Die Ums-Ganze! Kongress-Dokumentation
So, hier ist sie nun, die Audio-Dokumentation vom Ums-Ganze!-Kongress. Ich habe alle Podiumsdiskussionen aufgenommen, jedoch keine Workshops. Die Qualität der einzelnen ReferentInnen-Beiträge ist meistens gut, die Qualität der bloß per Raum-Mikro aufgenommenen Diskussionen meistens mies. Die Audio-Dateien werden bei archive.org gehostet, der Titel linkt jeweils zu der entsprechenden archive.org-Seite der Veranstaltung. Dort gibt’s dann verschiedene Download-Formate (OGG, MP3 oder MP3 im ZIP-Archiv) sowie Audio-Streaming. — Have a lot of fun!
Freitag, 7.12.2007
Drei Einführungsveranstaltungen
- Nadja Rakowitz: Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie (44:10 Minuten)
- Robert Foltin: Einführung in den Postoperaismus (40:00 Minuten)
- Norbert Trenkle: Einführung in die Wertkritik (63:06 Minuten)
Samstag, 8.12.2007
Podium: Zum Begriff der Arbeit
- Ernst Lohoff (23:45 Minuten)
- Thomas Seibert (24:07 Minuten)
- Norbert Trenkle (22:13 Minuten)
- Michael Heinrich (22:45 Minuten)
- Diskussion Podium (13:51 Minuten)
- Diskussion Publikum (26:00 Minuten)
Podium: Immaterielle Arbeit und Ware Wissen
- Zlatan Orek (14:19 Minuten)
- Frieder Otto Wolf (15:12 Minuten)
- Stefan Meretz (20:14 Minuten)
- Diskussion (55:54 Minuten)
Podium: Staat, Recht und Politik
- Thomas Seibert (13:54 Minuten)
- Sonja Buckel (13:59 Minuten)
- Thomas Gehring (16:48 Minuten)
- Peter Decker (16:03 Minuten)
- Diskussion (55:10 Minuten)
Podium: Klasse / Klassenkampf / soziale Kämpfe / Multitude
- Robert Foltin (11:18 Minuten)
- Gerhard Hanloser (24:10 Minuten)
- Norbert Trenkle (12:32 Minuten)
- Slave Cubela (15:25 Minuten)
- Diskussion (41:54 Minuten)
Sonntag, 9.12.2007
Podium: Neue Imperialismustheorien / Globalisierung / Empire
- Peter Decker (11:50 Minuten)
- Jens Wissel (15:35 Minuten)
- Michael Heinrich (16:15 Minuten)
- Diskussion (55:32 Minuten)
Abschlusspodium: Theorie und Bewegung
- Werner Raetz (5:55 Minuten)
- Friederike Habermann (9:20 Minuten)
- Alex Demirovic (8:12 Minuten)
- Keine Aufzeichnung von IL und Ums-Ganze wg. Abreise
Hinweis: Zur Zeit stimmt die Reihenfolge der Beiträge auf manchen der Download/Streaming-Seiten nicht. Das fällt jedoch nur auf, wenn man sich die Audios per eingebettetem Player online anhört. Beim Download klickt ihr ohnehin auf die Ton-Dokumente, die ihr haben wollt.
wow, das ging ja schnell, da kann ich mir ja das was ich verpasst hab doch noch anhören 🙂
Super. Geht ja doch.
Cool, danke!
Schade aber, das gerade die Diskussion zum Arbeits-Podium fehlt – die fand ich nämlich tatsächlich am ergiebigsten, weil da auf beiden „Seiten“ die Schwachpunkte herausgearbeitet wurden und vor allem der Thomas Seibert einige kluge Anmerkungen zur Perspektive sozialer Kämpfe gemacht hat. Aber naja, mensch kann nicht alles haben – is ja schließlich auch noch Kapitalismus und der ganze Scheiß ,-)
Danke für die Mitschnitte!
