Commons Verbünde Diskussion
zwischen Jan Hendrik Cropp und Gunter Kramp
Jan Hendrik Cropp hat den Text Commons Verbünde zweiter Anlauf mit einem so gehaltvollen Kommentar versehen, dass es eine intensivere Auseinandersetzung damit brauchte. Deshalb gab es im Rahmen des Commons-Institut-Frühjahrstreffens vom 5-8.5.22 eine Diskussionsrunde dazu, an der Jan auch online beteiligt war. Basierend auf dem Protokoll dieser Diskussion und zusätzlichen Gedanken von mir ist nun dieser Text entstanden, indem ich aus dem Kommentar von Jan eine schriftliche Diskussion gemacht habe.
„Entmonetarisierung“ durch Commonverbünde nur bei Ausdehnung ?
JHC: Mir erschließen sich einige Argumente nicht mit denen begründet wird, dass Commonsverbünde eine echte Entmonetarisierung voran treiben. Entmonetarisierung möchte ich hier so verstanden wissen, dass Menschen mehr Bedürfnisse ohne Geld befriedigen können als vor der Bildung des Commons-Verbundes.
GK: Diese Definition verstehe ich, die von mir verwendete ist aber bewusst weiter gefasst. Mir ist wichtig, dass es nicht nur um den quantitativen Geldbedarf geht, sondern auch auf welche Weise der gedeckt wird und welche Folgen das für die sozialen Beziehungen hat. In sofern ist mir wichtig, dass obwohl nicht alle im Text genannten Beispiele für Demonetarisierung den Geldbedarf des Verbundes reduzieren, sie doch alle die von uns beiden intendierte Wirkung einer Zurückdrängung von Tauschlogik haben.
JHC: Im Text wird folgendes Beispiel für Entmonetarisierung genutzt: „Wenn also die Kita ihre Lebensmittel von der Solawi bezieht, muss dafür kein Geld mehr fließen.“ Das erschließt sich mir schlicht nicht. Wenn eine SoLaWi einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Produktion an eine Kita liefert dann muss diese dafür auch einen entsprechend hohen „Richtwert“ an „BTID“ zur Verfügung stellen. Vor allem aber wahrscheinlich B, also monetäre Beiträge, weil nicht viel T=Tätigkeit I=Investition oder D=Dinge zur Verfügung steht. Entweder müssen diese von der Kita kommen oder aber im Verbund gedacht als höhere Beiträge an den Verbund von jenen die ihre Kinder in die Kita schicken. Entmonetarisierung sehe ich hier also nicht.
GK: An der Kritik stimmt natürlich, dass hierbei notwendige Beiträge an Tätigkeit und Geld für das Solawi Gemüse als Aufwand der Kita gerechnet würden, also in den Richtwert der Kita Nutzenden einfließen. Damit wird also der Bedarf kalkulatorisch so berücksichtigt als würde es in Rechnung gestellt. Aber im weiteren erfolgt diese Verrechnung ja nicht, alle sagen Tätigkeiten zu, die in den Projekten wo die Leute beitragen wollen erbracht werden können. Ich könnte also, wenn ich mein Kind in die Kita schicke, zum Bedarf der Kita geldlos beitragen indem ich in der Solawi tätig bin. Wofür ich sonst bezahlt werden müsste, weil ich meinen Kita Beitrag zahlen müsste. Gerade an dem was Jan behauptet „Vor allem aber wahrscheinlich B also monetäre Beiträge weil nicht viel TID zur Verfügung steht.“ ändert der Commons Verbund also etwas. Mehr Beiträge können statt Geld direkt in Form von Tätigkeit in einem Bereich erfolgen auf den die Menschen auch Lust haben. Das gilt auch noch in anderen Formen: Investitionsmittel stehen in einem Verbund leichter zur Verfügung weil mehr Menschen erreicht werden, die ihr Geld in den Kapitalpool des Verbundes stecken können, als es das einzelne Projekt könnte. Zudem wird der Verbund über diesen Kapitalpool in die Lage versetzt es dort einzusetzen wo es gerade gebraucht wird, ohne dass für jede Einzelinvestition immer wieder neu ein „Crowdfunding“ organisiert werden muss. Und dem gemeinsamen Kapitalpool können auch Rücklagen zugeführt werden wenn irgendwo Überschüsse auftreten. Die dann dort wo es not tut investiert werden können oder für die Deckung von unerwarteten Mehrkosten verwendet werden können. Auch die direkte Nutzung von vorhanden Dingen wird durch den Verbund erleichtert. Ähnlich wie die Kommune Niederkaufungen könnte der Verbund gemeinsame Material- und Werkzeugpools haben, so dass viele sonst mehrfach auftretende Kosten und Beschaffungsaufwände entfallen.
