklassische Synthese, auch kürzer und etwas ungenau „Neoklassik“ genannt). In letzterer wird der Begriff „Kapitalismus“ zwar oft vermieden und stattdessen von „Marktwirtschaft“ gesprochen (in Mankiw (2014) fällt der Begriff „market economy/economies“ viele Dutzend Male, während von „capitalism“ nur in ein paar Zitaten die Rede ist) – damit ist aber genau die von ihren Kritikerinnen „Kapitalismus“ genannte Produktionsweise gemeint, andere Spielarten von marktbasierten Ökonomien existieren vermeintlich nicht.

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Verteilung ohne Geld?

Demonetize-Logo mit Fragezeichen(Voriger Artikel: Das Geld, eine historische Anomalie?)

[Dieser Text entstand im Rahmen des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts Die Gesellschaft nach dem Geld.]

Oft liegt Kritiken des geldbasierten Wirtschaftens die Vorstellung zugrunde, dass das, was früher möglich war, auch in Zukunft wieder funktionieren könnte. So erklärt Thomas Herzig (2011): „Zunächst einmal ist die geldlose Gesellschaft gar keine Utopie. Sie hat seit dem Erscheinen des Homo Sapiens vor ca. 160.000 Jahren die meiste Zeit nachhaltig funktioniert.“

Die Schwierigkeit einer solchen Vorstellung liegt darin, dass sie zum einen ungenau ist (wie wir gesehen haben, spielten Geld und Märkte in vielen früheren Gesellschaften zumindest eine gewisse Rolle), zum anderen von Voraussetzungen ausgeht, die sich von der heutigen Situation stark unterscheiden. Die Bevölkerungsdichte war früher sehr viel geringer. Zwar ist der Kapitalismus heute nicht in der Lage, sieben Milliarden Menschen „nachhaltig“ zu versorgen – vielen fehlt es am Nötigsten, während zugleich die Erde systematisch übernutzt wird. Jedoch brauchten frühere Gesellschaften, insbesondere die tatsächlich geldfreien Jäger-und-Sammler-Kulturen, ein Vielfaches der heute zur Verfügung stehenden Flächen pro Person. Da die sieben Milliarden nicht einfach verschwinden werden, ist ein direktes Zurück zu vorkapitalistischen Produktionsweisen schon deshalb undenkbar.

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Das Geld, eine historische Anomalie?

Über 2500 Jahre alte Münze[Dieser Text entstand im Rahmen des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts Die Gesellschaft nach dem Geld.]

Die Vorstellung einer „Gesellschaft nach dem Geld“ impliziert, dass Geld ein historisches Phänomen von begrenzter Dauer ist. Alle von Menschen verwenden Werkzeuge (in einem weiten Sinne) sind irgendwann entstanden. Grundsätzlich macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, unter welchem Umständen sie künftig wieder verschwinden können und ob dann etwas anderes an ihre Stelle treten oder aber ihre Funktion komplett überflüssig werden würde. Spekulieren ließe sich etwa über eine „Gesellschaft nach dem Auto“, in der die heute unter anderem von Automobilen erfüllte Funktion (der Transport von Personen und Dingen) vollständig von anderen Arten von Fahrzeugen übernommen wird (z.B. Bahnen, Fahrrädern und Drohnen). Dabei muss man allerdings auch begründen, warum man es für plausibel hält, dass eine solche Entwicklung eintreten wird.

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Queer-feministische Ökonomiekritik: Perspektiven

care-revolution[Bisher erschienen: Einleitung, Teil 1, Teil 2, Teil 3]

4. Welche gegenseitigen Anregungen gibt es?

Wie pluralistisch will die Bewegung sein?

Degrowth ist eine vielfältige Bewegung, die ganz offensichtlich Wert legt auf Pluralismus, was Hintergründe, Positionen und Fokusse angeht. Wenn es einen klaren herrschaftskritischen Grundanspruch gibt – das heißt eine Ablehnung von Herrschaftsverhältnissen wie etwa Antisemitismus, Sexismus, Rassismus oder Antiromaismus – und es auf dieser Grundlage möglich ist, einzelne Gruppen oder Personen auszuschließen, kann ein gewisser Grad an Pluralismus zu fruchtbaren Allianzen führen. Die Beteiligten können verschiedene Standpunkte austauschen und sich gegenseitig weiterbringen. Doch wie viel Pluralismus möchte eine Bewegung aushalten? Wie können gegensätzliche Positionen ausgehandelt werden, sodass noch immer von einem gemeinsamen Nenner gesprochen werden kann? Diese Fragen wollen wir Degrowth als Anregung mitgeben.

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Queer-feministische Ökonomiekritik und Degrowth

care-revolution[Bisher erschienen: Einleitung, Teil 1, Teil 2]

3. Wie ist das Verhältnis zwischen der Queer-Feministischen Ökonomiekritik und Degrowth?

Gemeinsam können wir die Bedürfnisbefriedigung von Menschen ins Zentrum und Natürlichkeiten in Frage stellen

Ein gemeinsames Ziel von Degrowh und queer-feministischer Ökonomiekritik ist die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise. Vom Standpunkt queer-feministischer Ökonomiekritik ist es begrüßenswert, wenn die Bedürfnisbefriedigung aller Menschen ins Zentrum einer Bewegung gesetzt wird. (mehr …)

Queer-feministische Ökonomiekritik: Akteur*innen

care-revolution[Bisher erschienen: Einleitung, Teil 1]

2. Wer ist in der Queer-Feministischen Ökonomiekritik aktiv und was machen sie?

Queer-feministische Ökonomiekritik ist ein Analysestandpunkt von Akteur*innen unterschiedlicher Bewegungen

Im Folgenden möchten wir einige Bewegungszusammenhänge skizzieren, in denen oben genannte Überlegungen in den letzten Jahren verstärkt diskutiert wurden. Dabei konzentrieren wir uns auf aktuelle Entwicklungen der letzten fünf Jahre.

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Queer-feministische Ökonomiekritik: Kernidee

care-revolution[Bisher erschienen: Einleitung]

1. Was ist die Kernidee der Queer-Feministischen Ökonomiekritik?

Emanzipatorische Politik muss die kapitalistische Trennung in Produktion und Reproduktion überwinden und solidarische, kollektive Strukturen aufbauen

Im Zentrum queer-feministischer Ökonomiekritik steht wie bei vielen sozialen Bewegungen die Frage: Wie kann die Gesellschaft so organisiert sein, dass sie ein gutes Leben für alle ermöglicht? Aus der Perspektive queer-feministischer Ökonomiekritik ist es die kapitalistische Produktionsweise in ihrer Verschränkung mit anderen Herrschaftsverhältnissen, die diesem Ziel entgegensteht.

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