»Kapitalismus aufheben« — Bonuskapitel
Das Buch »Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie neu nachzudenken« von Simon Sutterlütti und Stefan Meretz ist im VSA-Verlag erschienen und online auf der Website commonism.us verfügbar. Die Kapitel können hier auf keimform.de einzeln diskutiert werden. Hier geht es um das Bonuskapitel, das nur online erscheint:
Bestehende Transformationskonzepte
In dem Bonuskapitel (PDF) setzen wir uns mit anderen Transformationskonzepten auseinander. An diese selbst ernannten Transformationskonzepte gehen wir zunächst ohne Vordefinition heran und versuchen sie in ihrer Argumentation zu verstehen — um dann zu schauen, ob sie den transformatorischen Anspruch auch erfüllen können. Wir haben drei sehr unterschiedliche Konzepte beispielhaft untersucht. Unsere Kriterien für die Auswahl waren sehr grob: Wir wollen ein eher staatsbasiertes, ein eher marktbasiertes und ein Mischmodell mit explizit sozialistischer Ausrichtung auswählen. So fiel unsere Wahl auf:
- den Bericht „Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen
(WBGU) der Bundesregierung; - das Kapitel „Transformationsstrategien und Wandlungsprozesse“ des Buchs „Kapitalismus und dann?“, das von der Akademie Solidarische Ökonomie herausgegeben wurde;
- das Buch „Reale Utopien. Wege aus dem Kapitalismus“ von Erik Olin Wright, das die Ergebnisse des über zehnjährigen Real Utopias Project zusammenfasst.
Da zum Buch bereits ein Gespräch auf tp zu lesen war, dort die Aufforderung zur Kommentierung hier zu finden ist und das Nachlesen der Kommentare im tp-Forum selbst dem Hartgesottensten nicht zumutbar, hier mein Kommentar mit Fragestellung von dort:
Aufhebung, was?
Zunächst sei erkennbar an den Meinungen, daß nur ein geringer
Teil begreift, was da eigentlich vorgestellt wird. Die alten
Argumente aus alten Zeiten mit ihrer begrenzten
Einsichtsmöglichkeit sprechen Bände. Kulmination: Das sei keine
Wissenschaft. Kann nur von jemandem kommen, für den Wissenschaft
sich nur in engen vorherbestimmten Grenzen bewegen darf, etwa in
mathematischen, also Algorithmen, die ja schon an sich Grenzen
sind, aber deshalb tatsächlich keine Wissenschaft ist.
Schätze den Autor, seine Arbeit, seine keimform sehr. Da ist im
Text eine unwesentliche, vielleicht ungewollte Bezeichnung:
Lohnarbeit wäre richtig
gewesen. Das nur am Rande.
Ich hoffe nicht, daß Stefan Meretz hinter seine früheren
Erkenntnisse zurück gefallen ist, nach denen die Aufhebung des
Kapitalismus über eine neue, von Beginn an andere
Produktionsweise, die nicht in Umwandlung bzw. andersgerichtete
Fortsetzung vorhandener zu suchen wäre (dazu sein Beitrag
„Commonismus statt Sozialismus“ in „Aufhebung des Kapitalismus“,
Masch Hamburg, 2015). In den Darlegungen, das Buch kenne ich
noch nicht, vielleicht macht es diesen Hinweis überflüssig,
drehen sich alle Abhandlungen ausschließlich auf der Ebene der
zwischenmenschlichen Beziehungen ohne Berücksichtigung der
wichtigsten, indirekten, aber alles entscheidenden Beziehungen
in allen Warenwirtschaftssystemen, dem Wertverhältnis. Ohne
dessen Aufhebung kann es keine Aufhebung des Kapitalismus geben.
Deshalb bedürfte es unweigerlich der Analyse des Wertes und
seiner Wirkungsweisen in der Formulierung des Weges in eine
andere Gesellschaft auf Basis völlig neuer
Produktionsbeziehungen, die die Bedürfnisse bedienen sollen.
Nehme er sich doch dazu wieder mal Heinrich Harbach, mit dem er
schon zusammen arbeitete, und Dieter Wolf sowie die Neuheit „Das
Kapital 1.5 Die Wertform“ vor. Das würde ihn vor einer
idealistisch geprägten Theorieentwicklung bewahren können.Es wäre zu wünschen, diese Basisbeziehung Wert, auch unter dem Aspekt der Arbeit von Dieter Wolf
https://www.degruyter.com/view/j/zksp.2017.4.issue-1-2/zksp-2017-0010/zksp-2017-0010.xml
in die Diskussion einzubeziehen. Ansonsten sind Diskussionen über Erscheinungsformen, weniger über zum Wesen, zu befürchten.
Hallo Werner, Keine Angst, in dem Buch geht es noch immer deutlich (hoffen wir) um die Aufhebung des Wertverhältnisses und nicht bloß um Versuche des interpersonal-zwischenmenschlichen entkommens … wir bleiben einer fundierte Kapitalismuskritik treu 😉
Ich vermisse die Beschäftigung mit den Transformationskonzepten eines Gustav Landauer oder Rudolf Rocker – bieten diese doch zum Teil sehr praktische Ansätze das Lohnarbeitsverhältnis aufzuheben (Rudolf Rocker) oder gehören mit zu den „Erfindern“ der Keimormtheorie“ (Gustav Landauer)
Die Literaturliste ist zu kurz/angeschnitten. Es fehlen die Literaturangaben zu den letzten zwei besprochenen Transformationsansätzen.
Danke Simon, da bin ich beruhigt.
Aber mir geht es nicht darum verschiedene Aspekte der Produktionsverhältnisse zu erfassen und miteinander in Logik zu bringen, das ist natürlich auch wichtig, sondern um den Ausgangspunkt aller wissenschaftlich fundierten Gesellschafts-, besonders der Wirtschaftstheorie, der Werttheorie. Denn mit dieser steht und fällt jegliche weitere theoretische Überlegung. Genau da ist das Neue, das Dieter Wolf im zitierten DE GRUYTER-Artikel angeht und meiner Meinung nach als theoretische Basis ausgebaut werden sollte. Auf diesem Weg wird nicht nur eine vom Marxismus/Leninismus sich abhebende und diesen in Frage stellende realere Widerspiegelung der Realität in Theorie und Praxis erreicht, sondern auch ein völlig neues Bild der Marxschen ökonomischen Theorie. Bei allen Irrtümern, die auch bei ihm (Hobsbawm) zu erkennen sind, er geht z.B. nicht bis in die Tiefe bezüglich des Wertes, ist doch mit Wolf der Ansatz von Eric Hobsbawm („Wie man die Welt verändert“), nochmals die Theorie von Anfang an neu zu durchdenken, bes. Kapital Bd. I Kap. 1, ideal aufgegriffen und realisiert.