JHC: Insgesamt habe ich das Gefühl das im Text „Entmonetarisierung“ schlicht als „es fließt weniger Geld“ verstanden wird. Das ist aber ein wesentlicher Unterschied zu: „Es wird in der Summe von allen Einzelpersonen und Projekten im Verbund weniger Geld benötigt um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“. Rein mathematisch bringt ein Verbund keine Vorteile in diesem Sinne. Zwar stimmt es das Geldflüsse die sonst hin und wieder zurück fließen entfallen können. Das ändert aber nichts an der „Summe“.
GK: Wenn Geldflüsse entfallen die sonst hin und wieder zurück fließen würden ist das kein Nullsummenspiel. Damit wird effektiv auch der äußere Geldbedarf verringert und das nicht zu knapp. Geld das zwischen zwei Projekten hin und her fließt ist mit einigen Nebenkosten belastet: Die Verrechnung erfordert Verwaltungsaufwand (dafür wären 10-20% des Betrages eine übliche Kalkulationsgröße). Dazu kommen Mehrwertsteuer, Sozialversicherung und Lohnsteuer. Es ist keine Übertreibung anzunehmen, dass zwischen Nettolohn und Gesamtkosten für den Leistungsempfänger ein Faktor 2 liegt. Das entspricht üblichen Kalkulationen z.B. im Handwerk. Wenn zwei Menschen also einfach freiwillig je eine Stunde für einander etwas machen statt sich zum gleichen Stundensatz gegenseitig zu bezahlen verschwindet nicht nur ein interner Geldfluss von zwei Nettostundenlöhnen. Es verschwindet auch ein sonst nach außen abfließender oder eingesparter ähnlich großer Betrag.
JHC: Die Möglichkeiten der Entmonetarisierung im o.g. emanzipatorischen Sinne entstehen m.M. nach immer nur dann wenn ein neuer Produktionsbereich / ein neues Projekt dem Verbund beitritt. Lediglich die Ausdehnung der „Commons-Sphäre“ funktioniert in diesem Sinne „entmonetarisierend“.
GK: Und genau diese Ausdehnung wird mit einem Konzept wie dem Commons Verbund erst möglich. Denn sonst würde jedes Einzelprojekt mit dem anderen nicht gemeinsam in der Commons Sphäre sein, sondern über Markt mit den anderen interagieren müssen. Genau darum geht es also, zusätzlich gibt es wie oben schon benannt weitere Demonetarisierungseffekte, die das in der Wirkung noch verstärken.
Problematische „Charity“ auch für das Funktionieren von Commonsverbünden wesentlich?
JHC: Auch den Argumenten bzgl. des Nicht-Aufkommens von „interner“ bzw. „externen Konkurrenz“ kann ich nicht recht folgen. Bzgl. externer Konkurrenz ist zu sagen das eine Internalisierung von Kosten die im Kapitalismus externalisiert werden können, immer zu Mehrkosten und daher einem höheren Projekt-Gesamtbudget führen; egal ob Commons-Verbund oder einzelnes Commons-Projekt. Das gleiche gilt wenn Commons-Projekte oder Commons-Verbünde Lohn-Ungleichheiten im Alleingang ausgleichen wollen; also z.B. unterbezahlten GärtnerInnen und ErzieherInnen ein angemessenes z.B. doppelt so hohes Gehalt wie branchenüblich zahlen wollen.
