Wert und produktive Arbeit
[Update: siehe Produktive Arbeit auf dem Prüfstand]
Zu meinen Artikeln zur Verwertungskrise (1, 2) habe ich Feedback und Kritik erhalten. Ein besonders umstrittener Punkt, zu dem es Zustimmung, aber auch sowohl grundsätzliche wie Detail-Kritik gab, war die Abgrenzung der „produktiven Arbeit“, die zur Kapitalverwertung beiträgt, von anderer Arbeit, die zwar auch eindeutig für die Verwertung notwendig ist, aber gemäß der Marx’schen Konzeption nicht als produktiv gilt.
Die radikalste Kritik kam dabei von einem Kommentator namens ricardo (z.B. 1, 2), der den Unterschied zwischen produktiver und notwendiger Arbeit komplett bestreitet – er betrachtet alle vom Kapital bezahlte und für die Kapitalverwertung notwendige Arbeit als produktiv. Da ich früher selbst mit dieser Konzeption geliebäugelt habe, hat mich das veranlasst, den Unterschied zwischen „produktiv“ und „notwendig für die Kapitalverwertung“ nochmal kritisch zu prüfen. Im Ergebnis bin ich zu dem Schluss gekommen, dass dieser von Marx gemachte Unterschied zu Recht besteht und will im Folgenden darlegen, warum.
Marx argumentiert, dass es keinen Wert ohne Gebrauchswert gibt (niemand kauft eine Ware, die sie für „unbrauchbar“ hält) und dass deshalb Arbeit, die nicht zur Produktion von Gebrauchswerten beiträgt, auch nicht wertproduktiv sein könne. Das betrifft insbesondere den Handel, in dem bereits existierende Waren lediglich den Besitzer wechseln, ohne dass sich ihr Gebrauchswert dadurch ändert. Oder Dinge wie Buchhaltung und Geldmanagement, die lediglich schon vorhandene Wert- bzw. Gebrauchswertmengen erfassen und verwalten, ohne ihnen selbst etwas hinzuzufügen.
Das Jäger-Fischer-Beispiel
Wolfram Pfreundschuh hat den Kern von Marx’ Argumentation durch ein Zitat aus dessen Grundrissen von 1857/58 verdeutlicht:
Denkt man sich 2 Arbeiter, die austauschen; einen Fischer und einen Jäger; so würde die Zeit, die beide im Austausch verlieren, weder Fische noch Wild schaffen, sondern wäre ein Abzug an der Zeit, worin beide Werte schaffen, der eine fischen, der andere jagen kann, ihre Arbeitszeit vergegenständlichen in einem Gebrauchswert. Wollte der Fischer sich für diesen Verlust an dem Jäger entschädigen; mehr Wild verlangen oder weniger Fische geben, so dieser dasselbe Recht. Der Verlust wäre für sie gemeinsam. Diese Zirkulationskosten, Austauschkosten, könnten nur als Abzug der Gesamtproduktion und Wertschöpfung der beiden erscheinen. […] (MEW 42: 532f)
Wirklich nachvollziehbar wird das an diesem Beispiel, das statt vom Kapitalismus von einer fiktiven Gesellschaft „einfacher Warenproduzentinnen“ ausgeht, meiner Ansicht nach nicht. Denn Kapitalverwertung setzt Kapital voraus, und das existiert in dem Beispiel gar nicht! Dennoch kann es nützlich sein, dieses einfache Beispiel als Ausgangspunkt zu nehmen und von da Schritt für Schritt zu einer realistischeren Darstellung kapitalistischer Verhältnisse zu kommen.
Starten wir also mit einer vorgestellten Gesellschaft nichtkapitalistischer Produzenten, die mittels ihrer eigenen Arbeitskraft Waren herstellen, die sie sich gegenseitig verkaufen. Dabei muss man sich klar machen, dass eine solche Gesellschaft reine Fiktion ist, historisch gab es sie nie (vgl. Rakowitz 2003). Für Gedankenexperimente kann sie dennoch nützlich sein.
Es gibt in unserem Gedankenexperiment also Jäger und Fischer (oder, allgemeiner gesagt, Herstellerinnen verschiedener Warenarten), die sich gegenseitig ihre Beute (die hergestellten Waren) verkaufen. Nun nimmt man mit Marx an, dass diese Gesellschaft so funktioniert, wie der Kapitalismus dies gemäß seinen Selbstverständnis zumindest in seinen besseren Momenten tut, nämlich in perfekter Konkurrenz. Alle sind also in ihrer Berufswahl frei und können selbst den verlangten Preis der von ihnen hergestellten Waren festlegen. Dies würde dazu führen, dass sich im Schnitt Äquivalente austauschen, d.h. der Ertrag einer Stunde Jagdaufwand gegen den Ertrag einer Stunde Angleraufwand ausgetauscht wird.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Menschen keinen besonderen Grund haben, die eine Tätigkeit der anderen vorzuziehen. Dann wird ein ungleiches Verhältnis – eine Stunde jagen gegen anderthalb Stunden fischen – dazu führen, dass neue Berufseinsteiger aus Bequemlichkeit lieber Jäger werden, auch wenn sie aufgrund der wachsenden Konkurrenz anderer Jäger mit dem Preis heruntergehen und z.B. den Ertrag von 80 statt 90 Minuten Fischerei als Gegenwert für eine ihrer Stunden akzeptieren müssen. Diese Präferenzentscheidungen werden sich solange fortsetzen, bis die Ungleichheit verschwunden ist und sich Stunde gegen Stunde austauscht.
Dieser „gleichmacherische“ Effekt der Konkurrenz ist die Grundlage dessen, was Marx den „Wert“ nennt – bei perfekter Konkurrenz wird der Ertrag einer Arbeitsstunde im Wesentlichen so viel „wert“ sein wie der Ertrag jeder anderen Arbeitsstunde, sofern sie sich auf dem Stand der Technik bewegt. (Wer jedoch statt mit Gewehr noch mit Pfeil und Bogen auf Jagd geht und deshalb weniger Wild erbeutet, wird sich mit einem geringeren Stundensatz zufriedengeben müssen, da den Käuferinnen die Details seiner Ausstattung reichlich egal sind.)
In dieser fiktiven Gesellschaft gibt es allerdings überhaupt keine Kapitalisten, die Geld in mehr Geld verwandeln könnten. Es gibt keinen systematischen Profit, sondern eventuellen Gewinnen des einen stehen zwangsläufig ebenso hohe Verluste der anderen gegenüber – immer dann, wenn es zu Abweichungen vom Äquivalenzprinzip kommt. Schafft es eine Fischerin, den in sechs Stunden gemachten Fang gegen die Jagdbeute von sieben Stunden einzutauschen, hat sie einen Gewinn im Umfang einer Arbeitsstunde gemacht, dem jedoch ein ebenso hoher Verlust aufseiten des Jägers entgegensteht. (Sie hat den Ertrag einer Stunde erhalten, ohne etwas dafür tun zu müssen, er hat eine Stunde umsonst gearbeitet.)
Vorstellbar ist, dass es in der fiktiven Gesellschaft schon Geld gibt und der Ertrag einer Stunde Arbeit im Schnitt für z.B. 10 Euro verkauft wird (oder auch mehr oder weniger, das spielt keine Rolle, aber ein bestimmtes Äquivalenzverhältnis zwischen Währungseinheit und Arbeitsstunden wird sich zwangsläufig herausbilden). Dann hätte die Fischerin 10 € Gewinn gemacht, der Jäger 10 € Verlust. Da jede Markttransaktion ein Nullsummenspiel ist, ist die gesamtgesellschaftliche „Profitrate“ (sofern man von einer solchen reden will) zwangsläufig 0.
Da die Marktkonkurrenz dafür sorgt, dass im Schnitt Äquivalente ausgetauscht werden, spielt es eigentlich keine Rolle, ob die geleistete Arbeit von Marx als „produktiv“ oder „unproduktiv“ eingestuft wird. Vielleicht müssen die Jäger und Fischer jeweils nach sechs Stunden Tagewerk noch eine Stunde auf dem Markt sitzen, bis sie die Beute verkauft haben. Oder sie müssen eine halbe Stunde Verkaufsarbeit leisten und eine weitere halbe Stunde ebenfalls unproduktive Buchhaltung, denn die Bürokratie schläft ja auch in fiktiven Gesellschaften nicht. Auch dann würden weiterhin im Schnitt Äquivalente gegeneinander getauscht, nur braucht es jetzt eben sieben Stunden Arbeitseinsatz, von denen nur sechs Stunden Jagen bzw. Fischen sind – der Rest ist „Overhead“.
Dass eine analytische Unterscheidung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit sinnvoll ist, lässt sich an diesem zu einfach gestrickten Beispiel meiner Ansicht nach nicht zeigen. Das ändert sich allerdings, wenn die Kapitalistinnen ins Spiel kommen.
Die Kapitalisten kommen ins Spiel
Lassen wir also die fiktive Welt der „einfachen Warenproduzentinnen“ hinter uns und nähern uns zumindest ein Stückchen weiter an die komplexe kapitalistische Realität an. Statt dass sich jeder Fischer und jeder Jäger als selbständige „Ich-AG“ betätigt, gibt es nun Kapitalisten, die die Fischer- und Jägerinnen als Lohnarbeiterinnen anstellen. Die Kapitalisten kaufen und bezahlen auch die benötigen Produktionsmittel, z.B. Fischerboote und Netze, Jagdgewehre und Munition. Diese Produktionsmittel kosten Geld und schmälern damit den Profit der Kapitalistinnen, doch der Einfachheit halber können wir für unsere Modellrechnungen davon absehen und unterstellen, sie wären in der Lage, sich die Produktionsmittel umsonst anzueignen.
Anders als bei der „einfachen Warenproduktion“ gibt es in dieser Gesellschaft Profit als systematische und nicht bloß zufällige Kategorie. Dies ergibt sich daraus, dass die Kapitalisten den Lohnarbeiterinnen deren Arbeitskraft abkaufen und nicht deren Erträge. Als Gegenwert für die Arbeitskraft zahlen sie so viel, wie zur Reproduktion der Arbeitskraft nötig ist – also mindestens so viel, um sicherzustellen, dass die Arbeiterin nicht verhungert oder erfriert. Außerdem muss sie zumindest noch ein bis zwei Kinder mitversorgen können, sonst wäre die Arbeiterschaft nach einer Generation ausgestorben – zum Bedauern der Kapitalisten, die damit um ihren Profit gebracht würden. Gegebenenfalls kriegt die Arbeiterin auch noch mehr Gegenwert für ihre Arbeitskraft, womöglich sogar genug, um sich ein kleines Häuschen, ein Auto, eine Rente und gelegentliche Urlaubsreisen leisten zu können. Ob und wie viel sie über die bloße Überlebenssicherung hinaus kriegt, lässt sich nicht pauschal sagen, sondern ist Ergebnis sozialer Kämpfe.
