Der Kapitalismus ist vorbei
Huihui, der Benni wieder mit seinen steilen Thesen. Aber bitte nicht gleich weg klicken. Hört mich an.
Was ist der Kapitalismus? Nun, ihr kennt alle den berühmten ersten Satz im Kapital: „Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ‚ungeheure Warensammlung‘, die einzelne Ware als seine Elementarform.“ Offensichtlich ist der Kapitalismus in diesem Sinne nicht vorbei. Noch immer sind die allermeisten unserer Güter durch Warenproduktion entstanden.
Aber im weiteren wird dann ja von Marx sehr viel über das „Wie“ gesprochen. Der zentrale Mechanismus ist dabei die Vermehrung von Geld (und Kapital) durch die Produktion von Waren. Die Waren werden produziert um das Kapital der Kapitalist*innen zu vermehren. Das ist, was die berühmte Formel G->W->G‘ meint. Daraus ergibt sich eine stetige Vermehrung des Kapitals und damit auch der Waren. Das zentrale für mein Argument dabei: Die Ressourcen fließen also in immer größerem Maße in die Warenproduktion bis sie schließlich die ganze Gesellschaft und schließlich den ganzen Planeten erfassen. Nur durch dieses „Wie“ ist der Kapitalismus anderen Gesellschaftsformen überlegen. Er hat einen eingebauten Expansionsmotor der stärker ist als der von anderen Gesellschaftsformen, weswegen die alle nach und nach weg konkurriert wurden. Mathematisch gesprochen: Der zentrale Vorteil des Kapitalismus ist also nicht seine Produktion, sondern die Steigerung der Produktion, sozusagen die erste Ableitung davon.
Meine These ist nun: Der Motor ist kaputt. Und zwar dauerhaft. Dass er immer mal gestottert hat, das kennen wir. Das sind die normalen Krisen, die er selbst hervor bingt. Doch bisher ist er noch jedes Mal gestärkt aus diesen Krisen hervorgegangen. Man nennt das dann manchmal „Kreative Zerstörung“ durch „lange Wellen“. Alte Produktionsweisen gehen unter und machen Platz für neuere, effektivere. Doch damit das passieren kann muss auch in der Krise dafür gesorgt sein, dass die gesellschaftlichen Ressourcen in die Warenproduktion fließen und nicht in irgendwas anderes. Ich meine nun: Das ist nicht mehr oder zumindest immer weniger der Fall.
Dass der Kapitalismus auch an physische planetare Grenzen bei seiner Expansion gestoßen ist, ist dabei die eine Sache. Doch das alleine bringt ihn nicht zu Fall. So lange weiter Ressourcen in Warenproduktion gesteckt werden, geht das Spiel immer weiter bis nichts mehr übrig ist. Darum geht es mir hier gar nicht. Das ist ein anderes wichtiges Thema.
Nun gibt es ja schon länger die Analyse, dass wir uns in einer finanzialisierten Phase des Kapitalismus befinden. Also, dass die eigentlichen Profite nur noch über immer neue Kreditblasen gemacht werden, also Versprechen auf zukünftige Profite, die irgendwann platzen werden. Auch darum geht es mir hier nicht. Das war die Realität von den 80ern bis in die 00er Jahre. Die Zeit des weltweiten Siegeszugs des Neoliberalismus. Ich denke wir sind schon einen Schritt weiter.
Der erste Schritt war die Finanzkrise 2008. Damals ist definitiv eine Blase geplatzt. Aber es gab keine kreative Zerstörung. Im wesentlichen lief alles weiter wie bisher. Zum Teil wurde das durch Staatsverschuldung aufgefangen, aber ganz lässt sich das nicht dadurch erklären, dass sich einfach nichts verändert hat. Es wurde viel geredet über Finanztransaktionssteuern oder andere Bremsmechanismen. Ist alles nicht passiert. Also: Keine kreative Zerstörung. Der Kapitalismus hatte schon viele Finanzkrisen, aber keine hatte so wenige Auswirkungen auf die eigentliche Warenproduktion wie diese, obwohl es die größte war, die es gab. Klar, die alten Mechanismen waren noch nicht ganz weg. Es gab ein kleines Stottern des Motors, aber nichts im Vergleich zu den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise im letzten Jahrhundert.