GK: Die Erfahrung aus der Großkommune Niederkaufungen zeigt, dass diese Mehraufwände durch die oben skizzierten Minderaufwände überkompensiert werden. Gleichzeitig wird durch gemeinsame Ressourcennutzung eine relative Entkopplung von Lebensstandard und Materiellem Ressourcenverbrauch, der immer auch Kostenaufwand bedeutet erreicht, die auch in einem Commons Verbund gut denkbar ist. Funktionsräumen wie Werkstätten, Räume für Treffen, Sport und Party, bewegliche Gegenstände wie Lastenräder, Autos oder ÖPNV Monatskarten sowie die oben auch schon erwähnten Lager für diverse Materialien und deren Wiederverwendung senken Kosten und Naturverbrauch pro Person bei gleichzeitig mehr Möglichkeiten sich zu entfalten. In einem verrechnungsfreien, tauschlogikfreien Raum ist eine solche gemeinsame Nutzung auch sehr leicht möglich, weil keine nutzungsbasierte Abrechung erfolgen muss, die sonst Verleihsysteme kompliziert und teuer macht.
JHC: Denkbar wäre nun, dass aus Projekten im Commons-Verbund, die im Kapitalismus „leistungslose Renditen“ erzielen, diese vormaligen Renditen an Projekte im Verbund umverteilt werden, die eine Internalisierung vollziehen wollen. Dies ist aber zumeist sicher nicht gewollt, weil Hausprojekte durch das Wegkürzen der „leistungslose Rendite“ lieber die Miete reduzieren (hierdurch geschieht dann übrigens eine echte „Entmonetarisierung“).
GK: Dass Hausprojekte den Nutzen des Wegkürzens des leistungslosen Vermieterprofits für sich selbst behalten wollen ist meiner Meinung nach eine These die ein Menschenbild postuliert, dass ich nicht teile. Zumal es ja in weiten Teilen die selben Menschen sein werden die sich an verschiedenen Projekten beteiligen, nicht nur an den Wohnprojekten. Selbst wenn der Mietrichtwert also keinen Transfer für andere Projekte enthält, so verbleibt doch den Beteiligten dann wegen der geringeren Miete mehr Geld, dass sie für andere Bereiche ihres Lebens aufwenden können. Und das führt dann hoffentlich insgesamt zu Beiträgen, die mehr für die Projekte übrig lassen bei denen Mehrkosten auftreten.
JHC: In der Summe werden aber „Produkte“ aus Commons-Projekten wie auch Commons-Verbünden „teurer“ sein als auf dem kapitalistischen Markt.
GK: Die Erfahrung in der Kommune Niederkaufungen zeigt, dass das ab einer gewissen, verglichen mit einem Commons Verbund sogar noch recht kleinen Größe nicht sein muss. Das Gegenteil ist der Fall: Die Kommunard:innen brauchen so wenig Geld, dass die Kommune aufpassen muss nicht versehentlich ihre Produkte so billig anzubieten, dass andere Betriebe ohne Kommune im Hintergrund da nicht mehr mithalten können.
JHC: Sollen die Projekte weiterhin inklusionslogisch mit freien Beiträgen funktionieren braucht es „Gönner*Innen“ im Projekt die deutlich über dem Durchschnitt in allen Bereichen beitragen. Egal ob dies im Bereich B, T, I oder D ist; es werden zumeist ökonomisch und deshalb zeitlich, monetär und proprietär, priviligierte Individuen sein die diesen Unterschied machen.
GK: Wie oben schon beschrieben stimmt die vorgelagerte Prämisse schon nicht. Bei einzelnen Projekten wie Solawis schon eher, der Verbund verbessert hier die Lage auf alle Fälle. Auch für die Solawis wäre aber zu fragen: Ist es nicht eher ein Feature als ein Bug, dass Menschen die mehr leisten können in dieser Art des Wirtschaftens auch direkt aufgerufen sind mehr zu geben? Also statt Premiumprodukten für Reiche und Billigkram für Arme allen Zugang zu guten Lebensmitteln zu ermöglichen. Für mich ist das eher das Gegenteil zu Charity wo Arme ab und zu mal was geschenkt bekommen wenn es den Reichen denn gefällt.
JHC: Ein Argument wäre nun zu sagen das Commons-Verbünde mehr von solchen „Gönner*Innenn“ anziehen. Am Problem, dass Commons auf diese Art von Charity angewiesen sind, ändert dies aber nicht. Siehe zu dieser Problematik auch mein Artikel:
GK: Auch in diesem Artikel stecken wieder einige Prämissen drin die ich für falsch halte, so z.B.