Sicher ist aber, dass die Reproduktion des Arbeitslohns weniger Arbeitszeit erfordert als der Arbeiter als Gegenleistung abliefern muss. Denn nur dann macht die Kapitalistin Profit, und eine Kapitalistin, die keine Profite erwartet, wird erst gar keine Arbeiter einstellen. In Abwandlung des obigen Beispiels können wir etwa annehmen, das sich jede Arbeiterin für ihren Tageslohn den Ertrag von sechs Stunden Jagen oder Fischen kaufen kann. Gearbeitet wird aber, wie im modernen Kapitalismus üblich, acht Stunden pro Tag. Der Ertrag der restlichen zwei Stunden verbleibt als Mehrwert bzw. Profit bei der Kapitalistin, die sich davon selbst Fische, Wild oder was immer sonst der Markt hergibt kaufen kann – je mehr Arbeiter sie beschäftigt, desto mehr.
Hat sie zehn Fischer angestellt, erhält sie täglich das Äquivalent von 20 Arbeitsstunden als Mehrwert. In Geld betrachtet, wenn man wiederum den „Wechselkurs“ von 10 € = 1 Arbeitsstunde ansetzt, muss sie jedem Arbeiter einen Tageslohn von 60 € auszahlen (insgesamt 600 €/Tag), verdient aber 800 € am Verkauf der im Lauf des Tages gefangenen Fische. Ihr Tagesgewinn beträgt somit 800–600 = 200 €, ihre Profitrate 200/600 = 33,3 Prozent. (Letzteres natürlich nur unter der vereinfachenden Annahme, dass die Produktionsmittel sie nichts kosten – in Wirklichkeit ist das anders, was die Profitrate senkt.)
Sie kann diesen Profit von täglich 200 € selbst in Konsumgüter umsetzen und verzehren, sie kann aber auch einen Teil davon „akkumulieren“, d.h. zur Ausweitung der Produktion nutzen, indem sie weitere Arbeiter anstellt und die für deren Arbeitsalltag nötigen Produktionsmittel kauft. In der Regel wird sie letzteres machen und einen Teils des gemachten Gewinnes neu investieren – allein schon, weil ihr das private „Aufessen“ des gesamten Gewinns wahrscheinlich irgendwann schlicht zu viel wird.
Wenden wir uns wieder der unproduktiven Arbeit zu: Irgendwann hat die Kapitalistin keine Lust mehr, sich selbst täglich auf den Markt zu setzen und den Fang zu verkaufen, deshalb stellt sie einen Verkäufer an, der das übernimmt. Außerdem muss sie noch eine Buchhalterin anstellen, weil sie langsam die Übersicht darüber verliert, welchen ihrer Arbeiter sie noch wie viel Lohn schuldet, und weil der Staat sich beschwert, dass sie keine Abrechnungen vorlegen kann. Die beiden produzieren keinen Fisch, beharren aber ebenfalls auf dem üblichen Tageslohn von 60 €, von dem sie sich die zum Überleben nötigen Konsumgüter kaufen (zumindest Fisch und Wild, aber vermutlich gibt es ja noch andere Warenarten).
Die Fischerei erzeugt (da keine produktiven Arbeiterinnen hinzugekommen sind), weiterhin Fische im Wert von 800 € pro Tag, doch die Lohnkosten für die insgesamt 12 Arbeiter sind auf 12×60 = 720 € gestiegen. Die Kapitalistin macht somit nur noch 80 € Gewinn, ihre Profitrate fällt auf 80/720 = 11,1 Prozent. Stofflich ausgedrückt, landete zuvor ein Viertel der produzierten Waren als Mehrwert bei der Kapitalistin (die sie selbst verzehren oder zur Akkumulation einsetzen konnte). Nun sind es nur noch 10 Prozent, da die zusätzlichen Arbeiterinnen ja auch von etwas leben müssen und den Rest verzehren.
Nur falsch gerechnet?
Nun mag man einwenden, dass das Beispiel falsch gerechnet ist. Aus der plausiblen Annahme, dass der Fischereibetrieb nicht weniger effektiv ist als die Konkurrenz, kann man schließen, dass alle anderen Betriebe auf einen ähnlichen Overhead an unproduktiver Arbeit kommen. Kann man diesen Overhead von 20 Prozent zusätzlicher Arbeit also nicht einfach auf den Verkaufspreis der Waren aufschlagen? Dann geht der (stofflich unveränderte) Tagesertrag der Fischerei für 960 € statt für 800 € über den Tresen.
Leider rettet das die Profitrate der Kapitalistin nicht, da es eine rein nominelle Änderung wäre. Ein Euro entspricht jetzt weniger Fisch, es gab also Inflation. Doch die Arbeiter sind ja nicht bedürfnisloser geworden – wenn sie zuvor den Ertrag von sechs Stunden Arbeit einer Fischer- oder Jägerin als Tageslohn verlangt und bekommen haben, werden sie das auch weiterhin tun. Da sich dieser Ertrag aber durch die Preisanpassung um 20 Prozent verteuert hat, muss auch ihr Lohn um 20 Prozent steigen, damit sie ihn sich weiterhin leisten können. Jeder Arbeiter erhält nun also 72 € Lohn, die täglichen Lohnkosten der Fischerei steigen auf 12×72 = 864 €. Als Gewinn bleiben also nur 96 €, die Profitrate liegt unverändert bei 96/864 = 11,1 Prozent. Das Geld ist nun weniger wert, doch stofflich geändert hat sich durch diese andere Rechenart gar nichts.
Die Konsequenzen unproduktiver Arbeit
Unproduktive Kapitalangestellte tragen also nicht zur Kapitalverwertung bei, da sie die von den Kapitalisten erwerbbaren Gebrauchswerte nicht vermehren. Nominell zirkuliert vielleicht mehr Geld, aber die Menge der hergestellten Güter vermehrt sich nicht, weshalb sich die Kapitalisten von ihrem Gewinn nicht mehr kaufen können also zuvor.
Andererseits beziehen die unproduktiven Kapitalangestellten auch Lohn, für den sie sich Konsumgüter kaufen. Diese zusätzlichen Löhne gehen ab von der Summe, die andernfalls als Mehrwert/Profit bei den Kapitalisten bliebe, und reduzieren sie dadurch. Das gilt finanziell (die als Profit verfügbare Geldmenge schrumpft) ebenso wie stofflich (die vom Profit käufliche Warenmenge schrumpft). Auf den Punkt, dass unproduktive Arbeit gegebenenfalls von den Kapitalerträgen abgezogen werden muss und eine Zunahme der unproduktiven beim Gleichbleiben der produktiven Arbeit die Kapitalverwertung ausbremst, hatte Peter Samol schon hingewiesen. Das gilt jedenfalls für die unproduktiven Kapitalangestellten, also die unproduktiven Arbeiter, die direkt bei einem kapitalistischen Unternehmen angestellt sind und von diesem bezahlt werden, ob als Verkäuferinnen, Buchhalter, Wachschützerinnen, Werber o.a. Diese erhöhen die Lohnquote, nicht aber die Produktenmenge, und senken damit den Profit.
Dass dies in keinster Weise die „Schuld“ der unproduktiven Kapitalangestellten ist und dass diese für die Kapitalverwertung ebenso nötig sind wie alle anderen Kapitalangestellten, ist aber klar und wird durch diese Überlegungen nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil, wäre die von Verkäuferinnen und Buchhaltern geleistete Arbeit unnötig, würde sie schnell aus dem Verwertungsprozess verschwinden, dafür sorgt die Konkurrenz. Ein Stück weit passiert das ja auch, wenn etwa Verkäufer durch Online-Shops und Buchhalterinnen durch Finanzsoftware ersetzt werden. Doch diese Rationalisierungstendenzen, die das Kapital immer und überall anhalten, seine Kosten durch zunehmende Automatisierung möglichst weit abzusenken, gibt es auch bei allen anderen Tätigkeiten, ganz egal ob sie produktiv oder unproduktiv sind.
Die unproduktiven Kapitalangestellten sind also für den Verwertungsprozess genauso nötig wie alle anderen Angestellten. Gleichzeitig bremsen sie diesen Prozess jedoch aus, indem sie Gebrauchswerte konsumieren, nicht aber produzieren und so die Gebrauchswertmenge, die sich die Kapitalistinnen als Mehrwert aneignen können, reduzieren.
Wie unterschiedlich sich produktive und unproduktive Arbeit im Verwertungsprozess auswirken, merkt man auch, wenn sich ihr Umfang unabhängig voneinander verändert. Nehmen wir an, der Fischereibetrieb war so erfolgreich, dass er die Anzahl der beschäftigten Fischer von zehn auf 20 verdoppelt kann. Der Tagesertrag verdoppelt sich ebenfalls, da diese Fischer nun insgesamt 160 Arbeitsstunden pro Tag beschäftigt sind.
Durch geschicktes Management gelingt es der Firma, weiterhin mit einem Verkäufer und einer Buchhalterin auszukommen. Die nun insgesamt 22 Angestellten konsumieren pro Arbeitstag den Ertrag von 22×6 = 132 Std. produktiver Arbeit. Der restliche Ertrag im Umfang von 28 Arbeitsstunden geht als Mehrwert an die Kapitalistin. Wiederum in Geld umgerechnet, zahlt sie 1320 € Lohnkosten und macht 280 € Gewinn, ihre Profitrate steigt also von 11,1 auf 21,2 Prozent.
Berechnen wir nun den umgekehrten Fall: Die Zahl der produktiven Angestellten bleibt bei zehn, die der unproduktiven wird von zwei auf vier verdoppelt. Das könnte etwa nötig sein, wenn aufgrund steigender bürokratischer Anforderungen ein zusätzlicher Buchhalter gebraucht wird und wenn zudem eine Werbefachfrau ins Team geholt wird, um mit den stark gestiegenen Marketinganstrengungen der Konkurrenz mithalten zu können. Alternativ wäre es denkbar, dass die Anzahl der Diebstähle und Raubüberfälle in der Gegend zugenommen hat und die Fischerei deshalb zwei Wachschützer einstellen muss, um das Lager und den Verkaufsstand zu bewachen.
Der Tagesertrag an Fischen entspricht weiterhin dem, was in 80 Arbeitsstunden eben gefangen werden kann. Doch – oh Schreck! – die nun 14 Angestellten konsumieren pro Arbeitstag den Ertrag von 14×6 = 84 Std. produktiver Arbeit. Nicht nur, dass die Kapitalistin verhungern müsste, wenn sie das länger mitmacht, da für sie schlichtweg keine Fische übrig bleiben – sie müsste außerdem pro Tag noch den Ertrag von 4 Std. Arbeit bzw. 40 € aus ihren (hoffentlich vorhandenen) Reserven zuschießen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dass sie das lange mitmachen würde, ist zweifelhaft, aber spätestens, wenn ihre Reserven aufgebraucht wären, wäre definitiv Schluss.
Der Unterschied zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit existiert also nicht nur auf dem Papier bzw. in den Theorien von Marx – er ist sehr real.
[Update: siehe Produktive Arbeit auf dem Prüfstand]
Literatur
- Marx, Karl und Friedrich Engels (1956–1990): Werke. 43 Bände. Berlin: Dietz. Abgekürzt als MEW <Bandnummer>.
