Was ist Arbeit?
(Voriger Artikel: Die umfassende Quasi-Flatrate)
[Update: siehe Arbeit, Spiel und Selbstentfaltung]
Die im vorigen Artikel vorgeschlagene umfassende Quasi-Flatrate macht Arbeit, da die zum Leben nötigen Dinge nicht vom Himmel fallen. Aber was bedeutet das genau? „Arbeit“ ist ein schillernder Begriff, der sich schwer fassen lässt. Ohne Klarheit darüber, was mit einem Begriff gemeint ist, redet man jedoch leicht aneinander vorbei. Standarddefinitionen helfen nicht unbedingt weiter: „Zielgerichtete, soziale, planmäßige und bewusste, körperliche und geistige Tätigkeit“, meint das Gabler Wirtschaftslexikon (2014). Doch diese Definition ist viel zu breit, so werden auch Hobbys, Freizeitsport und überhaupt die meisten menschlichen Aktivitäten zu Arbeit.
Treffender ist schon die Wikipedia-Parodie Stupidedia (2014): „dass man zu einer Zeit, in der man etwas Besseres zu tun hat, etwas tut, auf das man eigentlich keine Lust hat, zusammen mit Leuten, die man nicht leiden kann“. Arbeit ist oft etwas, das man unabhängig davon tut, ob man darauf gerade Lust hat oder nicht – etwas, das man als Mittel zu einem andern Zweck macht, nicht als Selbstzweck. Man kann dies „Arbeit als Mittel“ nennen, kurz Arbeit/M. Eine „Ende der Arbeit“ in diesem Sinne ist zumindest denkbar: eine von Arbeit/M freie Gesellschaft wäre eine, in der alles menschliche Tun nicht bloß Mittel ist, sondern zugleich auch Zweck – etwas das man gerne und um seiner selbst willen tut.
Allerdings kann Arbeit niemals nur Selbstzweck sein, das unterscheidet sie vom Spiel, das völlig zweckfrei sein kann. Mit Ausnahme der sprichwörtlich sinnlosen und schikanösen „Sisyphusarbeit“ hat Arbeit immer irgendeinen Nutzen, der über den reinen Selbstzweck des Aktivseins hinausgeht: man tut etwas, das für andere oder für einen selbst in irgendeiner Weise nützlich ist. Das gilt für Erwerbsarbeit im Kapitalismus zumindest von der Zielsetzung her: wenn eine Unternehmerin (oft irreführend als „Arbeitgeberin“ bezeichnet) nicht erwarten würde, dass meine Arbeit ihr Nutzen (meist in Form von Profit) bringt, würde sie mich erst gar nicht anstellen. Auch Hausarbeit ist immer nützlich, für die anderen im selben Haushalt lebenden Personen oder (auch wenn ich alleine lebe) später für mich selbst (ich habe dann etwa eine saubere Wohnung oder ein Essen, das ich verzehren kann).
Diese Definition von Arbeit als „etwas für andere oder für später Nützliches tun“ nenne ich Arbeit/N. Der Nutzenbegriff ist dabei in einem umfassenden Sinne gemeint und kann auch die Unterhaltung oder sinnliche Befriedigung anderer als der jeweils Arbeitenden umfassen. (Eine Sexarbeiterin arbeitet, ein Liebespaar nicht.) [Update] Um nützliche Arbeit/N handelt es sich auch dann, wenn der Nutzen im Einzelfall nicht erreicht wird, solange er nur angestrebt wurde. Die Arbeit/N, einen Stuhl zu produzieren, wird nicht dadurch nutzlos, dass der Verkauf des Stuhls hinterher scheitert oder der Stuhl durch einen Unglücksfall verbrennt, bevor jemand darauf gesessen hat. [/Update]
Dass wir nun zwei unterschiedliche Arbeitsbegriffe haben, ermöglicht es, auch noch die jeweiligen Komplementärbegriffe zu bilden: Arbeiten, die nur unter einen dieser Begriffe fallen, aber nicht unter den anderen.
Das Gegenstück zur Arbeit als Mittel (Arbeit/M) ist die Arbeit, die auch Selbstzweck ist, die man nicht nur um ihres Ergebnisses, sondern auch um ihrer selbst willen tut. Ich werde sie Arbeit/S für „Arbeit auch als Selbstzweck“ oder „selbstentfaltete Arbeit“ nennen. Arbeit/S muss immer zugleich Arbeit/N sein. Andernfalls, wenn sie nicht nützlich, sondern nur Selbstzweck wäre, wäre sie etwas anderes, z.B. Spiel. Der Lackmustest für selbstentfaltete Arbeit ist die Frage, wie man sich verhalten würde, wenn sie nicht auch nützlich wäre: würde man sie dann vielleicht oder definitiv trotzdem machen wollen? Wo dies der Fall ist, handelt es sich um Arbeit/S.
Das Gegenstück zur nützlichen Arbeit/N ist die unnütze oder nutzlose Arbeit – Arbeit/U –, die zwar getan werden muss, aber niemandem etwas bringt. Beispielhaft dafür steht die schon genannte Sisyphusarbeit, die Sisyphus zur Strafe auferlegt wurde. Auch so mancher Ein-Euro-Job dürfte in diese Kategorie fallen: er hat zwar keinen Zweck, muss aber getan werden, da andernfalls noch schlimmere Sanktionen drohen würden. Arbeit/U kann immer nur Arbeit als Mittel (Arbeit/M) sein, wobei das Mittel aus Sicht des Arbeitenden hier nur ist, einer womöglich schlimmeren angedrohten Alternative zu entgehen. Sie kann keine Arbeit/S sein, denn selbstbestimmtes Tun, das nicht nützlich ist und nicht durch andere erzwungen wird, ist (wie schon gesagt) gar keine Arbeit.
In einer Gesellschaft, in der sich die Menschen auf Augenhöhe begegnen und niemand andere herumschikanieren kann, gäbe es keine unnütze Arbeit/U mehr. Eine generelles Ende der Arbeit/N ist dagegen nicht vorstellbar: für andere oder für später nützliches Tun wird es immer geben, so lange es Menschen gibt. Selbst in der (sowieso fragwürdigen und unrealistischen) Vision einer vollautomatischen Gesellschaft, in der vom Hausbau bis zur Krankenpflege alle nützlichen Aufgaben von Maschinen übernommen werden, müssten sich Menschen zumindest sporadisch um die Wartung und Programmierung dieser Maschinen kümmern.
Da uns die nützliche Arbeit/N also nicht ausgehen wird, stellt sich die Frage, wie sie aufgeteilt wird. Dies wird demnächst Thema sein.
[Update: siehe Arbeit, Spiel und Selbstentfaltung]
(Fortsetzung: Arbeitsteilung, aber wie?)
Literatur
- Gabler Wirtschaftslexikon (2014): Arbeit. URL: wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54787/arbeit-v7.html, Zugriffsdatum: 11.4.2014
- Stupidedia (2014): Arbeit. URL: www.stupidedia.org/stupi/Arbeit, Zugriffsdatum: 11.4.2014
Christian, es ist anerkennenswert, wenn du hier versuchst Klarheit über den Begriff der Arbeit zu schaffen, aber es scheint dir irgendwie nicht zu gelingen. Speziell die Bezugnahme auf die „Sysiphus-Arbeit“ – die doch eine Strafe ist, und keine Arbeit, ist völlig daneben. Ebenso ist der Versuch, dem Begriff der Arbeit über eine kategoriale Bestimmung wie „nützlich/unnütz“ (eine bestreitbarer Bewertung) näher zu kommen.
Dabei ist es ganz einfach: der Begriff der Arbeit entsteht funktional im sozialen Zusammenhang der Arbeitsteilung. Menschen spezialisieren sich und durch diese Spezialisierung entsteht ein Effizienzgewinn, der primär als eine Synergie des Sozialen, als ein Vorteil der Gemeinschaft durch Kooperation, als ein Gewinn an Wohlstand, wirksam wird. Arbeitsteilung ist eine fundamentale Erfindung menschlicher Kultur, eine prähistorische Erfindung wie das Rad, die allen Überlegungen von Gemeinschafts- und Gesellschaftsformen, aller Kritik am möglichen Missbrauch von Arbeitsverhältnissen, vorgelagert ist.
Helmut, so einfach erscheint es mir nicht. Erstens ist eine kategoriale Bestimmung von der Art „x ist, dass man es teilen kann“ oder besser „x entsteht, wenn x aufgeteilt wird“ für meine Begriffe prinzipiell nicht sauber. Also es wäre schon noch zu bestimmen, wodurch die Qualität der „Arbeit“ in die aufgeteilte Tätigkeit kommt bzw. was sie genau meint.
Zweitens ist „Arbeitsteiligkeit“ ein schlechtes Bestimmungsmerkmal einer Gesellschaft, die in ihrer voll entwickelten Form als kapitalistische Marktwirtschaft überhaupt kein Problem damit hat, dass Produzenten redundant arbeiten, das heißt Arbeit gerade nicht bewusst aufgeteilt wird, sondern als Wettbewerb um eine beschränkte Zahlungsfähigkeit stattfindet, weswegen unglaublich viele Produzenten dieselbe Arbeit verrichten, am Markt sich aber immer nur ein Bestandteil davon als gesellschaftlich nützlich bewährt. Wenn zum Beispiel hundert verschiedene Programmierer oder Teams Wiki – Engines schreiben, dann wird unglaublich viel menschliches Kreativitätspotential vergeudet. Der Beispiele sind Millionen, vom Schweinezyklus bis zur Werftenkrise.
Wenn aber drittens der emphatische Begriff der Arbeitsteilung ohnehin erst einer noch zu schaffenden bewusst ihre eigene Reproduktion in die Hände nehmenden Gesellschaft vorbehalten ist, dann drängt sich der Gedanke auf, dass Arbeit nicht einfach die Exekution eines Produktionsprozesses bedeutet, sondern im vollinhaltlichen Sinn erst Realität wird, wenn es um die Organisation dieses Produktionsprozesses geht. Arbeit wäre dann das geistige Durchdringen des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag, sowie das Konstruieren von automatisierten Naturvorgängen die das Element der Mühe und Redundanz reduzieren.
Das fehlt mir prinzipiell bei Christians Bestimmung von Arbeit, die Du zu recht kritisierst. Nicht nur die „Sysiphus-Seite“ ist unsauber bestimmt, auch die „Selbstzweck-Seite“ scheint mir sehr akzidentiell. Natürlich kann und soll Arbeit Spaß machen, aber per se ist Arbeit als Tätigkeit bestimmt, die einer sachlichen Notwendigkeit folgt. Nun ist aber genau diese sachliche Notwendigkeit wesentlich von den Arbeitsmitteln bestimmt, deren umfassende Revolutionierung die bleibende Hinterlassenschaft der bürgerlichen Gesellschaft ist. „Arbeit an der Arbeit“, die rationelle Fortführung dieser Revolutionierung und deren Überführung in lebendige organische Ganzheit, erscheint mir als unzureichend aufgenommen in Christians Bild. So weit mal.
Christian,
es tut weh wenn Du Automatisierung als „Maschinen tun alles“ charakterisierst. Denn dieses Bild ist eigentlich eine Hinterlassenschaft des Industriesystems, in dem die gesellschaftliche Produktion um die große Maschine aufgebaut ist. Marhall McLuhan hat eine scharfe Unterscheidung gemacht zwischen dem Industriesystem und dem System der Automation; letzteres ist davon gekennzeichnet, dass nicht die große Maschine im Zentrum steht, sondern der Lebensraum und Lebensprozess der Menschen selber, der wie ich eben geschrieben habe aufgrund von dezentralisierter Intelligenz immer organischer gestaltet werden kann. Es versteht sich von selbst, dass damit, nämlich mit dem Organisieren von kreislaufförmigen Stoff- und Energieflüssen ins Kleine, Lebendige hinein, der objektive Bedarf der eben bestimmten „Arbeit an der Arbeit“ dramatisch zunimmt. Wie Du bin ich der Meinung dass es verkehrt ist von einem „Ende der Arbeit“ zu reden, aber hauptsächlich aus diesem Grund: Automatisierung ist nur zu haben mit einem hohen Grad der Koordination von diversesten Prozessen, und das heißt sehr viel mehr Arbeit an der Arbeit und in letzter Konsequenz die Aufhebung der Trennung von Lebensprozess und Arbeitsprozess.
Franz, ich definiere keineswegs über ein „x, das man teilen kann“ die Arbeit. Ich gehe davon aus, dass wir beide sowohl Arbeit als Phänomen erkennen können, auch wenn eine Definition schwierig sein kann, als auch erkennen können, dass Arbeitsteilung eine dazugehörende kulturelle Innovation darstellt. Das alles ist tausende und zehntausende Jahre soziologisch-antropologisch durchdeklinierbar bevor Kapitalismus zur Seuche wird und kritische Theorie entsteht.
Wir brauchen doch einen Arbeitsbegriff, der leistungsfähig ist, also zurückgedacht werden kann in prähistorische Anfänge, und vorwärts in die Zukunft verwendet werden kann, um andere gesellschaftliche Ordnungen zu entwickeln. Das geht aber nicht, wenn eine „Denk-Kampf-Strategie des Entanglements“ betrieben wird, in der alle Begriffe – durch den Bezug auf die kapitalistisch-marktwirtschaftliche Aktualität – desavouiert und damit unbrauchbar gemacht werden. Das Perfektionieren der Total-Kritik führt notwendig zur Impotenz, die Zukunft zu denken.
Wesentliche Begriffe müssen außerhalb und unabhängig vom Kapitalimus gebildet werden, um den Kapitalismus als Fremdkörper verstehen und überwinden zu können.
Ich glaub dass hier durchaus der Ort ist, und Christians Bemühung um eine Bestimmung von Arbeit und die davorliegende Entdeckung von Mustern wie „unabhängige Region“ weisen in die Richtung, eine Begriffswelt für die kommende kooperative Gesellschaft aufzubauen.Umgekehrt finde ich nichts verkehrt am Bemühen der kritischen Theorie, falsche Ontologisierungen zu vermeiden. Und wenn Du Dir so ein sozialdemokratisches Wahlplakat ansiehst mit einem Text wie „Arbeit Arbeit Arbeit“, wenn die Faschisten einen Spruch wie „Arbeit Macht Frei“ über die KZ-Tore schreiben konnten, dann kannst Du nicht sagen dass der Begriff unberührt wäre von jener Gesellschaft, die ihn für sich als Kampfbegriff zu verwenden vermag. Ich finde es erstaunlich und schön wie sich Christian hier aus einem Schwarz-weiß Schema herauszuarbeiten versucht.
Die Passivform täuscht die Möglichkeit eines subjektunabhängigen, objektiven Begriffs von Arbeit vor. Ein adäquates (d.h. für mich mitmenschliches) Verständnis hängt aber davon ab, wer in welchem Kontext, in welcher Hinsicht usw. gerade was unter Arbeit versteht.
Für mich ist Arbeit die körperliche und geistige Tätigkeit mit der Menschen auf die Herstellung eines bestimmten sozialen Nutzens (Gebrauchswerts) abzielen, d.h. mit diesen Tätigkeiten Zwecke verfolgen, die als nützlich anerkannt sind (auch wenn sie unter den gegebenen Umständen zugleich eine Menge Schaden anrichten können).
Mit Marx/Engels meine ich, dass so verstandene Arbeit den Menschen geschaffen hat und auch die weitere „Menschwerdung des Affen“ (Engels) markiert. Die menschliche Vorgeschichte kommt demnach erst dann zu einem Ende, wenn die Globalisierten dieser Erde in der Lage sind, sich hinsichtlich der Zwecke, Methoden, Orte, Mengen, Nebenwirkungen usw. der Arbeit auf (mit-) bestimmte Standards und Grenzen zu einigen.
Soweit dies auf die ökologisch refektierende (Mit-) Bestimmung und Einhaltung von Standards (Naturschutzstandards) zielt, sehe ich eine solche Perspektive eines des des kommunistischen Ökohumanismus bzw. ökohumanistischen Kommunismus.