„Es macht keinen Unterschied ob eine Person angibt einen Lohn von 100 € / Monat für eine bestimmte Tätigkeit zu brauchen und dann für 100 € einen Anteil in der Solidarischen Landwirtschaft erwirbt oder das Gemüse direkt zur Verfügung gestellt bekommt.“
Und hier muss mal gesagt werden was Charity eigentlich ist und wieso dieser Begriff in dem Kontext Solawi oder Commons Verbünde eigentlich eine Polemik ist: Wohltätigkeit oder englisch Charity sind eben wirklich Spenden Reicher zugunsten Bedürftiger. Wobei die Organisationen die diese Mittel den Bedürftigen zukommen lassen normalerweise allein von den Reichen kontrolliert werden.
Das ist hier nicht der Fall:In einer Solawi und erst recht bei einem Commons Verbund hängt die Mitbestimmung nicht davon ab ob ich viel oder wenig Geld beitrage, es wird gemeinsam eine von allen Beteiligten kontrollierte Organisation aufgebaut über deren Mittel alle kollektiv verfügen. Insbesondere wird auch ein Vermögen in Betriebsmitteln aufgebaut, das mindestens Kollektiveigentum ist, idealerweise sogar durch zusätzliche Absicherungen unverkäuflich und nicht mehr privatisierbar ist. Damit besteht selbst wenn anfangs Spenden und Darlehen reicher Menschen nötig waren keine dauerhafte Abhängigkeit, die bei Charity eines der wesentlichen Probleme ist. Zudem sind es real ja meist nicht einzelne oder wenige, sondern eine größere Gruppe von ein wenig mehr Eigentum habenden die Investitionen der Projekte ermöglichen.
Trotzdem ist Jans Artikel sehr lesenswert. So zum Beispiel der Hinweis darauf, dass es ja durchaus denkbar wäre, bewusst von der Anonymität der Bieterunde abzuweichen und mal darüber zu sprechen welches Einkommen Menschen haben und die Beiträge daran zu koppeln. Einkommensabhängige Richtwerte sind auch bei einigen Solawis zumindest schon mal angedacht worden. Das könnte auch ein gutes Mittel sein um die Verantwortung reicherer Menschen klarer zu machen, selbst ohne sich gleich einen Einkommensnachweis zeigen zu lassen. Da hier auch beklagt wurde, dass Solawis in strukturschwachen Regionen Probleme hätten weil alle ihre Mitglieder wenig Geld haben regt das zu neuen Ideen an: Es ist ja nicht gesagt, dass nur die Mitglieder einer Solawi untereinander solidarisch sein müssten. Commons Verbünde könnten damit, dass Projektübergreifende Solidarität etabliert wird auch einen Auftakt dazu bilden generell mehr und größere Solidarstrukturen zwischen den Projekten zu ermöglichen.
JHC: Bezüglich interner Konkurrenz macht es nur Sinn von einer Situation aus zu gehen, in der in einem Commons-Verbund bei den Beitragsrunden allgemein eine Mangelsituation herrscht; also nicht genügend Beiträge zusammen kommen. In dieser Situation gibt es eigentlich nur zwei mögliche Lösungswege: Entweder mehr Charity oder Einsparung von „Kosten“. (Charity kann im übrigens auch bedeuten reiche Leute arbeiten umsonst im SoLaWi-Projekt mit Gemeinschaftsgarten-Charakter weil sie nicht lohnarbeiten müssen). Kommt die Charity nicht zu Stande muss doch auf „betriebswirtschaftliche Effizienz“ zurück gegriffen werden. Oder aber die Mitglieder der Verbundes kneifen die Arschbacken zusammen und geben eben mehr Geld in den Verbund, mit der Konsequenz in ihrem „Außenkonsum“ sparen zu müssen.
GK: Erst mal wäre in der Marktwirtschaft nicht nur diese Situation objektiver Knappheit ein Problem. Gäbe es zwei nicht über einen Commons Verbund miteinander verbundene Landwirtschaftsprojekte, die sehr unterschiedliche Kosten pro Kilo Produkt haben könnte die eine zum Ruin der anderen führen, ganz ohne böse Absicht und Geldknappheit insgesamt. Eben Marktwirtschaft mit ihrer Direktive „wachse oder weiche“. Es ist schon relevant zu sehen, dass ein Verbund da einen Unterschied machen würde, weil so lange alles OK ist wie insgesamt genug Geld zusammen kommt.