Woran liegt das? Daran wie heute der ganz große Profit gemacht wird. Das beste Beispiel dafür ist die aktuelle Krise, ausgelöst durch dieses winzige Virus. Der hatte Auswirkungen auf die Warenproduktion! Und zwar nicht zu knapp! Es gab sogar eine winzige Delle im CO2-Ausstoß! Doch auch hier: Keine kreative Zerstörung. Kein ökologischer Umbau der Wirtschaft in der benötigten Geschwindigkeit. Im wesentlichen läuft der Motor so weiter wie vorher, nur schneller. Die großen Krisengewinner waren die, die auch vorher schon Gewinner waren. Doch wie funktioniert das? Wie kann man Profit machen, wenn die Warenproduktion den Bach runter geht? Eine simple Antwort: Automatisierte Mikrosekundentransaktionen.
Der größte Teil des Umsatzes am Finanzmarkt läuft inzwischen vollautomatisch. Und zwar deswegen, weil man so mehr Gewinn machen kann. Und zwar unabhängig davon ob die Kurse steigen oder fallen. Man muss nur schneller wetten als die Konkurrenz, dann wird man auf lange Sicht immer zu den Gewinnern gehören. Um in diesem Spiel mitspielen zu können braucht es enorme Ressourcen. Das ist der relativ simple Grund warum die Reichen reicher werden auch in der Krise. Die können da mitspielen, der Otto-Normal-Börsenzocker nicht mehr. Damit sind aber Finanzmarktspekulationen gar keine Spekulationen auf zukünftige Gewinne mehr, sondern einfach nur der direkte Umsatz von Rechenpower in Konkurrenzvorteil. Das bisschen an Regulationsmechanismus, dass der Finanzblasenkapitalismus noch hatte, also die Drohung mit der platzenden Blase, ist damit aber gar keine mehr. Das Kapital vermehrt sich auch, wenn die Blase platzt. Man muss nur schneller sein als die Konkurrenz. Es gibt also auf der großen Skala gar kein Incentive mehr, dass noch irgendwie rückgekoppelt ist an die Warenproduktion. Der Incentive ist nur noch auf schnelle Veränderung gesetzt. Ressourcen werden nicht mehr in die Warenproduktion zurück gelenkt sondern in die Generierung von Kursschwankungen. Hype oder Krise, Hauptsache Bewegung. Aus G->W->G‘ wird einfach nur noch G->G‘ plus Müll. Viel Müll.
Der logische Endpunkt dieser Entwicklung ist der Bitcoin. Da wird nicht mal mehr dem Namen nach noch irgendwie mit Firmenanteilen oder auch nur Versprechen auf Versprechen auf Produktion gehandelt. Es wird einfach direkt Kohlenstoff in Profit umgesetzt ohne den lästigen Umweg über die Warenproduktion. Die heftigen Kursschwankungen sind dabei kein Bug, wie man oft lesen kann, sondern ein Feature.
Nun könnte man natürlich einwenden. Wo ist das Problem? So lange Profit generiert wird, läuft der Motor ja. Doch ich verweise zurück auf Marx ersten Satz: Dort wird vom Kapitalismus als Gesellschaftsform gesprochen. Gesellschaften brauchen aber Produktion von Gebrauchswert. Und in dieser Phase produziert der Kapitalismus immer weniger Gebrauchswert und immer mehr Hype und Krise. Man könnte das Volatilismus nennen. Es wird also gesellschaftliche Instabilität produziert nicht mehr als Ausnahme, wie es der Kapitalismus schon immer in seinen Krisen gemacht hat, sondern ganz direkt und dauerhaft.
Am Ende in seinen Todeszuckungen macht der Kapitalismus also sein eigenes fetischistisches Versprechen, „Geld zu vermehren“, tatsächlich wahr (oder versucht es zumindest). Der Kapitalismus degeneriert zur reinen Profitmacherei. Aber wie Anfangs schon erwähnt hängen wir alle noch am Tropf von Waren und Lohn. Es ist also eine Frage des Überlebens, sich davon zu lösen. Das Kapital tut es bereits.