Ein anderer (ein bereits eingeführter) Begriff wäre „Arbeit um der Arbeit willen“
Franz, ich teile deine Logik nicht. Der Gebrauch von Worten, wie der zynische Gebrauch von „Arbeit“ in Auschwitz, ändert doch nichts an Begriffen, die den Worten von uns theoretisch unterlegt werden.
„Arbeit“ und „arbeiten“ werden in einer inkonsistenten Vielfalt von Bedeutungen verwendet. Vielfach arbeiten wir an etwas, ohne Arbeit zu verrichten. Wenn jemand z. B. „an seiner Karriere arbeitet“, dann verrichtet er dazu keine „Arbeit“. Wer von der „Strafarbeit“ (in der Schule) bis zur „Hausarbeit“, „Lohnarbeit“, „Trauerarbeit“ und „Sysiphusarbeit“ (und hundert anderen Wortbildungen mit -arbeit) nach einer konsistenten sprachlich-logischen Interpretation von „-arbeit“ in diesen metaphorischen Verwendungsformen suchen wollte, wäre nur als unvernünftig zu bezeichnen.
Es kann nur um die Betrachtung der Phänomene hinter und unabhängig von der Sprache gehen. Es ist allerdings denk- und sprachökonomisch, die allgemeinsten und universellsten Phänomene mit den gängigsten Worten, hier etwa mit „Arbeit“, zu identifizieren, weil wir andernfalls sprachlos werden indem wir große Bereiche im Bedeutungsraum nicht mehr sprachlich abdecken bzw. benennen können.
Das ist aber keine ontologische Behauptung, sondern der Versuch mit Sprache als Werkzeug und hypothetischem Modellbaukasten der Wirklichkeit effizient umzugehen.
Und das ist Denkarbeit – die nur Sinn macht, wenn hinter oder besser in den „Phänomenen“ Ordnungsstrukturen existieren, die mittels Sprache begreifbar sind. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein Begriff. Dieser Begriff entsteht nicht, wie Hans-Hermann insinuiert, aus dem Kontext. Man könnte es auch umgekehrt sagen: in der Arbeit ist in der Tat eine emanzipatorische Logik vorhanden, die aber nur dann zur Wahrheit wird, wenn sie das Leid der Arbeit nicht verschweigt.
Und wenn über dem KZ Eingang steht „Arbeit macht frei“ dann ist die adäquate Antwort, wenn eine solche überhaupt möglich ist, wen macht sie frei? Wen stattet sie mit Machtmitteln aus? Die Erinnerung daran, dass Arbeit eine fremdbestimmte Tätigkeit ist, das Korsett einer allgemeinen Sklaverei, schwingt gerade in der Abstraktion noch mit. Die Differenzierung ist in einer meisterlichen Art und Weise bei Marx passiert. Er unterschied unter anderem die „konkrete Arbeit“ von der „abstrakten Arbeit“. Letztere ist der von der Konkurrenz aufgestellte Maßstab der Produktivität, der auch selbstzweckhaft und zugleich ganz gleichgültig ist gegen die Form seiner Erreichung, ob als Intensivierung oder als Automatisierung. Die Automatisierung hat daher noch allemal die Intensivierung mit sich gebracht.
Helmut, man kann nicht so tun als hätte das alles nicht existiert oder wäre das alles unwesentlich. In anderem Kontext hab ich gerade geschrieben: „Der Sinn und die Aufgeblähtheit des US – Gefängnissystems erschließt sich aus historischer Perspektive“: http://www.nationofchange.org/four-eras-slavery-benefit-corporations-1397485725 Unter solchen Umständen ist nur eine radikale Fulguration eine Lösung, und trotz aller Bedenken ist Frithjof Bergmanns Konzept einer Neuen Arbeit für mich ein sinnvoller Träger einer solchen Fulguration. Es wäre schön wenn Christian hier noch eine Brücke bauen könnte.
Stimme Helmuth Leitners Ausführung voll und ganz zu. (comment-37195).
Ich bezweifle im Übrigen, dass die Kategorien „Sebstzweck“ vs. „Arbeit als ein Mittel“ weiter helfen wenn die Bedeutung von Arbeit für soziale Emanzipation (und umgekehrt) ergründet werden soll.
Ich hoffe, nicht des Anti-Intellektualismus bezichtigt zu werden, wenn ich sage, dass ich das als altertümlichen Philosophenkauderwelsch empfinde, der eher die Entfremdung von Philosophie und sozialer Emanzipationsbewegung zementiert.
Wer möchte nicht gern Nützliches tun und also gern ein Mittel der Herstellung nützlicher, schöner oder auch herrlich überflüssiger Dinge oder Zustände sein? Ein „Selbst“ ist ja nicht überhistorisch gleich konstruiert bzw. bedeutend. Es ist sehr unterschiedlich sozial.
Wichtig ist, wie ein hinreichender Zuwachs an Freude an der eigenen Tätigkeit mit einem befriedigendem Zuwachs an dadurch geschaffenem gesellschaftlichen (sozio-ökologischen) Nutzen (zum Beispiel einer Strategie der Vemeidung von Risiken, Schäden) in Verbindung steht bzw. in Verbindung gebracht werden kann.
Bei einem Füreinander auf Grundage eines (welt-) gemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements dürfte Kennziffern für „Arbeitszufriedenheit“ oder „Empfinden der Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit“ ebenso zentral sein, wie Maßstäbe für die Freude an Spiel und Müßiggang oder bestimmter ökologsche Impikationen.
Hans Hermann:
Genau das meinte ich mit dem Verweis auf Frithjof Bergmann – der aus der Verfügbarkeit von enormen produktiven Ressourcen (Automation, Dezentralisation, User Innovation) für die wieder möglich gewordene Eigenarbeit einen Quantensprung an „spontanen Nützlichkeitsketten“ entstehen sieht. Ich hab das Gefühl dass Christian ein wenig von dieser Logik aufgeben möchte, weil sie ihm nicht hinreichend mächtig erscheint, einen gesellschaftlichen Produktionsprozess zu organisieren. Mir scheint es hingegen, dass wir diesen spontanen Zusammenhang von (Schaffens-) Freude und Nutzen noch sehr viel stärker in den Blick bekommen und zu organisieren verstehen müssen.
In diesem Sinn ist auch die Selbstreflexion der Kunstsphäre von Bedeutung.
Eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist so etwas wie das Wachsen sozialer Kompetenz bei den Individuen selbst – das aktive Wahrnehmen und Verstehen von Bedürfnissen und Notwendigkeiten, die „Verdrahtung“ von fremden und eigenen Bedürfnissen im Wahrnehmen und Empfinden.
Ohne dass spezielle Begriffsschmiede aktiv zu werden brauchten unterscheiden wir zwischen Zwangsarbeit, Hausarbeit, Heimarbeit, Fronarbeit, Lohnarbeit (gut oder schlecht bezahlte Lohnarbeit), Eigenarbeit, Arbeit an einer Sache oder Lösung, harte oder schwere Arbeit, Feldarbeit, Beziehungsarbeit, Nutzen bringende Tätigkeiten oder Anstrengungen, gern oder notgedrungen erledigte Arbeit, sich lohnende und vergebliche Arbeit usw. und all das gilt dennoch als Arbeit.
Das Verbindene ist offenbar nicht der Zwangscharakter. Wo aus der Sphäre der geistigen Arbeit vom Alltagsverständnis abgehobene Arbeitsbegriffe konstruiert werden, kann das auch mehr Verwirrrung stiften als dass es der differenzierteren Verständigung dienlich ist. Beispiel „Reproduktionsarbeit“ für häusliche Arbeiten die nicht formell bezahlt sind.
Franz, was denkst du dir wenn du zu mir sprichst „Helmut, man kann nicht so tun als hätte das alles [Auschwitz] nicht existiert oder wäre das alles unwesentlich.“ !!! Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wir kennen uns seit über 10 Jahren aus unzähligen Diskussionen und Kooperationen.
Willst du mir im Ernst unterstellen, ich würde die Existenz von Auschwitz oder seine Bedeutung bestreiten? Nur weil ich sage, eine Theorie der Arbeit kann durch die Verbrechen von Auschwitz nicht verändert werden?
Entweder du stellst diese unglaubliche Aussage richtig und entschuldigst dich, oder wir sind geschiedene Leute.
Das hast Du total falsch verstanden, ich habe nicht im mindesten andeuten wollen das Du Auschwitz leugnest oder ähnliches. Sollte das rauszulesen sein (was es meiner Meinung nach nicht sein kann) so ist es hier nochmal richtiggestellt. Du solltest wissen dass es mir auf die inhaltliche Frage der Arbeit ankam.
Es geht nicht um die Faktizität von Auschwitz, sondern um die Vollstreckung der Arbeit als Zwang. Man könnte genausogut Leo Trotzki hernehmen, der in den frühen Tagen der Sowjetmacht diesen Zwang als Weg zum Sozialismus feierte.
Nochmals, Helmut: Wenn Du das verstanden hast, dass ich Dir in irgendeiner Weise die Ignorierung der Shoa unterstellt habe, tut es mir sehr leid, es ist absolut nicht so gemeint. „Existiert“ bezog (und bezieht, wenn Du meine Andeutung weiter oben über Zwangsarbeit im amerikanischen Gefängnissystem einbeziehst) sich auf diese Allianz von Arbeitsdiktat und Vernutzung des Arbeiters. Entschuldige bitte, wenn ich das verkürzt und missverständlich formuliert habe.
@Helmut #1: Die Nützlichkeitsbestimmung betrachte ich nicht als objektiv oder als intersubjektiv auszuhandeln (wie HHH in #7 annimmt), sondern rein subjektiv: wenn ich etwas für mich „nützlich“ halte (wozu auch „schön“, „unterhaltsam“, „erfreulich“ etc. gehören, dann ist es das für mich. Insofern ist da nichts „bestreitbar“.
Auch wenn du von Arbeitsteilung sprichst, muss es da ja schon irgendetwas Aufzuteilendes geben. Ich würde vermuten, dass da im Regelfall diese (subjektiv) nützliche Arbeit/N dahinter steckt: wenn Menschen das, was bei der Arbeit herauskommen soll, nicht irgendwie als für sie nützlich, sprich die Arbeit als erledigenswert erachten würden, warum sollten sie sie dann überhaupt aufteilen wollen?
Dass Arbeit und Arbeitsteilung sehr alt sind und bis auf den Ursprung der menschlichen Gesellschaften zurückgehen, da sind wir uns einig. Und um eine Begriffsbildung, die „unabhängig vom Kapitalismus“ (#4) ist, geht es mir hier ja auch gerade.
Ich stimme dir auch dazu, dass der Arbeitsbegriff heute sehr inflationär gebraucht wird (#8) und z.B. oft einfach für „etwas das Anstrengung macht“ verwendet wird — beispielsweise bei „Trauerarbeit“ oder „Beziehungsarbeit“. Diese inflationären „Arbeiten“ sind nach keiner der von mir vorgeschlagenen Definitionen welche, da kann man den Begriff dann auch als irreführend zurückweisen, genau wie man darauf hinweisen kann, dass die Begriffe „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmerin“ im Kapitalismus falsch herum verwendet werden (da ja der Arbeitnehmer für die Arbeitgeberin arbeitet und nicht anders herum).
Insbesondere die nützliche Arbeit/N und, etwas weniger, die Arbeit/M als Mittel für einen anderen Zweck scheinen mir aber hilfreich, wenn man tatsächlich über Arbeit jenseits des Kapitalismus nachdenken will. Denn da muss man ja erstmal sagen können, worüber man eigentlich sprechen will (wenn nicht über die Kapitalismus-spezifische Lohnarbeit).
@Alle: Jetzt wirds kommunikativ ein bisschen kompliziert bzw. aufwändig.
Überblicksmäßig:
@Franz: Ich akzeptiere deine Entschuldigung. Danke.
Vorhaben @Alle: (die anderen können sich vorstellen, dass wir als Freunde uns da backstage auseinandergesetzt haben; das was da unsichtbar geblieben ist, möchte ich kurz zusammenfassen)
Vorhaben @Hans-Hermann: wir haben ziemlich viel Übereinstimmung, du hast aber interessante Aspekte in die Diskussion gebracht, die noch keiner aufgegriffen hat. Das möchte ich tun.
Vorhaben @Christian: Danke, dass du dich wieder in die Diskussion einschaltest. Möchte mich in die konstruktive Begriffsarbeit einklinken. Das ist aber kompliziert, weil es eine Kritik der kategorialen Denkweise einschließt, die uns alle kulturell prägt. Ich möchte zeigen, wo und wie das unproduktiv wird, aber konstruktiv einen alternativen Weg skizzieren und diskutieren.
Kann noch nicht sagen, wie ich diese vier Vorhaben zeitlich unterbringe. Hoffentlich in den nächsten zwei Tagen.
Die getroffene Unterscheidung zwischen Arbeit/M und Arbeit/N (letztere die gebrauchswert-schaffende Arbeit i.S.v. Marx) leuchtet mir insgesamt ein.
Mir fehlt noch die Grundlage für die getroffenen Unterscheidungen, zum Beispiel „Arbeit ist ein längerandauerndes, planvolles Handeln (= eine Tätigkeit)“. Schließlich ist es eher keine Arbeit, wenn ich jemand spontan von der Klippe schucke, um ihn/sie loszuwerden, oder einen Blumenstrauß pflücke, um meine Wohnung zu verschönern … Geplantes, über längere Zeit dauerndes Handeln mit demselben Zweck (Mordkomplott; Blumenanbau) wäre in beiden Fällen wohl tatsächlich Arbeit!
@#18: Es fragt sich, ob du „Beziehungsarbeit“ und „Trauerarbeit“ ausschließen kannst. Damit sind ja auch Tätigkeiten gemeint, die nicht um ihrer selbst Willen getan werden, sondern als Mittel zum Zweck (Verbesserung der Beziehung bzw. Verarbeitung eines Geschehens).
Wenn ich in einer Beziehung leide, ist das sicher keine Arbeit. Wenn ich mich aber entschließe, mich mit dem Partner zusammenzusetzen und/oder Sex zu haben, um die Beziehung zu retten, ohne dass Gespräch oder Sex Selbstzweck wären, scheint mir das unter Arbeit/M zu fallen …
Ich bestreite grundsätzich die Sinnhaftigkeit eines Redens von „der“ Nützlichkeitsbestimmung, als könnte „Nützlichkeit“ ein mit eigenem Geist beseeltes Etwas sein, das ohne wirkliche Interaktionen wirklicher Menschen auskäme. Christians Annahme über meine Annahme ist dennoch falsch.
Damit etwas Bestimmtes als Arbeit gilt, muss über dessen Nützlichkeit keine gesamtgesellschaftliche Übereinkunft erzielt werden. Dessen Ergebnis muss in der Tat nur von irgend jemanden oder zumindest einer gewissen Zahl Menschen / Institutionen, jedenfalls ganz und gar subjektiv als nützlich empfunden werden. Wenn die Herstellung von Dingen oder Handlungsoptionen, die als unnütz oder gar schädlich angesehen werden, dennoch als Arbeit gelten, so deshalb, weil dabei – mehr oder minder unterschwellig – reflektiert wird, dass die getätigten Anstrengungen für andere sehr wohl einen (subjektiven) Nutzen bedeuten. Geschrieben hatte ich:
Wenn Trauerarbeit, Beziehungsarbeit usw. als Arbeit anerkannt werden auch wenn die zufällig einmal nicht tauschwertproduktiv (aneignungsvermögenakkumulationsproduktiv) sein sollten, empfinde ich das z.B. als durchaus nutzbringend im Hinblick auf die Arbeit, die für die Überwindung kapitalistischer (und die Etablierung ökokommunistischer) Behauptungsbedingungen / Formen der Arbeitsteilung zu leisten wäre.
Unnütz kommt es mir dagegen vor, den Gebrauch der Worte Trauerarbeit oder Beziehungsarbeit vom Standpunkt einer als einzig wahr vorgestellten Wesensbestimmung von Arbeit ausgehend „inflationären Gebrauch des Arbeitsbegriffs“ zu schelten.
@christian: Vielleicht könnte man den Begriff der Reproduktion als Ziel der Arbeit noch mehr betonen. Letztlich zielen ja nicht nur häusliche Arbeiten auf die Reproduktion ab, sondern auch die Lohnarbeit. Man arbeitet halt, um sich zu ernähren (oder hast du das so allgemein gemeint ?).
