Selbstentfaltendes Konfliktlösen bei Kleinkindern
Ich schrieb ja hier schon letztens, dass öfter ein gleichaltriger Nachbarsjunge bei mir und meinem 2-jährigen Sohn zu Besuch ist. Wie das in dem Alter halt so ist, muß es dann halt manchmal unbedingt der grüne Bagger sein und die Kompromißfähigkeiten sind da erstmal recht eingeschränkt.
Der übliche Umgang der Erwachsenen mit diesem Thema ist von viel „Lass dass!“ und „Gib das zurück!“, „Nein, das tut man nicht!“ begleitet und selten besonders erfolgreich. Ich hatte mir eigentlich immer vorgenommen so nicht mit Lino umzugehen, sondern eine gleichberechtigte, respektvolle Beziehung im Sinne gegenseitiger Selbstentfaltung zu leben. Doch: „Was tun?“ (Wie Lenin sagen würde) Ich war zunächst ziemlich ratlos.
Auf der Sudbury-Mailingliste ging es auch mal um das Thema. Da wurde dann von einigen die Auffassung vertreten, dass man das einfach ignorieren solle. Sie würden sich schon nicht umbringen und mit Konflikten umgehen lerne man nur, wenn man sie austrägt. Theoretisch konnte ich das zwar irgendwie nachvollziehen, aber ich bringe es einfach nicht fertig ein Kind zu ignorieren, dass offensichtlich aufgelöst ist und leidet (und ich glaube auch nicht, dass man das fertigbringen sollte).
Dort hörte ich auch das erste Mal vom „Spiegeln“. Man solle den Kindern keine Entscheidungen abnehmen, aber sie darin unterstützen, die eigenen Gefühle und die Gefühle des anderen wahrzunehmen („Lino weint“, „Bernhard will den grünen Bagger haben“). Das hab ich dann mal ausprobiert kam mir aber ehrlich gesagt ziemlich bescheuert vor. Da schwebte ich irgendwie von meinem Erwachsenenplaneten in diese völlig andere Kleinkindwelt und blieb doch aussen vor. Aber vom Prinzip her klang das sinnvoll.
Etwas später war ich auf einer Infoveranstaltung der Aktiven Schule Frankfurt. Da erzählte eine Mitarbeiterin, wie sie das Spiegeln betreibt. Sie geht dabei auch körperlich auf die Kinder zu, setzt sich zu ihnen auf den Boden und ist ganz bei ihnen. Das hab ich dann auch versucht umzusetzen und hab vor allem getröstet und wieder viel „Guck mal, Bernhard weint“ oder „Weinst Du weil der Lino Dir den grünen Bagger weggenoimmen hat?“ gesagt. Und siehe da: Das funktioniert tatsächlich! Die wissen ganz von alleine was in der gerade aktuellen Situation das Beste ist. Mal wird der grüne Bagger zurückgegeben, mal tuts dann doch der Blaue, den man großmütig überlässt, mal ist auf einmal eh was ganz anderes interessant. Die konkreten Lösungen sind eigentlich meistens ziemlich egal, aber was man merkt ist eine unglaubliche Befriedigung, selbst eine Lösung gefunden zu haben.
Also: Wenn mal wieder jemand bei einem Streit auf der Arbeit, auf einer Mailingliste oder in irgendeinem Politzirkel sagt: „Mann, das ist ja wie im Kindergarten hier!“, dann geht großzügig über diese Kinderdiskriminierung hinweg und versucht es mal mit Spiegeln (Die Übertragung auf erwachsenengerechte Sprache und erwachsenengerechtes Verhalten überlasse ich euch als Hausaufgabe).
Hallo Benni,
Danke für‘ Deinen Artikel! Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Was Menschen in solchen Situationen brauchen, ist Aufmerksamkeit, einfach jemand, der ganz da ist.
Ich nehme auch die Befriedigung seitens der Kinder wahr, wie du sie beschreibst, aber auch für mich selbst einfach die Tatsache, dass ich viel mehr in meiner Mitte bin, wenn ich „spiegle“, als wenn ICH Lösungen für jemand anders (Kind oder Erwachsener) finde.
Womit ich mich nach wie vor sehr ohnmächtig fühle: wie reagiere ich auf andere Erwachsene, die mit ihren Streitschlichtungsversuchen („Gib den Bagger zurück!“ u.ä.) den Streit -ohne es zu merken- eher noch anheizen? Gibt es eine Möglichkeit, auch diesen Menschen gegenüber Spiegel zu sein?