Gehen wir aber wie von Jan vorgeschlagen mal von dem Fall aus, dass nicht genug Geld für die Landwirtschaft zusammen kommt. Was meiner Erfahrung nach auch bei einzelnen Solawis nicht zwangsläufig vorkommt und wenn dann meist auf erkennbare Fehler in der Planung zurückführbar ist. Häufig mit einem Mangel an Investitionsmitteln verbunden womit die Arbeitseffizienz zu gering ist… Dann wäre in einem Verbund immer noch der Vorteil, dass einerseits nur die Beiträge für alle Projekte zusammen aufgehen müssen, der Etat der Landwirtschaft also von anderen Zweigen mitgetragen werden kann. Und andererseits, dass der Verbund viel mehr Investitionsmittel bündelt, so dass die betriebswirtschaftliche Effizienz, die ja nicht nur schlecht sein muss auch durch Investitionen in Beratung und angepasste Arbeitsmittel erreicht werden kann statt über mehr Menschen und Naturausbeutung.
JHC: Pikant wird es im Text besonders an einer Stelle die man (vielleicht auf gemeine Art und Weise?) so verstehen könnte, als dass eine falsch verstandene „Entmonetarisierung“-Argumentation den Hang zur „Charity-Logik“ offenbart. So heißt es: „Durch die interne, arbeitsteilige aber weitgehend geld- und arbeitszwangsfreie Zusammenarbeit entsteht nicht nur ein verminderter Geldbedarf. Sondern es gibt für diesen Anteil der Re-/Produktion auch keinen besteuerbaren Leistungstausch und keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Der Effizienznachteil, den kleine kollektive Betriebe gegenüber kapitalistisch optimierten Betrieben haben, wird dadurch zumindest ausgeglichen.“ Man könnte hier fast einen kapitalistischen Libertarismus hinein deuten. Staatliche Solidarsysteme sollen, durch die Vermeidung von Steuern und Sozialversicherungspflicht, unterlaufen werden, obwohl diese Systeme in den jetzigen gesellschaftlichen Verhältnissen die einzigen gesamtgesellschaftlichen Mechanismen sind, die Reiche zumindest teilweise zwingen können ihren Reichtum abzugeben um ihn anschließend umzuverteilen. Sicher ist dies nicht so gemeint. Aber es zeigt wie begrenzt nicht-verallgemeinerte Commons-Verbünde sind bei dem Ziel „die Realisierung einer grundlegenden Versorgung für alle als Menschenrecht unabhängig von Beiträgen“ gesellschaftlich her zu stellen.
GK: Auch hier stecken wieder Prämissen drin die ich nicht teile, nämlich die fast polemische Behauptung hier würden Reiche Steuern sparen. Mehrwertsteuer und Sozialabgaben sind ja gerade keine Abgaben die Reiche mehr belasten sondern proportional Arme mehr belasten. Diesen legal (!) auszuweichen wenn Menschen zusammen ein inklusiveres Wirtschaften schaffen sehe ich durchaus als gerechtfertigt an. Denn diese Mittel, die dem Staat entzogen werden unmittelbar verwendet um soziale Inklusivität herzustellen. Die sonst nur durch Appelle, Proteste und daraus hoffentlich folgend erkämpfte Sozialleistungen auf Basis der Besteuerung kapitalistischer Unternehmungen möglich würde. Und uns damit unlösbar weiter an den Kapitalismus ketten würde, wie in der Denklogik von Gewerkschaften und vielen linken Politikern erkennbar. Das zum „Commonismus“ Konzept gehörende „Absterben des Staates“ bedingt, dass wir die Umverteilung, die bisher der Staat erledigt unmittelbar in unser Wirtschaften einbauen als materielle Grundgeborgenheit (statt Sozialleistungen oder Grundeinkommen). Das von Jan angesprochene Risiko dabei ist trotzdem real, siehe auch die Kritik in dem Buch „Community Kapitalismus“ von Silke van Dyk / Tine Haubner. Die Chance aber auch: Auf die Spitze getrieben im Konzept des „Suizidstaates“ der immer mehr Aufgaben auf die Commons verlagert, so dass er schließlich obsolet wird. (Simon Sutterlütti / Stefan Meretz, Kapitel 7 Keimformtheorie in „Kapitalismus aufheben“) Wie die Kräfteverhältnisse da real in der Transformation verteilt sind, wird auch von sozialen Kämpfen abhängen welche die Commons Verbünde nicht ersetzen sollen. Sondern eine Basis für „Dissidente Subsistenz“ auch in den Zentren des Kapitalismus schaffen.