Der Kapitalismus ist also noch nicht ganz vorbei, seine erste Ableitung aber schon. Und wie uns die Regel von L’Hospital lehrt, kann man bei Grenzwertbetrachtungen (und das machen wir ja, wenn wir darauf gucken, wie sich der Kapitalismus entwickelt) einfach auf die Ableitung gucken. Die Folgen dieser Entwicklung kann man auch an vielen Stellen schon ganz direkt beobachten, doch dazu im nächsten Artikel mehr.
UPDATE: Ich muss mich zumindest was das High-Frequency Trading angeht ein bisschen korrigieren. Christian machte mich darauf aufmerksam, dass der Gewinn der Branche zwar nicht gering ist, aber nicht in einer Größenordnung, die meine Steilen Thesen unterstützen würden. Insbesondere stagniert das auch einfach ziemlich in den letzten Jahren. Was das genau bedeutet für die eigentliche These mit der ersten Ableitung? Da muss ich noch drüber nachdenken.
Man greift sich ohne jegliche Dialektik irgendwelche Aspekte heraus aus bestimmten Phänomenen und fertig ist die steile These.. Bitcoin gar nicht verstanden und mal wieder auf den Spekulation Aspekt reduziert. Bitte denkt doch mal alle Aspekte konsequent durch mit allen dialektischeren Rückkoppelungen. Sonst kommt doch nur irgendwelche Grütze raus die niemand braucht. Traurig einfach.
Der Kapitalismus in marxschen Sinne ist an materielle Güter und Quantifizierbares gebunden. Die Vorherrschende Machttechnik ist dabei die Biopolitik. Der Neoliberalismus ist eine Spielart des Kapitalismus. Der Neoliberalismus hat sich von den offensichtlichen Einschränkungen die die Biopolitik hat gelöst und hat mit der Psychopolitik neue Machttechniken etabliert, die das materielle, biologische, Begrenzende überwunden hat.
Du sagt der Kapitalismus und das „Kapital“ verschwindet? Nein, es wird lediglich Transparent, es wird unsichtbar. Nur weil Güter, Produkte, Produktionsmittel etc. pp. nicht mehr greifbar sind heißt das nicht das es das nicht mehr gibt.
Und hat die Unsichtbarwerdung des Kapitalismus Vorteile? Nein, in emanzipatorischer Hinsicht im Gegenteil, uvm…
Wenn ich es richtig verstehe, ist die These, dass der „ganz große Profit“ heute nicht mehr durch Warenproduktion gemacht wird, sondern an den Finanzmärkten? Allerdings: An den Finanzmärkten wird gesamtgesellschaftlich betrachtet überhaupt kein Profit gemacht, sondern nur bereits vorhandenes Vermögen umverteilt. Zwar liest man vielleicht in der Zeitung: „Teslas Kurs ist um 5% gestiegen und Elon Musk ist dadurch um so-und-so viele Milliarden reicher geworden.“ Allein: Das ist ja erstmal nur geschätzter Reichtum, gemessen unter der Annahme dass er alle seine Aktien zum aktuellen Kurswert verkaufen würde – das aber kann er nicht, oder jedenfalls nicht auf einen Schlag, weil sonst die Kurse ganz gewaltig einbrechen würden.
Und wenn er verkauft, ist in diesem Moment die Gesellschaft reicher geworden? Nein, natürlich nicht – es haben nur einfach eine bestimmte Menge Aktien und die als Gegenleistung geforderte Menge Geld die Eigentümer:in getauscht. Die neue Eigentümer:in betrachtet das nun sicherlich als Investition in eine profitable Zukunft: Sie hofft, durch (a) Dividendenzahlungen und (b) einen Verkauf zu einem höheren Kurswert in Zukunft unterm Strich Profit zu machen.
Diese Rechnung geht in vielen Fällen auch auf, aber eben der Teil (a), die Dividendenzahlungen, sind ganz klassische Erträge aus der Warenproduktion, aus der Ausbeutung von Menschen und Natur. Ohne Warenproduktion keine Dividenden. Nun kann es durchaus sein, dass eine Firma über lange Zeit gar keine Dividenden zahlt und die Kurse trotzdem steigen, nur: Auch das ist an die Erwartung gekoppelt, dass die Firma ihr Geschäft ausbaut (= mehr Waren produziert und verkauft) und so zumindest für die Zukunft noch höhere Dividenden ermöglicht. Sollte Tesla hingegen die Warenproduktion einstellen – alle seine Fabriken schließen, alle Mitarbeiter:innen entlassen und ankündigen, dass es ab sofort keine Autos und auch kein anderen Waren mehr produziert, dann wären alle Tesla-Aktien auf einen Schlag wertlos (weil unverkäuflich) und deren Eigentümer:innen hätten (abzüglich eventuell in der Vergangenheit bereits erhaltener Dividendenzahlungen) einen Totalverlust erlitten.