- Rakowitz, Nadja (2003): Einfache Warenproduktion. Ideal und Ideologie. Freiburg: ça ira.
An dieser Stelle ist m.E. eine Korrektur notwendig. Denn der Einkauf von Produktionsmittel, würde nur dann den Gewinn schmälern, wenn es Kapitalisten gäbe, die keine Produktionsmittel nötig hätten. Diese Annahme wäre für das Modell irrational. Weil alle Produktionsmittel benötigen und auf dieser Abstraktionsebene von gleichen Produktionsmitteln bzw. Produktionsmitteln von gleichem Wert auszugehen wäre, werden die Werte der Produktionsmittel auf die produzierten Waren schlicht übertragen = keine Gewinnschmälerung.
Und von Produktivitätesgewinnen – nicht zu vergessen.
Mehrtwert und Profit sind aber bekanntlich nicht das Gleiche. Produktionsmittel und Infrastruktur müssen vom Mehrwert beglichen werden.
Das macht das Falsche nun noch fälscher.
Sind die Buchhalter und Verkäufer keine Laune einzelner Kapitalisten, sondern notwendiger Bestandteil des Produktionsprozesses, und davon müsste in dem Modell sinnvollerweise ausgegangen werden,
(wo die Kapitalisten selbst noch Millionen Fische eigenhändlich auf dem Markt anbieten wollen, senkt das die Produktivität und alle Konkurrenzfähigkeit ist futsch) ist natürlich nicht nur der Fischfang, sondern auch die Buchhaltung und der Fischverkauf wertproduktiv.
(Der Profit ist wieder nicht berührt, der Fisch wäre halt teurer weil mehr notwendige Arbeitszeit erforderlich)
Noch einmal. Das ist wirklich Unsinn, und ich empfehle, alle Sekundärliteratur beiseite zu legen und den Besuch eines ordentlichen Kapitalkurses. Mit Marx hat das hier nichts zu schaffen. Das Ganze hier läuft auf die ebenso richtige wie unproduktive Behauptung heraus, dass die Zahlung von Lohn für den Kapitalisten unproduktiv ist. Das gilt natürlich unabhängig von der physischen Gestalt der Arbeit, deren wertproduktive Nutzung (was sonst) mit der Lohnzahlung eingekauft wird. Aber es kommt bei der Wertbildung lediglich auf die gesellschaftliche Notwendigkeit von Arbeitsaufwand an, nicht ob Fisch geangelt oder Fischpreise berechnet werden.
Wer meint, dass die reine Fischerei entweder immer teurer werden muss, weil wegen der weit verzweigten Verkaufsstellen und mehr Verwaltungsaufwand immer mehr Arbeit dran hängt, bevor der Fisch in der Konserve und im Einkaufswagen liegt oder bei Nordsee-Fisch auf den Tisch, oder dass das immer mehr vermeintlich „unproduktive Arbeit“ erfordert und deshalb die Profite sinken, der schaue sich die schwimmenden Fischfabriken an und deren Fangmenge pro insgesamt aufzuwendenden Arbeitsaufwand (inkusive aller Verwaltungs- Transport und Verkaufshandlungen).
Die Profitmargen (die übrigens mit dem Mehrwert erst einmal gar nichts zu tun haben) verringern sich durch Produktivitätsfortschritte und trotz vermehrter Verwaltung weniger Arbeitsaufwand notwendig ist, wobei die dadurch auch bewirke Verbilligung von Produktionsmittel sowie von Lebensmittel entgegenwirkend sind.
Produktivitätsfortschritte sind die wesentlichen Ursachen für Konzentrationsprozesse und Wachstumszwang. Konzerne die die Lebensmitteldiscouter machen mit vergleichsweise lächerlichen Profitraten reich, weil die Profitmenge und deren Konzentration für die das Entscheidende sind.
Ich denke, dass es im Verhältnis von notwendiger Arbeit und mehr Arbeit, also die Arbeit für ein Mehrprodukt, weniger um Profit- und Preisverhältnisse geht, als um ein Geschichtsverständnis von Freiheit und Notwendigkeit, die unter kapitalistischen Bedingungen den Mehrwert letztlich vom Mehrprodukt abtrennt und in allen Formen des Kredits als Gebrauchswert des Geldes abhandelt.
Es war der folgenschwerer Fehler eines reaktionären „Marxismus“, wie er z.B. in der DDR verwirklicht wurde und heute noch in diversen Figurationrn auftritt, die Kontrolle aller Produktion dadurch zu erlangen und zum Diktat der Arbeit zu entwickeln, dass alle Produkte, auch das Mehrprodukt, als Produkte gesellschatlich notwendiger Arbeit behauptet werden (so wurde das auch dieser Tage noch z.B. im sogenannten Marx-Forum sinuiert).
Das verlangt zentralistische Erfassung der „gesellschaftlichen Bedürfnisse“, auf denen dann im einzelnen bedürfnislos und abstrakt allgemein die notwendige Arbeit mit der Freiheit des Sozialismus begründet wird. Es ist diese verinnerlichte Nebelbombe, die den DDR-Sozialismus so fatal gemacht und die Menschen nicht in die Lage versetzt hatte, ihre Produkte frei und wirtschaftlich zu entwickeln und von der „Konkurrenz“, dem Kapitalismus natürlich leicht zu übertreffen war und das Versagen seiner wirtschaftlichen Entwicklung auf Dauer nicht berbrämen konnte.
Emanzipation kann nicht aus der gesellschaftlichen Kontrolle der Bedürfnisse entstehen. Dafür gibt es bei Marx keinen einzigen Anhalt. Ebenso wenig, dass das Mehrprodukt nur eine kapitalistische Form der Ausbeutung wäre, weil eben „eigentlich“ alle Produkte notwendig seien.
Ich zitiere kurz mein Kulturritisches Lexikon:
„Notwendig ist Arbeit, welche eine gesellschaftliche Not wendet, sie aufhebt, indem sie einen Mangel behebt. Es ist von daher keine Arbeit, die Reichtum schafft, sondern eine Arbeit zum Erhalt der Gegebenheiten, eine Arbeit, die Infrastrukturen bewahrt und den Menschen die Lebensmittel für ihre Bedürfnisse erzeugt, die ihr Leben in der Form erhält, wie sie es zu ihrem Lebensstandard entwickelt haben. Soweit sie durch die Produkte dieser Arbeit zufrieden zu stellen sind, reproduzieren sie ihre Bedürfnisse durch ihre Befriedigung, durch die Bewahrheitung ihes Bedarfs. Notwendige Arbeit ist die Arbeit zum Selbsterhalt der Arbeiskraft und des Kapitals, die Arbeit zur Wiederherstellung aller Produktionsbedingungen, wobei jedoch das Kapital seine Wiederherstellung als konstantes Kapital in der Form von Technologie und Betriebsausstattung in die Produkte überträgt und für seine Reproduktion und Erneuerung verkauft, also als Wert abgibt, die Arbeiskraft aber notwendig nur für den Erhalt ihrer Lebensbedingungen arbeitet, für sich also nur den Wert
ihres Lebensunterhalts einnimmt. Letztlich bleibt es von daher allein
der Selbsterhalt der Arbeitskraft, die für all dies aufgewendet werden
muss, der Aufwand also, der allgemein notwendig ist, um eine
Gesellschaft stofflich und in den vorhandenen Fähigkeiten und Vermögen
als das zu erhalten, was sie ist.
Freie Entwicklungen, Tätigkeiten, Erfindungen,
Kreativität, Kunst, Kultur usw. sind nicht notwendig, weil sie (noch)
nicht in den durchschnittlichen Lebensstandard
eingegangen und in dessen Lebenszusammenhängen unverzichtbar geworden
sind. Auch die über den Reproduktionsaufwand hinaus bestehende Zeit, die
frei gebliebene Zeit, beinhaltet keine Notwendigkeit, weil sie keine
Not wenden muss, gründet aber insofern dennoch auf ihr, um sie frei von
Not zu halten, damit sie sich erholen kann. Der Kampf um die Länge des Arbeitstags ist daher wesentlich nicht ein Kampf um private Freizeit,
sondern vor allem ein Kampf um die Möglichkeit einer gesellschaftlichen
Entwicklung über die bestehenden Verhältnisse hinaus und nur das macht
seine emanzipative Kraft aus.
Eine Eisenbahn, ein Flugzeug usw. zu erfinden ist keine notwendige Arbeit, weil sie einem geschichtlichen Streben entspringt, das allgemein emanzipativ ist. Aber sobald das Fliegen zum Lebensstandard gehört, ist es notwendig, dies zu erhalten, um mit den bestehennden Verkehrsverhältnissen nicht in Not zu kommen. Notwendig ist immer die Reproduktion
eines vorhandenen Lebensstandards. Notwendige Arbeit ist die Arbeit,
die über alle Gesellschaftsformen hinweg nötig ist, um den
gesellschaftlcihen Lebensstandard der menschlichen Naturmacht historisch zu halten. Sie ist „notwendig für den Arbeiter, weil unabhängig von der gesellschaftlichen Form seiner Arbeit“ (Marx-Engels-Werke Bd.23, S. 231). Sie reproduziert eine Gesellschaft nach den Möglichkeiten ihrer Produktivkraft und verbraucht immer eine ihr entsprechend bestimmte Zeit. So kann Marx schreiben, dass es „die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken.“ (Marx-Engels-Werke Bd.23, S. 552)“
Produktive Arbeit besagt natürlich nichts über die Natur der Produkte. Sie bezieht sich immer nur auf die gesellschaftliche Substanz der Arbeit, der
Produktionsform. Wo diese durch ihre Warenform, dem Warenmarkt, nur
abstrakt menschlich bestimmt ist, kann produktiv auch nur Mehrwert
bildend sein, gleich wie groß die Anzahl der Produkte oder woraus
der Stoff ist, der hierbei verzehrt wird. Wo das nicht bewusst ist,
wird Mehrarbeit mit produktiver Arbeit verwechselt, weil sie im
Kapitalismus Mehrwert schafft, der seinen ausschließlichen Trieb
ausmacht und wesentlich der Geldvermehrung dient. Das gerade ist ja
der Knackpunkt, weshalb Marx die Mehrarbeit jenseits des Kapitalismus
nicht für gesellschaftlich notwendig hält, sondern sie der Freiheit
der Menschen, ihrer freien Geschichtsbildung überlässt. So ist sein
Zitat zu verstehen, dass „die Beseitigung der kapitalistischen
Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu
beschränken.“ (siehe oben). Die gesellschaftliche Entwicklung kann
in freier Auseinandersetzung eben dann sich entfalten, wenn die
notwendige Arbeit, die gesellschaftliche Subsistenz bewältigt ist.