Im Sinne von Franz kann man dann eben auch an diesem Punkt der Reproduktion versuchen herauszuarbeiten, wo es da beim kapitalistischem System Probleme geben kann/ gibt, bzw. wie die vielleicht besser organisiert werden könnte.
@ harm Auf Reproduktion also die Wiederherstellung von bereits Bestehendem kann sich keine Gesellschaft beschränken. Arbeit sollte schon auch bereichernd sein.
Wann immer eine Begriffsdefinition problematisch wird, stelle ich die Frage: Vor welchem Hintergrund soll hier eine Begriffsunterscheidung vorgenommen werden, worauf läuft das ganze hinaus? Welches ist die Unterscheidung, die einen Unterschied macht?
Arbeit/S/M/N/U ist, wie die Diskussion schon zeigt, nicht ganz erfreulich getroffen.
Vielleicht hilft ein kleiner Einwurf von Seiten der Wertkritik weiter? (Und zwar insbesondere das http://www.krisis.org/1999/manifest-gegen-die-arbeit)
Ich glaube, Norbert Trenkle war es einmal, der gefragt wurde: „Warum sind Sie gegen die Arbeit? Aus Faulheit? Die Menschen haben doch immer schon gearbeitet!“
Und er erwiderte (sinngemäßg und gekürzt): „Die Menschen haben immer schon Häuser gebaut, Essen angepflanzt, Möbel gebaut und so weiter. Arbeiten tun sie erst seit dem Kapitalismus“.
Mir scheint also, es geht ihm um die ‚abstrakte‘ Arbeit als Kategorie, wie sie einzig im Kapitalismus vorkommt. Einzigartig wird sie, weil sie in der selbstzweckhaften Maschinerie des Kapitals Anwendung findet. Ich mähe den Rasen, weil das hin und wieder nötig ist. Das ist aber keine Arbeit (wohl aber Arbeit/M, /N, manchmal auch Arbeit/S). Von Arbeit in Trenkles Sinne spricht man anscheinend erst dann, wenn die Arbeit der entfremdeten Kapitalakkumulation dient. Beim Rasenmähen ist das erst der Fall, wenn ich selbständiger/gewerblicher/freiberuflicher Rasenmäher werde.
(Ganz davon ab: Ob eine Tätigkeit Arbeit ist oder nicht, liegt also nicht im Wesen dieser Tätigkeit)
@Franz: Mit „Arbeit an der Arbeit“ meinst du, wenn ich das richtig verstehe, das was du (oder war es jemand anders?) früher mal „Arbeit, die sich selbst überflüssig machen will“ nannte, sprich Arbeit an höherer Automatisierung und Mechanisierung, die darauf angelegt ist, die menschliche Arbeit insgesamt weniger und leichter zu machen?
Das ist ein inhaltlicher Blick auf die Arbeit, der in diesem Artikel tatsächlich nicht in den Blick kam, weil es mir hier vor Betrachtung der Inhalte erstmal um die Begriffsklärung ging. Allerdings setzt „Arbeit, die sich selbst überflüssig machen will“ selbst schon ein bestimmtes Begriffsverständnis voraus, nämlich dass die Arbeit im Wesentlichen Mittel zu einem anderen Zweck ist und nicht Selbstzweck (also Arbeit/M in meiner Terminologie) — andernfalls gäbe es ja wenig Grund, sie reduzieren zu wollen.
Mit Frithjof Bergmann hast du dich ja früher schon äußerst kritisch auseinandergesetzt, da scheint mir erstmal wenig hinzuzufügen. Mit dem Konzept der Eigenarbeit werde ich mich im nächsten Artikel noch beschäftigen — das kann eine gute Sache sein, wenn die Bedingungen stimmen, aber die Bedingungen dafür sind äußerst voraussetzungsreich, so dass es leicht nach hinten losgehen kann. Als Allheilmittel, wie Bergmann es propagiert, darf man es jedenfalls nicht betrachten.
@ Christian:
Mit „Arbeit als Selbstzweck“ hab ich meinerseits sehr große Probleme. Es gibt Lebenssituationen, da kann es sehr beglückend sein, die eigene Kraft in Bewegung zu erleben, etwas hervorzubringen, sich mit der Materie und mit ihrem Widerstand, ihren Eigengesetzlichkeiten usw. zu beschäftigen oder Menschen glücklich zu machen; doch erscheint mir das als subjektive Zutat, nicht erzwingbar, nicht herbeiführbar. Eine große Ruhe und eine große Konzentration muss da möglich sein…..
Das „große System“ hingegen, die ständige Neureflexion und Optimierung der Prozesse, die als angeeignete Naturprozesse zu Automaten und selbstheilenden Biotopen werden, die Beratschlagung darüber, die kreative Gestaltung der lebenswelt die nicht mehr in produktive Ökonomie und unproduktiven Konsum zerfällt, ist ja nicht einfach eine Reduktion von Arbeit; es ist eine Umschichtung, ein Hinüberwandern in den geistig – konzeptionellen Bereich, das so unbeschränkt lohnend ist in seinem materiellen Resultat, dass es mir als Selbstzweck noch eher einleuchtet.
Der Spruch „Arbeit ist jene Tätigkeit die ihre Minimierung zum Ziel hat“ ist in diesem Sinn zu verstehen. Sie kann sich dabei und dadurch aber auf immer neue Freiheiten und Gestaltungen werfen, auf Schmuck, Ornament, Kunst, Überfluss, Inszenierung, Spiel, was weiß ich, dass tendenziell Deine Bestimmung „Arbeit als Selbstzweck“ auf eine neue Weise wahr wird.
>>> Zumindest in unserer Vorstellung ist dieser Planet noch das, was er sein soll und sein kann, auch wenn wir in der Realität draußen entdecken, dass „Arbeit als Selbstzweck“ in den allermeisten Fällen tatsächlich jene negative Besessenheit und Zwanghaftigkeit mit sich schleppt,von der Daniel oben spricht, die die Wurzel allen Übels der Gegenwart ist.
Was Sinnsprüche nicht alles zuwege bringen.
Warum nur dieser Eifer im Bemühen, den Sammelbegriff „Arbeit“ ohne jede Einordnung des Gemeinten in reale Lebensbezüge (d.h. von ihnen entfremdet) moralisch auf und abzuwerten?
Arbeitsmühen bzw. -kosten sparende Arbeit ist von der kapitalistischen Konkurrenz aufgenötigt und in der Tat Basis für die unwillkürliche Ausweitung der Möglichkeiten zur Produktion und zum Genuss einer Menge Kunst, Spiel, Spott und sonstiger Vergnügungen.
Dass die Nötigung zur Konkurrenzfähigkeit diejenigen Arbeiten überflüssig macht, die die neusten Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können oder einfach nur in der gleichen Zeit weniger Mittel zu deren Befriedigung herzustellen in der Lage sind, als die Konkurrenz es vermag, ist die Basis all der zivilisatorischen Fortschritte, die die kapitalistischen Formen der Arbeitsteilung so beliebt und erfolgreich machen – und bei den weniger Erfolgreichen, Gerechtigkeitsfanatikern oder Ökosensibelchen womöglich auch verhasst, wenn das Problem auch meist nicht als Kapitalismus erkannt wird, der (welt-) kommunistisch aufzuheben wäre sondern als „der Westen“, als imperialer Lebensstil, Gier oder sonstiger Teufelskram den es sebstzweckmäßig zu bekämpfen gilt .
Das ist vielleicht schade für die, deren Lebensgenuss in einer gewohnten und evt. sogar geliebten Tätigkeit aufgehoben war, die nun überflüssig wurde, aber auch eine Freunde für die, für deren Bedürfnissbefriedigung neue Kräfte frei werden bzw. nun weniger gearbeitet werden muss.
Die bekannten Probleme dieser Fortschrittsmaschinerie sind allerdings, dass so erreichten Möglichkeiten zur Ausweitung der Zeiten zur Erholung und zum Freizeitvergnügen oder für das Vergnügen, an unschädlicheren und nachhaltig netteren Produkten, Produktionsverfahren usw. zu arbeiten, von der Jagd nach immer neuen Konsumartkeln bzw. Verdienstmöglichkeiten aufgefressen werden.
Oder dass wir die gewonnene Zeit nicht nutzen können, den erreichten oder prinzipiell entwickelbaren Möglichkeiten entsprechend zielgerichtet und erfolgsorientiert daran zu arbeiten, die ökologischen Risiken und Schäden zu vermeiden, die die gewachsenen Möglichkeiten zur Dienstbarmachung von Natur für menschliche Bedürfnisse heute erlauben.
Statt „Arbeit als Selbstzweck“ ohne Ansehen der Zwecke und wie diese (mit-) bestimmt sind in den Himmel zu loben und „Arbeit als Mittel“ (diese Zwecke zu erreichen) zu verteufeln, sollten wir vielleicht an der Befähigung arbeiten, die Zwecke (weltkommunistisch) mitbestimmen zu können, zu deren Erreichung es sich lohnnt, Zeit, Nerv, Muskel und Denkvermögen zu investieren.
@Hans-Hermann #7:
mit deiner Definition „Für mich ist Arbeit die körperliche und geistige Tätigkeit mit der Menschen auf die Herstellung eines bestimmten sozialen Nutzens (Gebrauchswerts) abzielen, d.h. mit diesen Tätigkeiten Zwecke verfolgen, die als nützlich anerkannt sind“ könnte ich ganz gut leben.
Das einzige, was mir nicht klar genug formuliert ist, steckt im Ausdruck „eines sozialen Nutzens (Gebrauchswerts)“. Sozialer Nutzen könnte so beschrieben werden: „sozialer Nutzen, der nicht primär der eigenen Person oder ihrem unmittelbaren familiären Umfeld, sondern in der Gemeinschaft oder Gesellschaft insgesamt wirksam wird.“ Z. B. jemand, der als Zahnarzt arbeitet, wird primär nicht für sich oder seine Familie, sondern im Prinzip für jeden tätig, der dies braucht, er arbeitet für hunderte oder tausende Patienten. Der Milchbauer produziert nicht primär für sich, sondern seine Milch versorgt viele Menschen seiner Region, die er gar nicht persönlich zu kennen braucht.
Ohne diesen Aspekt, der mit anderen Aspekten (Arbeitsteilung, Spezialisierung, Tätigkeitsbereiche als Berufsbilder, Arbeitsorganisation, etc. sowie gewünschte Wirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen daraus) eng verbunden ist, kann Arbeit imho nicht sinnvoll gedacht werden.
Ich denke, du deutest das auch in deinem Bezug auf die „Menschwerdung des Affen“, also das Entstehen der Zivilisation im weitesten Sinne, an. Bestimmte Tätigkeiten können überhaupt nicht als Eigenarbeit erbracht werden. Ich kann z. B. nicht mein eigener Herzchirurg sein, und mir nicht selbst Lehrer sein.
@Alle, betreffend Kategorienbildung:
Kategorien, als Erfindung griechischer Philosophie und Grundlage der Entwicklung westlicher Denkweise durch 2500 Jahre, sind kein simples oder beliebiges Arrangieren von Entitäten unter Eigenschaften. Es scheint, dass das intellektuell-handwerklichen Grundlagen dazu, die früher selbstverständlich waren, verloren gegangen sind. Traditionell wird dem Gesamtwerk des Aristoteles die 800 Jahre später geschriebene http://de.wikipedia.org/wiki/Isagoge des Römers Porphyrius als gute und kompakte Einführung vorangestellt. Es lohnt sich diese 20 Seiten zu lesen.
Das kategoriale Denken hat seine Tücken und bringt nur dort Erfolg, wo die wesentlichen Eigenschaft (die „Differenzen“) identifiziert und die Entitäten in einem genealogischen Begriffs-Baum geordnet werden können, der dann auch Basis für unserer gewohnte („aristotelische“) Logik sein kann.
Wenn etwa ein Erforscher Afrikas mit der kategorialen Erkenntnis, dass es ein „Nord-Afrika“, „Süd-Afrika“, „Ost-Afrika“ und „West-Afrika“ gäbe, zurückkehren würde, dann könnten wir ihm entgegnen, dass er dazu seinen Lehnstuhl in Europa nicht hätte verlassen müssen, und noch nichts über die Wirklichkeit ausgesagt hat. Es gibt auch kein Logik, die jetzt etwas über diese Teile Afrikas aussagen könnte.
Oft habe ich heute das Gefühl, dass Wissenschafter sich mit solchen relativ leeren Begriffbildungen begnügen.
Auch der Ansatz dieser Seite ist, Kategorien der Arbeit zu schaffen, statt den Begriff der Arbeit zu klären, dabei aber den Habitus zu zeigen, dass mit diesem ersten Schritt ein verfolgbarer Weg betreten sei, dem man nur logisch weiter folgen müsse um zu Erkenntnissen zu gelangen. Für mich ist transparent, dass der Weg in eine Sackgasse führT.
Deswegen bestreite ich, in der Folge, die Sinnhaftigkeit aller oben gebildeten Arbeits-Kategorien, namentlich: Arbeit/M, Arbeit/S, Arbeit/N und Arbeit/U.
@Martin:
Arbeit generell als eine Form von planvollem Handeln anzusehen ist sicher sinnvoll. Mit dem „längerandauernd“ tue ich mich ein bisschen schwer — wenn ich abends mein Geschirr abspüle, geht das oft nur ein paar Minuten, trotzdem würde ich es als Arbeit (N sowie M) auffassen.
Ja, du hast wahrscheinlich recht, dass es Beziehungs- oder Trauerarbeit als eine Form von Arbeit/M geben kann. Trotzdem scheinen mir diese Begriffe inflationär gebraucht zu werden, wenn z.B. die Wikipedia schreibt:
Also wenn ich meine Partnerin ernst nehme, nett zu ihr bin und auf sie und ihre Bedürfnisse Rücksicht nehme, wird das pauschal zur Arbeit erklärt!
Oder wenn bestimmte Phasen, die zu einem „normalen“ Trauerprozess (was immer das sein soll) gehören, z.B. „Anerkennung der Realität“ und „Entscheidung zum Leben“ zur Trauerarbeit erklärt werden, die die Trauernde zu „leisten“ hat. Sowas scheint mir nicht ergiebig, da wird das Konzept des „Arbeitens“ so weit ausgedehnt, dass es von „tun“ oder sogar „leben“ praktisch nicht mehr zu unterscheiden ist.
@Daniel:
Ja, das ist ein weiterer Begriff von Arbeit, der nur für den Kapitalismus gilt, die wertproduzierende Arbeit.
(Marx nennt diese wertproduzierende, also zur Kapitalakkumulation beitragende Arbeit „produktive Arbeit“, wofür er von Feministinnen kritisiert wurde, dass er da die Hausarbeit und andere Formen nützlicher, aber niemands Kapital vermehrender Arbeit/N vergessen hätte. Hat er nicht, weil er da den Standpunkt des Kapitalisten einnimmt, der nur sein Kapital und dessen Verwertung im Sinne hat, aber der Begriff ist natürlich sehr missverständlich.)
Wenn man über den Kapitalismus hinausdenken will, braucht man aber auch einen Begriff von dem, was Trenkle mit „Häuser gebaut, Essen angepflanzt, Möbel gebaut und so weiter“ umreißt. Ich schlage dafür Arbeit/N vor, man kann es auch anders nennen.
Man könnte auch schlicht „Arbeit“ dazu sagen. Wer’s komplizierter möchte kann auch statt „ich baue ein Haus“ Arbeit/H sagen, schwere Arbeit „Arbeit/S“ nennen und mit einem neuen Begriff schwanger gehen „Arbeit/SmB“. Sorry, aber ich verstehe einfach den Sinn des Unternehmens nicht. Habe das Gefühl, dass die notwendige Auseinandersetzung mit neuen Formen der Arbeitsteilung und Zweckbestimmung von Arbeit in Begriffsschablonen gepresst werden, die diese notwendige Auseinandersetzung (Arbeit) eher vermeiden helfen.