Ums Ganze wird auch noch Audiomitschnitte veröffentlichen (da die über das Mischpult an dem alle ReferentInnen und das Saalmikro hingen, aufgenommen wurden dürften die Diskussionsbeiträge vom Publikum dort von besserer Qualität sein). Außerdem werden in nächster Zeit noch Videoaufnahmen von den Podien auf die Bündnisseite gestellt.
delete_party_program
Die Ankündigung für den „Ums Ganze“-Kongress verspricht nicht nur die Welt zu erklären. Sie ist auch ein Zeugnis für den Zustand dessen, was gemeinhin als „linke Szene“ bezeichnet wird. Der Veranstaltung kommt daher mehr eine diagnostische Funktion zu, als dass sie substanziell neue Einsichten liefern wird.
Wer sich die drei Folgen von „Ums Ganze-TV“ auf Youtube angesehen hat, der wird verstehen, was sich die Beteiligten unter der Triade Theorie-Organisation-Praxis vergestellt haben. Verweist die Reihenfolge der Begriffe vermutlich auf die intendierte Abfolge der Schritte hin zur kommunistischen Revolution, so führt die Internet-TV-Serie vor, wie sich eine Symbiose aller drei Momente zu einer – wie könnte es anders sein – dialektischen Einheit darstellt. Die audiovisuelle Botschaft ist klar: das „Schweinesystem“, „Staat und Kapital“ und Bereitschaftspolizisten gilt es durch „Krawall und Remmidemmi“ zu bekämpfen. Als theoretisch reflektierter Zusammenschluss will man jedoch „Pseudoaktivität“ vermeiden und lieber den „unversöhnlichen Akt der Negation“ wählen. Was dieses kryptische Raunen aber bedeuten soll – das, so lässt sich vermuten, soll auf dem Kongress zu Wertkritik und (Post)Operaismus geklärt werden. Moment? Kam die Theorie nicht vor der Praxis?
Doch zurück zur Ankündigung. Die grundsätzlich begrüßenswerte Entscheidung, einen Kongress zu veranstalten, auf dem Fragen der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation mit Hinblick auf ihre Veränderung geklärt werden sollen bekommt einen faden Beigeschmack beim Blick auf die Liste der Referent_innen. Wer sich das Label „Theorie“ zueigen macht, der muss sich auch dem zwanglosen Zwang des besseren Arguments unterwerfen. Doch ein solches Verfahren wird umgangen durch vorzeitige Auswahl des Sag- und Denkbaren und der ressentimentgeladenen Indifferenz gegenüber dem, was anderes besagt. So ist ein gros der Beteiligten aus dem Umfeld der Zeitschriften Krisis und Exit! als den Zentralorganen der wertkritischen Fraktion. Dieser esoterische Verein muss nicht jedem bekannt sein und es fragt sich, warum die Veranstalter_innen ausgerechnet eine solche Auswahl treffen mussten. Die Selbstetikettierung als „links“ ist gerade in Zeiten der Vorherrschaft von Lechts und Rinks kein Grant für eine qualitativ hochwertige Einschätzung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse. Die platte Dichotomie: Wertkritk = „da geht nischts“ vs. Postoperaismus = „die Multitude bringst“, eignet sich nicht für eine Analyse komplizierter gesellschaftlicher Tendenzen. Auch wenn es sich nicht um eine „Verrätselung der Welt“ handelt, wie es denjenigen Leuten erscheint, für die die Dinge eh schon klar sind, so sollte doch vor einer Überformung eines reflektierten common sense durch pseudo-theoretisches Gelaber gewarnt werden. Ein Blick auf die drei Meter „Prokla“ im Regal genügt, um sich vor Augen zu führen, dass sich bereits einige Leute Gedanken über die Themen Kapitalismus, Klassenkampf etc. etc. gemacht haben. Sehr verwunderlich ist auch die Tatsache, dass der Beitrag der Gruppe TOP Berlin zu falscher Kapitalismuskritik (Jungle World, Nr. 44) nicht mit einem Wort Phänomene wie Antisemitismus und Antiamerikanismus erwähnt. Schließlich handelt es sich dabei um die zengtralen Themen des linken Diskurses in den letzten Jahren.