Zugleich schreibt er aber auch, dass Mehrarbeit eben durch die geschichtliche Entwicklung der Menschen und ihrer Vermehrung immer sein wird – aber eben nicht notwendig unter der Formbestimmung des Werts sondern durch seine gesellschaftliche Form selbst. Es ist ein geschichtliches Müssen, das der menschlichen Gesellschaft immanent ist. „Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der gegebnen Bedürfnisse hinaus, muß immer bleiben.“ (MEW 25, S. 827) Schon von daher kann es keine nur durch die Bedürfnisse bestimmte Gesellschaft geben, wohl aber eine Gesellschaft, die aus dem „übergreifenden Moment der Arbeit“ heraus immer wieder neue Bedürfnisse schafft. Dies ist der Kern des marxistischen Geschichtsverständnisses, das fatalerweise und nicht zu Ende gedacht mit der „Diktatur des Proletariats“ verdunkelt wurde, eben so, als ob die Arbeiter nicht Bedürfnisse zu entfalten, sondern sie zu bestimmen hätten. Verrückt!
Aus der Diskussion um notwendige Arbeit und produktive Arbeit, die sich nicht mehr aus der Verwertung von Wert bestimmen darf, sondern eine Produktion von und für Menschen, eine Arbeit im bestehenden Reichtum der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse ist, die zugleich deren Erhalt sichert und deren Fortbildung als menschliche Emanzipation ermöglicht, zugleich aber auch die Fehler des reaktionären Marxismus überwindbar macht, ergeben sich für mich folgende Resultate:
1. Die Arbeit zur Erhaltung des gesellschaftlichen Lebensstandards besteht aus der Erhaltung der bisherigen Realisierung der Beziehung von Arbeit und Bedürfnis, die nicht zentralistisch bestimmt, sondern durch gesellschaftliche Verträge der Form nach frei eingegangen, dem Sinn nach aber in der Reflexion vorhandenen Vermögens und entwickelter Fähigkeiten und Produktivität eingeordnet, also wissenschaftlich auch kommentiert, moderiert – und wo nötig – medialsiert wird, sodass deren Zusammenhang durchsichtig bleibt und die Auseinandersetzungen hierüber sich an der Sache selbst aufheben können.
2. Arbeit, welche die gesellschaftlichen Gegebenheiten fortentwickelt und in der Lage ist, neue Inhalte des Reichtums zu schaffen, entsteht aus einer schöpferischer Kraft, die sich frei durch die Beziehung der arbeitenden und bedürfenden Menschen entwickelt. Diese Entwicklung ist rein inhaltlich und von den Fähigkeiten der Menschen abhängig, die sich subjektiv hierzu gebildet und in der Auseinandersetzung mit ihrer gesellschaftlichen Lebenssituation hierfür bereichert haben. Es gibt keine individualistische Bildung, weil alle gesellschaftlichen Voraussetzungen in die Fähigkeiten von Menschen eingehen, ihre Auseinandersetzungen aber von ihren individuellen Unterschieden genährt werden. Die Gesellschaft kann diese nur formell fördern, indem sie die Mittel für diese Art produktiver Arbeit verfügbar macht und zur Verfügung stellt, kann sie aber nicht inhaltlich bestimmen.
3. Die politische Form der gesellschaftlichen Verhältnisse kann durch eine Vertragswirtschaft gefunden werden, die den einzelnen Menschen auch den Wechsel ihrer Arbeit je nach den allgemeinen Möglichkeit auch im Einzelnen ermöglicht, sie zugleich aber auch mit der erreichten Einsicht in die gesellschaftlichen Notwendigkeiten in die Lage versetzt, deren Aufwand für sich, also für die eigenen Fähigkeiten abzuwägen. Die institutionelle Form dieser Verhältnisse wäre nach meiner Auffassung ein Rätesystem, das durch qualifizierte Delegation beauftragt ist und in der Vermittlung der gesellschaftlichen Beziehungen den Wert der politische Ökonomie durch eine ökonomische Politik ersetzt.
4. Der gesellschaftliche Fortschritt verlangt zwar die Bereitstellung und die Verfügung über ein Mehrprodukt, soll aber freigelassen, also nicht hierdurch bestimmt werden. Er kann sich frei nur von inne n nach außen, von unten nach oben entwickeln und betrifft alle darin verbundenen Menschen, im Grunde also die Weltbevölkerung. Die eine Region würde von der reicheren bestimmt und ihre Entwicklung hierdurch diktiert, wenn nicht eine Ergänzungswirtschaft die Allseitigkeit der Fortschritte vermitteln kann. Die allgemeine Form, um die es dabei gehen müsste, wäre eine internationale Kommunalwirtschaft, worin die Vernetzung der Bedürfnisse und Fähigkeiten eine Form durchsichtiger Bereicherung ermöglich, in der sich Menschen und Material sowohl horizontal wie auch zum Allgemeinen hin vertikal entwickeln könnten.
5. Eine solche Ergänzungswirtschaft bliebe im wesentlichen ohne Geld, im praktischen Alltag durch eine Art zeitbestimmten kommunalen oder regionalen Rechengeldes (ähnlich einem politisch verwalteten Schwundgeld durch ein Chipsystem) denkbar. Die „Währungen“ der Kommunen müsste sich durch die Verhältnisse im Sinne einer Ergänzungswirtschaft bestimmen, also dadurch, wieweit in ihrem Sinn und Zweck der Zeitaufwand der einen Region mit dem Zeitüberschuss einer anderen zu verrechnen wäre. Die reichere Region will ja die ärmere in diesem Zusammenhang fördern, um durch deren Entwicklung auch selbt wieder bereichert zu werden.
Wer oder was bringt die Kapitalisten ins Spiel?
Und noch interessanter: Was hält sie im Spiel?
Um den Kapitalismus und die Kapitalisten abzuschaffen sollte man/frau zuerst mal verstehen wie er und sie entstanden sind. Dieser Punkt kommt mir hier bei den oft langatmigen Ausführungen viel viel zu kurz. Wie wurden aus (einem Teil) von „Jägern und Fischern“ Kapitalisten? Woher hatten sie „plötzlich“ ihr Kapital?
Naive Fragen? Vielleicht. Aber ich denke dass diese „Entstehungsprozesse“ auch heute noch genauso oder zumindest sehr ähnlich ablaufen wenn aus „Kleinkapitalisten“ dann „Großkapitalisten“ werden.
Heute wird der größte Teil des Kapitals mit dem Kapitalisten „arbeiten lassen“ einfach aus dem Nichts geschöpft: durch (i. d. Regel) Privatbanken. Wer gibt eigentlich – und in welchem Interesse – diesen Privatbanken das Recht aus 100.000 € Eigenkapital 1.000.000. € Kreditgeld zu schöpfen? Ich vermute mal: allein die Streichung dieses „Rechts“ würde den Kapitalismus ganz schön in Schwierigkeiten bringen. Eine mögliche Alternative wäre jedermensch dieses Recht einzuräumen.
Nun, wir alle wissen Rechte bekommt man/frau nicht geschenkt, frau/man muss sie sich nehmen.
@HHH #4 und #5:
Du akzeptierst die von Marx gemachte Unterscheidung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit also nicht? Das überrascht mich, allein schon weil ich ja schon in Geht dem Kapitalismus die Arbeit aus? ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen bin und dort oder anderswo hattest du nichts dazu gesagt.
Nun versuche ich in dem Artikel aber ja gerade darzulegen, warum ich diese Unterscheidung für sinnvoll halte. Bezweifelst du das, kannst du dich gern inhaltlich mit der Argumentation auseinandersetzen, mit einem falschen Verweis auf Marx ist es hingegen nicht getan.
@Wolfram #6:
Danke für den Hinweis, wie Marx den Begriff der „notwendigen Arbeit“ bzw. „notwendigen Arbeitszeit“ verwendet. Das war mir so nicht mehr präsent, ich verwende hier ja einen anderen und (innerhalb des Kapitalismus) sehr viel weiteren Begriff, nämlich den der „für die Kapitalverwertung notwendigen Arbeit“.
Darunter fällt dann sowohl produktive als auch unproduktive Arbeit, während Marx‘ „notwendige Arbeit“ sich auf die Arbeiter_in bezieht und den Herstellungsaufwand für den Teil des gesellschaftlichen Produkts bezeichnet, der letztlich bei dieser ankommt. Wobei von der gesellschaftlichen Form abstrahiert wird — alle Arbeiten, die nur in einer bestimmten Gesellschaftsform für diesen Herstellungsprozess notwendig sind, in anderen Gesellschaftsformen aber unnötig wären, zählen nicht als „notwendige Arbeit“.
Was auch logisch ist, da eine bestimmte Gesellschaftsform (z.B. Kapitalismus) ja selbst nie überhistorisch „notwendig“ ist, sondern immer auch Alternativen denkbar wären. Gesellschaftsformabhängige Arbeiten wie Verkauf, Werbung als „notwendig“ zu bezeichnen wäre also ein Kategorienfehler, weil es eine bestimmte historische Situation zur überhistorischen Notwendigkeit erklären würde.
Die „produktive Arbeit“ ist für Marx nun eine Obermenge der „notwendigen Arbeit“ — zusätzlich fällt dort noch der Herstellungsaufwand für das gesellschaftliche Produkt hinein, das als Mehrwert bei den Kapitalist_innen landet. Aber auch hier wird wieder von der konkreten Gesellschaftsform abstrahiert. Mehraufwand, der nur aufgrund der Gesellschaftsform anfällt, gilt auch hier nicht als produktiv, weil er ja den sinnlich-stofflichen Reichtum, der als Mehrprodukt bei den Kapitalisten landet, tatsächlich nicht vermehrt.
Wenn’s anders wäre, wäre es auch paradox, weil dann ein Staat nur durch Erhöhung z.B. der bürokratischen Anforderungen den gesellschaftlichen Reichtum vermehren könnte. So funktioniert das aber natürlich nicht, die tatsächlich anfallende Arbeitsmenge kann so zwar gesteigert werden, aber ohne dass entweder die Arbeiter_innen noch die Kapitalist_innen irgendwas davon hätten.
Hier nochmal das Zitat von Marx zur Erklärung der notwendigen Arbeit, in etwas ausführlicherer Fassung:
@Hermann #9:
Siehe Wie der Kapitalismus entstand.
Wie gesagt: Obiges ist ein Gedankenexperiment, keine historische Rekonstruktion, sondern die Beschreibung einer rein fiktiven Gesellschaft zu Analysezwecken. Tatsächlich gab es vor dem Kapitalismus keine Warenproduktion großen Stils, also auch keine warenproduzierenden Fischer und Jägerinnen, von denen später einige zu Kapitalisten geworden wären.
@Christian #11
Das mit der „Obermenge“ verstehe ich nicht ganz, weil „notwendige Arbeit“ sich doch alleine auf die Reproduktion in ihrer Privatform auf der einen Seite, die Produktive Arbeit auf den Mehrwert als privat angeeignete Gesellschaftform auf der anderen bezieht. Dabei ist der spezifische Charakter der Arbeit nun
völlig gleichgültig, ob verwaltet oder gepuzt oder Maschinen in
Gang gehalten oder Produkte transportiert werden oder für neue Anwendungen geforscht wird. Notwendig ist auf der einen Seite alles, was in die Revenue der Privatform eingeht, produktiv, alles was in die Allgemeinform der Gesellschaft, Verwertung von Kapital einfließt, seine Verwertung vertieft, indem sich Mehrwert, also Wertwachstum ergibt.