Ich denke, daß dieser Return in der gesamten (linken) Bewegung eintreten muß, um solchen theoretischen Verrenkungen wie z.B. von S. Wagenknecht, und damit dem Abdriften in den alten Weg des politischen Reformismus Einhalt bieten zu können. Leider ist die Resonanz sehr dürftig, man hat Wichtigeres zu tun, nämlich die Machtbeteiligung zu erkämpfen, koste es, was es wolle.
@Rudi: Wir hatten uns in dem Kapitel mit eher uns nicht so nahestehenden Trafokonzepten beschäftigt … Rocker und Landauer sind uns ja bedeutend näher. Ich wollte mich in nächster Zeit noch mit uns näher stehender Theorie auseinandersetzen. Hast du zufällig Texte von den beiden parat die sich für die Transformationstheorie gut eignen? Das wäre super 😉
@Kai: Oh, du hast vollkommen Recht. Wir werden uns drum kümmern.
@Werner: Danke für die Literaturtipps. Ich werde sie mir hoffentlich bald mal ansehen können, dann verstehe ich vielleicht auch was du mit „ein völlig neues Bild der Marxschen ökonomischen Theorie“ meinst – du meinst das fehlt uns noch? Kannst du das inhaltlich verdeutlichen?
@Kai: Die fehlenden Literaturangaben sind jetzt da – bitte nochmal herunterladen!
In der Direkten Aktion gibt es einen Artikel, der auch ausführlich auf euer Buch eingeht: https://direkteaktion.org/skizze-eines-konstruktiven-sozialismus-teil-1/
Tenor: Eigentlich habt ihr nur das Rad (nämlich den Syndikalismus) neu erfunden.
hab ich auch schon gesehen … wollte noch dazu schreiben… aber ich hatte das Gefühl dass der Rezensent das Buch eher überfolgen hatte … er geht eher nur stichworthaft darauf ein … aber ich wollte ihn nach seiner literaturgrundlage fragen, ich hab das bei den Anarchist*innen noch nicht so richtig dort gefunden, aber wahrscheinlich weiß er das besser … und Christian Schorschs Rezension ist auf in der Direkten Aktion erschienen 😉 (https://direkteaktion.org/kapitalismus-aufheben-jetzt/)
Zu Simon Sutterlütti (03.09.2018, 13:34 Uhr): „Werner: Danke für die Literaturtipps. Ich werde sie mir hoffentlich bald mal ansehen können, dann verstehe ich vielleicht auch was du mit „ein völlig neues Bild der Marxschen ökonomischen Theorie“ meinst – du meinst das fehlt uns noch? Kannst du das inhaltlich verdeutlichen?“
Der 1. Stein war geworfen, einen 2. fand ich aus verschiedenen Gründen erst jetzt, Entschuldigung.
In der DE GRUYTER-Arbeit ist in Wolfs Abstraktum zu lesen:
„Allgemeine Eigenschaften, Arbeitsprodukt und abstrakt menschliche Arbeit zu sein, sind transhistorische Eigenschaften der Gebrauchswerte respektive der konkret nützlichen Arbeiten. Die transhistorischen allgemeinen Eigenschaften werden folglich im Austauschverhältnis weder durch Gleichsetzung noch durch ‚Tauschabstraktion‘ geschaffen. Der besondere gesellschaftliche Charakter des Austauschverhältnisses bewirkt aber, daß sie zusätzlich die gesellschaftliche Form des Wertes bzw. der formbestimmten abstrakt
menschlichen Arbeit erhalten. Was bedeutet deren Erklärung für die Darstellungsweise am Anfang des Kapitals, wie die Textpassagen, in denen Marx die abstrakt menschliche Arbeit als ‚Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn‘ charakterisiert?“
So beginnt Wolf seine Interpretation zum „Kapital“, die sich von der üblichen marxistischen wesentlich unterscheidet. Er beschäftigt sich nicht mit Gesellschaftsformen, sondern mit der abstrakt allgemeinen Arbeit als ihrer Grundlage. Beim Doppelcharakter der Arbeit hingegen in warenproduzierenden Gesellschaften geht es aber um sachlich gegenständliche Gesellschaftsformen, im Gegensatz dazu, dass die abstrakt allgemeine Arbeit in Gesellschaften o h n e den Austausch der Produkte als Waren eben n i c h t als eigenständige sachlich gegenständliche Form auftritt, zwar eigenständig existiert und als solche auch quantitativ gemessen werden kann, als quantitativer Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, unabhängig von der Naturalform, aber mit der Naturalform des Produkts übereinstimmt.
Dem Doppelcharakter der Arbeit (Arbeitsprodukt und abstrakt menschliche Arbeit zu sein), so liest er es bei Marx, spricht er die Existenz unter allen Formen der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und eine alles bestimmende ahistorische Rolle zu. Dabei verweist er auf die Unterschiede der Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten, die für alle Formen des Gemeinwesens am Anfang der Betrachtungen stehen müssen, wobei diese unterschiedlichen Formen dem Vergesellschaftungsprozeß unterschiedliche Inhalte und Formen geben.
Zur Veranschaulichung geht er dann auf diesen Prozeß im nicht-kapitalistischen Gemeinwesen ein. Dort sind die konkret nützlichen Arbeiten sowohl in Inhalt als auch Form, also von vorn herein in ihrer Naturalform“, Urform, gesellschaftlich anerkannt. „Der nicht-kapitalistische gesellschaftliche Zusammenhang, wie immer er im einzelnen strukturiert oder organisiert ist, ist dem praktischen Vollzug der konkret nützlichen Arbeiten vorausgesetzt.“ Der kapitalistische ebenso, nur wirkt er da anders. Im kapitalistischen Gemeinwesen, so Wolf, dagegen beweist bereits das einfache Austauschverhältnis der Arbeitsprodukte zueinander, daß die konkret nützlichen Arbeiten in ihrer Eigenschaft, abstrakt menschliche Arbeit zu sein, die von ihnen verschiedene gesellschaftlich allgemeine Form besitzen. Deshalb beginnt Marx mit der Analyse der allgemein vorherrschenden Warenzirkulation.