Lieber Gruss
Lisa
Ja, das ist schwierig. Das Problem ist auch, dass es da ein Tabu bei uns gibt. Umgang mit Kindern ist Privatsache. Du kannst eher die Unterwäschewahl von Leuten kritisieren als ihren Umgang mit ihren Kindern (oder sogar mit Deinen).
Also,
ehrlich gesagt, für mich ist das etwas wirr, was du schreibst.
Ich verstehe nicht den Unterschied zwischen spiegeln und nicht spiegeln.
Macht man das nicht sowieso instinktiv, in einer emotional entgleisten Situation die Emotionen ansprechen und vermitteln?
Oder reagiert man/frau automatisch überheblich-autoritär in solchen Situationen?
Bei Erwachsenen würde man doch auch vermittleln, oder?
Was daran ist jetzt die Spiegeltheorie?
@Christine: Ja, wenn man es mal aufschreibt klingt es tatsächlich völlig selbstverständlich. Aber geh mal auf einen Durchschnittsspielplatz. Es kommt so gut wie nie vor, dass jemand die Kinder selber eine Lösung finden lässt. Klar zwischen Erwachsenen ist es schon eher üblich, die gelten ja als vollwertig (manchmal zumindestens).
Wie verhaelst du dich, wenn der Konflikt ausartet? Kind A nimmt Bagger, Kind B weint und beisst Kind A.
So was geht manchmal sehr schnell. Wie spiegelst du da „oh Lino hat Bisswunde, Lino weint ganz laut“….“oh Bernhard hat Aua gemacht“? So in etwa? Funktioniert das???
Ich halte das fuer sehr utopisch, die Eltern des gebissenen Kindes verlangen zu 99% „Satisfaktion“, wenn du weisst was ich meine….Und der Beisser wird irgendwie auch ganz zufrieden schauen, denn er hat ja nun das Objekt der Begierde. Soll man diese Zufriedenheit auch spiegeln?
Kannst du mir mehr Quellen zum Thema geben? Grundsaetzlich klingt das interessant. Danke
Wenn wirklich schlimme Verletzungen drohen ist es klar, dass man eingreift. Das wäre ein Fall von Nothilfe. Aber ich hab das noch nicht erlebt. Das Schlimmste, was ich erlebt hab, war mal ein Schubbser oder mal eine Ohrfeige. Ausser den im Artikel genannten Quellen kann ich nicht mit weiteren dienen. Ich vermute mal, dass man in den Büchern von Rebecca Wild was dazu finden wird, weil das immer wieder von Leuten propagiert wird, die Wild toll finden (zB aktive Schulen). Ich hab die Bücher aber selbst noch nicht gelesen, habs aber vor.
Das mit dem Spiegeln ist mir theoretisch auch sehr geläufig und klingt auch sehr toll, nur in der Praxis hapert es bei mir noch etwas. Mit meinem 2-jährigen klappt dass auch sehr gut. Wenn noch ein Kind zu Besuch ist klappt auch alles ganz gut aber wenn es drei Kinder sind habe ich schon öfter meine Probleme. Die anderen beiden sind 1 und 3 Jahre alt aber sind beide recht durchsetzungsstark!
Das soll heißen die 3-jährige möchte alles haben alles ist ihrs, auch mit allen Mitteln (schubsen, kneifen, beißen, Haare ziehen). Seitdem sie häufiger bei uns ist, lasse ich die Kinder ungerne alleine spielen, was vorher problemlos ging. Jetzt möchte ich aber schon ein halbes Auge auf das Geschehen haben. Und ab und an bin ich doch schon aus der Bahn geraten und habe sie beiseite gesetzt und ihr hinterher erzählt, dass das nicht nett war. Obwohl ich eigentlich auch eher das traurige Kind tröst und so der „Täter“ indirekt hört was gerade nicht schön war. Hat mit meinem Sohn und der einjährigen auch immer gut funktioniert. Aber seit die 3jährige häufiger kommt fängt die kleine auch an zu beißen.
Irgendwie bin ich da auch etwas verzweifelt, denn im großen und ganzen mögen sich die Kinder aber ich habe auch etwas bedenken dass mein Sohn sich auch neue Methoden abguckt.