Auch bei den „automatisierte[n] Mikrosekundentransaktionen“ ist klar, dass hier nur Reichtum umverteilt wird: Die mit den schnellsten Rechnern ausgestatteten Marktteilnehmer:innen schalten sich dazwischen und greifen so einen Teil der Gewinne ab, die sonst zu anderen Marktteilnehmer:innen geflossen wurden.
Ebenso gilt beim Wetten auf fallenden Kurse (Leerverkäufe), dass jeder Gewinn aus solch einer Wette aus dem Verlust von anderen Marktteilnehmenden bezahlt wird, die sich eben verspekuliert haben. „Das Kapital vermehrt sich auch, wenn die Blase platzt“, kann zwar auf das Einzelkapital zutreffen, aber nicht auf alle Kapitalien zusammen.
@christian: Das weiß ich alles. Der Witz ist, dass ich einfach behaupte dass diese Erzählung eben nicht mehr die Gegenwart beschreibt, sondern die Vergangenheit. Es gibt die Rückbindung an die Warenproduktion zb über Dividende nicht mehr (oder deutlich weniger als früher). Und ja, alle Kapitalien zusammen wachsen nicht mehr, es geht um simple Umverteilung. Genau deswegen ist ja der Kapitalismus zu Ende. Weil man reich und mächtig nicht mehr durch Warenproduktion sondern durch Profitmacherei wird. Es gibt keinen (oder immer weniger) Anreiz mehr Kapitalist zu sein. Also bald auch keinen Kapitalismus.
@benni: Du schreibst: „es geht um simple Umverteilung. Genau deswegen ist ja der Kapitalismus zu Ende.“
Ich denke, dass du da selbst auf den Kapitalfetisch reingefallen bist. Er hat sich nur von der Wertbildung auf die Ebene der Preisbildung verlegt (verkehrt). Wir zahlen über die Gebühren für Eigentumstitel, vor allem Mieten, Agenturen usw. schon im Vorhinein der Wertbildung ein, was erst dadurch vorwiegend durch die Ausbeutung von Natur und Armut, also durch die Ausbeutung aller existenziellen Bedingungen im Nachhinein verwertet wird. Dadurch füttern wir nach wie vor aus unserem Lohn schon im Vorhinein der Geldverwertung die ungeheuere Masse des zirkulierenden Finanzkapitals, dem natürlich nur ncch die Beschleunigung des Geldumlaufs (z.B. durch Derivatenhandel) angelegen ist. Aber richtig ist schon, dass das Finanzkapital inzwischen völlig abgekoppelt von der Realwirtschaft ist, aber nicht ohne die sein kann. Der klassische Wert setzt sich praktisch vor allem als Existenwert um.
@Benni:
Das halte ich mindestens zum Teil für einen Mythos, siehe z.B. diese aktuelle Schlagzeile: DAX-Konzerne zahlen so viel Dividende wie nie.
Auch das würde ich bezweifle. Ich schätze, wenn man googelt, wird man schnell Statistiken finden, wonach auch die Summe aller Vermögen weiter wächst. Das mag zum Teil ein reines Buchwachstum sein, weil eben bloß der Nominalwert von Aktien u.ä. gemessen wird, aber ich denke nicht nur. Und auch nach deiner Erzählung ist es ja klar, dass die Warenproduktion weitergeht und damit auch die Ausbeutung der Arbeitenden zu Gunsten der Kapitaleigentümer:innen. Das ist ja nicht vorbei, auch wenn die spekulative Umverteilung unter den Wohlhabenden noch obendrauf kommt.
Warum sollte also der Kapitalismus am Ende sein? Auch in deiner Version ist er weiterhin die einzige Produktionsweise, die gesellschaftlich eine Rolle spielt. Eine andere Produktionsweise, die ihm da gefährlich werden könnte, scheint (vielleicht mit Ausnahme kleiner Nischen) weit und breit nicht in Sicht zu sein.