Die Warenproduktion an sich trennt also die doppelten Eigenschaften der konkret nützlichen Arbeiten bzw. der Gebrauchswerte und nicht erst das Kapitalverhältnis. Diese Erkenntnis von Wolf aus Marx ist der erste Unterschied zur marxistischen u. a. „linken“ Theorie.
Wenn man gesellschaftliche Theorie aus Marx entwickeln will, sind die auch dem Kapitalismus vorausgesetzten Widersprüche der Warenverhältnisse, die Ahistorizität der allgemeinen Eigenschaften der konkret nützlichen Arbeit, zu berücksichtigen. Ohne expliziten Ausdruck sagt der Autor auch, daß eine Theorie der sozialistischen Marktwirtschaft dies unterläßt, dabei auf eine mit Marx unvereinbare Definition des Wertes kommt und nicht aus der Kapitalanalyse von Marx und damit vom gesamten Marx nicht ableitbar ist. Hier scheint sich der alte Widerspruch zwischen Marx und Teilen der damaligen Arbeiterbewegung, die dann den Marxismus entwickelte, um mit politischer Gewalt bzw. Umstürze die Grundfrage zu lösen und im sog. Realsozialismus und dem logischen Zusammenbruch endete, fortzusetzen. Noch heute halten die Hauptrichtungen sozialistischer Politik und Theorie an dieser Marx verfälschenden Interpretationen des „Kapital“ fest und verweigern die Diskussion dazu, sofern sie sich noch nicht ganz wie einst die Sozialdemokratie von der Theorie entfernt haben.
Eine weitere Abweichung des Marxismus von Marx sieht Dieter Wolf in der Präsenz der abstrakt menschlichen Arbeit als allgemeine Eigenschaft der konkret nützlichen Arbeiten in der proportionalen Verteilung der Gesamtarbeitszeit.
Es findet immer eine Verteilung der Gesamtarbeitszeit auf die konkret nützlichen Arbeiten statt. Beim Resultat der Verteilung der Gesamtarbeitszeit sind Gründe, Art der gesellschaftlichen Vermittlung und konkret nützlicher Charakter der Arbeiten unwichtig. Es kommt nur darauf an, daß menschliche Arbeitskraft/Arbeitszeit verausgabt, d. h., nur auf die allgemeinen Eigenschaften der konkret nützlichen Arbeiten an, menschliche Arbeit zu sein, also sie als aliquoter Teil der Gesamtarbeitszeit ein Quantum Arbeitszeit repräsentieren. Verteilung der Gesamtarbeitszeit ist ein gesellschaftlicher Vorgang, aber nicht identisch mit der Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten. Deshalb hat die Eigenschaft der konkret nützlichen Arbeiten, abstrakt menschliche Arbeit zu sein, nie die gesellschaftliche Rolle, deren spezifisch gesellschaftliche Form zu sein. „Kapitalinterpreten“, der Ausdruck Wolfs für alle von Marx abweichenden Ökonomen jeglicher Couleur, also auch der marxistischen, setzen die Verteilung der Gesamtarbeit der Vergesellschaftung konkret nützlicher Arbeiten gleich, was einer Leugnung der Verteilung der Gesamtarbeitszeit auf die konkret nützlichen Arbeiten bzw. der Gleichsetzung der konkret nützlichen Arbeiten als gleiche, aufeinander bezogene menschliche Arbeit gleich kommt.
Konkret nützlichen Arbeiten sind aliquote Teile der Gesamtarbeitszeit. Im gesellschaftlichen Zusammenhang werden sie auch als abstrakt-menschliche Arbeiten aufeinander bezogen. In der proportionalen Verteilung der Gesamtarbeit auf die verschiedenen konkret nützlichen Arbeiten gibt es in jedem Gemeinwesen grundsätzlich verschiedene Art und Weise ihrer Gleichsetzung in den Austauschverhältnissen der Produkte bzw. Waren.
Im kapitalistischen Gemeinwesen wird die Verteilung der Gesamtarbeitszeit auf die konkret nützlichen Arbeiten und deren Vergesellschaftung von vorn herein durch Austauschverhältnisse, für Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten zuständig, vermittelt. Die bewirken, daß deren gesellschaftlich allgemeine Form in ihrer Eigenschaft besteht, abstrakt menschliche Arbeit zu sein. Da es in der proportionalen Verteilung der Gesamtarbeit eine Gleichsetzung gibt, wird dies geleugnet. Dabei unterstellt man, diese sei untrennbar mit der Existenz der abstrakt-menschlichen Arbeit als gesellschaftlich allgemeine Form verbunden.
Zur abstrakt-menschlichen Arbeit im nicht-kapitalistischen Gemeinwesen orientieren sich „Kapitalinterpreten“ bezüglich der Gleichsetzung unter der Hand am Austauschverhältnis oder versuchen mittels Messen ominöse rechnerische Gleichheit und Gleichsetzung der konkret nützlichen Arbeiten zu erreichen. Damit soll bewiesen werden, daß abstrakt-menschliche Arbeit keine vergesellschaftungsrelevante Rolle spielt, was sowieso klar ist.
Denn die Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten ist durch den gesellschaftlichen Zusammenhang vorbestimmt. Die proportionalen Verteilung der Gesamtarbeitszeit hat nichts mit Rechenkunststücken oder der Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten zu tun. Wenn es in ihr um Gleichsetzung geht, hat die dabei auftretende abstrakt-menschliche Arbeit keine vergesellschaftende Funktion. Wenn „Kapitalinterpreten“ von einer Gleichsetzung in der gesellschaftlichen Verteilung der Gesamtarbeitszeit auf die konkret nützlichen Arbeiten sprechen, denken sie an die im Austauschverhältnis sich vollziehende Gleichsetzung und von falschen Voraussetzungen aus eine gar nicht gegebene Vergesellschaftungsrelevanz zu widerlegen.