„Ein Schauspieler … ist ein produktiver Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet …, dem er mehr Arbeit zurückgibt, als er in der Form des Salairs von ihm erhält, während ein Flickschneider, der zu dem Kapitalisten
ins Haus kommt und ihm seine Hosen flickt, ihm einen bloßen
Gebrauchswert schafft, ein unproduktiver Arbeiter ist. Die Arbeit des
erstren tauscht sich gegen Kapital aus, die des zweiten gegen Revenue. Die erstre schafft einen Mehrwert; in der zweiten verzehrt sich eine Revenue.“ (Marx-Engels-Werke Bd.13, S. 625)
Marx sieht nur zwei im Kapitalismus gegenwärtige Bestimungen der Arbeit, die für den Selbsterhalt der Privatform und die für die Fortentwicklung der Gesellschaftsform. Er versteht produktive Arbeit im Kapitalismus immer als „Arbeit, die sich unmittelbar mit Kapital austauscht“ und schreibt:
„Es findet zweierlei Austausch von Arbeit und Kapital statt. Der erste drückt bloß den Kauf des Arbeitsvermögens und daher in Wirklichkeit der Arbeit und daher ihres Produkts aus. Der zweite die direkte Verwandlung lebendiger
Arbeit in Kapital oder ihre Vergegenständlichung als Verwirklichung
des Kapitals.“ (Karl Marx, MEW 26.1, 375).
Oft wird übersehen, dass der Lohn für die Arbeitskraft eine Kapitalform ist (variables Kapital), die nicht als Kapital des Arbeitsmenschen existiert, wohl aber in seine Tasche gelangt, und dass Mehrwert eine Kapitalform ist, die nicht unbedingt als Mehrprodukt existieren muss, soweit sie die gesellschaftliche Bedingung der Arbeit zur Produktion von Mehrwert bestimmen kann (z.B. auch als Kreditgeld). Von daher sagt die abstrakte Beziehung auf Kapital nichts darüber aus, ob die Arbeit notwendig oder produktiv ist. Wesentlich ist die unmittelbare Beziehung auf das Kapital im Austausch von Arbeit gegen Geld, dass von produktiver Arbeit gesprochen werden kann. Natürlich ist da vieles produktiv, was unmittelbar je nach Sichtweise „überflüssig“ erscheinen mag.
@Wolfram #13:
Hm, denkst du da an eine unproduktive Arbeiter_in (z.B. Verkäufer_in), die aber trotzdem jeden Tag z.B. 6 Stunden notwendige Arbeit leistet — nämlich die zur Reproduktion ihres Lohns notwendige? Daran hatte ich nicht gedacht, aber das macht Sinn.
Oder hast du was anderes im Sinne? Dann bitte ich um Beispiele.
Ja, ich meinte, dass sich Reproduktion immer als notwendige Arbeit erweist, ohne die kein Mensch unmittelbarfrei sein kann. Das ist nicht ontologisch zu verstehen, sondern als die Natur der menschlichen Geschichte. Ähnlich wie der
Gebrauchswert unmittelbar nützliche Arbeit darstellt, die in der Gesellschaftsform des Warentauschs isoliert existiert und deshalb
sich gesellschaftlich in einem Tauschwert, bzw. den Tauschrelationen
verhält, so verhält sich die reproduktive Arbeit in der selben
Gesellschaftsform im Tausch mit dem Geldwert der Lebensreproduktion,
dem Lohn oder der Erneuerung der Arbeitsmittel und Ressourcen, deren
Bezahlung aus dem Markt mit dem Verkauf der Produkte gewonnen wird.
Ebenso erscheint die Mehrarbeit, die nicht in eine Verbesserung des
Lebensstandards oder der Technologie oder dergleichen eingeht, also
über die verkaufbaren Produkte hinausreicht, als Geldwert im
Finanzkapital und wird meist von den Banken, Börsen und Staaten als
Schuldgeld verwendet, also zur Einforderung von Zahlungsversprechen auf künftige Mehrarbeit, die sich aus vergangener Mehrarbeit
wertmäßig verfügbar gemacht hat und wiederum Mehrarbeit zum Erhalt und zur Fortbestimmung des Geldwerts (Wertwachstum) erbeutet.
Schön, dass du zur Unterscheidung produktiv-unproduktiv nach deiner Artikelreihe noch diesen Text nachschiebst. Das schien mir nämlich schon seinerzeit der wunde Punkt zu sein und das wurde in der lebhaften Diskussion sicher auch deutlich.
Beim Lesen musste ich aber nun erneut stutzen. In den exemplarischen Szenarien soll deutlich werden, warum bspw. Fischer oder Jäger produktive Arbeit verrichten, Verkäufer und Buchhalter aber unproduktive. Allerdings setzt du ja schon voraus, dass Fischer/Jäger Wert erzeugen und die Buchhalterin/Verkäufer nicht. Da scheint mir vorausgesetzt, was du später ableitest.
Wie auch HHH in (Kommentar 4) betrachte ich Buchhalterinnen und Verkäufer genauso wie die Fischer als Produzenten der Ware, die wir als Beispiel nehmen, vermutlich also Fische oder Krabben oder sowas.
Ich will das anhand deines Beispiels einmal ausprobieren: Die Kapitalistin verkauft also täglich Fisch für 800€, während sie 600€ für die Arbeitskraft der Fischer bezahlt. Macht 200€ Profit – soweit klar. In der Marxschen Formel Wert=c+v+m ausgedrückt: Der Wert der verkauften Fische beträgt 0+600+200, also 800€. Jetzt stellt die Kapitalistin in dem Beispiel einen Verkäufer und eine Buchhalterin ein, für deren Arbeitskraft sie 2×60€ bezahlt. Die Lohnkosten steigen, sie will aber weiterhin 200€ Profit machen (auch wenn das natürlich eine niedrigere Profitrate bedeutet), also bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Preise für die Fische zu erhöhen. Falls sie alle Fische verkaufen kann, hat sich der Wert der verkauften Fische erhöht, und zwar auf: 0+720+200=920€. Man bemerke, dass ich vorbehaltlos alle Arbeiten (fischen, buchhalten und verkaufen) als wertproduktiv betrachte.
Ich will kurz innehalten und fragen, woran du die Unterscheidung fischen=produktiv und buchhalten/verkaufen=unproduktiv festmachst und dein Artikel gibt mir dazu nur folgenden Hinweis:
„Unproduktive Kapitalangestellte tragen […] nicht zur Kapitalverwertung bei, da sie die von den Kapitalisten erwerbbaren Gebrauchswerte nicht vermehren. Nominell zirkuliert vielleicht mehr Geld, aber die Menge der hergestellten Güter vermehrt sich nicht, weshalb sich die Kapitalisten von ihrem Gewinn nicht mehr kaufen können also zuvor.“
Hm. Da fixierst du dich aber sehr auf das Stoffliche. Ich sehe keinen Grund Wertproduktion so sehr von materieller Vermehrung abhängig zu machen. Und warum „die von den Kapitalisten erwerbbaren Gebrauchswerte“? Ist es nicht egal, wer die erzeugten Produkte kauft, hauptsache sie werden überhaupt verkauft?
Zurück zum Fisch, der nun 920€ wert war, gesetzt dem Fall, dass der Wert durch den erfolgreichen Verkauf auch realisiert werden kann. Genau das will ich nämlich bezweifeln, denn die anderen Fischereikapitalisten nebenan verkaufen dieselbe Menge Fisch nämlich für den vorherigen Preis, nämlich 800€, weil sie (materiell gesehen) genauso produktiv sind, aber das ohne die Buchhalterin und ohne den Verkäufer schaffen. Die Kapitalistin senkt also vermutlich ihren Profit um 120€, um weiterhin wettbewerbsfähig bleiben zu können.
Bei größeren Unternehmen, in denen 300 Fischer arbeiten, und die relational eine höhere (stoffliche) Produktivität haben ist es wahrscheinlich, dass die hohe Produktivität nur einem geschickten Verwaltungsapparat geschuldet ist. Dieser Verwaltungsapparat ist aber nicht wertunproduktiv, sondern ein notwendiger Produktionsfaktor, damit das Unternehmen überhaupt eine so hohe (stoffliche) Produktivität erreichen kann.
Ich will es fürs erste bei diesem Punkt belassen, dass Buchhalter/Verkäuferin genauso wertproduktiv sind wie die Fischer, dass aber die konkurrenzvermittelte, gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit dem Wert aller von den (allen!) Arbeitern produzierten Waren eine Obergrenze setzt, weil die Wertverwertung ansonsten an der Realisation des Wertes scheitert.
@ Christian Siefkes Kom. 10
Ne, ich weise darauf hin, dass nach Marx wertproduktiver Arbeitsaufwand dadurch bestimmt ist, dass er sich durch den Kauf der hergesellten Ware als gesellschaftlich (und nicht nur individuell oder auf einen bestimmten Abschnitt der Her- und Bereitstellung des produzierten Gebrauchswerts bezogen ) notwendig erwiesen hat.
Deine Unterscheidung von produktiv und unproduktiv ist deine Privatansicht.
Marx: Das Kapital, MEW Bd. 24, S. 60-61
Noch einmal Marx:
Marx: Das Kapital, MEW Bd. 24, S. 151
Die Abwesenheit von Sozialismus verstanden als eine Gesellschaft die den Übergang zu kommunistischen Interaktionsbedingungen organisiert, zeigte sich vor allem an der Verunmöglichung eines freien gesellschaftlichen Diskurses über Mittel und Wege einer sozio-ökologisch vernünftigen Einsparung an notwendigen Arbeitsaufwand und was eben dadurch an Reichtum realisiert werden soll.
Das gilt .E. nur, wenn eine von den Produktionszielen und -bedingungen sowie deren sozio-ökologischen Kosten „entfremdende“ Form der gesellschaftlichen Kontrolle vorausgesetzt ist, die eben keine gemeinsame, gegenseitige, d.h. kommunistische Kontrolle der Kosten sozio-ökologischer Natur, die für die Befriedigung der unterschiedlichen Bedürfnisse in Kauf genommen bzw. akzeptiert werden können bzw. sollen, ist.