Wenn ich dich richtig verstehe, siehst du die Krise des Kapitalismus darin, dass die großen Kapitalien immer weniger „Incentives“ haben, die Produktion von Gebrauchswerten zu verbessern oder auszuweiten, weil sie stattdessen lieber auf Börsenspielchen und Spekulation setzen? Aber dann ist er halt vielleicht in eine stagnative Phase eingetreten, was die Entwicklung der Produktionkraft anbetrifft. Damit das aber ein echtes Problem für ihn werden könnte, müsste es erstmal eine konkurrierende Produktionsweise geben, die ihn in Hinblick auf die Produktionkraftentwicklung übertrifft. Diese ist aber zum einen nirgendwo in Sicht, und zum anderen sind die Hinweise ja sehr deutlich, dass gerade die extrem rasche Produktionkraftentwicklung ein massives Problem ist, weil sie zur von dir ebenfalls gestreiften Überlastung der „planetaren Grenzen“ führt. Weswegen eine „noch produktivere“ bzw. stärker und schneller wachsende alternative Produktionsweise wohl auch keine echte Alternative, sondern nur eine Verschärfung des Problems mit anderen Mitteln darstellen würde.
Also: Nicht im Stottern des „Expansionsmotors“, sondern vielmehr in dessen leider viel zu gutem Funktionieren mindestens in der Vergangenheit (und vielleicht in leicht abgebremster Form definitiv auch noch in der Gegenwart) würde ich das Problem sehen.
@Christian: Ne, ich spreche nicht über die Produktionsweise sondern sozusagen die erste Ableitung davon. Die zentrale Frage ist: Wo fließen Ressourcen hin? Wenn das immer weniger in die Warenproduktion ist, dann wird irgendwann irgendeine andere Produktionsweise übernehmen weil es sonst schlicht keine Produktion mehr gäbe. Dafür muss die gar nicht effektiver sein als der Kapitalismus (also zB auch nicht wachsen), sie muss nur irgendwie funktionieren. Alles ist dann besser irgendwann, weil Kapitalisten halt nichts mehr produzieren, was noch irgendwer braucht.
Aber ja. Noch sind wir im Kapitalismus, dazu hab ich gar keinen Widerspruch und das hab ich ja oben auch so geschrieben.
@Benni: Du schreibst: „Die zentrale Frage ist: Wo fließen Ressourcen hin? Wenn das immer weniger in die Warenproduktion ist, dann wird irgendwann irgendeine andere Produktionsweise übernehmen weil es sonst schlicht keine Produktion mehr gäbe. Dafür muss die gar nicht effektiver sein als der Kapitalismus (also zB auch nicht wachsen), sie muss nur irgendwie funktionieren.“
Ja, das müsste zu Ende gedacht werden. Ich sehe das so, dass es sich hier um die Produktion von Bürgerinnen handelt, die in den reichen Staaten als Humankapital benötigt werden, um einerseits die Produktionskosten billig zu halten und andererseits eine Überkonsumtion (Tittytainment) zu gewährleisten. Damit wäre die Grundlage der einfachen Kapitalakkumulation befriedet, wenn damit noch Wertwachstum möglich wäre. Aber die derzeite Triebkraft des Kapitals ist die Verwertung einer überragenden Preisbildung (z.B. durch Wertpapierhandel, Terminhandel, Derivatenhandel, Giralgeldschöpfung). Nicht die Dividente ist entscheidend und auch nicht Zinsgewinne, sondern das Anwachsen von Verkaufsoptionen, die sich nicht durch das Anwachsen des Warenumsatzes sondern vor allem durch die Beschleunigung der Geldzirkulation über Preise rentieren, denen die Bevölkerungen folgen müssen, weil sie nicht nur dem Wert der Warenzirkulaion und der realen Überproduktion nachgehen müssen, sondern als lebende Ressoursce für das Wertwachstum von der Macht der Wertbestimmung ihrer Existenz im Ganzen beherrscht werden, die über die Preisbildung vermittelt wird und die das Verhältnis von Produktion und Konsumtion bestimmt, bevor ihre Arbeit als reale Produktform zu bewerten wäre (=> https://kulturkritik.net/begriffe/index.php?lex=existenzwert). Die Produktion von Immobilien, Firmen usw,, also Investitionen in ihre Gründung ist im Verhältnis zum Ertrag aus ihrer fertigen Existenz zu vernachlässigen.