Der gesellschaftliche Zusammenhang, der über Verteilung und Vergesellschaftung entscheidet, wird im kapitalistischen Gemeinwesen erst nachträglich über den Austausch hergestellt im Gegensatz zum nicht-kapitalistischen Gemeinwesen, in dem der gesellschaftliche Zusammenhang als Verteilung der Gesamtarbeitszeit und als Festlegung der gesellschaftlichen Form der konkret nützlichen Arbeiten vorausgesetzt ist. Einfach gesagt: im kapitalistischen Gemeinwesen treten Menschen mittels Austausch ihrer Arbeitsprodukte in gesellschaftlichen Kontakt zueinander und damit in ein gesellschaftliches Austauschverhältnis. Obwohl noch aussteht, um welchen durch die Austauschverhältnisse bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhang es geht, geht es dabei um die proportionale Verteilung der Gesamtarbeit, zusammen mit der Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten. Hierbei werden die konkret nützlichen Arbeiten als aliquote Teile der Gesamtarbeitszeit als untereinander gleiche menschliche Arbeiten bezogen. Dies wird verdeckt, weil die Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten ausgerechnet im ökonomisch gesellschaftlichen Austauschverhältnis vollzogen wird, indem die konkret nützlichen Arbeiten ebenfalls als gleiche menschliche Arbeit aufeinander bezogen werden, ausgerechnet so, daß diese zu ihrer spezifisch historisch gesellschaftlichen Form wird.
Wolf verweist darauf, daß Marx mit der Analyse der Austauschverhältnisse beginnt, um daran die Nachträglichkeit diese gesellschaftlichen Zusammenhanges zu erklären. Diese Nachträglichkeit bedeutet für den gesellschaftlichen Zusammenhang, daß in ihm von vorn herein die proportionale Verteilung der Gesamtarbeitszeit auf die konkret nützlichen Arbeiten mit deren Vergesellschaftung miteinander verquickt sind. Das erledigt das Austauschverhältnis. Das Gleiche in der Gleichsetzung der verschiedenen konkret nützlichen Arbeiten ist die allgemeine Eigenschaft abstrakt menschlicher Arbeit, die durch das Austauschverhältnis zur gesellschaftlich allgemeinen Form wird. Proportionalen Austauschverhältnis und Vergesellschaftung sind im Austauschverhältnis und allen ökonomisch gesellschaftlichen Verhältnissen im Wertverhältnis, das die gesamte Reproduktion beherrscht, miteinander verschränkt. Mit dem Austauschverhältnis beginnt die gesellschaftliche Verteilung der Gesamtarbeitszeit auf die konkret nützlichen Arbeiten, in der es auf diese als gleiche menschliche Arbeiten ankommt und die Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten, in der diese in Eigenschaft, abstrakt menschliche Arbeit zu sein, ihre gesellschaftlich allgemeine bzw. spezifische gesellschaftliche Form erhalten.
Das Austauschverhältnis stellt auf erste und einfachste Weise den gesellschaftlichen Zusammenhang naturwüchsig und nachträglich her. Nur deshalb kommt es zur Überschneidung von Verteilung und Vergesellschaftung.
Über in Wertformen gekleidete ökonomisch gesellschaftliche Verhältnisse wird in proportionaler Verteilung der Gesamtarbeitszeit die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit quantitativ bestimmt. Unabhängig vom einzelnen Ablauf kommt es bei den konkret nützlichen Arbeiten darauf an, daß sie als aliquote Teile der Gesamtarbeitszeit als untereinander gleich menschliche Arbeiten aufeinander bezogen werden. Das wird durch die im Austausch sich vollziehende vergesellschaftungsrelevante Gleichsetzung der konkret nützlichen Arbeiten als gleiche menschliche Arbeiten verdeckt.
Im nicht-kapitalistischen Gemeinwesen übt die Eigenschaft, abstrakt menschliche Arbeit zu sein, keine irgendwelche „vergesellschaftende Funktion“ aus, sodaß sie auch nicht die spezifisch gesellschaftliche Form ist. Im kapitalistischen Gemeinwesen fallen proportionale Verteilung der Gesamtarbeitszeit auf die konkret nützlichen Arbeiten und und deren Vergesellschaftung zusammen, da durch Austausch vermittelt. In der Verteilung kommt es darauf an, daß die konkret nützlichen Arbeiten aliquote Teile der Gesamtarbeitszeit sind und in ihrer Eigenschaft gleicher menschlicher Arbeit aufeinander bezogen werden. In der Vergesellschaftung, daß die konkret nützlichen Arbeiten, in ihrer Eigenschaft gleicher menschlicher Arbeit aufeinander bezogen, zu ihrer spezifisch gesellschaftlichen Form wird. Wird diese Besonderheit (gesellschaftlicher Zusammenhang: Vereinigung von Verteilung und Vergesellschaftung im kapitalistischen Gemeinwesen) nicht erkannt, erfaßt man auch nicht die Herstellung des Zusammenhanges mit der in Naturwüchsigkeit einhergehenden Nachträglichkeit. Dann wird für das nicht-kapitalistischen Gemeinwesen geschlußfolgert, daß dort die Gleichsetzung der konkret nützlichen Arbeiten, die sie eigentlich leugnen, wie im Austauschverhältnis vollzogen wird. Die Befangenheit im kapitalistischen Gemeinwesen zeigt sich im Theorem, für die Gleichsetzung müßte man voraussetzen, daß jede Arbeit nach Marx als gleiche einfache Arbeit gelte. Dabei haben diese „Kapitalinterpreten“ eine Anpassung der konkret nützlichen Arbeiten an das Produktivitätsniveau im Sinn. Um eine inhaltliche Gestaltung der konkret nützlichen Arbeiten als Gleichsetzung geht es aber nicht. Die konkret nützlichen Arbeiten werden in der Verteilung der Gesamtarbeitszeit einander in ihrer Eigenschaft abstrakt menschlicher Arbeit gleichgesetzt. Die einzelnen konkret nützlichen Arbeiten sind dabei quantitativ ungleich und unberührt von der qualitativen Gleichsetzung in der Verteilung der Gesamtarbeit und der daraus resultierenden gesellschaftlich allgemeinen Form. „Kapitalinterpreten“ entgeht, daß Gleichsetzung nicht die allgemeinen Eigenschaften bilden kann, weder die des Arbeitsproduktes noch die der abstrakt menschlichen Arbeit, indem sie die Gleichsetzung in der proportionalen Verteilung der Gesamtarbeit leugnen, um die ahistorisch gültige Existenz der abstrakt menschlichen Arbeit zu leugnen. Das Gleichsetzen erzeugt nicht das „Gleiche“, sondern setzt es als bereits gegeben voraus, sonst gäbe es gar keine Gleichsetzung. Die ahistorisch gültige Existenz der abstrakt menschlichen Arbeit ist für das Verständnis des Anfangs des „Kapitals“ und der wissenschaftlichen Leistung von Marx eminent. Seine Erklärung der Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten beginnt deshalb damit, daß die ahistorisch gültigen Eigenschaften, Arbeitsprodukt bzw. abstrakt-menschliche Arbeit zu sein, im Austauschverhältnis der Arbeitsprodukte auftreten, ohne bereits gesellschaftlich formbestimmt zu sein.