Bei dieser Argumentation geht m.E. die Entwicklung von Bedürfnissen und der von Arbeit bzw. Arbeitsmittel durcheinander. Die „Mittel und Wege einer
sozio-ökologisch vernünftigen Einsparung an notwendigen Arbeitsaufwand“ zu erreichen, ist nicht nur eine Frage der Diskussion, die zweifellos in die Entwicklung von Bedürfnissen eingeht. Sie verlangt vor allem die Mittel, für diese Entwicklung auch wirklich, also materiell frei zu sein. Darum geht es in der
Schaffung von einem vernünftigen Produktivvermögen, das sich gegen
die „Vernunft der Verwertung“ emanzipiert hat. Es kann sich dabei
nicht um eine diskursiv erreichte “gemeinsame, gegenseitige, d.h.
kommunistische Kontrolle der Kosten sozio-ökologischer Natur“
handeln, denn Ökologie ist unmittelbar aus menschlicher Vernunft
schon durch abzuleiten, dass Menschen sich gegen ihre eigene Natur
verhalten, wenn sie Natur vernichten. Dazu bedarf es keiner „höher
entwickelten Gesellschaftsansprüche“ oder eines Kommunismus, der
ideell dazwischen zu treten hätte. Es ist die wirkliche Geschichte,
die das Maß der Bedürfnisse bestimmt, also auch das Wissen um ihre
Bedrohlichkeiten. Wer sonst hätte eine „kommunistische Vernunft“
zu bestimmen?
@HHH #17 / 18:
Aber da sind wir uns doch einig! Natürlich ist der Transport wertproduktiv, weil und insofern er zur Brauchbarmachung der Ware vonnöten ist. Eine Banane, die ich in Berlin esse, ist ein Gebrauchswert, eine, die in Ecuador verrottet, hingegen nicht. Und sofern sich Waren entweder zentralisiert oder dezentral herstellen lassen, ist es eben wie üblich die effizienteste Herstellungsweise, die den Wert bestimmt. Wenn es weniger Arbeit erfordert, Geräte oder Möbel in großen Fabriken herzustellen und sie anschließend hunderte oder tausende von Kilometern zu transportieren statt sie lokal zu produzieren, dann bestimmt die zentralisierte Herstellungsweise den Wert, und selbstverständlich geht der Transportaufwand in den Wert ein! Deshalb habe ich den Sektor „H. Verkehr und Lagerung“ ja auch als produktiv eingestuft.
Das gilt deshalb, weil der Gebrauchswert erst durch diese Ortsverlagerung zum Gebrauchswert für die jeweilige Käufer/Nutzerin wird, und zwar unabhängig von der gesellschaftlichen Form. Dass Bananen vor dem Verzehr gekauft werden müssen, ist hingegen ein reines Artefakt der kapitalistischen Produktionsweise, in nichtkapitalistischen Gesellschaften müsste es nicht so sein. Deshalb betrachtet Marx solche gesellschaftsformabhängigen Arbeiten nicht als produktiv, sondern als Nebenkosten der kapitalistischen Produktionsweise.
Ob es sinnvoll ist, hier andere, real gar nicht existierende Gesellschaften sozusagen zum gedanklichen Vergleich hinzuzuziehen, ist allerdings in der Tat ein möglicherweise wunder Punkt der ganzen Argumentation, auf den Daniel nochmal hingewiesen hat. Marx sieht das offensichtlich so und ich habe mit diesem Artikel nochmal versucht, es nachzuvollziehen und nachvollziehbar zu machen, aber so ganz sicher bin ich selber nicht, ob das geklappt hat.
@Daniel #16:
Ich würde eben sagen, der Unterschied liegt darin, dass die Fischer bei einem bestimmten Stand der Produktivkraftentwicklung auf jeden Fall zum Fischfang nötig sind, während es Verkauf und Lohnbuchhaltung nur im Kapitalismus braucht. Letztere sind ein Artefakt der heutigen gesellschaftlichen Form (Kapitalismus), erste nicht.
Ja, sofern der Verwaltungsapparat den Effekt hat, die Produktion effizienter zu machen — z.B. die Fischerboote jeweils dorthin zu steuern, wo die meiste Beute zu erwarten ist — sind wir uns ja einig, dass er produktiv ist. Die Frage ist, ob das auch für den Verwaltungsaufwand gilt, der nur ein Artefakt der gesellschaftlichen Strukturen ist (z.B. Dokumentation, die der Staat oder die Aktionäre erwarten).
Ich gebe zu, dass meine Argumentation insofern problematisch ist, als ja durchaus auch andere Effekte zu einer sinkenden Ausbeutungs- und Profitrate führen können. Also wenn z.B. die Meere so überfischt sind, dass nun 7 Stunden nötig sind, um so viel Fisch zu fangen wie zuvor in 6 Stunden. Nimmt man dann an (wie ich in den Beispielrechnungen), dass die Arbeiter weiterhin stofflich so viel Fisch bekommen wie bisher, würde die Profitrate ebenfalls sinken. Trotzdem leisten die Fischer natürlich weiterhin eindeutig produktive Arbeit.
Also im Moment habe ich selbst wieder Zweifel, ob die Unterscheidung in dieser Form sinnvoll ist.
Ob ein Verwaltungsapparat die Produktion effizienter macht oder nicht, tut nichts zur Sache, sie muss lediglich gesellschaftlich notwendig sein, das heißt, dass sie von allen Konkurrenten geleistet werden muss.
Das ist allerdings eine ganz neue Definition von produktiv. Danach ist produktiv, was Produkte schafft, die jemand braucht, heißt, was Gebrauchswerte schafft. Da sind wir aber über den Kapitalismus hinaus. Im Kapitalismus ist produktiv tauschwertproduktiv, also was einen im Geld repräsentierten gesellschaftlichen Durchschnittstauschwert schafft.
Keineswegs.
Ja, wer hätte das gedacht. Arbeit sparen zu können verlangt nach Fortschritten in der Produktivkraftentwicklung und/oder einem Bedürfniswandel. Arbeit, die vorher notwendig war, ist es hinterher, d.h. nach dem Bedürfniswandel oder dem Einsatz neuer Maschinen, einer effizienteren Arbeitsorganisation, verbesserter Infrastruktur oder auch durch mehr und skrupelloseren Raubbau nicht mehr.
Kapitalismus lebt von dem ständigen Anreiz zur Einsparung notwendiger Arbeit bei weitgehender Freiheit von der Notwendigkeit, für die sozio-ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen gerade stehen zu müssen. Raubbau erscheint als Preisverfall und damit als Gewinn an sozialer Gerechtigkeit. Es gibt nicht die Möglichkeit, gemeinschaftlich (z.B. weltgemeinschaftlich) darüber zu entscheiden, wie der Produktivitätsgewinn in einer gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftigen Weise genutzt werden kann – z.B. in der Form von Arbeitszeitverkürzung.
Damit kann ich nichts anfangen. Ist mir zu abstrakt. Kommunismus ist in meinen Augen Entwicklung bzw. Verallgemeinerung der technologischen, wie der geistigen, konzeptionellen usw. Fähigkeit, die Produktionsmengen und Produktlinien, die Methoden der Produktion, deren Umweltgerechtigkeit usw. in gemeinschaftlichen Abwägungsprozessen bestimmen bzw. eingrenzen zu können.
Der gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch blinde, aber immerhin Gewinn bringende Anreiz zur Einsparung notwendiger Arbeitszeit (Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit) wird ersetzt durch gemeinsames Knobeln, wie Arbeitszeit am besten einzusparen ist, wie dabei unerwünschte (Langzeit-) Effekte vermieden werden können, und was mit der neu gewonnenen Freiheit am Besten angestellt wird.
Klar kann es das.
Na, dann ist ja alles in Butter.
„Vernunft“ erscheint hier einmal wieder als ein höheres Wesen, das dem Menschen per philosophischer Wesensbestimmung angeboren sein soll.
Ich nenne Vernunft schlicht und ergreifend die Fähigkeit zum zweckmäßigen Handeln. Und worauf es hier ankäme, wäre die Entwicklung der Fähigkeit zur gesellschaftlichen Bestimmung von Produktionszwecken oder auch der Fähigkeit, den Zweck der Einsparung von Produktion (Degrowth) gesellschaftlich. d.h. im Rahmen (welt-) gemeinschaftlichen Abstimmungsprozessen zu bestimmen
Na Prima, da sind wir also beim marxistischen Liberalismus mit dem wirklichen Leben als dem neuen lieben Gott angelangt.
Marx macht einen Unterschied zwischen notwendiger Arbeit und Mehrarbeit um die in der Gesellschaft verausgabte Arbeitszeit, die zur Reproduktion der Arbeitskräfte notwendige ist von der der Arbeitszeit abzugrenzen, die zur Reproduktion der Produktionsmittel und deren Eigentümer sowie der anderen Produktionsbedingungen notwendig ist.
Ein sehr grobes Raster bei dem zur Einfachheit halber Funktion der Staatsaparate und deren Reproduktion weggelassen wurde. Ein zur Kapitalismuskritik bzw. Wege zur Überwindung der kapitalistischen Interaktionsbedingungen nur sehr begrenzt taugliches Schema.
Diese Unterscheidung ist aber natürlich nicht unabhängig von der historischen Vergesellschaftungsform, zumindest wenn man sich eine vorstellt, die ohne eine besondere Klasse von Arbeitskräften auskommt.
Da wird wohl als notwendig tituliert werden, was die gemeinsamen Zeile verwirklichen hilft.
Mit „produktiver Arbeit“ hat das schon gar nichts zu tun, denn die ist im Kapitalismus auf die Schaffung des Produkt Warenwert ausgerichtet, egqal ob Arbeiter*innen oder Kapitalist*innen dafür Geld auf den Tisch legen müssen.
Noch etwas anders ist die den Wert eines Produkts bestimmende „gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“ der es ganz egal ist, ob die der Reproduktion von Arbeitskraft oder eines Bürogebäudes zu dienen hat
Diese Art der Umkehrung liberaler Ideologie des Bürgertums in ein Argument zur „sozialistischen“ Disziplinierung und Kontrolle über die Bedürfnisse von Menschen und die daraus begründeten Arbeitsinhalte ist inzwischen so geläufig wie absurd. Es ist die Pervertierung Bürgerlicher Ideologie in eine sozialistischen Vernunft des „Gemeinschaftsmenschen“, der allzeit bereit ist, sich ihr eher unterzuordnen als sich gegen diese Vernunft zu emanzipieren. So gerät in simpelster Form jede Aussage darüber, dass der Kapitalismus seine eigene Geschichte vergewaltigt und sie deshalb durch die Aufhebung der Formbestimmungen der Verwertung freigelassen werden kann, also neue Geschichte überhaupt erst entstehen kann, in den Vorwurf, „liberal“ im Sinne eiener bürgerlichen Ideologie zu sein. Das ist so flott gedacht, wie zugleich dumm gegen jede Emanzipation einwendbar.
Im übrigen verwechselst du Ideologiekritik mit positivistischer Philosophie, wenn du schreibst:
„“Vernunft” erscheint hier einmal wieder als ein höheres Wesen, das dem Menschen per philosophischer Wesensbestimmung angeboren sein soll.