@Helmut L
Ja, das Verbinde jeglicher Formen von Arbeit und was sie alle vom Hobby unterscheidet, ist, dass mit ihr etwas produziert wird, dass andere nützlich finden / zu nutzen verstehen. Arbeit hat in diesem Verständnis, was auch immer deren Form ist, immer diese soziale Qualität. Wobei die Grenzen natürlich nicht immer eindeutig gezogen werden könnnen.
Die Fortbildung, die ich grad abgeschlossen habe, war Arbeit, weil ich dabei mein soziales Vermögen verbessern konnte, das heißt, ich habe in mühevollerArbeit, wenn auch mit großem Vergnügen im eigenen Körper vergegenständlichte Produktionsmittel gebildet von deren Anwendung andere nach meiner Überzeugung profieren dürften.
Vielleicht ließe sich Gleiches für das Durcharbeiten dieses Textes sagen:
http://www.roman-eisele.de/phil/stuff/PorphyriosEisagoge.pdf (danke für den Hinweis). Aber ob das wirklich Arbeit sein wird oder am Ende nur potenziell Arbeit gewesen sein wird, ließe sich erst sagen, nachdem das tatsächlich Früchte getragen hat, die irgendjemand wenn nicht nahrhaft so doch einigermaßen geschmackvoll findet, oder eben nicht.
@Hans-Hermann: danke für den interessanten Link zu dieser Einführung zur Isagoge. Ich kenne nur das Original, das etwas länger, aber auch erstaunlich modern zu lesen ist, diese übersichtlichen Diagramme aber nicht enthält.
Wichtig ist die Verbindung zur Logik, und zu verstehen, dass Kategorien nicht beliebig abgrenzt werden dürfen, sondern die Entitäten insgesamt baumartig ordnen, durch die grundlegenden artbildenden Differenzen, und damit das Begriffsfeld effizienz zugänglich machen.
Die Aufgabe des Kategorisierens wäre, die Arbeit im Rahmen des gesamten Feldes allen Tuns in eine Ordnung zu bringen. Diese Ordnung umfasst dann mehr als nur die Arbeit, sondern auch übergeordnete, untergeordnete und nebengeordnete Begriffe.
Ich mache mal einen Versuch. Genereller noch als die Arbeit scheint mir die Tätigkeit, und noch genereller das Tun. Ein Mensch oder Tier tut etwas, in beobachtbarer, bewusster oder unbewusster, begründbarer und unbegründbarere Weise. Der Mensch (oder Tier) isst, schläft, atmet, sieht, fühlt, jagt, kratzt sich, paart sich. Der Mensch dräumt, handelt, ist tätig, arbeitet, diskutiert, spielt, lehrt, begeht ein Verbrechen. Das ist das Tun, es scheint mir nichts Allgemeineres zu geben. Wir haben kein spezialiertes Wort für die Einheit des Tuns, also nenne ich das die Aktion. Ich tue, wie das Tier oder jeder andere Mensch den ganzen Tag (24 Stunden) etwas, auflösbar und beschriebbar in einer Folge von einzelnen Aktionen.
Diese Tun unterteilt sich, scheint mir, in ein zweckorientieres Tun und ein zweckloses Tun. Beides ist Mensch und Tier eigen. Über das zweckorientierte Tun braucht man nicht viel zu sagen, nur Beispiele zu geben: Das Tier sucht z. B. Futter und frisst es, um zu überleben. Der Mensch liest z. B. ein Buch, um sich zu unterhalten. Beim zwecklosen Tun ist es komplizierter, weil nicht klar ist, ob das Tun tatsächlich zwecklos ist, oder wir den Zweck nur nicht kennen. Beispiele sind nicht so leicht zu geben und können bestritten werden. Ich könnte behaupten, sich im Schlaf zu wälzen habe keinen Zweck; jemand anderer könnte einwenden, auf diese Weise würden die Muskeln nicht versteifen, und dies hätte sehr wohl einen Zweck. Ich belasse es hier dabei, dass es ein zweckloses Tun geben könne, dass es aber sehr wenig Aktionen gibt, denen nicht irgendein Zweck zumindest zugeschrieben werden kann.
An dieser Stelle wäre darauf hinzuweisen, dass es viele Ausdrücke gibt, die das zweckorientierte Tun umschreiben, ohne etwas an seiner Bedeutung zu ändern. Man kann auch zweckvoll sagen, oder von einem Nutzen oder von einem Ziel, von Nutzen oder zielorientiert sprechen. Mensch und Tier – wir könnten von lebendigen Akteuren sprechen, tun fast alles in dieser Weise. Die Ameise läuft scheinbar ziellos herum, aber wir dürfen annehmen, dass sie auf der Suche nach Nahrung, oder am Weg zu ihrem Nest, oder auf der Flucht, befindlich ist. Leben vergeudet Energie selten völlig blind, es sucht nach Nahrung, Vorteilen, Chancen…
Das zwecklose Tun weiter zu untersuchen, spare ich mir hier und konzentriere mich auf das zweckorientierte Tun, konkreter die einzelnen zweckorientierte Aktion. Diese kann bewusst oder unbewusst sein. Der einzelne Atmenzug ist meist unbewusst, kann aber auch bewusst durchgeführt werden. Wir gehen bewusst von A nach B, weil wir am Ort B etwas tun wollen, aber sind uns der einzelnen Schritte, die auch unwichtig sind, meist nicht bewusst. Trotzdem hat jeder Schritt seinen Zweck, in diesem Fall ist er dem Zweck „nach B kommen“ untergeordnet. Dem unbewusst zweckvollen Tun widme ich mich hier nicht weiter, sondern weise nur darauf hin, dass viel tierisches Tun ein solch unbewusst zweckvolles Tun ist, vor allem umfasst das alle Tiere, die kein ausgeprägtes Bewusstsein haben. Aber auch beim Mensch ist viel unbewusst zweckorientiertes Tun evident.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ein zweckorientiertes Tun nicht notwendig seinen Zweck erreicht. Jedes Tun, das sich im Prinzip an einem Zweck, Nutzen oder Ziel orientiert, kann auch darin scheitern, also zwecklos, nutzlos oder erfolglos sein. Dies ist aber etwas, das sich erst in nachträglicher Betrachtung feststellen lässt, und das umstritten sein kann. Es kann eine Aktion mehr als einem Zweck dienen, und sie kann dann den einen Zweck verfehlen und im anderen Zweck erfolgreich sein. Die Aktion kann durch mangelnde Fähigkeit des Akteurs, trotz vorhandenem guten Willen scheitern. Die Aktion kann aber auch an äußeren Umständen scheitern, obwohl der Akteur alle Fähigkeiten dafür mitgebracht, und die erforderliche ernsthafte Anstrengung aufgebracht hat. Die suchende Ameise kann ohne Nahrungsfund bleiben, ein Schiff kann im Sturm untergehen und sein Ziel nicht erreichen. Ein Haus kann gebaut werden, ohne je bewohnt zu werden. Jeder kann sich Beispiele aus seinem Leben dazu denken, nichts weiter davon.
Das bewusste zweckorientierte Tun bezeichnet die Philosophen von jeher als Handlung, und in der menschlichen Fähigkeit zu handeln und seinen Handlungen zu begründen, unterscheidet er sich vom Tier. Wir könnten hier zwischen begründetem und unbegründetem bewusst-zweckorientierem Tun unterscheiden, und damit Raum für eine tierisches bewusstes Tun lassen. Ich lasse hier offen, ob das notwendig und sinnvoll ist. Es ist für die Untersuchung des menschlichen Tuns nicht weiter von Bedeutung.
Anmerkung: Die Handlung, als begründetes bewusstes zweckorientiertes Tun, ist noch an der einzelnen Aktion orientiert, aber enthält schon Elemente, die den Akteur der Handlung transzendieren. Die Begündung ist eine Akt des Sprechens und Denkens, und nur im Verhältnis zu einer Gemeinschaft denkbar, die des Sprechens und Denkens fähig geworden ist.
Um die Fülle die Aktionen nicht einzeln zu betrachten, können wir von Tätigkeiten sprechen: Damit sind Handlungen gemeint, die zwar einzelne Aktionen darstellen, und als solche beschreibbar und begreifbar sind, die aber einem wiederkehrenden Zweck zugeordnet und gemeinsam verständlich sind, ohne dass man sie einzeln untersuchen müsste. So sind etwa die Tätigkeiten Kochen, Reinigen, Schlafen, Lernen, Lehren, Diskutieren, usw. in ihrer generellen Zwecksetzung und Bedeutung verständlich, ohne dass wir jede einzelne Aktion dazu untersuchen müssten.
Unter den Tätigkeiten, wir erinnern uns dass sie sämlich zielorientiert sind aber nur akzidenziell erfolgreich oder nützlich sein können, gibt es nun eine Unterscheidung, wem der Nutzen primär dient: dem Akteur oder seinem sozialen Umfeld im allgemeinen Sinne.
Anzumerken ist, dass Tätigkeiten, die nicht primär dem Akteur nützen, zur Erschöpfung seiner Energie führen. Im Rahmen der Gemeinschaft muss es daher kooperative Mechanismen geben, so dass andere Akteure tätig werden, so dass gegenseitiger Nutzen entsteht. Der evolutionäre Fortschritt der Gemeinschaft besteht nun darin, dass dieses System der Kooperation zum jeweils anderen Nutzen, in Summe zu einer Synergie als Gemeinwohl hin geführt werden kann. Gelingt das nicht, kommt die Gemeinschaft in eine Krise, es droht der Zerfall.
Tätigkeiten, die wiederholt, begründbar, zielorientiert und bewusst, mit dem primären Nutzen für andere Menschen, vom Akteur für das soziale Umfeld des Akteur erbracht werden, können wir sinnvollerweise mit dem Wort „Arbeit“ identifizieren.
Das wäre eine erste Skizze zur Kategorienbildung rund um den Begriff der Arbeit.
Wenn man diesen Gedanken folgt, ergeben sich Gedanken zu den vorgeschlagenen Begriffen Arbeit/M, Arbeit/S, Arbeit/N und Arbeit/U wie von selbst.
Arbeit/S ist ein Unding. Arbeit ist als begründete zielorientierte Tätigkeit nie Selbstzweck. Beispiele können nicht gegeben werden bzw. müssten erbracht werden.
Arbeit/N und Arbeit/U stellt ein Akzidenz fehlerhaft in den Mittelpunkt. Arbeit ist imer auf einen Nutzen ausgerichtet, aber dieser Nutzen wird nicht immer erreicht. Dies mindert nicht den Charakter der Arbeit. Beispiel dafür ist das schon gegebene Beispiel des Baus des Hauses, das nie bewohnt wird.
Arbeit/M ist ein Begriff, der falsch angelegt ist, denn er erfasst zwar im Prinzip die Zielorierentierung, legt diese aber negativ aus, macht sie dem Begriff zum Vorwurf. Statt dessen sollte man den generellen Nutzen der Arbeit zur Begründung von Gemeinschaft durch Kooperation und Synergie, sowie die enthaltene Möglichkeit des Mehrfachnutzens von Tätigkeiten, in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen.
@Helmut:
Ich möchte diese Identifikation von Arbeit mit Arbeitsteilung infrage stellen. Ein ganz triviales Beispiel als Illustration: Um ein Flugblatt herzustellen, musste ich vor 100 Jahren oder auch noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu einer Druckerei gehen und tatsächlich die Arbeit vermittels von Setzern, Druckern und möglicherweise dann auch noch Faltern und Schneidern erledigen lassen. Heute genügt dazu dass ich selber texte, layoute, und dann das Endresultat entweder auf meinem Heimdrucker ausdrucke oder an den automatisierten Printshop schicke.
Ist das was ich jetzt mache etwa keine Arbeit mehr? Dieselbe Tätigkeit war vorher Arbeit, musste arbeitsteilig verrichtet werden, ist aber nun in meinen Handlungsbereich als „autarkes“ Individuum gerückt. Man könnte auch sagen: die Arbeitsteiligkeit ist gesamtgesellschaftlich auf dem Rückzug zugunsten einer Struktur der ermächtigten Eigenarbeit, und diese ist die Arbeitsform der Zukunft. Diese Erhöhung des Autonomiegrades läuft diametral der momentan herrschenden Wirtschaftsform entgegen, die von der Herstellung von Bedürftigkeit lebt, und diese lieber künstlich aufrechterhält. Hier mit der Universalität von Arbeitsteiligkeit (also quasi „ontologisch“) zu argumentieren halte ich für schwer bedenklich.
Ein zweiter Punkt der noch dafür spräche, die Arbeit nicht vorschnell als ein mutualistisches soziales Verhältnis zu identifizieren, wäre der Punkt mit der Begründbarkeit. Begründen kann eine Handlung nur das Individuum. In Gemeinschaft können wir uns über unsere Gründe verständigen, wir können einander (im besten Falle) motivieren, ermutigen, erklären. Aber Gemeinschaft als begründendes Subjekt existiert nicht, es sei denn als ideologische Kaschierung eines Machtanspruches.
Ich argumentiere dabei keineswegs gegen gemeinschaftliche Daseinsbewältigung; in der Tat sind wir auch dann, wenn es uns gelingt, eine auf hohem Standard operierende Automatisierung in die Welt zu setzen, von beständiger gemeinschaftlicher Pflege der Automaten abhängig. Die Eigenarbeit setzt auch eine intensive Pflege von gemeinschaftlichen Repositories voraus. Aber die Notwendigkeit, das eigene Dasein auf der beständigen Aneignung fremder Zeit aufzubauen, schwindet.
„Der Nutzen für andere Menschen“ ist also auch dann gegeben, wenn ich für mich alleine eine Verbesserung im Programm meines Lebensvollzugs entwickle. Andere können diese Verbesserung in Anspruch nehmen oder auch nicht.
Im Übrigen kann ich mich der Kritik an Arbeit/S, Arbeit/M, Arbeit/N und Arbeit/U anschließen. Den Sysiphus von Arbeit/U gibt es nur im ökonomischen Märchenbuch des Keynesianismus, der es für sinnvoll erklärt, „Löcher in den Boden graben und wieder zuschütten zu lassen, bezahlt durch Ersparnisse“ weil dadurch „nicht nur die Beschäftigung erhöht wird, sondern auch die reale nationale Ausschüttung nützlicher Waren und Dienstleistungen.“
Arbeit ist ganz wesentlich zweckbestimmte Tätigkeit, und auch die die sich am Markt als unnütz herausstellt wurde höchst zweckmäßig vernutzt. Je mehr sich gesellschaftliche Produktivität in einer Konkurrenzwirtschaft erhöht, umso zufälliger wird es, ob sich die einzelne Arbeit als nützlich bewährt.
@Franz #34: vielleicht ist dir nicht aufgefallen, dass in #33 der Begriff der Arbeitsteilung nicht direkt vorkommt. Er steckt indirekt drin, aber ergibt sich primär als – verkürzt gesprochen – „Tätigkeit zum Nutzen Anderer“.
Wenn du ein Flugblatt machst, dann ist das aber genau so etwas. Das Flugblatt nützt dir nichts, denn du weißt, was drin steht. Dir würde auch ein Exemplar statt tausend reichen. Du willst aber viele, gerade dir unbekannte Menschen erreichen und ihnen nützliche Information geben. Du verwendest bei deiner „nicht arbeitsteiligen“ Flugblatterstellung den Computer, den Drucker, das Papier und trinkst den Kaffee, den andere für Andere hergestellt haben.
Arbeitsteilung wäre aber auch nie Selbstzweck, als „je mehr desto besser“, sondern ergibt sich in der Suche nach Gemeinschaft und Synergie. Der Flugblatt-Drucker sucht „Gesinnungs-Gemeinschaft“, der Computer-Bauer sucht „Benutzer-Gemeinschaft“.
Die Fragen die vielmehr entstehen sind: Wenn Arbeit und Gemeinschaft korrellieren, wie muss dann Arbeit strukturiert und organisiert werden, um dieses Ziel von Synergie in der Gemeinschaft zu erreichen? bzw. Welche Fehler werden dabei gemacht? Welcher Missbrauch von Gemeinschaft und Arbeit findet statt? und Wie kann man die negativen Nebenwirkungen und gemeinschaftszerstörenden Erscheinungsformen von Arbeit hintanhalten?