Interpersonale Begrenztheit auch von Commons-Verbünden
JHC: Die von Simon und Stefan kritisierte Beschränktheit von Commons und damit auch Commons-Verbünden auf den interpersonalen Raum zeigt sich auch bei der Auswahl der Beispiele in diesem Text:
Ein Hausprojekt ist, ähnlich wie Marcus oben schon angedeutet hat, ein Spezialfall. Der einmalige Einsatz einer Investition führt durch das Abschöpfen der „leistungslosen Rendite“ zu einem ökonomischen Selbstläufer. Die Probleme komplexer Produktionsweisen tauchen hier nicht auf.
Darüber warum Commons vor allem in der Landwirtschaft, also der Urproduktion, über SoLaWis stark verbreitet sind wurde schon viel geschrieben: Zur Erzeugung des Endprodukts braucht es keine arbeitsteilige Produktion, Technik ist nicht Vorraussetzung sondern kann durch Handarbeit ersetzt werden (mit dem unerwünschten Effekt der Zunahme von „externer Konkurrenz“ siehe oben), es gibt eine überschaubaren Zusammenhang von Konsumierenden und Produzierenden.
Die Kita ist ein immaterieller (Re)-Produktionsbereich der unter aktuellen Verhältnissen zusätzlich noch zu großen Teilen staatlich finanziert wird. Kosten entstehen vor allem im Bereich Lohn. „Produktionsmittel“ braucht es kaum. Nicht-monetäre Beiträge sind dadurch einfacher leistbar (siehe Kinderladen-Bewegung). Der personelle Rahmen ist sehr unmittelbar, direkt und überschaubar.
Basierend auf diesen Projekten, lässt sich die Funktionsweise eines Commons-Verbunds gut illustrieren, da hier weniger Widersprüche und Komplexitäten auftauchen. Und sicher: Wohnen, Essen, Reproduktionsarbeit. Wenn es hier anders laufen würde wäre schon sehr viel gewonnen!
GK: Diese Beispiele wurden bewusst so nett interpersonal gewählt, um Menschen einen Zugang zum Thema zu ermöglichen, die mit den sehr abstrakten Diskursen des restlichen Textes nicht so viel anfangen können und um illustrativ zu sein. So wie Marx auch in „Das Kapital“ versucht hat möglichst simple Beispiele zu finden um das Prinzip der komplexen gesellschaftlichen Produktionsweise Kapitalismus zu erläutern. Daraus nun aber zu schließen ein Commons Verbund sein eine nur interpersonal funktionierende Struktur wie eine Familie oder kleine Kommune ist eine Fehlinterpretation. Schon in meiner Kommune mit 60 Erwachsenen kommt es an vielen Punkten nicht mehr auf die konkreten Personen an. Ich koche nicht das Mittagessen für Hans, Franz und Maria sondern für alle die zur Kommune gehören und deren Gäste. Ich repariere die Fahrzeuge im Fuhrpark für alle die sie nutzen, auch für Menschen die ich nicht kenne. Ich kann das so tauschlogikfrei anbieten, weil ich weiß dass die Gesamtstruktur mich mit meinen Bedürfnissen trägt. Das ist kein rein interpersonales Verhältnis, obwohl die Beziehungen noch so nah sind, dass ich sie im Bedarfsfalle für Absprachen real leicht interpersonalisieren kann. In einem Commons Verbund mit einigen hunderten bis tausenden Mitgliedern würde sich das noch mehr Richtung transpersonal verschieben.
JHK: Dennoch: Wird die Idee und die mögliche Ausweitung von Commons-Verbünden transpersonal, gesellschaftlich und auf komplexe (Re)-Produktionsweisen angewandt stellen sich andere Frage die auch mit Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums und sozialen Kämpfen zu tun haben.