Durch diese widersprüchliche Auffassung gelangen „Kapitalinterpreten“ in fundamentalen Gegensatz zu Marx, unterstellen ihm „naturalistische Tendenz der ersten beiden Unterabschnitte des ersten Kapitels“ (Elbe, synonym dafür), sowie antropologisch physiologisch falsch verstandene abstrakte Arbeit im 2. Unterabschnitt, in dem Marx vom „Doppelcharakter der Arbeit“ als „Springpunkt“ der „Kritik der politischen Ökonomie“ spricht. Für die „Kapitalinterpreten“ beginne „Das Kapital“ erst mit dem 3. Unterabschnitt, ab der Wertform, dort würde das dem Austauschverhältnis unangemessene Verweilen bei der „einzelnen Ware“ und die „naturalistische Bestimmung“ des Wertes sowie der abstrakt menschlichen Arbeit überwunden, erst ab „Wertform“ sei klar, was Wert und formbestimmte abstrakt menschliche Arbeit als spezifisch gesellschaftliche Form sei.
Von der bisherigen Darstellung außerhalb der Austauschverhältnisse der allgemeinen Eigenschaften (Arbeitsprodukt + abstrakt menschliche Arbeit) aus geht diese Kritik am wissenschaftlichen Niveau von Marx vorbei. Marx bewegt sich von Anfang an innerhalb des kapitalistischen Gesamtreproduktionsprozesses. Er beginnt nicht mit der einzelnen Ware, sondern mit einfachstem Austauschverhältnis zur Definition der Ware. Die obige Kritik an ‚ahistorisch gültigen allgemeinen Eigenschaften‘ ist davon weit entfernt, kann damit nichts anfangen, weil man nicht weiß, was sie mit Wert und formbestimmte abstrakt menschliche Arbeit zu tun haben. Marx abstrahiert von allen erst noch zu klärenden ökonomisch gesellschaftlichen Formen (Wert, formbestimmte abstrakt menschliche Arbeit, Wertformen (Geld, Kapital usf.)) und vermeidet so irrationale falsche Schlüsse. So stößt er im Austauschverhältnis auf etwas, womit Wert und formbestimmte abstrakt menschliche Arbeit erklärt werden können, aber von diesen erst noch zu klärenden ökonomisch gesellschaftlichen Formen verschieden ist: die ahistorisch gültige Eigenschaft von Arbeitsprodukten als Gebrauchswerte: Arbeitsprodukt und gleichzeitig abstrakt menschliche bzw. menschliche Arbeit zu sein. Mit diesen ahistorisch gültigen Eigenschaften und dem, was Austauschverhältnis als gesellschaftliches Verhältnis ist, müssen Wert und abstrakt menschliche Arbeit erklärt werden, die grundlegende Bedeutung der allgemeinen Eigenschaften (ahistorisch gültige Existenz bereits außerhalb der Austauschverhältnisse im nicht-kapitalistischen Gemeinwesen) ist belegt und damit die Marxsche Darstellung entgegen der Kritik von Kapitalinterpreten als höchst wissenschaftlich von Anfang an. Marxens Analyse der Austauschverhältnisse zeigt, worin die verschiedenen Gebrauchswerte einander gleich sind: Es gibt ein von diesen verschiedenen Gebrauchswerten ein von ihnen verschiedenes „gemeinsames Drittes“, das nicht mit diesen Gebrauchswerten identisch ist. Das „gemeinsame Dritte“ ist nicht eine im Sollen verbleibende Forderung und auch nicht Resultat der logischen Schlußfolgerung. Dieses Gemeinsame der verschiedenen Gebrauchswerte existiert unabhängig vom analysierten Austauschverhältnis: Sie sind alle Arbeitsprodukte bzw. jeder Gebrauchswert hat die allgemeine Eigenschaft als Arbeitsprodukt. Der Gehalt des noch nicht erklärten „Tauschwertes“ enthält „kein Atom Naturstoff“, weil er im Unterschied zur Qualität der Gebrauchswerte eine andere Qualität besitzt. Der „Gehalt“ [des Tauschwertes] ist keine gebrauchswertartige Substanz, sondern einzig eine allgemeine Eigenschaft, zunächst nur Arbeitsprodukt zu sein. Bei den Bestimmungen um Wert und formbestimmte abstrakt menschliche Arbeiten geht es zunächst um die ahistorisch gültige allgemeine Eigenschaften, die bereits vulgärmaterialistische und naturalistische Fehldeutungen ausschließen. Arbeit im „physiologischen Sinne“ ist nur eine Ausdifferenzierung der
allgemeinen Eigenschaft, menschliche Arbeitskraft zu verausgaben, kein Widerspruch zu Marx.
Wenn es außerhalb des Austauschverhältnisses die allgemeinen Eigenschaften Arbeitsprodukt und abstrakt menschliche Arbeit gibt, dann nur im Sinne der ahistorisch gültigen allgemeinen Eigenschaften, bevor sie im und durch das Austauschverhältnis die gesellschaftlich allgemeine Bedeutung des Wertes und der formbestimmten Arbeit erhalten. „Kapitalinterpreten“ sehen diesen Zusammenhang nicht und sagen angesichts der außerhalb des Austauschverhältnisses existierenden ahistorisch gültigen Eigenschaften, daß jede Ware für sich „vor und unabhängig vom Tausch“ Wert enthalte.“ [Elbe] Sie denken nicht an die allgemeinen Eigenschaften der verschiedenen konkret nützlichen Gebrauchswerte, von denen als das ihnen „gemeinsame Dritte“ „nur noch eine Eigenschaft“ übrig bleibt, „die von Arbeitsprodukten“. Sie denken nur an die „physiologischen Wahrheiten“ in naturalistischem, für die konkret nützlichen Arbeiten gültigem Sinne, nicht an deren allgemeine Eigenschaften gemäß Marx.