@Franz #35:
Ich stimme dir zu, dass man nichts vorschnell machen sollte. Vielleicht gibt es viele Gründe, die Konzeption von #33 zu hinterfragen oder zu modifizieren. Aber dein obiges Argument halte ich nicht für stichhaltig.
Ich habe schon in #33 angeführt, dass das Begründen (wie das Denken) eine Tätigkeit ist, die erst in der Gemeinschaft möglich wird. Jede Philosophie, besonders die moderne Philosophie, die sich als Sprachphilosoophie oder analytische Philosophie versteht, sieht die Sprache, die uns gegeben und vermittelt wird, als grundlegend. Vielfach werden auch „Begründungssysteme“ als als gesellschaftliches Phänomen philosophisch thematisiert. Wie weit Begründungssysteme wie: Religion, Naturwissenschaft, Kritische Theorie, als Ideologien zu verstehen sind, ist wohl umstritten, weil der Begriff Ideologie eine Abwertung beinhaltet, die niemand auf sich selbst angewendet wissen will.
Das Individuum, das begründet, richtet sich jedenfalls an eine Gemeinschaft, die diese Begründung akzeptiert oder verwirft, oder auch andere Gründe vermuten kann. Das Begründen scheint mir somit kein isolierter und kein autarker Akt des Individuums. Das Begründen scheint auch nicht notwendig eine Handlung des Akteur, wie z. B. der Psychoanalytiker die Gründe eines psychotischen Verhaltens in einem frühkindlicher Trauma erkennen kann, ohne oder bevor dies der Akteur tut. Das Begründen geht auch nicht unbedingt als Entscheidungsvorbereitung der Handlung voraus, sondern kann auch im Nachhinein erfolgen, etwa weil eine Begründung von Anderen erwartet oder gefordert wird. Es geht oft um eine sozial akzaptable Begründung, im Extremfall eine Rechtfertigung.
In Summe scheint mir klar, dass das Begründen nur im Ausnahmefall ein Akt des Individuums ist, vielmehr (Normalfall bzw. im idealtypischen Fall) mehrfach in der Gemeinschaft begründet ist, nämlich zumindest genetisch, relativ und aktuell kausal veranlasst.
Noch abstrakter könnte man sagen, dass das Denken des Individuums nichts anderes ist, als die Internalisierung des Gesprächs mit Anderen, als eine Form des Redens und der Auseinandersetzung mit sich selbst.
Ich führe noch einige Punkte an, die zur Diskussion gehören sollten.
Fast trivial ist, dass Berufe und Berufsbilder mit gemeinschaftlich akzeptierter Arbeit korrespondieren. Auch wenn das im Kontext der Zeit und der jeweiligen Kultur zu sehen ist.
Der Nutzen-Aspekt wäre dabei wieder problematisch (z. B. Scharfrichter; Eisenbahnwaggon-Bremser).
In der Klassifikation der Handlungen und Tätigkeiten haben wir bisher ausgelassen: das private Spiel, das professionelle Spiel, der private Sport, der professionelle Sport, oder das geplante Verbrechen (Ist Drogenhandel eine Arbeit?). Egal welchen Begriff von Arbeit wir haben, sollte es uns einfach möglich sein, warum wir Handlungen oder Tätigkeiten als Arbeit bezeichnen oder nicht. Wie schon mehrfach dargelegt, hilft uns der Nutzen-Aspekt und die Varianten /M/S/U/N dabei nicht im Geringsten.
Sicher scheint mir auch, dass „mühevoll“ nur ein Azidenz der Arbeit ist. Der Normalfall der Arbeit, und das Ziel der Organisation von Arbeit, sollte sein dass man sie gerne und mit innerer Befriedigung tut. Arbeit kann auch „leicht von der Hand gehen“. Technik kann und soll dabei helfen.
Ich würde übrigens den Sprachgebrauch weder leichtfertig akzeptieren (meinen, dass etwas, das alltagssprchlich als „-arbeit“ bezeichnet wird, wie „Trauerarbeit“, auch Arbeit wäre oder als Arbeit betrachtet werden müsse), noch würde ich ihn als inflationär beklagen, denn unser Reichtum der Sprache speist sich wesentlich aus dem assoziativen und metaphorischen Gebrauch von Worten, die uns Phänomene wie „Trauerarbeit“ erschließen helfen.
Um über Arbeit in einem theoretischen Sinne sprechen zu können, muss der Terminus als Fachbegriff mit einer spezifischen Bedeutung ausgestattet werden, und sich so einseits von den Unwägbarkeiten der Alltagssprache unabhägnig machen, um dann andererseits zum Maßstab der alltäglichen Phänomene werden zu können.
Arbeit ist das Überführen von einer Energieform in die andere. Dabei wird irgendwas verändert. Beispiel: Wenn ein Mensch scheinbar nichts tut und dabei mit einer Leistung von 50 Watt seine Fettreserven verbrennt, um damit das Zimmer zu heizen, ist das bereits Arbeit.
Hallo Thomas, das ist der Arbeits-Begriff als Fachterminus im Kontext der Physik. Der passt aber hier nicht in diese Diskussion. lg Helmut
@Franz #26:
Ja, so sehe ich das ja auch. Ich habe arge Zweifel daran, dass alle Arbeit jemals auch Selbstzweck sein könnte, und ich behaupte auch nicht, dass sie das werden sollte.
Das ist ein Ideal von Arbeit, das ich nachvollziehen kann, aber es entspricht ja nicht der gesellschaftlichen Realität, weder heute noch in Vergangenheit (wenn auch womöglich irgendwann mal in Zukunft). Der Kapitalismus ist die bislang einzige Gesellschaft, in der sich die Entscheidungsträger (Kapitalisten) systematisch um die Reduktion von Arbeit bemühen, und sie tun das, um ihre Kosten zu senken und sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen, nicht um das Leben anderer Leute zu verbessern oder zu erleichtern.
HHH #32:
Mir scheint, das was du schlicht Arbeit und ich lieber Arbeit/N nenne, liegt inhaltlich tatsächlich nah beieinander. Man könnte schlicht „Arbeit“ dazu sagen, wenn man sicher sein könnte, dass alle anderen unter „Arbeit“ auch dasselbe verstehen und nicht etwa wie Norbert Trenkle (#24) an kapitalismusspezifische Konzepte von Arbeit wie etwa die wertproduzierende Arbeit oder die Lohnarbeit denken oder wie Thomas eben gar an Arbeit im physikalischen Sinne oder irgend etwas anderes, was auch manchmal unter „Arbeit“ gefasst wird.
Leider ist diese Vorannahme wenig realistisch. Deshalb bin ich lieber expliziter.
@Helmut #33:
Wie auch Franz leuchtet mir diese absolute Unterscheidung zwischen „für mich“ und „für andere“ nicht ein. Die Hausfrau, die für ihre Familie (inklusive ihr selbst) abspült, arbeitet also, die Alleinlebende, die nur ihr eigenes Geschirr abspült, nicht? Obwohl es sich doch um genau dieselbe Tätigkeit handelt und sich auch die Einstellung der Spülerin zu ihrer Tätigkeit nicht geändert hat? Was wenn ich täglich abspüle und dies manchmal nur mir zugute kommt und manchmal anderen (z.B. weil meine Familie nur am Wochenende da ist)? Nicht ohne Grund habe ich Arbeit/N als „etwas für andere oder für später Nützliches tun“ charakterisiert — dieser Zusatz erscheint mir keineswegs akzidentell oder verzichtbar, sondern wesentlich, wenn man einen konsistenten Begriff erhalten will.
Nicht nur, sondern auch Selbstzweck, wie du meinem Artikel schon entnehmen konntest. Um zum Beispiel die Studie „Why Hackers Do What They Do“ zur Motivation von Programmierer_innen Freier Software zu zitieren:
Das ist Arbeit/S.
Missverständnis, mir geht es keineswegs darum, ob der Nutzen erreicht wird oder nicht, es reicht schon, dass er angestrebt wurde. Die Arbeit/N, einen Stuhl zu produzieren, wird nicht dadurch nutzlos, dass der Verkauf des Stuhls hinterher scheitert oder der Stuhl durch einen Unglücksfall verbrennt, bevor jemand darauf gesessen hat.
Nur Arbeiten, die nicht mal von der Intention der Arbeitenden oder ihrer Auftraggeber her ein Bedürfnis befrieden sollen (= nützlich sein sollen), sind unnütze Arbeiten/U. Wenn du glaubst, sowas gäbe es gar nicht, lies mal z.B. 1-Euro-Jobs: demütigende, sinnlose Beschäftigungen:
Aber Danke für den Hinweis auf die Missverständlichkeit dieser Begriffe, ich werde in den Artikel noch ein kleines Update einfügen, um dies oben schon klarzustellen.
Die Begriffe Arbeit/M (Arbeit als Mittel zum Zweck) und Arbeit/S (Arbeit auch als Selbstzweck) sind von mir rein beschreibend gemeint, nicht ab- oder aufwertend. Um die Motivation von Menschen zu verstehen, sind sie wichtig, wie z.B. die oben zitierte Studie zur Motivation von „Hackern“ zeigt.
@Helmut Leitner: Doch, ich finde der physikalische Arbeitsbegriff passt sehr schön hierher, weil er so klar ist, und er lässt sich meiner Meinung nach auch sehr schön auf menschliche Arbeit übertragen. Entscheidend ist, dass durch die Arbeit die Umwelt verändert wird. Dabei sind die umgesetzten Joule (Wattsekunden) aber weniger interessant als die Qualität der Arbeit: Welche Kiste wurde von wo nach wo befördert? Welcher Zettel wurde in welchen Aktenordner eingeheftet? etc.
@ Christian 44,
1. ich würde diesen zweifellos existenten Formen irrenhausartiger Beschäftigungstherapie den Ehrentitel Arbeit schlicht entziehen. Wir haben ja auch den simulierte Supermarkt und ähnliches schon gesehen. Simulation von Arbeit im Sinn der Aufrechterhaltung des „Beschäftigungszwangs“ ist einfach keine Arbeit.
2. ich bezweifle ob es eine wirklich intrinsische Motivation ohne Verbindung zur Zweckhaftigkeit der Arbeit gibt. Dann aber hat Helmut recht, wenn er sagt dass das Gefühl mit dem jemand arbeitet ein Akzidenz ist. Umgekehrt wäre ich aber geneigt, den Eisenbahnfanatiker, der jahrzehntelang an seiner Anlage bastelt, weil sie ihm privates Sinnrefugium geworden ist, ebenfalls aus dem Kreise derer, die Arbeit verrichten, eher rauszudenken.
Letzteres schaut ja schon fast so aus als würd ich Helmuts Arbeitsbegriff doch noch als Kriterium anwenden, aber da hast Du ja weitere Beispiele gebracht aus denen ersichtlich wird, dass es nicht um eine rein soziale Beziehung geht, sondern um etwas was wir ganz generell als gesellschaftlich vermittelte Aktivität zur Sicherung des Lebensvollzugs bezeichnen könnten.
Diese kann teilig sein oder auch nicht. In gewisser Weise ist auch der Eigenarbeiter gesellschaftliches Wesen par excellence.
Ich merke aber immer mehr dass dem Begriff der Arbeit auch eine ideologische Komponente anhaftet. Im Unterschied zu Helmut (und Dir?) glaub ich nicht dass wir für eine kooperative Gesellschaft so dringend einen übergreifenden Begriff der Arbeit brauchen, denn die Binnenunterschiede zwischen den Organisationsweisen der Arbeit sind viel größer als die Gemeinsamkeiten.
Letztlich ist das wirklich Auffällige und Spannende, wenn sich der Lebensvollzug und seine Absicherung verändert, vereinfacht, reflektiert wird. Wenn wirklich Mühe erspart und Freude gewonnen wird. Wie könnten wir das nennen? „Urbeit“?
Ich möchte auf Erich Fromms Verständnis von ‚Arbeit‘ als Reaktion auf die existentiellen menschlichen Bedürfnisse hinweisen. Klaus Widerstrom hat in diesem Beitrag, imho sehr fruchtbar, die Anstrengung unternommen die Bestimmung von ‚Arbeit‘ im Kontext der Frommschen Analytischen Sozialpsychologie darzustellen:
https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2009/10/kwiderstrom_-_erich_fromms_verstandnis_von_arbeit.pdf
PS: Tolle Arbeit die Ihr hier auf keimform.de leistet. Die Erschließung der archivierten Beiträge verspricht, nach dem wenigen was ich schon gelesen habe zu urteilen, sehr spannend zu werden.
@Rolf #48: Danke für diesen Verweis über Widerstrom auf Fromm. Ich habe ein positives Verhältnis zu Fromm, seit ich vor Jahrzehnten seine psychoanalytischen Werke, vor allem „Die Furcht vor der Freiheit“, „Psychoanalyse und Ethik, und „Anatomie der menschlichen Destruktivität“ mit viel Gewinn (als Werke über Psychologie) gelesen habe. Ein besonderer Bezug zum Thema „Arbeit“ ist mir damals in diesen Werken nicht aufgefallen bzw. war ich vielleicht auch nicht dafür sensibilisiert.
Wenn ich heute aber diese Widerstrom’sche Zusammenfassung zu „Fromm über Arbeit“ lese, dann sehe ich mit Widerwillen einen prominenten Experten wie viele, der sein Fachgebiet verlässt. Als Konservativer erklärt er die Gesellschaft und ihre Strukturen (und damit auch die Arbeit und ihre Organisation und Erscheinungen) als vernünftig (und nicht als kontingent). Er beklagt zwar ein bisschen die Entfremdung, und fordert einen Übergang vom maximalen zum optimalen Konsum, aber das ist es dann auch schon. Plakativ gesprochen: Mit diesem Intellektualitätsverständnis ist jedes Gesellschaftssystem und ihre Erscheinungenals konstituierend zu erklären, und der Mensch mit seinen existenziellen und psychologischen Bedürfnissen daraufhin zu orientieren.
@Franz: Ich sehe deine Utopie der Eigenarbeit als Ausweg als reine Illusion. Welchen grundsätzlichen Unterschied macht es, ob jemand 1% oder 5% seiner Bedürfnisse als Eigenarbeit erbringt? Selbst der idealisierte Bauer schmiedet sich nicht seinen Pflug (noch wenig schmilzt er das Eisen aus dem Erz, das er aus dem Berg gehauen hat) und er näht sich seine Kleider und Schuhe nicht (noch weniger, er spinnt und webt die Stoffe, gerbt das Leder nicht); er braut nichts sein Bier; und spielt nicht seine Musik zum Tanz.
Du wärst auch der letzte, der seine eigene Bibliothek oder das Lesen fremder Texte aufgäbe, weil sie nicht der Eigenarbeit entstammen.
Die Fähigkeit Dinge selbst zu tun ist wichtig, aber gegen den Effekt der Entfremdung, der jeden trifft, der sich spezialisiert. Es ist ein Teil der Bildung, praktizierte Bildung, die jedem zugänglich sein soll.
@ Helmut 50: Die Debatte speziell zu diesem Punkt geht ja im nächsten Post (http://keimform.de/2014/arbeitsteilung-aber-wie/) ganz sicher weiter, aber ich versuche mal hier ganz kurz anzudeuten warum mir das Thema so wichtig ist. Die Fähigkeit Eigenarbeit zu verrichten ist ein direktes Antidot gegen jede Versteinerung gesellschaftlicher Verhältnisse, die im Namen von Gemeinwohl und Gemeinschaft subtilen Zwang auf Menschen ausüben, sich einem angeblichen Konsens über das System der Arbeiten und Bedürfnisse zu unerwerfen. Wenn Du so willst, ist die reale Autonomie der Produzenten eine wesentliche Bedingung ihrer freien Assoziation. Was wir im realen Sozialismus gesehen haben, die Inbesitznahme einer zwangsvergesellschafteten Industriearbeiterklasse durch ein Kollektiv das im Namen der Ausgebeuteten die „Kommandohöhen der Volkswirtschaft“ übernimmt, erfüllt diese Bedingung nicht. Insofern war es sogar für eine gewisse historische Periode sogar ein partieller Fortschritt, dass sich marktförmig – unternehmerische Denk- und Handlungsmuster so stark in den Vordergrund gedrängt haben. Dort herrscht ein Zwang zur autonomen Entscheidung und eine freie Wahl von „Kooperationspartnern“ und Verfahren. Wir haben nicht genügend Modelle einer kooperativen Gesellschaft, und manche historische Formen sind tatsächlich bloßgestellt worden, haben ihre Attraktivität weitgehend verloren, und auch wenn wir uns (wieder) nach ihnen sehnen, wird dieses Element der Selbstbestimmung als Gegengewicht gegen alle totalitären Tendenzen in alle künftigen Kooperationsmodelle einzubauen sein. Die Erweiterung des Eigenarbeitsraumes ist dabei ein zentrales Element.