Der Kaqpitalismus ist nicht zu Ende. Er wurde nur weiter entwickelt, und hat über die politische Macht der Eigentumstitel seine materiellen Substanzen zu einem Schuldgeldsystem aufgehoben, zu einem Feudalkapitalismus, in dem die Menschen nur sich selbst als das Material ihrer Geschichte in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen auf einander beziehen und zu sich selbst – pflichtschuldig gegen ihre wahre Gesellschaftlichkeit – beziehen können. Darin müssen sie sich allerdings als objektive Subjekte zugleich als subjektive Objekte zu einander verhalten (siehe „Das Humankapital eines fiktiven Geldwerts“).
Ich hab ein UPDATE zum Artikel angefügt. Siehe dort. Ein zentrales Argument funktioniert so zumindest nicht wirklich.
Danke Benni für deine steile These und den Mut dich damit zu zeigen! Denn auch wenn mir wie den vorherigen Kommentierenden einiges daran unplausibel erscheint regt das doch zum Denken an. Und ich glaube das mit deiner These verbundene Gefühl teilen viele Menschen. (z.B. Umfrage der Bertelsmann Stiftung 2010:“Rund neun von zehn Österreichern (90%) und Deutschen (88%) schließen sich der Aussage an, dass wir als Folge der Wirtschafts- und Verschuldungskrise eine neue Wirtschaftsordnung brauchen, bei der der Schutz der Umwelt, der sorgsame Umgang mit Ressourcen und der soziale Ausgleich in der Gesellschaft stärker erücksichtigt wird.“ https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Presse/imported/downloads/xcms_bst_dms_32005_32006_2.pdf) Mir scheint die Ursache aber viel simpler zu sein: Letztlich ist der Kapitalidmus in einer Materiell endlichen Welt mit einem Monopoly Spiel vergleichbar. Wenn einer oder sehr wenige alles haben ist das Spiel am Ende. Konnte der Kapitalismus früher durch Entfaltung der Produktivkräfte und auch Ausbeutung innerer und äusserer Kolonien zumindest für viele (vor allem aber nicht nur für weiße, männliche) Menschen eine hohe Legitimität durch Schaffung verbesserter Lebensbedingungen ist nun für fast alle diese Hoffnung zu Ende. Die ökologische Zerstörung erreicht unabwendbar inzwischen auch die vorher Privilegierten. Die Gebrauchswerte verschlechtern sich immer mehr um die Spirale Geld Ware Geld‘ zu beschleunigen. Ausbeutung und Prekarisierung nehmen zu. Das Kapital flüchtet vor dem nun nicht mehr aufhaltbaren Fall der Profitrate in Immobilien und kehrt damit zurück zu seinem feudalen Ursprung, zu offensichlich leistungslosem Einkommen. Einkommen die nicht aufgrund von irgendeiner Produktion sondern nur aufgrund des Bodeneigentums erzielt werden. Damit ist die Legitimität dahin und die 99% der Menschen haben zumindest in der Summe nix mehr zu gewinnen, nur zu verlieren. Damit wird ein alternatives Wirtschaften, welches auf einfachem Niveau zumindest eine gewisse Sicherheit und Bedürfnisbefriedigung sowie vor allem Sinn und Kohärenz erzeugen kann relativ immer attraktiver. Was natürlich nicht zwangsläufig gür Emanzipation sorgt. Auch die Raubritter kommen zurück im kleinen in Form von Gangs, Clans und Mafia, IS und Nazis und im Großen mit Diktatoren und Leuten wie Trump die ganze Staaten als Beute betrachten. Das neue Spiel wird nicht mehr nur innerhalb der Regeln des Kapitalismus gespielt werden und dynamisch werden. Und je mehr wir Menschen davon überzeugen können, dass es gangbare Wege zur Emanzipation gibt umso eher können wir der Barbarei entgehen.
@gunter ah danke für das beispiel mit den immobilien. das passt ja auch gut rein, weil das auch keine warenproduktion ist. Vielleicht sollte ich mal einfach alle Formen sammeln, die in das alte Ware-Geld-Schema nicht mehr wirklich rein passen aber trotzdem immer mehr bestimmen, wohin die Reise geht.