Die ahistorisch gültigen Eigenschaften, sofern überhaupt wahrgenommen, hält man im Austauschverhältnis für fehl am Platz, und verkennt ihre wissenschaftliche Bedeutung beim Auftauchen in einem historisch spezifischen gesellschaftlichen Verhältnis. Das „gemeinsame Dritte“ bei Marx ist die allen verschiedenen Gebrauchswerten gemeinsame Eigenschaft, ein Arbeitsprodukt bzw. die allen verschiedenen Gebrauchswerten gemeinsame Eigenschaft, abstrakt menschliche Arbeit zu sein.
Man unterstellt Marx, daß sich die abstrakt menschliche Arbeit in einem mit „physiologischen Wahrheiten“ ausgestatteten Naturprozeß verwandeln würde. Marx schließt ohne weitere Erklärung von dieser Eigenschaft als Arbeitsprodukt sofort auf die abstrakt menschliche Arbeit als Eigenschaft der konkret nützlichen Arbeiten. Die „Kapitalinterpreten“ kommen aber nicht auf die Idee, das, was Marx versäumte, selbst zu erklären, warum er im Austauschverhältnis auf die ahistorisch gültigen Eigenschaften stößt und warum das Austauschverhältnis das ökonomisch gesellschaftliche Verhältnis ist, das die aus dem Arbeitsprodukt bestehende Eigenschaft in der ökonomisch gesellschaftlichen Form des Wertes und die aus der abstrakt menschlichen Arbeit bestehende Eigenschaft in die gesellschaftlich allgemeine Form der konkret nützlichen Arbeiten verwandelt.
Aus der Analyse der Austauschverhältnisse kommt Marx auf weitere allgemeine ahistorisch geltende Eigenschaften: in allen, auch dem kapitalistischen Gemeinwesen existieren diese allgemeinen Eigenschaften der konkret nützlichen Arbeiten sowie eine auf sie proportional verteilte Gesamtarbeit bzw. Gesamtarbeitszeit. Das ist nicht identisch mit einer Ahistorizierung der Austauschverhältnisse!
Austauschverhältnis ist gesellschaftliche Vermittlung der proportionalen Verteilung der Gesamtarbeit und zuständig für Vergesellschaftung der konkret nützlichen Arbeiten. Es verwandelt die vorgefundenen ahistorischen gültigen Eigenschaften in seine spezifische gesellschaftlichen Form des in den Gebrauchswerten existierenden Reichtums bzw. in die gesellschaftlich allgemeine Form der konkret nützlichen Arbeiten.
„Kapitalinterpreten“ stehen die allgemeinen Eigenschaften und die Reihenfolge der Darstellung im Wege, ihrem Verständnis der ökonomisch gesellschaftlichen Formen. Für sie hat die Erklärung des Wertes Vorrang vor der Erklärung der formbestimmten abstrakt menschlichen Arbeit. Beide Kategorien müssen in Reihenfolge von Marx behandelt werden: Erklärung des Austauschverhältnisses als einfachstes gesellschaftliches Verhältnis zwischen den Gebrauchswerten als Arbeitsprodukte. Hier stößt Marx zuerst auf die allgemeine Eigenschaft, ein Arbeitsprodukt zu sein. Hätte Marx dann mit dem Austauschverhältnis erklärt, warum das Arbeitsprodukt die gesellschaftlich allgemeine Form ist, wäre er zum Wert gelangt. Das wäre der Weg gewesen zur Erklärung der formbestimmten abstrakt menschlichen Arbeit durch folgende Rückschlüsse: So wie das Arbeitsprodukt Eigenschaft der konkret nützlichen Gebrauchswerte ist, so ist die abstrakt menschliche Arbeit die allgemeine Eigenschaft der konkret nützlichen Arbeiten. Das hat Marx versäumt, versucht aber Zeilen später eine Korrektur.
„Kapitalinterpreten“ sehen in Gleichsetzung und Abstraktion die Ursachen für Wert und formbestimmte abstrakt menschliche Arbeit, aber nur das Austauschverhältnis, dem die allgemeinen Eigenschaften vorausgesetzt sind, verleiht diesen die gesellschaftlich allgemeine Form (durch Gleichsetzung). Weil dies nicht in ihre Erklärung paßt, werden die ahistorisch gültigen allgemeinen Eigenschaften ignoriert. Deshalb erklären sie den Wert zu spät als Vergegenständlichung einer in der Luft schwebenden abstrakt menschlichen Arbeit. Ohne Rekurs auf die allgemeine Eigenschaft des Arbeitsproduktes bleibt diese „Gegenständlichkeit des Wertes“ unerklärbar, da allgemeine Eigenschaft nicht mehr als ahistorisch gültige Komponente des Wertes erfaßt werden kann.
Dies dürfte zunächst reichen.
Nachtrag: Der Versuch, die obige eigenwillige Formatierung in ein vernünftiges Format zu bringen, scheiterte im Bearbeitungsmodus. Vermutlich korrespondiert mein Linux-Format nicht mit dem hier verwendeten. Entschuldigung und Bitte um Nachsicht.
@Werner: Was meinst du mit „eigenwillige Formatierung“? Für mich sieht alles normal aus (abgesehen davon dass dein Kommentar die übliche Kommentarlänge deutlich überschreitet — aber das ist ja nun kein Formatierungsproblem!).
Hat sich von selbst erledigt. Zuerst war mein Text in fürchterlichem Blocksatz erschienen, das versuchte ich mit manueller Korrektur in ein vernünftiges Bild zu bringen. Jedoch war das Bild danach das alte. Nach einiger Zeit korrigierte sich der Schriftsatz von selbst. Also, alles i.O.
Werner,
obwohl (oder weil) Du viel schreibst, bleibt mir unklar, an welcher Stelle es für das Buch von Simon und Stefan wichtig wäre, die Erkenntnisse von Wolf einzubeziehen. Was von ihren Inhalten würde sich wie ändern, wenn man sie einbeziehen würde?
Würde sich ihre Kapitalismusanalyse (S. 26ff.) ändern? Oder auch die kategoriale Utopie selbst?
Es geht mir nicht so sehr um das Buch, sondern um die Ausgangspunkte der Kapitalanalyse allgemein, aber auch um die im Buch. Ich war gefordert, „@Werner: Danke für die Literaturtipps. Ich werde sie mir hoffentlich bald mal ansehen können, dann verstehe ich vielleicht auch was du mit „ein völlig neues Bild der Marxschen ökonomischen Theorie“ meinst – du meinst das fehlt uns noch? Kannst du das inhaltlich verdeutlichen?“
Darauf habe ich die, zugegebener Maßen etwas ausführliche Begründung von Dieter Wolf interpretiert. Das geht natürlich weit über das Buch hinaus oder präziser: an den Anfang, vor jedwedes Buch zum Thema. Wenn analysiert wird, müßte m. E. zuerst über die Ausgangspositionen Klarheit geschaffen werden, denn die bisherigen, wir gehen doch alle davon aus, daß mit diesem Ausgangspunkt nur die Werttheorie gemeint ist, sind jetzt mehr als fragwürdig.