@Franz #51: Ich glaube nicht, dass es zielführend ist, sich mit Beiträgen und schönen Diskussionen zufrieden zu geben, die nicht abgeschlossen werden, und die dann auf das nächste, auch nicht abschließbare Thema übertragen werden.
Wenn nicht klar ist, und im Moment stehen mehrere Varianten von „Arbeits“-Begriff zur Diskussion, was man unter Arbeit verstehen will (nicht was „Arbeit ist“ als ontologische Fragestellung), dann wird man nur einen ergebnislosen Diskurs produzieren. Ich finde es sehr enttäuschend, dass sich außer mir niemand findet, der sich zu Arbeit als Fachterminus bekennt, und damit z. B. eine saubere Abgrenzung von einem physikalischen und alltäglichen Arbeitsbegriff unterstützt.
Aus meiner Sicht ist Eigenarbeit keine Arbeit, weil sie per Definition nicht geteilt werden kann. Oder anders ausgedrückt: wenn „soziale/gesellschaftliche Arbeit“, mit ihrer Verteilung – und der Verteilung ihrer Erträge, das grundsätzliche Problem darstellt, dann ist Eigenarbeit offenbar nicht Teil dieses Problems und auch nicht Teil seiner Lösung.
Du hast noch nicht auf dein Flugblatt-Beispiel Bezug genommen, und noch nicht auf das Bibliothek-Beispiel.
Nun es ist aber auch enttäuschend wenn Du trotz vieler Vermittlungsversuche an Deiner Setzung festhältst.
Es sind hier schon sehr viele Brücken gebaut worden, um dieses „mit dem primären Nutzen für andere Menschen“ zu relativieren. Um auf Deine oder meine Beispiele zurückzukommen: Ein Flugblatt verfasse ich zum Beispiel, weil ich mit dem allgemeinen Bewusstsein unzufrieden bin, also quasi auch und vielleicht primär um meiner selbst willen auf das Denken meiner Mitmenschen Einfluss nehmen will. Die Bibliothek ergäbe für mich keinen Sinn, wenn sie nicht von anderen benutzbar wäre, und doch habe ich sie aus meinem Wissensdurst und Sammlerleidenschaft heraus aufgebaut.
Allgemein gesprochen: indem ich selbst mir substantielle Zwecke setze, verschwimmt die Grenze zwischen mir und anderen. Dass Eigenarbeit ex definitione nicht geteilt werden kann, ist in keiner Weise von mir behauptet. Nicht nur Frithjof, sondern auch z.B. Claus Offe haben den Terminus „Gemeinschaftliche Eigenarbeit“ verwendet. Und die Übergänge sind fließend und hochspannend. Eine Belegstelle wäre z.B. das hier:
„Gerade in ländlichen Kontexten ist öfter zu beobachten, wie private gemeinschaftliche Eigenarbeit, z. B. beim Hausbau, in eine allgemeine Kultur der Eigenarbeit eingebettet ist, die dann zum selbstverständlichen Engagement auch bei öffentlicher gemeinschaftlicher Eigenarbeit – etwa in Vereinen oder Gemeinden – führt. Dennoch sind Eigenarbeit und gesellschaftliches Engagement zunächst zwei verschiedene Dinge. Allerdings stärkt Eigenarbeit offenbar das Autonomiegefühl – und das ist eine wichtige, wenn auch keine hinreichende Voraussetzung für gesellschaftliches Engagement.“ („Anstiftung“: „Wovon Menschen Leben“ http://www.onleihe.de/static/content/oekom/20130320/978-3-86581-341-1/v978-3-86581-341-1.pdf)
Der heute aufpoppende Artikelgeburtstag von http://keimform.de/2012/diskursfigur-5-jenseits-der-arbeit/ passt übrigens gut zum jetzigen Diskurs, der eben deutliche Fortschritte markiert.
Die Diskussion um den Arbeitsbegriff ist doch müßig. Im Artikel ging es um Definitionen. Die wurden gegeben und sind auch richtig. Jede beliebige Definition ist richtig, sofern sie nicht aus formalen Gründen falsch ist, was hier m.E. nicht der Fall ist. Insofern erübrigt sich die Diskussion um irgendwelche Arbeitsbegriffe, da sie schlichtweg ein ganz anderes Thema sind, das mit Definitionen nichts zu tun hat.
Mir scheint, hier wird – nicht untypisch für Teile der Linken – ein philosophischer Ballast aus Absurditäten mitgeschleppt, angefangen bei Hegels Irrungen bis zum poststrukturalistischen Irrationalismus, anstatt sich wissenschaftlich mit einem Gegenstand zu befassen. Am Anfang einer wissenschaftlichen Untersuchung stehen Definitionen der Ausdrücke, die man verwenden will, damit überhaupt erst klar ist, worüber man redet. Genau das hat Christian Siefkes mit seinen Definitionen von Arbeit/(N|U|M|S) erreicht. Philosophische Meditationen über das „Wesen“ der Arbeit fügen dem nichts hinzu.
Bug-Report: Die Kommentarfunktion löscht noch immer die Absätze und das nachträgliche Bearbeiten funktioniert, wie man sieht, auch nicht.
@libertär #55: Arbeit/(N|U|M|S) sind so wenig Definitionen für „Arbeit“, wie Apfel/Grün und Apfel/Rot eine Definition von „Apfel“ sind.
@Franz #53: Wenn ich deine Bibliothek als Beispiel der Arbeitsteilung anführe, dann nicht als dein Zusammentragen im Verhältnis der von dir imaginierten Nutzung der selben Bibliothek durch andere, … , sondern dein Lesen der Bücher im Verhältnis zur Arbeit der tausenden Autoren diese Bücher zu schreiben. Du bist hier Konsument von 10-100.000 Arbeitsjahren Anderer. Wie willst du dem eine intellektuelle Eigenarbeit als Autonomie entgegen halten?
@Franz #53:
Wo halte ich an meiner Setzung fest? Ich habe eine Definition vorgeschlagen, ohne ein „so sein“ zu behaupten. D. h. jede andere Definition könnte ebenso eingebracht werden, und in ihrer Leistungsfähigkeit oder ihren Problemen verglichen werden.
Ich erwarte nur, dass begrifflich sauber gearbeitet und nicht geschludert wird, und dass auf Inkonsistenzen reagiert wird. (denn der alte Philosophenspruch gilt: „aus Falschem folgt Beliebiges“)
Ja, Arbeit/N ist ein Definiendum. Es ist keine Definition. Du wirfst hier wild die Kategorien durcheinander. Es ist vielleicht hilfreich, darauf hinzuweisen, dass eine Definition eine Gleichsetzung zweier (unterschiedlich langer) Ausdrücke (zwecks Abkürzung) ist. Mit „Wesen“, Bedeutung, Begriffen, Konzepten usw. hat das nichts zu tun.
Nein, Information hat (fast) keinen Wert, da zu ihrer Reproduktion kaum Arbeit nötig ist. Aber auch die Informations-Rente, die Informationskapitalisten in Form eines Preises mit Hilfe der Gewalt der herrschenden Eigentumsordnung von den Nutzern der Information abpressen, entspricht im Fall einer privaten Bibliothek wohl kaum dem Preis von 100.000 Arbeitsjahren. Dann hätte ja Franz Nahrada erst mal so viele Arbeitsjahre (!) leisten müssen, um sich seine Bücher leisten zu können. Außerdem sind die Löhne für Schriftsteller nicht so hoch, dass sie für ihre Arbeitsstunden multipliziert mit der Zahl ihrer zukünftigen Leser bezahlt werden. (Dann würde wohl jeder Schriftsteller sein.) Realistischerweise schrumpft also der Wert so einer Privatbibliothek von 100.000 Arbeitsjahren auf ein paar Arbeitsminuten, die für den Druck der Bücher aufgewandt werden mussten, oder auf Null, falls man sich die Bücher auf digitalem Weg besorgt.
@ Helmut: An dem einem Punkt stimme ich Dir zu, das Arbeiten an Ideen ist unmittelbar partizipativ. bei Marx findet sich der Ausdruck „Allgemeine Arbeit“. Vielleicht ist „intellektuelle Eigenarbeit“ sogar eine contradiction in adiecto.
Mir kommt es auf das Rückkoppelungsverhältnis von ge-share-ten Ideen und der individuellen Kompetenz an. Das ist der wahre Gradmesser zivilisatorischer Entwicklung.
@Helmut #52
„Ich glaube nicht, dass es zielführend ist, sich mit Beiträgen und schönen Diskussionen zufrieden zu geben, die nicht abgeschlossen werden, und die dann auf das nächste, auch nicht abschließbare Thema übertragen werden.“
+1
@all
Die schnelle Abfolge von Christians Blogs scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass er sich vor allem mit der konkreten Ausgestaltung der gesellschaftlichen Reproduktion mit uns auseinandersetzen möchte, dabei aber erkannt hat dass der Arbeitsbegriff in kapitalistischer und postkapitalistischer Gesellschaft zum einen notgedrungen unterschiedlich sein muss und zum anderen von zentraler Bedeutung ist.
Vielleicht ist es zielführend beides nicht getrennt zu behandeln.
Ich will hier noch einmal auf den Frommschen Arbeitsbegriff, „Arbeit ist die Reaktion des Menschen auf seine existentiellen Bedürfnisse“ rekurrieren und versuchen zu begründen warum ich ihn bislang noch allen hier genannten Definitionsvorschlägen vorziehe. Er ist über alle historischen Gesellschaftsformen von der archaischen bis zur kapitalistischen und darüber hinaus auf postkapitalistische GF anwendbar und weist zugleich auf Notwendigkeiten hin welche neu entstehenden Qualitäten einer fortschreitenden Entwicklung der Produktivkräfte entspringen. Während über prä- und frühkapitalistische Epochen ein materieller Mangel vorherrschte der eine Ausrichtung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse auf die quantitative Optimierung des produzierten Outputs gerechtfertigt erscheinen ließ, mithin also einer gesellschaftlich getragenen eindeutigen Bedürfnispriorisierung entsprach, brachte die kapitalistische Gesellschaft einen Überfluß hervor der eine solch totale Ausrichtung der Produktionsverhältnisse nunmehr unvernünftig macht.
Während die Vernunft gebietet bei einer Optimierung der Arbeit der Komplexität der dynamischen Bedürfnisstruktur Rechnung zu tragen und somit anhand eines korrespondierenden vieldimensionalen Vektors dieser Bedürfnisqualitäten im Stoffwechsel mit der Natur zu operieren, kennt der Kapitalismus nur ein Skalar in der alle Qualitäten kollabiert sind. Dieses Skalar wird als Kosten-Nutzen Relation akribisch erfaßt und gesellschaftlich, zum einen in Form übertragbarer Forderungen (die wir als Geld zu bezeichnen gewöhnt sind) und Verbindlichkeiten, vermittelt.
Die bürgerliche Sozialwissenschaft hat Ansätze wie die Glücksökonomie, Gemeinwohlökonomie/Gemeinwohlbilanz (vgl. auch http://webarchiv.bundestag.de/archive/2013/1212/bundestag/gremien/enquete/wachstum/index.html ) hervorgebracht die innerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse versucht in reparierender Manier ex-post die entstanden Schäden bzw. die nicht erfaßten Qualitäten operationalisierbar zu machen.
Mir scheint sich ein unbeackertes Feld Postkapitalistischer Ökonomie zu zeigen. Es eröffnet sich doch hier die Möglichkeit die existentiellen Bedürfnisse des Menschen zum integralen Bestandteil der Produktionsverhältnisse zu machen.
@Helmut
Du hast erwähnt dass Du Fromms Hauptwerk ‚Anatomie der menschlichen Destruktivität‘ gelesen hast. Dieses ist im Gegensatz zu (fast?) allen anderen Werken an die Psychologische/Psychoanalytische Fachwelt adressiert. Was mich zu der Vermutung führt daß Du einschlägig gebildet bist. Daher meine Frage: Kennst Du Literatur zur Bedürfnispriorisierung die hier hilfreich sein könnte? Mir fällt da nunächst nur die Maslowsche Bedürfnishierarchie aus meiner Schulbildung ein.
Hallo alle zusammen,
ich finde Eure Diskussion hier mal wieder richtig produktiv und anregend. Ich weiß nicht, ob es zu viel wird, aber ich möchte auch noch einiges Erweiternde zu bedenken geben.
Die Ausarbeitung von Helmut Leitner zur Arbeit als bestimmter Form von Tun bestimmt das Tun als Gattung, und die Arbeit als eine der Arten dieser Gattung. Christian dagegen nimmt Arbeit als die übergreifene Kategorie und versucht diese in Arten (die Schrägstrich-Arbeiten) zu unterteilen. Beide Methoden sind klassifizierende. Bei Helmut ist durch die konkrete Bildung der jeweiligen Arten (d.h. die vollständige Aufteilung in die neue besondere Bestimmung und ihr Nicht-…) sogar eine gewisse Vollständigkeit erreicht, wobei bei der Festlegung des Inhalts der Bestimmungen (zweckmäßig, bewusst, begründet, für andere) eine gewisse mögliche Willkür nicht ausgeschaltet werden kann.
Wenn ich mir nun die Frage nach den möglichen Formen einer Arbeitsteilung in einer nachkapitalistischen Gesellschaft stelle, würde ich aber anders als in dieser Weise klassifizierend vorgehen (Ich kann das hier auch nur ansatzweise überlegen):
Ich würde unterscheiden in eine Bestimmung der Arbeit, wie sie in allen menschlichen Zuständen auftritt – und zwar in Unterscheidung zu tierischem Verhalten (Arbeit also als eine Art von Verhalten von Lebewesen…). Diese Bestimmung von Arbeit hat primär mit gesellschaftlicher Reproduktion in und gegenüber natürlichen Bedingungen zu tun und sekundär darüber begründet mit Bewusstsein/Begründung. Ich komme dann ungefähr da heraus, wo auch Helmut Leitner steht mit seinen aneinandergefügten Eigentümlichkeiten der Arbeit (zweckmäßig, bewusst…).
Nun geht es aber, und das braucht die Fragestellung, um die Betrachtung der allgemeinmenschlichen Arbeit als Gattung und der Suche nach den sinnvoll zu betrachtenden Formen/Arten. Hier würde ich nicht nach solchen Eigenschaften vorgehen (als Mittel/ nützlich/…), wie Christian, sondern historisch: Arbeit in der jeweiligen Gesellschaftsformation. Denn von der Reproduktion der Menschen in der jeweiligen Gesellschaftsformation hängt die inhaltliche Bestimmung der Arbeit jeweils ab. Dabei komme ich darauf, dass die Arbeit in jeder Gesellschaftsform die konkrete Lösungsform konkreter Widersprüche (zwischen Mensch und Natur, zwischen Menschengruppen…) ist und ich ihre Formen nur in diesem Zusammenhang diskutieren lassen. (Das spielt ein wenig auch bei Fromm an, der hier genannt wurde).
Vielleicht haben es Metatheoretiker_innen gemerkt: Ich bin gehe dabei von einer klassifizierend-systemtheoretischen Methode über zu einer dialektischen, widerspruchsorientierten. Das mag die Sache verkomplizieren, aber m.E. ist die Wirklichkeit leider nicht einfacher gestrickt 😉
Ich kann nun jeweils herausarbeiten, wie durch die besondere Art, zu arbeiten, und damit auch die Arbeit zu teilen, in der jeweiligen Gesellschaftsform welche Widersprüche „gelöst“ werden (d.h. welche Bewegungsform die Widerprüche finden und welche neuen Widersprüche dabei entstehen).