Ich nenne Vernunft schlicht und ergreifend die Fähigkeit zum zweckmäßigen Handeln. Und worauf es hier ankäme, wäre die Entwicklung der Fähigkeit zur gesellschaftlichen Bestimmung von Produktionszwecken oder auch der Fähigkeit, den Zweck der Einsparung von Produktion (Degrowth) gesellschaftlich. d.h. im Rahmen (welt-) gemeinschaftlichen Abstimmungsprozessen zu bestimmen.“
Wo in aller Welt will jemand nicht „zweckmäßig handeln“? Der eine zum Zweck der Verwertung, der andere zum Erhalt des Staates und ein Dritter zum schlichten Überleben. Aus diesem Grund geschehen ja gerade die Ungeheuerlichkeiten isolierter Zweckbeherrschung, z.B. die Vernichtung des Regenwaldes oder der Rationalisierung im Sinne von produktiver Technologieanwendung. Das Problem ist ja gerade, dass „die Entwicklung der Fähigkeit zur gesellschaftlichen Bestimmung“, also Gesellschaft durch „Fähigkeit zur Bestimmung“ noch überall die „Fähigkeit“ zu einer gesellschaftlichen Produktion, sprich: materieller Lebensproduktion, ersetzt. Die Kritik der aufgeklärten Vernunft täte auch hier mal wieder not. Und die sollte möglichst nicht mit einer neue Ideologie vertauscht werden, um mit mutgemaßten „Alternativen“ zu blenden, sondern in die Kritik der POLITISCHEN Ökonomie übergehen, also in den Beweis, dass alle gesellschaftlichen Zustände des Kapitalismus aus seiner GesellschaftsFORM begründet sind und nur die Aufhebung dieser Form neue Geschichte ermöglichen wird.
Ich bin mittlerweile auch sehr skeptisch geworden, wie und wo man die Grenzen zwischen notwendiger und nicht notwendiger und zwischen produktiver und nicht produktiver Arbeit ziehen kann. Zunächst mal muss die marxtypische Begriffsverwirrung aufgedröselt werden. Marx machte das ja ganz gerne, verschiedene Dinge beim selben Namen zu nennen und am Ende so zu tun, als seien alle dasselbe. Die Identität wird nur durch einen rhetorischen Trick suggeriert, nicht nachgewiesen. Zudem ist es einfach schlechter Stil und eine Zumutung, sich absichtlich miss- bis unverständlich auszudrücken. Wie hier auch von den Kommentatoren gezeigt, gibt es schon auf den ersten Blick mindestens drei Bedeutungen, in denen „notwendig“ bei Marx in Bezug auf Arbeit verwendet wurde:
1. Arbeit ist notwendig, aber nicht produktiv, indem sie im Kapitalismus erforderlich ist ohne zum Gebrauchswert etwas hinzuzufügen. Ich schlage dafür die neue Bezeichnung „systemspezifisch erforderlich“ vor. Darunter fallen solche sonst überflüssigen Aufgaben wie Werbung, Sicherheitsdienste, Buchhaltung, Bargeldlogistik usw. Problematisch dabei ist, dass man sich irgendeine idealtypische Gesellschaft vorstellen muss, um so eine Einteilung zu rechtfertigen. Idealtypische Gesellschaften sind natürlich unendlich viele denkbar. Hat man sich schließlich für eine entschieden, ist immer noch nicht klar, welche Arbeitsersparnis noch folgt. Darwin Dante meint, nur fünf Wochenstunden seien an Arbeit notwendig. Andere glauben anderes. Es ist m.E. unmöglich, hier eine Zahl sachlich zu begründen. In einer künftigen freien Gesellschaft hinge die Arbeitszeit ja auch nicht bloß vom zum Überleben minimal Notwendigen ab, sondern würde auch dadurch bestimmt, wie sich die Leute ihre Arbeits- und Freizeit einteilen wollen, wie viel Freizeit sie zu tauschen bereit sind gegen mehr und bessere Gebrauchsgüter. Das ist wirklich nicht absehbar. Die gewünschte Arbeitszeit könnte alles sein zwischen 2 und 50 Wochenstunden. Vielleicht verschwimmt auch die Unterscheidung zwischen Freizeit und Arbeit, weil Arbeit freiwillig ist und so viel Spaß macht, dass wir vielleicht irgendwann 80 Stunden pro Woche arbeiten ohne es zu merken, weil wir glauben, dass wir nur unseren Hobbys nachgehen. Keiner weiß das heute.
2. Arbeit ist notwendig, insoweit sie die Lohngüter produziert. Nur klein v soll demnach also notwendig sein, die Mehrarbeit nicht. Mit dieser Einordnung habe ich große Probleme. Denn v und m sind nicht Arbeiten oder Arbeitsprodukte, sondern Arbeitszeiten. Von Arbeitsprodukten zu sprechen würde auch überhaupt keinen Sinn ergeben. Wie sollte man die Tagesproduktion eines Stahlbetriebes physisch zerteilen und als Lohngut den Arbeitern, als Luxusgut den Kapitalisten zuteilen? Eine andere Aufteilung als eine wertmäßige ist hier gar nicht denkbar. Doch dann geht wieder der Charakter der Notwendigkeit verloren. Notwendig zum Überleben, zur Reproduktion der Arbeitskraft, sind immer nur konkrete Gebrauchswerte, keine Tauschwertquantitäten, zumal den als v ausgezahlten Beträgen nicht eingeschrieben ist, wofür sie die Arbeiter auszugeben haben. Sie sind genauso Geld wie die Gelder, die m repräsentieren. Ein Arbeiter braucht sich nicht nur Lebensmittel dafür kaufen. Er kann sich auch Luxusgüter leisten, womit die Unterscheidung von Lohn- und Luxusgüter vollends hinfällig wird. Lohngüter sind dann eben genau das, was sich die Arbeiter von ihrem Lohn kaufen und Luxusgüter sind das, was sich Kapitalisten vom Mehrwert für den Privatkonsum kaufen, was immer das konkret bei den Arbeitern oder bei den Kapitalisten sein mag. Dies können teilweise dieselben Warensorten sein. Auch Kapitalisten kaufen ihr Essen bei Aldi, auch Arbeiter leisten sich teure Handtaschen.
3. Notwendige Arbeit als das Maß des Wertes. „Notwendige Arbeit“ ist dann eine abgekürzte Sprechweise für „durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“. Ob (1.) auch in diesem Sinne notwendig, also wertbildend ist, bin ich mir nicht sicher. Ich würde weiterhin sagen, teils teils. Werbung kann den Gebrauchswert eines Produkts steigern. Noch ein anderer Aspekt kommt hier hinzu. Das für Werbung bezahlte Geld wird nicht einfach in Werbeagenturen verheizt, sondern bezahlt ganz sicher zu einem beträchtlichen Teil Gebrauchsgüter. Medien sind in hohem Maße werbefinanziert. Man könnte die Werbekosten, sofern sie in die Warenpreise eingehen, also auch z. T. als eine Art Kultursteuer betrachten, von der irgendwelche Produkte (vorwiegend Kultur im weitesten Sinn) finanziert werden, ganz unabhängig davon, wer wie viel von diesen Medien wieder konsumiert. (Alle Befürworter einer Kulturflatrate, sollten jetzt mal überlegen, ob wir so eine Flatrate nicht schon, privatwirtschaftlich als Konsumsteuer organisiert, haben und ob dies so erstrebenswert ist.)
Zu (3.) sei noch angemerkt, dass Wert und Preis eines Produkts sehr weit auseinander liegen können. Ob Werbung wertbildend ist oder nicht, lässt sich an einzelnen Produkten gar nicht ermitteln. Z.B. liegen die Produktionskosten eines iPhone 6 bei 200 $, mit Marketingkosten bei 288 $. Im Handel kostet es aber 650 $. Die Diskrepanz lässt sich natürlich durch den geschaffenen Mehrwert erklären, den solche Berechnungen nicht berücksichtigen. Aber ist das alles? Genießt Apple als Quasimonopolist eine besondere Marktmacht, mit der es überhöhte Preise durchsetzen kann? Gehen Marketingkosten nun in den Produktwert ein oder nicht? Lässt Apple einfach nur sehr profitabel produzieren oder schafft das Marketing einen Gebrauchswert und damit auch Tauschwert? Ich denke, die Beantwortung solcher Fragen lässt sich nur für die Gesamtwirtschaft in Angriff nehmen. Für einzelne Waren ist es ein hoffnungsloses Unterfangen. Marx ging ja wie seine bürgerlichen Vorgänger, die er kritisiert, von einem effizienten Markt aus, der stets im Gleichgewicht ist oder zumindest dahin tendiert, dabei aber trotzdem zumindest so im Gleichgewicht ist, dass die Identität von Wert und Preis und von Mehrwert und Profit für die Gesamtwirtschaft gilt. Dies sind die Axiome, von denen Marx einfach ausgehen muss, da darauf seine gesamte Theorie basiert. Angesichts der Angriffe der letzten Jahrzehnte auf die Hypothese des ewigen Marktgleichgewichts kann man sich natürlich fragen, inwiefern diese Axiome noch gerechtfertigt sind.
Das halte ich für ein fundamentales Missverständis, das in der üblichen Marx-Rezeption Gang und Gäbe ist. Marx unterscheidet aber deutlich zwischen der Form, in der Wert auf der Zirkulationsebene erscheint und sich beim Verkauf in den Preisverhältnisse als Preissumme der Waren, als Maß der Werte, realisiert – insofern im Geld als Zahlungsmittel nur im Oszilieren der Tauschwerte sichtbar wird. Dagegen ist die Form, in der er produziert wird, durch die Produktivität der Arbeit gegeben, die sich in der Zirkulation durch den wirklichen Kauf der Produkte als Maßstab der Preise realisiert. Der Kauf (Geld als Kaufmittel) wir zum Subjekt des Marktes, der den Produzenten als Objekt nutzt. Bedeutsam ist dabei schließlich, dass der Wert der Produkte den Mehrwert, die unbezahlte Arbeit, nur teilweise in der Produktform als Fortbildung des Lebensstandards undder Produktionsmittel realisiert, dagegen inzwischen überwiegend nur noch in der Geldform das Wertwachstum im Wachstum einer Geldmenge existiert, die beständig sich durch den Geldumlauf in ihrem Wert erhalten und immer mehr unbezahlte Arbeit eintreiben muss.
Ohne Verständnis dieser Form des Wertüberschusses (reiner Mehrwert als Geld) wird eine Kritik am Kapitalismus nur zur argumentativen Bestärkung der Ideologie von der „sozialen Marktwirtschaft“ taugen. Denn was soll daran „schlimm“ sein, wenn alle Waren produziert und alle Waren konsumiert werden, wenn man nur das Ganze etwas „gerechter“ machen würde, es besser verteilt und das „Ungleiche“ immer besser verdurchschnittlicht, „gerechten Lohn“ und „gerechte Arbeitszeiten“ vieleicht auch durch Gesetz neue Gesetze erwirkt? Gretchen wird dann schon eine wie auch immer geartete „historische“ Lösung finden, wenn es solche Fragen hat, wie es schon immer dieselbe Lösung gefunden hat, wo die SPD zur Regierung gekommen war.