GK: Wie im Commons Verbünde 2. Anlauf Text schon beschrieben sollen Commons Verbünde nicht alle möglichen Verbindungen von Commons Projekten, schon gar nicht auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene darstellen. Nimmt man die Existenz vieler lokaler Commons Verbünde an, die quasi die Basisebene des Wirtschaftens in der Gesellschaft darstellen, sozusagen die von p.m. mal Life Maintenance Organisations (LMOs) genannten Strukturen, ist es nicht schwer sich die nächste Ausbaustufe vorzustellen. Denn es ist recht leicht sich gemeinschaftsgetragene Strukturen zweiter Ordnung analog zu Sekundärgenossenschaften oder auch einfach kapitalistischen Zulieferern vorzustellen. Dann sammeln eben diverse Commons Verbünde als Teil ihres Etats zum Beispiel Beiträge für die Open Source Landmaschinenkooperative. Und wenn das sich dann mal gesellschaftlich verbreitet hat, diese wiederum für das Stahlkombinat an dem die jeweils lokalen Organisationen auch organisatorisch und finanziell (solange es denn noch Geld braucht) beteiligt sind.
JHC: Diese Aspekte tauchen im obigen Artikel folgerichtig nicht auf. Die einzige Form in der „Aneignung“ hier gedacht wird ist jene durch „Kauf“ über „Investitionen“. Stellt man sich die Frage der Skalierbarkeit, ist es unwahrscheinlich das wir den Kapitalismus „aufkaufen“ werden können (im übrigen wieder eine Idee die an das Charity-Problem anknüpft; denn fürs Aufkaufen brauche wir mal wieder wen? Die reichen „Gönner*Innen“).
GK: Es ist ja nicht so dass ich was gegen andere Formen hätte, Deutsche Wohnen & Co enteignen war da hoffentlich nur der Anfang. Aber trotzdem müssen wir die realen Machtverhältnisse sehen: Häuser und Äcker einfach besetzen, bietet gerade keine Perspektive auf dauerhafte Wiederaneignung unserer Lebensgrundlagen. Und in gewisser Weise geht es ja auch um Modellprojekte, die das Mögliche aufzeigen und das bestehende Ausbeutungssystem als verzichtbar erkennbar zu machen. Somit eine wichtige Grundlage sozialer Kämpfe, nicht deren Ersatz. So unwahrscheinlich wie von Jan behauptet ist der Ansatz über Kaufen aber auch ohne Reiche Gönner nicht. Denn mit jedem Schritt raus aus dem Konsum von profitorientierten Produkten entziehen wir dem System dauerhaft Geld. Besonders im Immobiliensektor, aber auch in anderen Bereichen lässt sich durch gemeinsame Nutzung und Wiederverwendung von im Kapitalismus als obsolet angesehener Technik der vorherigen Entwicklungsstufe (oft langlebiger und ressourcenschonender als spätere Entwicklungen) der Geldabfluss minimieren. Das zeigen auch die Beispiele der historischen Genossenschaftsbewegung. In Deutschland vor der Machtergreifung der Nazis lebte etwa ein Viertel der Bevölkerung in genossenschaftlichen Wohnungen und bezog seine Lebensmittel aus Genossenschaftsläden. Das alles ist im wesentlichen durch Aneignung durch kaufen und selbst aufbauen entstanden, nicht durch „Charity“ von reichen Gönnern. Dass dieses immense Potential durch autoritäre Strukturen und andere Widersprüche innerhalb der Bewegung, faschistischen Terror, Krieg und schließlich Korruption und neoliberale Umwandlung in profitorientierte Konzerne verloren ging ist dramatisch. Es spricht aber nicht gegen den Aufbau aus eigener Kraft. Sondern nur dafür, die aufzubauenden Strukturen aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit klug gegen interne Korrumpierung abzusichern und durch soziale Kämpfe nach außen zu verteidigen.
JHK: Wollen wir Aneignung auch jenseits des Staats, brauchen wir die Aneigung von Produktionsmitteln und die Überführung dieser in transpersonale Commons-Verbünde. Wie dies geschehen kann beantwortet der Artikel leider nicht.
GK: Ich hoffe ich habe dazu schon mal ein paar kleine Ansatzpunkte erwähnt die da eine Ahnung zulassen. Das wäre aber sicher mal einen größeren Workshop wert, denn um dazu was fundiertes zusammen zu denken braucht es mehr als nur meine Perspektive.