Das geht natürlich nicht rein logisch. Insbesondere spielen nun die Bedingungen herein, die einerseits durch den Prozess selbst erzeugt werden (was man noch weitgehend logisch nachvollziehen kann – „geschichtliche Bedingungen“ nennt das Marx), aber andererseits auch immer wieder konkret-empirisch hineinzunehmen sind („naturwüchsige Bedingungen“ bei Marx).
Für diese Bedingungsanalyse ist es sinnvoll die Arbeit selbst in ihren Momenten zu sehen. Was sind ihre Momente: Was wirkt zusammen, wenn gearbeitet wird? Arbeitssubjekt – Arbeitsmittel – Arbeitsobjekt (mehr dazu vgl. http://www.thur.de/philo/notizen/arbeit.htm). Deren konkret-historisch vorhandenes Verhältnis bestimmt dann auch die angemessenen Formen der Teilung der Arbeit.
Zur Einschätzung einiger dieser Bedingungen in einer nachkapitalistischen Gesellschaft (Rolle der technischen Unterstützung von mehr oder weniger Eigenarbeit…) habt Ihr ja schon diskutiert.
Ich danke ansonsten auch noch mal ausdrücklich für die Porphyrius-Hinweise, die machen mir auch Hegels disjunktive Schlussform (bei ihm die höchste) besser verständlich.
@Rolf #62: Meine intensivere Beschäftigung mit Psychoanalyse liegt schon so lange zurück, dass mir eher die Konturen als die Details verfügbar sind. Aber soweit ich mich erinnere, beschäftigt die Psychoanalyse sich kaum mit so was wie einer Bedürfnispyramide. Die primäre Erkenntnis ist das Aufspüren von Kausalität im psychischen, und vor allem in den psychischen Erkrankungsformen. Oft weist das dann auf Defizite in den frühen Beziehungen des Kindes zur Mutter bzw. in der Familie hin.
Ich denke, das fundamentale Bedürfnis des Menschen ist jenes nach existenzieller und sozialer Sicherheit. Post-kapialistische Gesellschaft muss einen Weg finden, den Menschen Sicherheit zu geben, und einen ethisch-kulturellen Rahmen, damit jeder einen wertgeschätzten Beitrag in der Gesellschaft leisten kann. So wie in einem Organismus für jede Zelle gesorgt wird, erfordert ein „Organismus Menschheit“, dass für jeden Menschen gesorgt wird.
@Franz #61: Was du sagst
sind schöne Gedanken, aber mir fehlt die theoretische Rahmung. Wie soll, wenn schon „Arbeit“ ein unklarer Begriff ist, „Allgemeine Arbeit“ irgend etwas konkretes bedeuten. Was soll das sein? Wie ist das definiert?
@Annette #63: Ich gestehe gerne zu, dass meine obiger kategorialen Einteilung des Tuns, als Skizze oder Versuch, keinen besonderen Gültigkeitsanspruch hat. Bin selber auch eher ein Kritiker des kategorialen Denkens, denn ein Befürworter. Habe deswegen auch gar nichts gegen einen dialektischen Ansatz, wenn er nur nachvollziehbar und leistungsfähig ist. Würde verschiedenen Ansätzen dann einen musterorientierten Ansatz gegenüber stellen wollen.
In jedem Fall müsste man aber versuchen, einerseits einer Methode zu folgen, andererseits die Ergebnisse der Methode an der Wirklichkeit zu messen. Leisten dort die gewonnenen Begriffe einen Dienst, nämlich darüber hinaus, in einem selbstgeschaffenen Universum (wie in der reinen Mathematik) damit operieren zu können?
Wenn du z. B. sagst, dass bei der Arbeit zwischen Arbeits-Subjekt, Arbeits-Mittel und Arbeits-Objekt zu unterscheiden sei, heißt das dann, dass wenn eine solche Einteilung nicht möglich ist, es sich nicht um Arbeit handelt?
Birgt eine solche Subjekt-Objekt-Strukturierung nicht Gefahren? Etwa, in einer Tautologie zu landen, weil doch alles Tun von Akteuren als ein auf die Welt, also letztlich irgendein Objekt gerichtetes Tun verstanden werden kann – im schlimmsten Fall macht dann das Subjekt sich vielleicht selbst noch zum Objekt seiner Handlungen… Oder die Gefahr, die in der Subjekt-Objekt-Spaltung selbst steckt, die ja oft beklagt, deren Überwindung von vielen beschworen wird? Was, wenn zur Überwindung des Kapitalismus auch die Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung nötig wäre, diese aber über den besonderen Arbeitsbegriff basal in die eigene Theorie eingearbeitet wäre. Was dann?
Ich fände es aber jedenfalls interessant, wenn du dein Modell eines dialektischen Arbeitsbegriffes näher ausführen und zur Diskussion stellen würdest. Es könnte unsere Diskussion hier nur bereichern.
@ Helmut 65
Annette hat das mal zusammenzuschreiben versucht, und ich teile ihre Ansicht, dass der Begriff der Allgemeinen Arbeit sehr stark mit dem der Wissenschaft konvergiert:
http://www.annette-schlemm.de/project/wissenschaft.htm
insbesondere Abschnitt 2.3 „Wissenschaft als Allgemeine Arbeit“
ich verweise im Kontext dieses Threads auch auf ihre sieben insgesamt sehr gründlichen Untersuchungen hier:
http://www.annette-schlemm.de/arbeit.htm
bis
http://www.annette-schlemm.de/arbeit7.htm
@Annette #63:
Nein, damit hätte ich diese übergreifende Kategorie ja erst einmal definieren müssen, das tue ich nicht. Ich entwickle vielmehr zwei unabhängige Definitionen/Charakterisierungen von Arbeit, Arbeit/N (nützliche Arbeit) und Arbeit/M (Mittel zum Zweck). Die anderen beiden Schrägstrich-Arbeiten sind dann Komplementärbegriffe, um das, was unter Arbeit/N aber nicht /M fällt (-> Arbeit/S) bzw. umgekehrt (-> Arbeit/U) zu beschreiben.
Das funktioniert, wenn man sich mit existierenden oder vergangenen Gesellschaftsformation beschäftigt, wird aber schwierig, wenn es um Arbeit bzw. Arbeitsteilung in einer erst gedachten postkapitalistischen Gesellschaft geht, was mich ja eigentlich interessiert.
Die Schwierigkeit liegt schon darin, dass deine Frage nach der jeweiligen „inhaltliche Bestimmung der Arbeit“ voraussetzt, dass man in Bezug auf den Postkapitalismus überhaupt noch sinnvoll von „Arbeit“ reden kann. Aber das ist umstritten, wie z.B. der von Franz verlinkte Artikel von Stefan (dessen Stimme ich hier vermisse, aber wenn ihm die Zeit oder Lust zum Mitdiskutieren fehlt, ist das wohl nicht zu ändern) zeigt.
Wenn ich nützliche Arbeit/N so definiere wie es es hier tue, bin ich mir sicher, die Weiterexistenz von Arbeit/N auch für den Postkapitalismus annehmen und gegen eventuelle Einwände (die es bislang nicht gab) verteidigen zu können. Mit einem bloß intuitiven Vorverständnis von „Arbeit“ ist das hingegen weniger klar, weshalb dann auch die Grundlage für die dialektische Erforschung des Begriffs in Frage steht.
@Christian,
hm, dann sind deine Charakterisierungen wirklich pragmatischer gemeint, als ich dachte. Ich selbst kann das Grundkonzept der „Unabhängigkeit“ von nützlicher und Mittel-Arbeit schon mal nicht teilen. Meine Lohnarbeit sogar im Kapitalismus, ist für mich zwar nur Mittel, um über den Umweg Geld zu Lebensmitteln zu kommen, gleichzeitig verrichte ich trotz allem auch nützliche Arbeit, wenn meine Produkte tatsächlich benötigt und verwendet werden, was ja auch gelegentlich geschehen sollte, denn schließlich nutze ich derart hergestellte Produkte ständig. 😉
Wenn ich verstehen will, warum das so ist, muss ich schon etwas tiefer in die Dialektik von abstrakter und konkreter Arbeit im Kapitalismus einsteigen und wenn ich wissen will, wie es später damit weitergehen kann, muss ich meiner Meinung nach schon mehr tun als recht willkürlich konstruierte Klassifizierungen zu diskutieren.
Aber es ist Deine Artikelserie, ich bin trotzdem interessiert an dem, was Du dazu erarbeitest (z.B. der Verweis auf die fehlende Berufswahlfreiheit bei vielen Commons- und Commonskonzepten, das drückt eine Form meiner Bauschschmerzen dazu gut aus).
„Die Schwierigkeit liegt schon darin, dass deine Frage nach der jeweiligen “inhaltliche Bestimmung der Arbeit” voraussetzt, dass man in Bezug auf den Postkapitalismus überhaupt noch sinnvoll von “Arbeit” reden kann.“
Siehst Du einen spezifischen Unterschied von menschlicher Arbeit im Vergleich zu Aktivitäten von Tieren? Wenn ja, hast Du deine „inhaltliche Bestimmugn der Arbeit“.
„Mit einem bloß intuitiven Vorverständnis von “Arbeit” ist das hingegen weniger klar, weshalb dann auch die Grundlage für die dialektische Erforschung des Begriffs in Frage steht.“
Denst Du, ein „bloß intuitives Vorverständnis von „Arbeit““ sei „die Grundlage für die dialektische Erforschung des Begriffs“ ???
Dann hast Du eine völlig andere Vorstellung von Dialektik als ich…
@Helmut 66″Birgt eine solche Subjekt-Objekt-Strukturierung nicht Gefahren? Etwa, in einer Tautologie zu landen, weil doch alles Tun von Akteuren als ein auf die Welt, also letztlich irgendein Objekt gerichtetes Tun verstanden werden kann – im schlimmsten Fall macht dann das Subjekt sich vielleicht selbst noch zum Objekt seiner Handlungen… Oder die Gefahr, die in der Subjekt-Objekt-Spaltung selbst steckt, die ja oft beklagt, deren Überwindung von vielen beschworen wird? Was, wenn zur Überwindung des Kapitalismus auch die Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung nötig wäre, diese aber über den besonderen Arbeitsbegriff basal in die eigene Theorie eingearbeitet wäre. Was dann?“
Ist jemand mit der Buddhistischen Fundamentalkritik der ‚rechnenden Denkform‘ vertraut, die Karl-Heinz Brodbeck in seinem über mehr als 1100-seitigen Werk ‚Die Herrschaft des Geldes – Geschichte und Systematik‘ entfaltet? Darin spricht der ausgebildete Ökonom jeder Ökonomik den Rang einer Wissenschaft ab.Nachfolgend einige Zitate, sowie ein Link zu einem relevanten Auszug aus dem detailierten Inhaltsverzeichnis, die womöglich geeignet sind Interesse daran zu wecken.
„Neben Aristoteles hat eigentlich nur Marx die Höhe der Fragestellung – die Klärung der kategorialen Grundlagen der Wissenschaft von der Wirtschaft – , wenn auch durchsetzt mit Irrtümern, erfasst.“
„Ich möchte im Anschluß an die Diskussion der Kritischen Theorie noch einige Anmerkungen zur These machen, dass die Dialektik die geeignete Denkmethode sei, um soziale Sachverhalte zu erfassen. Die Schwierigkeit dieser These liegt in der völligen Unbestimmtheit dessen, was „Dialektik“ bedeutet. Wie so oft, spricht Adorno in einer gelungenen Formulierung eine richtige Ahnung aus, weicht vor der Durchführung aber aus. In seiner Negativen Dialektik steht der Satz: „Dialektik ist das konsequente Bewusstsein von Nichtidentität. Sie bezieht nicht vorweg einen Standpunkt.“ Dieser Satz wird erst wahr, wenn der Prozess der Identität als Prozess der Täuschung tatsächlich rekonstruiert wird, wenn man nicht über die Nicht-Identität urteilt, sondern sich in ihr denkend bewegt. Doch eben in diesem Sinn wird diese Kategorie, trotz sporadischer Hinweise und dunkler Anmerkungen bei den Frankfurtern, kaum verwendet.“
“ „Bedeutung“ ist ein sozialer Prozess. Die Frage, welche Bedeutung Begriffe haben, alltägliche und wissenschaftliche, und die Frage, was „Werte“ in der „Wirtschaft bedeuten, haben nicht nur eine strukturelle Ähnlichkeit. Es handelt sich um denselben sozialen Prozess, der die allgemeine Bedeutung von Begriffen erzeugt, verändert, reproduziert und zugleich den Dingen einen ökonomischen Wert beilegt. Im sozialen Kommunikations- und Handlungsprozess reproduziert sich sowohl die Gesellschaft ökonomisch wie semiotisch. Anders gesagt: Semiotik und Ökonomik untersuchen eigentlich dasselbe Phänomen.“
https://dl.dropboxusercontent.com/u/14730145/Brodbeck-HerrschaftDesGeldes-Inhalt.pdf
PS: Ob man mit dem buddhistischen Ansatz wirklich etwas anfangen kann hängt mMn daran ob man sich mit dem Ausgangspunkt, der Erweiterung des radikalen Konstruktivismus, um die Negierung einer tatsächlichen Dualität von Ich und Welt anfreunden kann. Also die Weltkonstruktion des Bewußtseins im RK um die, in der Natur des Menschen angelegte, Selbst-Weltkonstruktion als erkenntistheoretischen Ausgangspunkt anzunehmen bereit ist. Bedeutende Tiefenpsychologen haben immerhin eine hohe Konvergenz ihrer wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnis mit dem durch die Buddhistische Praxis über unmittelbare Erfahrung erlangten Erkenntnis konstatiert. Hinzu gesellen sich neuere Erkenntnisse der Hirnforschung
@Helmut 68,
einerseits wird dem dialektischen Denken vorgeworfen, es wolle alles „versöhnen“, andererseits wird genannten Momente eines Ganzen dann umstandslos unterstellt, „getrennt“ zu sein. Wieso wird eine Unterscheidung von Subjekt und Objekt sofort als „Subjekt-Objekt-Spaltung“ interpretiert und dann deren Gefahren thematisiert, anstatt zu bemerken, dass diese Unterscheidung nur auf der vorausgesetzten Einheit basiert (ja, sogar das Wort „Spaltung“ hat die vorausgesetzte Einheit ja noch drin). Über den Unterschied von „Trennung“ und „Unterschied“ schrieb ich ja in dem schon verlinkten Text (http://www.thur.de/philo/notizen/arbeit.htm) schon etwas.
Ansonsten würde ich die Frage, ob diese Momente in jedem Arbeitsprozess gefunden werden können, mit Ja beantworten. So sehr ich gerade beim Einrichten meines Gärtchens auf die Mitwirkung der Natur vertrauen muss, so kann nur ich über Gründe meiner Anpflanzung nachdenken und sie kommunizieren, die Natur kann mir „ihre Meinung“ das nur durch biologische „Signale“ mitteilen (ob etwas gedeiht oder eingeht). Insofern bin ich das Subjekt, die Natur das Objekt. Das Objekt hat seine ihm eigentümlichen eigenständigen Verhaltensweisen, es ist niemals nur passives „Material“ meines Einwirkens. Aber menschliche Verhaltensweisen haben eine spezifisch unterscheidende Qualität, die den Subjektstatus des menschlichen Moments begründet (und uns übrigens auch die Verantwortung für unser ökologisches Verhalten aufbürdet, weil eben nur Menschen ihr Verhalten verantworten können).
@Franz #67: Ich bin leider zeitlich nicht in der Lage die umfangreichen Texte zu analysieren und zu kritisieren, die du da zitierst. Ich stolpere aber gleich über folgenden Punkt, im Abschnitt „Allgemeine Arbeit“:
Hier stimmt doch Hegel, Leitko, und letztlich Annette ganz klar mit dem von mir favorisierten Arbeitsbegriff überein. „Allgemeine Arbeit“ ist hier ja nicht als eine besondere Form von Arbeit, als eine Teilmenge möglicher Formen von Arbeit gemeint, sondern als idealtypische Arbeit, ganz in meinem Sinne.