Schon erstaunlich Wolfram, was für einen Scheiß du mir unterstellst. Ich beschreibe die marxsche Perspektive der Etablierung kommunistischer Interaktionsbedingungen und der Freiheit zur (welt-) gemeinschaftlichen abgestimmten Bestimmung von Produktionszwecken, -methoden, -begrenzungen usw. also die kommunistische Form der individuellen (wenn du so wilst „individualistischen“) Aneignung, die sich natürlich, woraus sonst, aus der gesellscaftlichen Wirklichkeit ergibt. Von irgendwelchen Anmaßungen hinsichtlklich einer so genannten „sozialistischen Vernunft“ ist bei mir jedenfalls nirgends die Rede.
Ich habe in der Tat keinen Ehrgeiz, Ideologiekritiker zu werden. Ich finde Ideologiekritik öde. Das Notwendige dazu ist in Marx Kritik der Deutschen Ideologie (bzw, Ideologiekritik) gesagt oder auch im Kapitel über den Fetischcharakter der Ware. Und wer meine bescheidenen Versuche, Notwendigkeit, Möglichkeit und mögliche Gestalt der Etablierung kommunistischer Interaktionsbedingungen zu erörtern unbedingt „positive Philosophie“ nennen möchte, möge damit glücklich werden. Ich kann darin auch nichts falsches entdecken.
Habe nirgends geschrieben oder ideologiekritisiert, dass da irgendwer nicht „zweckmäßig handeln“ will. Mir geht es gerade darum die Fetischisierung von Vernunft zu überwinden, die mit der Fetischisierung der Unvernunft leider nicht aufzuhebenh ist.
In deinem Beispiel ist z.B. die Frage, welche Zwecke die indigenen Gemeinden des Amazonasbeckens und anderer indigener Waldkulturen verfolgen, warum sie das tun und welchche Rationalitäten dagegen diejenigen verfolgen, die in den Regenwäldern Staudämme anlegen, in Rinderweiden verwandeln, in Sojafelder (für Viehfutter) oder in Palmölplantagen (Kosmetik, Margarine, Heizmaterial für Blockheizkraftwerke, Biuofuel) bzw. welche Rationalität, d.h. welchen bornierten Zwecken unterliegen die, die davon in aller einkaufspadariesischen Unschuld profitieren indem sie das dadurch gewonnene Fleisch, die Kosmetika usw. verkonsumieren.
Und meine Frage ist, was in der gesellschaftlichen Entwicklung in Richtung der Möglichkeit zur weltgemeinschaftlichen Bestimmung der Behandlung der Regenwälder ginge und entsprechend voran gebracht werden muss.
Siehe auch https://oekohumanismus.wordpress.com/inhalt/fetischbegriff-bedarf/kapital-schafft-wissen-schaft-kapital-schafft/
@HHH #24:
An dem Punkt ist Marx aber nun wirklich eindeutig: kein Wert ohne Gebrauchswert, d.h. wenn man nichts Brauchbares schafft, produziert man auch definitiv keinen Wert. Den Punkt halte ich für essenziell, andernfalls wird der Wert zur rein magisch-mystischen Größe ohne nachvollziehbaren Zusammenhang mit der wirklichen Welt. Wenn Tauschwerte, also finanzielle Größen alleine alles wären, ohne Rückkopplung an Gebrauchswert, dann würde auch durch steigende Börsenkurse „Wert geschaffen“ und durch fallende „vernichtet“, ganz wie in der bornierten Gedankenwelt der Neoklassiker.
@libertär #28:
Also was die von dir genannte 1. Bedeutung betrifft, muss man sagen, dass sie von mir stammt, nicht von Marx. Mir war wiederum nicht bewusst, dass der Begriff bei Marx eine andere feste Bedeutung hat (nämlich 2.). Die „durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“ (3.) ist wiederum eine andere Bedeutung, die Marx auch klar von der in 2. unterscheidet.
Ja, ich sehe das ebenfalls als problematisch an, aber nicht aus den von dir genannten Gründen. Wenn du von „Arbeitsersparnis“ à la Darwin Dante redest, geht es ja auch darum, welche Gebrauchswerte eine andere Gesellschaft überhaupt herstellen würde. Der Marx’sche Begriff produktiver Arbeit bezieht sich hingegen auf einen bestimmten Gebrauchswert und dessen Herstellung. Ob dieser Gebrauchswert in einer anderen Gesellschaft noch gebraucht würde, wird nicht gefragt, sondern lediglich welcher Herstellungsaufwand anfallen würde, und zwar unabhängig von der konkreten Form der Gesellschaft. Es geht also nicht um eine andere bestimmte Idealgesellschaft, sondern um die Unterscheidung von dem, was Overhead einer bestimmten Gesellschaft ist (vermutlich hätte ja auch die kommunistische Gesellschaft solche Overheadkosten, nur eben andere als die kapitalistische) vs. das, was auf jeden Fall rein stofflich-prozesshaft nötig ist, ganz unabhängig von der konkreten Verfasstheit der Gesellschaft.
Das scheint mir der Punkt zu sein, auf den Marx hier abzielt. Ob diese Unterscheidung sinnvoll und ob sie überhaupt möglich ist, ist allerdings nochmal eine andere Frage.
Ja, das hat mich auch schon verwirrt.
Ich denke die Werttheorie ist dort am direktesten anwendbar, wo es echte Konkurrenz gibt. Apple hat als iPhone-Hersteller aber ein Monopol (niemand sonst darf iPhones herstellen), deshalb kommt die Werttheorie hier an Grenzen. Sofern Leute nur sagen „ich will ein Smartphone mit folgenden Eigenschaften…“, gibt es noch Konkurrenz zwischen Apple und anderen Herstellern wie Samsung, dann hängt der Wert und auch der daraus hervorgehende akzeptable Kaufpreis tatsächlich von der aufgewandten Arbeitszeit ab. Kundinnen, die das so sehen, werden im Normalfall wohl kein Apple-Produkt kaufen, weil die Konkurrenz das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Für Kunden, für die von vornherein klar ist, dass es ein iPhone sein muss, gibt es hingegen keine Konkurrenz — deshalb kann Apple von ihnen nahezu beliebige Fantasiepreise verlangen, die mit der Arbeitszeit nichts mehr zu tun haben.
Die von Apple aufgewandte „Imagearbeit“ ist nun sicher ein wichtiger Faktor dafür, dass die Firma im Kopf vieler Kundinnen eine solche unangefochtene Position als Quasi-Monopolist genießen kann. Dass die Imagearbeit selbst direkt wertproduktiv ist und der Preis der iPhones lediglich um den durch diese Imagearbeit hergestellten Wert höher ist im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten, bezweifle ich hingegen. Wäre das so, dann wäre Apple ähnlich profitabel wie andere Firmen, da die Konkurrenz zur Herausbildung einer durchschnittlichen Profitrate führt. Tatsächlich macht Apple jedoch exorbitante Profite, soviel ich weiß. Diese Extraprofite lassen sich durch die monopolartige Position erklären, nicht aber durch den eventuell höheren Wert der verkauften Produkte.
Ok, jetzt ist also mein Bemühen um Vergegenwärtigung der marxschen Perspektive nicht nur als positive Philosophie entlarvt sondern auch noch als Verharren in der bornierten Gedankenwelt der Neoklassik.
Hier liegt allerdings ein grandioses Missverständnis deinerseits vor. Marx wies darauf hin, dass innerhalb kapitalistischer Interaktionsbedingungen „produktive Arbeit“ nicht wesentlich die Herstellung von Gebrauchswerten sei, also das, was Produktion unabhängig von der historisch vorherrschenden Form der Arbeitsteilung (der historischen Form der Organisation von Produktion und Aneignung) immer ist, sondern dass im Kapitalismus das Produkt, das produktive Arbeit im Wesentlichen (d.h. im Unterschied zur produktiven Arbeit aller anderen Gesellschaftsformationen in einer spezifischen Weise strukturbildend) schafft, eben der Wert ist bzw. der GESELLSCHAFTLICHE Durchschnittstauschwert. (Marx hätte m.E. gut daran getan, es entsprechend genau und damit weniger missverständlich auszudrücken).
Um das nachzuvollziehen, muss man sich allerdings von einer betriebswirtschaftlichen Perspektive lösen und konstatieren, dass die wertbildende Reduktion auf die zur Reproduktion des Gebrauchswertes einer Ware gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit (abgesehen von Sonderfällen, wie etwa den der parteibonzenbornierten Bedürfnisdiktatur des „Realsozialismus“) über die Angebote ALLER Konkurrenten ermittelt (ermittelt, nicht produziert) wird. (Individuelle Fehlschläge gehen in den Durchschnitt ebenso ein, wie individuelle Bestseller)
Allerdings (und vielleicht geht das Missverständnis in Richtung Erkenntnis dessen) ist einer der dümmsten Floskeln der vulgären Kapitalismuskritik, dass dem Kapitalismus die Gebrauchswerte egal seien, weil es schließlich immer nur um Profit ginge.
Denn aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive der Konkurrenten ergibt sich die Notwendigkeit der Jagd nach Extraprofiten, die entweder durch überdurchschnittliche Produktivität (mehr Produkte pro investiertem Doller, Euro usw.) realisiert werden oder durch das Angebot von Gebrauchswerten, die die Konkurrenz in der Qualität oder „Preiswürdigkeit“ noch nicht liefern kann.
Im Gesamtprozess der Wertbildung sind das nur Momente wie auch im Gesamtprozess der Bildung von „wirklichem Reichtum“ in der Form erreichbarer Gebrauchswerte. Sie sind aber der Kern dessen, was, je nach Sichtweise als kapitalistischer Segen erscheint, (weil vollautomatischer Bereicherungsautomatismus) oder als Fluch, (weil das einen Wachstumszwang bedeutet, der die natürlichen Lebensbedingungen untergräbt).
Der „Wert“ wird in der Tat zur magisch mystischen Größe ohne dass der Zusammenhang zur wirklichen Welt nachvollziehbar wäre. Aber nicht durch eine Fehlinterpretation meinerseits, sondern aufgrund des spezifischen Charakters kapitalistischer Arbeitsteilung – und wird es solange bleiben, wie diese nicht (kommunistisch bzw. weltkommunistisch) aufgehoben werden.
@HHH:
Klar, den Kapitalisten geht’s um den Mehrwert bzw. Profit, also um Tauschwert, nicht um Gebrauchswerte. Da aber (Tausch)Wert „dummerweise“ nur aus der Herstellung von Gebrauchswerten entsteht, produzieren kapitalistische Unternehmen notgedrungen letztere, wenn auch lediglich als Mittel zu einem ganz anderen Zweck.
Dass für Marx „produktive Arbeit“ innerhalb von Gesellschaften auf Grundlage kapitalistischer Interaktionsbedingungen einzig die wertschaffende Arbeit ist, bedeutet keineswegs, dass er leugnet, dass dabei notwendig Gebrauchswerte produkziert werden. Die sind den Kapitalisten im Übrigen auch keineswegs egal weil sie gegebenenfalls Konkurrenzvoteile bzw. Realisierung von überdurchschnittlichem Profit = Extraprofit bedeuten.
Die Unterscheidung zwischen gerauchswertproduktiv und wertproduktiv ist notwendig um die Entwicklungsbedingungen und -perspektiven der kapitalistischen Ökonomie zu verstehen.