Die Bedeutungslosigkeit einer solchen Veranstaltung resultiert u.a. aus dem Umstand, dass hier eine homogene „linke“ Masse gebildet wird, die den Kontakt zum wissenschaftlichen Mainstream und seinen kritischen Randgebieten schon längst gekappt hat. Was danach übrig bleibt ist eine Suppe aus adornitischem Brummen und marxistischen Stereotypen, in der „Praxis“ garniert mit chicker Elektromusik. Warum ist es nicht möglich Menschen einzuladen, die sich auch empirisch mit sozialen Kämpfen, ihrer Logik und ihrem emanzipatorischen Gehalten auseinandergesetzt haben? Warum muss der naive Versuch unternommen werden, Gesellschaft aus dem theoretischen Stehgreif zu erklären? Warum ist Kritik hier wieder auf „den Hautwiderspruch“ „des Kapitalismus“ fixiert? Wer entscheidet, wer woran am meisten leidet? Wie ist der normative Maßstab bestimmt, den wir an Gesellschaft in emanzipatorischer Absicht anlegen? Anstatt verzweifelt nach festen Makro-Interpretationen zu suchen sollte an erster Stelle die richtige Formulierung der theoretischen Probleme stehen. Das dies nicht annähernd im Aufruf geschieht ist traurig. Der linke Reflex gegen die als bürgerlich verschriene (Sozial-)Wissenschaft führt zur Selbstreferanzialität und zur Abkapselung von wichtigen Erkenntnisprozessen.
Doch wie sollte sich diese Lage ändern, wenn die subkulturell angehauchte „Szene“ aus pupertierenden Jugendlichen und infantilisierten „Erwachsenen“ besteht? Vielleicht ist es ratsam die allgemeine Tendenz der Infantilisierung auch als Prozess innerhalb der „Linken“ anzusehen. Die pseude-proletarische Pose des „Ums Ganze“-Bündnisses soll mit einem intendierten Intellektualismus kombiniert werden, den man sich realiter dann lieber doch nicht zu eigen machen will. Was daraus spricht ist nicht die Einsicht in die historisch gewordene Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit und die zweifelhafte Divergenz ihrer Bewertungen als vielmehr ein praktischer Antiintellektualismus, der sich sein eigenes Unvermögen noch als Stärke zuschreibt und die Not zur Tugend verklärt. Die Parole „Ums Ganze“ ist nicht nur Zeichen der scheinbaren Radikalität, sondern wird auch zum Alibi für die reflexionslose narzisstische Darstellung: Wem es ums Ganze geht, der muss sich um Kleinkram nicht mehr kümmern. Verbalradikalität tritt an die Stelle materialer Arbeit. Ums mit Meister Teddy W. Adorno zu sagen: „Das von ihnen deffamierte Denken strengt offenbar die Praktischen ungebührlich an: es bereitet zuviel Arbeit, ist zu praktisch. Wer denkt setzt Widerstand; bequemer ist mit dem Strom, erklärte er sich auch als gegen den Strom, mitzuschwimmen. Indem man einer regressiven und deformierten Gestalt des Lustprinzips nachgibt, es sich leichter macht, sich gehenläßt, darf man überdies eine moralische Prämie von den Gleichgesinnten erhoffen.“ Die Orientierung am ganz Großen, denn darauf läuft de facto das Motto hinaus, suspendiert von der anstrengenden Arbeit, sich die Mannigfaltigkeit gesellschaftlicher Phänomene zu vergegenwärtigen und die Größe der Aufgabe wird transponiert ins Ego der Bekennenden.
Felix Baums Kritik (Jungle World, Nr. 44) an den angeblich abstrakt-aufklärerischen Bestrebungen der Veranstalter ist zu entgegenen, dass die Beteiligten des „Ums Ganze“-Bündnisses keine Avantgarde sind, dass sie sich aber auch keinesfalls als eine solche ausgeben. Nicht ein aufklärerisches Anliegen gilt es zu kritisieren, sondern die sich in der „Praxis“ offenbarende Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Eine solche spektakuläre Praxis der Selbstbespaßung hat den Anspruch auf Intellektualität schon längst über Bord geworfen. Dem liesse sich die schwache Idee entgegensetzen, sein individuelles Leben so einzurichten, dass man sich nicht dumm machen lässt. Wie die vielen kleinen Auseinandersetzungen im Alltag so lässt sich intellektuelle Praxis auch nur denken als ein Alltagshandeln, das – ganz klassisch – auf Mündigkeit im besten Sinne des Wortes abzielt. Alles andere ist Politik. In diesem Sinne: Face the facts: „Just Communism“ is only a party program, not a party program!
http://groupeourson.blogsport.de/
@ourson: Den Jung-Antifas, so wenig ich auch diesen Gestus schätze, nun aber mit 3 Metern Prokla zu kommen, bevor sie mal nen Kongress veranstalten dürfen ist … nunja … gewagt?