Dazu ist zu erinnern, daß 2017 eine Neuausgabe von „Das Kapital“, herausgegeben von Rolf Hecker/Ingo Stützle (Hg.): Karl Marx. Das Kapital 1.1 bis 1.5. Fünf Bände im Schuber. Karl Dietz Verlag, 896 S., br., erschien, die von Heinrich Harbach besprochen wurde (https://www.neues-deutschland.de/shop/article/9783320023348). Harbach bezog sich dabei vorrangig auf den Band „Das Kapital 1.5 Die Wertform“, der eine Darstellung der Marxschen Werttheorie beinhaltet, die zwar Altbekanntes aus verschiedenen Arbeiten von Marx verwendet, jedoch in diesem Zusammenhang erstmalig als untrennbarer Bestandteil des „Kapitals“ eine neue Sicht auf die Werttheorie darbringt.
Das gleicht in der Theorie mit allen Folgerungen für die Praxis einem Erdbeben, das jedoch eigenartiger Weise kaum registriert wurde. Die erwähnte Arbeit von Dieter Wolf, schon lange vorher erarbeitet, geht völlig konform mit diesem „neuen“ „Kapital“, ja, bringt die Begründung dafür. Nach dem Nachvollzug des Marxschen Weges zur Wertdefinition schließt Wolf darauf, daß »Kapitalinterpreten in Gleichsetzung und Abstraktion die Ursachen für Wert und formbestimmte abstrakt menschlichen Arbeit sehen. Aber nur das Austauschverhältnis, dem die allgemeinen Eigenschaften vorausgesetzt sind, verleiht diesen die gesellschaftlich allgemeine Form (durch Gleichsetzung). Weil dies nicht in ihre Erklärung paßt, werden die ahistorisch gültigen allgemeinen Eigenschaften ignoriert. Deshalb erklären sie den Wert zu spät als Vergegenständlichung einer in der Luft schwebenden abstrakt menschlichen Arbeit. Ohne Rekurs auf die allgemeine Eigenschaft des Arbeitsproduktes bleibt diese „Gegenständlichkeit des Wertes“ unerklärbar, da allgemeine Eigenschaft nicht mehr als ahistorisch gültige Komponente des Wertes erfaßt werden kann.«[aus meinem Wolf-Exzerpt]
Das bedeutet, daß alle, auch unsere Auseinandersetzung auch mit der marxistischen Theorie auf einem falschen Wertbegriff basiert. Es ist m. E. unumgänglich, nochmals zu diesen Wurzeln zurückzukehren und die Theorie neu zu durchdenken, was auch der Aufforderung Eric Hobsbawm entspräche, zu Bd. 1, Kapital 1, Abschnitte 1 und 2, was auch Wolf unternimmt.
Es würde sich dann erweisen, ob die (unsere) bisherige Theorie von der Bedürfnisgesellschaft, ohne Ware, Wert, Kapital, Geld schon auf dem richtigen Weg ist oder der Korrektur bedarf. Die Arbeiten zum Bd. 1.5 und die von Dieter Wolf haben das Potential, ein festes Fundament dafür abzugeben, auch wenn diese Fundamentierung erst jetzt im Nachgang erfolgte.
Es ist deshalb in einem Beitrag kaum eine vollständige Argumentation unterzubringen, es wäre wohl eine Fortsetzung der Diskussion über die Aufhebung des Kapitalismus in einer nächsten Stufe erforderlich.
Danke, Werner, für die Antwort,
Ich finde es immer kompliziert, wenn in Blogbeitragskommentaren nicht zu dem kommentiert wird, worüber der Blogbeitrag gerade handelt. Ich weiß jetzt nicht, wo in keimform.de was über den Begriff des Werts im „Kapital“ steht, aber da würde es hingehören. Es braucht aber wenigens einen Verweis, was das mit dem Thema des Blogbeitrags zu tun hat.
Das Thema „Aufhebung des Kapitalismus“, ja so ganz allgemein ist das schon das gemeinsame Thema hier. Speziell würde was zur Charakterisierung des Kapitalismus in die Kommentierung des Kapitel 1 (speziell 1.3 abS. 26) gehören… Im entsprechenden Blogbeitrag (http://keimform.de/2018/kapitalismus-aufheben-kapitel-1/) wird das nicht angesprochen, aber inhaltlich gehörts da hin…
@Annette #16:
Vielleicht interessiert dich mein Beitrag hierzu in
http://kulturkritik.net/begriffe/index.php?lex=wert
„Nicht das sachliche Produkt als ein nützliches Ding an sich verkörpert einen Wert, sondern ein Ding, das sich über seinen Verbrauch hinaus in einer Welt erhält, in der überhaupt alles nur entsteht und besteht, um verbraucht und vernutzt zu werden. Von daher entsteht ein Wert aus einer nichtigen Bestimmung. Wo alles wirklich wahr ist, für sich ungebrochen, also unzweifelhaft ganz da ist, gibt es nichts, was eine Bewertung nötig hätte. Daher stellt ein Wert an und für sich keinen Reichtum, sondern einen Mangel dar. Wert ist die Formulierung einer wechselseitigen Beziehung, die in ihrer Wirklichkeit weder für den einen noch für den anderen greifbar, also ihrem Begriff nach nichts ist, also nur als eine Abstraktion von sich existieren kann, die aber durch ihre Bewertung alles zu sein verspricht. „Unser wechselseitiger Wert ist für uns der Wert unsrer wechselseitigen Gegenstände. Also ist der Mensch selbst uns wechselseitig wertlos“ (MEW 40, S. 462f).“
Nochmals zu Anette (25.10.2018, 20:44 Uhr)
Da sind wir uns einig, der Blog gibt weitere Vertiefung zum Wertgesetz nicht her, setzt dem Grenzen. Jedoch ist dies der Blogthematik näher als man annehmen könnte. Wenn der Wert das alle Beziehungen basierende Produktionsverhältnis ist, kann eine Kapitalismuskritik nicht wirklich außerhalb des Wertgesetzes und nicht davon nicht ausgehend erfolgen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit kann zur Kritik an den 3 Beispielen auszugsweise einiges hinterfragt werden.