Wenn du sagst „Wissenschaft ist Allgemeine Arbeit“, so kann das in zweierlei Art verstanden werden: (1) Wissenschaft ist eine Form von Allgemeiner Arbeit oder (2) Wissenschaft ist identisch mit Allgemeiner Arbeit. Ich habe dich als (2) verstanden und halte das für falsch. (1) dagegen ist aus meiner Sicht trivial richtig, denn die Produktion von Wissen als gesellschaftliches Gemeingut ist wesentlich „Arbeit für Andere“, denn selbst ist der Wissenschaftler so gut wie nie der direkte Nutznießer seiner Erkenntnis. Bzw. ist Wissenschaft als sozialer Prozess auf eine peer-forschende und peer-review-ende Wissenschafts-Community angewiesen.
Wenn du aber (1) gemeint hast, dann ist die Aussage wenig zielführend, denn „Wissenschaft ist ein Beispiel für allgemeine Arbeit“ wäre so wenig erhellend für den Arbeitsbegriff („Was ist Arbeit“), wie wenn jemand auf die Frage „Was ist ein Lebensmittel“ mit „Apfel ist ein Lebensmittel“ antwortet.
@Christian #68: Wenn du (zu Annette) schreibst:
dann sprichst du genau das begriffliche Problem an, auf das ich hingewiesen habe. Nämlich dass man, um Postkapitalismus zu Denken notwendig Begriff braucht, die vom Kapitalismus unabhängig sind.
Mein Vorschlag war ein idealtyischer Arbeitsbegriff, der unabhängig von Zeit und Epoche gilt, und dessen Deformation oder Missbrauch im Kapitalismus festgestellt und in der Folge aufgehoben werden kann. Wohlgemerkt, wir reden hier über begriffliche Konstruktionen. Man muss das nicht so machen oder so wollen.
Nur, wenn du umgekehrt, „Arbeit“ als im Kapitalismus verankert, und als Begriff im Postkapitalismus nicht mehr verwendbar vorstellst, dann hast du erstens dieses Begriffs-Problem und dies wird durch „Arbeit/N“ auch nicht gelöst, weil dieser Begriff an den Begriff „Arbeit“ gebunden ist.
Begrifftechnisch richtig wäre dann aber , von nützlichen Tätigkeiten, also meinetwegen Tätigkeiten/N zu sprechen, die sowohl im Kapitalismus, als auch im Postkapitalismus vorkommen.
Dann müsste man aber sagen, dass ein Teil der kapitalistischen Arbeit/Pfui durchaus aus Tätigkeiten/N besteht, die nicht kritisierbar sind und fortbestehen werden. Irgendjemand wird sich dann auch dazu durchringen müssen, zu sagen, dass auch in einer postkapitalistischen Gesellschaft jemand den „Müll wegbringen“ (Tätigkeit/N) „müssen“ wird.
Es wäre dann wiederum nur zu hoffen, dass die Neuerung der postkapitalistischen Gesellschaft nicht darin besteht, die Menschen, die nur mehr 2 Stunden am Tag arbeiten (paralleler Beitrag über Arbeitsteilung), die freigewordenen 6 Stunden politisch zu erziehen (da muss ja dann vielleicht nicht auf Freiwilligkeit bestanden werden, denn Erziehung ist ja keine Arbeit/Pfui), damit der Mensch sich beim Müllentsorgen der Verpflichtung/Pfui als Verpflichtung/Juhu bewusst wird.
@Rolf #70: Danke für deinen Hinweis auf Brodbeck. Das Inhaltsverzeichnis schaut wirklich äußerst interessant aus. Und eine buddhistische Sicht auf die Dinge könnte wertvolle Impulse geben, um eingefahrene Diskurse zu überdenken. Einziger Wermuts-Tropfen ist der Preis von ca. 70 €.
Vielleicht kannst du das eine oder andere daraus zitieren, um den Charakter des Denkens sichtbar zu machen. Kritik des mechanistischen Denkens wäre ja nicht genug, und auch kein Aspekt, für den wir ein buddhistisches Querdenken bräuchten.
@Annette #71: Die angesprochene Subjekt-Objekt-Spaltung war nicht (rückwärts) als Vorwurf an die Dialektik gemeint, die ich damit gar nicht verbinde, sondern (vorwärts), als ein Stolperstein des eigenen Denken in Richtung auf einen Postkapitalismus. Subjekt-Objekt-Spaltung sehe ich einfach als gängiges philosophisches Diskussionsthema (siehe z. B. Wikipedia).
Konkreter ist aber das Problem der Tautologie. Ich behaupte mal, dass jeder Aktivität eine Subjekt-Mittel-Objekt Form zugeschrieben werden kann, und dass damit weder Arbeit abgegrenzt wird, noch etwas über Arbeit ausgesagt werden kann. Und ich behaupt, dass es Formen von Arbeit gibt (trotz der Schwierigkeit, dass wir keine Definition von Arbeit haben), in der die Subjekt-Mittel-Objekt Form zweifelhaft ist.
Machen wir ein plakatives Beispiel: Ist „Sexarbeit“ ein Arbeit? Wenn ja, wo ist dann im einfachsten Szenario das Mittel? Ändert sich der Charakter des Geschehens, wenn Mittel verwendet werden oder nicht? Wenn es keine Arbeit sein soll, wie bedeutet dann die in vielen Szenarien (z. B. Telefonsex oder SM) vorhandene Subjekt-Mittel-Objekt Struktur?
@ Helmut 72: Ich weiß ja nicht genau was Annette unter „dialektischem Denken“ versteht, aber soweit ich die Stelle in Erinnerung habe, und deswegen hab ich sie ja auch zitiert, gibt es einen Fortgang. An der Oberfläche erscheinen die Dinge manchmal etwas anders, als sie bei näherer Betrachtung sind, und für mich ist dialektisches Denken genau diese Explikation, wie sich „Wesen“ und „Erscheinung“ zueinander verhalten.
Tatsächlich tritt die „Verallgemeinerung der Arbeit“ mit der fortschreitenden Arbeitsteilung in die Welt und wird sozusagen zur zweiten sozialen Natur; ob erzwungen oder freiwillig oder als Anpassung , das spielt hier keine Rolle. Der Clou besteht aber darin, dass sobald die Subjekte „im allgemeinen Zusammenhang der Gesellschaft“ drinnen sind, eine Gegentendenz Platz greift, die Gesellschaft stellt immer mehr vergegenständlichtes Wissen und Apparaturen zur Verfügung, aus dem der Einzelne oder ein beliebigen Kollektiv mit abnehmender Fremdbestimmung wie auf Algorithmen oder Programme zugreifen kann.
„Allgemeine Arbeit“ meint im letzten, durch den Fortgang der Betrachtung hindurch, diese Tendenz, dass damit immer mehr gesellschaftliche Produktivkräfte für die Eigenarbeit „latent“ zur Verfügung stehen, WENN das gesellschaftlich gewollt und organisiert ist. „Allgemeine Arbeit“ ist somit die Arbeit am immer wieder abrufbaren und immer verlässlicher werdenden „Programmbestand“ für alle möglichen Situationen und Bedürfnisse. Oder wie ich es nenne, die „Arbeit an der Arbeit“. Wenn Du so willst, ist in den letzten Jahrzehnten eine Krise der Kohärenz zwischen Wissenschaft, Technogie und Praxis entstanden, und die Commons Bewegung hat mühsam wieder rekonstruieren müssen, was früher selbstverständlich schien.
Natürlich entsteht dieser „Progammbestand“ idealiter nicht nur und sogar nicht vorwiegend in Prozessen praktischer Auseinandersetzung mit Problemen der Produktion in dieser, sondern er wäre Bestandtteil einer immanenten Entwicklung der Wissenschaft selbst, die sich in Forschungsweise, Darstellungsweise, Lehrweise und Anwendungsweise differenzieren und als zentrale partizipative geistige Infrastruktur der Menschheit den Kern der Kultur bilden könnte – wenn es denn verstanden würde dass Denken letztlich in Richtung deduktiv statt induktiv, generisch statt kasuistisch, praxisbestimmend statt praxisneutral zu werden tendiert.
In diesem Sinn ist „allgemeine Arbeit“ nicht identisch mit Wissenschaft im empirisch auffindbaren Sinn, sehr wohl aber mit einer Wissenschaft von generischen (allgemeinen) Mustern menschlicher Gestaltungspraxis, wie wir sie beide unterstützen.
@ Helmut 74 Brodbeck ist tatsächlich interessant, aber auch sperrig. Vor ca einem Jahr haben wir an einem frei verfügbaren Text von ihm in Facebook rumgenagt: http://theoriekultur.at/wiki?Ideen/WertkritikUndGeldkritik/ChatMitNikolaWinter
@Franz #76: Wenn du sagst:
dann müsste dir klar sein, dass es sich sowohl bei „Wesen“ als auch bei „Erscheinung“ um „Vorstellungen“ handelt; einmal mit dem Anmutung das wirkliche Sein zu treffen (im Sinne einer Ontologie), einmal dieses Sein oberflächlich zu verfehlen.
Da aber all unser Leben und Denken sich um unsere Vorstellungen von Welt bewegen, steckt nicht nur das dialektische Denken, sondern jedes Denken in dieser Bemühung, das Wesentliche zu erfassen.
Das heißt, du sagst damit über das „dialektische Denken“ genau NICHTS aus, das über jedes Denken hinausgeht.
@ Helmut # 78
Letztlich argumentiert Hegel zum Thema „Wesen und Erscheinung“ auf eine ganz spezifische Weise, die in den anderen Reden und Vorstellungen über Wesen und Erscheinung nicht vorkommt. Aber das Faß möchte ich hier nicht aufmachen, das bedürfte eines ganzen Wochenendseminars für Interessierte… (zu dem ich ab Herbst gerne hier nach Milda einlade, gibts Interessenten????)
@ Franz # 76: Du schreibst: „Ich weiß ja nicht genau was Annette unter “dialektischem Denken” versteht“. Man kann das eigentlich auch nicht ohne ein konkretes Thema, das man eben dialektisch denkt oder nicht, abhandeln. Sonst wirds gleich wieder abstrakt, also nicht dialektisch 😉
Was mir auffällt hier in der Diskussion, so wäre es nicht im Hegelschen Sinne dialektisch, bestimmte Aspekte voneinander getrennt hinzunehmen (einzelne Menschen), die dann quasi „danach“ zusammenkommen und Gesellschaftlichkeit annehmen (das entspricht auch der üblichen Vorstellung von „Sozialisierung“: Zuerst ist das isolierte Individuum und durch die „Sozialisierung“ wird es ein soziales/gesellschaftliches Wesen). Also im Sinne: Zuerst die Teile, dann ihr Zusammenhang/ihre Wechselwirkung und dadurch erst das Ganze. Oder: Individuen tun was, was vielleicht Arbeit ist (wenn ich dem Tun noch bestimmte Attribute oder spezifische Differenzen gegenüber anderen Tätigkeiten zuschreiben kann) und danach frage ich, ob das Individuum das „nur für sich“ oder „für andere“ (=“also gesellschaftlich“) tut.
Dialektisches Denken würde diese Denkweise (durch die sie auch durchgeht) aufheben in die Richtung, dass klar wird: die getrennten Aspekte, die isolierten Individuum können als Getrennte, als Isolierte (also abstrahierend von dem wirklich immer vorhandenen Ganzen) nur gedacht werden (nur verständig gedacht) – sie sind so nicht wirklich. Eine vernünftige Sichtweise dagegen erkennt, dass die Teile, die Individuen, die Aspekte selbst erst aus dem Wirkungszusammenhang des Ganzen entstehen. Es gibt also letztlich nie einen nur einzelnen Menschen, dessen Tun entweder „nur für sich “ ODER „für andere“ ist, sondern auch das „für sich“ ist ein Für-sich-als-gesellschaftliches Wesen.
Wenn die allgemeinen Muster, mit denen ihr Euch beschäftigt auch so sind, dann wird das spannend. Ich entnahm diesen Zusammenhang der Bezeichnung bei Franz :“generische Muster“.
In der Dialektik wären das die „Totalitäten“, aus denen sich alles andere generiert, allerdings nicht durch eine formal-logische Implikation, sondern … nun ja, jetzt könnte eine ganze Einführung in die Dialektik Hegels folgen, die nicht ins Thema passt…
Aber Franz, du kennst ja beide Konzepte, es wäre spannend, das mal miteinander zu kreuzen…
@ Helmut # 75: „Ich behaupte mal, dass dass jeder Aktivität eine Subjekt-Mittel-Objekt Form zugeschrieben werden kann, und dass damit weder Arbeit abgegrenzt wird, noch etwas über Arbeit ausgesagt werden kann.“
An der Stelle, an der Subjekt, Objekt und Mittel auftreten bin ich nicht bei der Bestimmung des Begriffs „Arbeit“, sondern die erfolgte vorher. Nicht jede Aktivität, in der diese Momente auftreten, ist als Arbeit definiert (sonst wäre es ja auch das Spiel). (Auch in meinem Text gibts diese drei Momente schon bei der „Tätigkeit“, die noch nicht unbedingt „Arbeit“ ist).
Nein, aber wenn ich Arbeit inhaltlich bestimmt habe (wahrscheinlich reichen die Gedanken, die ich da hatte, auch noch nicht aus… ), dann kann ich auch die Arbeit danach untersuchen, welche Momente auch in ihr eine Rolle spielen und wie sie das tun. Und da tauchen die Momente jeder Tätigkeit, also Subjekt, Objekt und Mittel in spezifischer Weise (!) halt wieder auf…
Ich glaube, die von mir kurz nachvollzogene Argumentation von Warnke und Ruben zeigt vieles, z.B. eben auch die Bedeutung des Eigentums an / der Verfügung über Produktionsmittel/n. Mir hat auch gefallen, wie sie dabei eine Unterscheidung von „der Möglichkeit nach“ und „wirklich“ verwendeten.
Bei anderen Fragestellungen können andere Momente unterschieden werden (hier geht es ja nicht um feststehende Klassifikationen, sondern ein geschmeidiges, abe genau bestimmtes Begriffsnetzwerk).
Übrigens könnte es auch, wenn man „Sexarbeit“ als Arbeit bezeichnet, so was wie Mittel geben, allein die verschiedenen „Techniken“ sind dann halt (ungegenständliche) Mittel (wenn man mal davon ausgeht, das keine Mittel verwendet werden, die nicht selbst körperlich sind). Bei der Sexualität sind diese Mittel allerdings nicht kultur-/produktivkraftkulumierend…
In der Wissenschaft ist es auch so, dass die Mittel nicht nur die gegenständlichen Werkzeuge beinhalten, sondern auch die Denkmittel.
Eine kleine Erinnerung und Resümé zugleich:
„Zum Beispiel scheine Arbeit eine ganz einfache und in ihrer
Allgemeinheit uralte Kategorie, welche aber erst ökonomisch verwirklicht
werde in der modernsten bürgerlichen Gesellschaft, den Vereinigten Staaten,
in welcher die Individuen mit Leichtigkeit die Arbeit wechseln, und
ihnen die bestimmte Art der Arbeit zufällig, und daher gleichgültig sei.
Somit sei die Abstraktion der für alle Epochen gültigen Kategorien ein
Produkt historischer Verhältnisse, nur für und innerhalb dieser seien
die Kategorien voll gültig.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Grundrisse_der_Kritik_der_politischen_%C3%96konomie
Raus
aus dem Markt, rein in die Nische! Wer arbeitet, sündigt:
„Gute
Arbeit, Arbeit, die nützt und nicht schadet, kann nicht zustande
kommen, wenn Menschen statt zu kooperieren konkurrieren müssen; wenn
ihr persönliches Handeln ausgeschaltet wird und sie einen ihnen
zugewiesenen Platz in einer Maschinerie nur noch auszufüllen haben;
wenn ihnen durch ihre Arbeitsproduktivität immer mehr Konsum
aufgenötigt wird, der sie abhängig und unzuständig macht, und wenn
ihre Arbeit vorrangig im Dienst der Profitsteigerung von Konzernen
steht.“
http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/wer-arbeitet-suendigt-ein-plaedoyer-fuer-gute-arbeit-marianne-gronemeyer