Solange Erwachsen-Sein vor allem bedeutet sich auf die eine oder andere Art mit den Verhältnissen zu arrangieren bin ich stolz auf meine gute Portion Infantilität.
Hmm, hab nun aus der Ferne versucht der Diskussion zu folgen und dieser Satz der groupe ourson trifft meinen Eindruck bisher schon ganz gut:
In der Tat: Man hat seine ‚grossen‘ Theorien, bei denen man fuehlt sie wuerden ‚das Ganze‘ in seiner ‚Tiefe‘ sagen. Mit den wenigen, die diesen Eindruck teilen, sieht sich mensch dann ewig missverstanden (oder: noch nicht verstanden) von den anderen. Diese Hoffnung es gebe einen idealen Urgrund aus dem Wirklichkeit stroemt kommt mal mehr und mal weniger theoriefern daher: Die einen versuchen sich der Quelle zu naehern, waehrend andere sich damit zufrieden geben, dass sie schon irgendwo vor sich hin plaetschert. Fuer letztere wird ein Kongress dann eine Schoenheitskonkurrenz, in der einem X ‚irgendwie‘ besser gefiel als Y.
Denken als kollektive Praxis, die problemorientiert eine Vielzahl von Einfluessen produktiv aufnimmt, ist was Anderes. Und – um zum Thema zurueck zu kommen – meinem Eindruck nach stuende sie auch der Keimform der Freien Software deutlich naeher.
Und an Benni auch wenns vermutlich in den Pingbacks ersaeuft:
Auf „die eine oder andere Art“ wirst du dich schon mit den Verhaeltnissen arrangiert haben? Ich versteh ja, dass der „Anti-Infantilismus“ der groupe ourson nervt, aber du verstehst sicher, dass „Pro-Infantilismus“ zumindest fuer mich auch keine Alternative ist.
@Thomas: Jo, das radikale Getue nervt. Mich hat ja der Kongress deswegen auch zu ein paar Notizen über links und radikal inspiriert. Das war tatsächlich der große Wir-Macher dort. Wir sind alle unterschiedlich aber radikal und das ist es was wir allen anderen voraus haben.
Zur Infantilität: Klar arrangier ich mich, sonst wär ich ja schon tot. Deswegen ja auch nur „gute Portion“. Es gibt natürlich auch die Dunkle Seite der Infantilität: Der patriarchale Kapitalismus (jetzt mal nicht nur als Floskel sondern auch inhaltlich in dieser Doppeldeutigkeit) ist ja vor allem auch eine große Infantilitätsveranstaltung. Jede Generation muß den ganzen Laden wieder komplett umkrempeln damit das Ding am Laufen bleibt. Ob man das jetzt tut um ganz freudianisch den Vater symbolisch zu beseitigen oder weil man das Produktivitätsniveau steigern will ist da im Grunde nur eine Frage der Vorliebe.
Soviel jetzt mal zu meiner „großen Theorie“ der Infantilität 😉
Das Problem mit dem „Ganzen“ ist halt vertrackt. Die Postmoderne hat da glaube ich schon das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Eine Theorie wie die von Delleuze/Guattari oder meinetwegen auch die Actor-Network-Theorie (soweit ich das lückenhaft rezipiert habe) geht auch ums Ganze, wie solls auch anders gehen? Jedes graben unter der Oberfläche geht immer ums Ganze, ob man jetzt nach Wurzeln oder nach Rhizomen gräbt. Die Unterscheidung von abstrakt-allgemein und konkret-allgemein macht da schon Sinn. Das Problem mit der Dialektik ist nicht, dass sie ums Ganze ginge, sondern dass sie in ihrer ganzen Struktur eine Theorie aus der vergangenen Ära der linearen Zeit ist.