Die Auswahl der Grundrichtungen zumindest von den Ansätzen her ist nicht vollständig. Sie umfaßt nur politisch determinierte Modelle. Ein Ansatz aus rein ökonomischer Analysesicht, der aus einer auf Marx beruhenden Wertformanalyse in Richtung der Transformation der Produktionsverhältnisse (PV) auf Basis der Entwicklung der Produktivkräfte (PK; IT-basierte neue PV) wäre u.a. bei Heinrich Harbach „“Wirtschaft ohne Markt“ zu finden gewesen.
Unter „1.1 Große Transformation und Gesellschaftsvertrag“ wird von „ globaler Transformation“ gesprochen. Es wird ein nicht definierter Begriff verwendet, der dann beliebig für alles mögliche gebraucht werden kann und wird. Da verbietet sich eigentlich eine weitere Diskussion auf dieser Ebene von selbst. Dabei geht es u.a. um einen Begriff der „globalen Transformation der Werthaltung“. Von Hühner- oder Schweinehaltung hat man schon gehört, aber nicht davon. Es wird von „Wert“ gesprochen, ohne eine Definition erkennen zu lassen. Aus dem Kontext ist ersichtlich, daß dies bewußt geschieht, um diesen Begriff als Allzweckwaffe beliebig einzusetzen und den Anschein von Wissenschaftlichkeit und Seriosität zu erzeugen. Er wird aber analog der propagandistischen (demokratischen, westlichen, europäischen etc.) Argumente ideologisch bis ökonomisch, also auch in der Ökonomie ideologisch, eingesetzt. Hier wäre eine eindeutige Wertdefinition erforderlich. Das gilt auch für die Begriffe „postmaterielle Werte“ und „Trickle-down der Werte“, unsinnige modische Propagandabegriffe ohne ökonomischen Inhalt. Auch die Kategorie „Produktionsweise“ wird mehr in quantitativem technologischem Sinne benutzt, da fehlt mir die prinzipielle Abgrenzung ohne Kompromiss, denn dieser Gebrauch ist Voraussetzung, um darauf aufbauend den Zusammenhang zwischen PK und PV verwischen und damit die PV aus der Theorie heraushalten zu können.
Unter „Trickle-down der Werte“ läßt sich die Kritik auf die unökonomischen, weil nicht definitionsbasierten Argumente ein, die den Wertbegriff auf die hier nicht zutreffenden wechselseitigen Beziehungen von Denken und Handeln einengt, anstatt eine unbedingt erforderliche Abgrenzung zur ökonomisch basierten Wertdefinition entgegen zu setzen.
Auch im Abschnitt „1.2 Diskussion“ wird auf den strittigen Gebrauch des Transformationsbegriffes eingegangen und damit toleriert anstelle einer Abgrenzung. Im gleichen Abschnitt wird ein eigenartiger Pflock gesetzt: „Doch dass das WBGU-Konzept nicht eine freie Gesellschaft allgemeiner Inklusion als Ziel einer großen Transformation anstrebt, können wir nicht kritisieren, liegt diese doch im WBGU weder im Raum des Denkmöglichen noch Gewollten.“ Warum denn nicht oder warum nicht gerade deshalb? Keine Kritik, weil „unsere Sichtweise“ darin nicht vorhanden ist, also keine prinzipielle Kritik? Das wäre scheinwissenschaftlich.
Der inhärente Kritik im Teil „2.1 Kapitalismuskritik und neue Prinzipien“ stellt zu undeutlich auf den Idealismus der ASÖ-Kapitalismusanalyse mit entsprechender Strategie ab. Es liegt der Verdacht nah, daß die Strategie eine harmonischen Widerspruchslösung in diesem Konzept zuerst aufgestellt wurde, um dann dem gemäß eine „Analyse“ dafür zu konstruieren. Jede Detaildiskussion auf die weiteren Ableitungen der ASÖ-Theorie verböte sich auch da von selbst.
Unter „2.4 Diskussion“ ist ein Theorem der Bonus-Verfasser offenbart: „Eine Gesellschaft die bestimmend durch den Markt und Tausch vermittelt wird, ist untrennbar mit Kapital, Verwertung, Zins, Geld etc. verbunden (vgl. Kap. 1.3.1). Salopp gesagt: Der Markt alleine bringt noch keinen Kapitalismus hervor, die Marktwirtschaft als verallgemeinerter Markt schon.“ Hier wird die Werttheorie unmittelbar berührt, jedoch ohne Einbeziehung des Wertes in die Marktmechanismen. Dieser wird zu sehr von der Warte des subjektiven Handelns auf dem Markt aus argumentiert. Die archaische, autonome, autarke, autosuggestive und autoreproduktive Rolle des Wertes wird nicht beachtet. Dieser Zusammenhang und die darauf dominierende Rolle des Wertes wird von Dieter Wolf (Link bereits früher schon gesetzt) aus dem „Kapital“ ausführlich begründet.
Völlig überraschend, abseits von bisherigem Diskurs und wie gewollt eingefügt gegen die Argumentation steht der Satz: „Völlig außen vor bleibt im Konzept die geschlechtlich strukturierte Sphärenspaltung von „männlich“ bestimmter Produktion und „weiblich“ abgespalteter Reproduktion/Care, deren Aufhebung folglich auch nicht gedacht wird (vgl. S. 37).“ Nach der Vorgehensweise der tiefsten Abstraktion durchaus in Marxschem Sinne, der Ausschaltung von Unwesentlichem bis auf den Kern, dem Wesentlichen (Wert), wird eine modistische unwesentliche Erscheinung in die Wertdefinition eingefügt. Ist das Pragmatismus, etwa mit zudiskutieren in der Wertspaltungsdiskussion? Können wir in Konsequenz jetzt eine Me-Too-Diskussion in der Werttheorie erwarten? Auf eine Begründung, warum dieses Gespinst in die Werttheorie gehört, bin ich gespannt.
Der Wert hat, dies alles zusammengefaßt, doch jede Menge mit dem Bonus-Kapitel zu tun.
tp nimmt Bezug auf dies, ich weise daher hier mal darauf hin, dass ich dort im Forum daher auch Bezug auf dies nehme: https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Marx-ohne-Kohlen/Re-Das-bezweifle-ich/posting-38503214/show/