Bedürfnisorientierung als Problem aller commonistischer Projekte
JHC: Abschließend würden mich eure Gedanken dazu interessieren wie Commons-Verbünde bei der Problematik der Bedürfnisorientierung in Commons Projekten ggf. weiterhelfen könnten zu der ich einen weiteren Artikel geschrieben habe:
https://keimform.de/2020/beduerfnisse-in-der-commonistische-transformation/
GK: Dieser Artikel wirft ganz viele sehr wichtige Fragen auf die teilweise auch Teil der feministischen Kritik von Heide Lutosch an dem Commonismus Konzept von „Kapitalismus aufheben“ sind. Auch das wäre noch mal einen eigenen Workshop wert. Im Bezug auf die Commons Verbünde kann ich hier schon mal sagen: Die Schaffung eines größeren tauschlogikfreien Raumes schafft auch Ansätze für den Abbau von Privilegien formaler Arbeit gegenüber Reproduktionsarbeit. In besonders hohem Maße ist das realisierbar wenn der Commonsverbund auch noch kollektive Lebenszusammenhänge mit gemeinsamer Ökonomie integriert, wo also Menschen ihre Einkommen zusammenwerfen und daraus ihre Ausgaben gemeinsam bestreiten. In einer gemeinsamen Ökonomie wie in der Kommune Niederkaufungen entfällt zumindest ökonomisch und bezüglich der individuellen Möglichkeiten zum Konsum jede Form von Gender Pay Gap oder die Problematik der unbezahlten Care Arbeit, weil die Möglichkeit Geld auszugeben nicht von der gesellschaftlichen Bewertung meiner Tätigkeit abhängt. Ob ich lohnarbeite, die Kinder betreue, das Haus repariere oder den Rasen mähe, ich habe den gleichen Zugriff auf die gemeinsame Kasse. In gewisser Weise erübrigt sich auch der Arbeitsbegriff, denn jede Tätigkeit, die dem ganzen dient ist als wertvoll anerkannt, ob von außen bezahlt oder nicht. In gewisser Weise ist die Utopie, dass Re-/Produktion Eines wird hier bereits materiell realisiert. Die meisten ökonomischen Nachteile der Reproduktionsarbeit entfallen in einer gemeinsamen Ökonomie, wenn auch nicht alle, denn z.B. gesetzliche Rentenansprüche sind nicht auf Projektebene zu regeln. Ob diese Gleichwertigkeit auch in den Köpfen ankommt ist eine andere Frage. Genauso bleibt immer noch zu diskutieren wer eigentlich die Reproduktionsarbeit macht. Prinzipielle Freiwilligkeit von Tätigkeiten, also dass diese nicht ökonomisch erzwungen werden, heißt meiner Auffassung nach nicht Regellosigkeit. Gegebenenfalls werden gemeinsame Regeln getroffen werden um Reproduktionsarbeit jenseits von tradierten Geschlechterrollen zu verteilen. So wird z.B. in der Kommune Niederkaufungen die Arbeit des Kochens professionalisiert in einem Kochkollektiv sowie das Abspülen und am Wochenende kochen auf alle Erwachsenen gleich verteilt, unter anderem um zu vermeiden, dass das an den Frauen hängenbleibt.
Danke für eure Diskussion! Was ich spannend finde, ist die Idee der „dissidenten Subsistenz“, die in doppelter Hinsicht eine Demonetarisierung vorantreibt: Einmal werden die Beteiligten individuell monetär entlastet, dann aber wird auch der Geldfluss in Richtung Staat vermindert. Richtigerweise weist Jan darauf hin, dass dies im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft unsolidarisch ist, da nun mal der Staat und seine Sozialinstitutionen der Ort der wesentlichen gesellschaftlichen Solidarität sind (natürlich begrenzt und ungerecht etc.). Das wiederum verweist auf entgegengesetzte Konzepte der gesellschaftlichen Transformation: jene der traditionellen Linken, die Solidarität über den Staat und seine Institutionen organisieren wollen (prägnant: Haubner/van Dyk) und jene, die den Staat zurückbauen oder aufheben wollen oder auch zusammenfallen sehen und die daher auf neue Solidarstrukturen setzen, wie sie zum Beispiel in emanzipatorischen sozialen Bewegungen oder eben in Commons-Verbünden entwickelt werden (können). Vom Kairos-Punkt aus geguckt, also dem Moment, in dem das Alte nicht mehr funktioniert (Staat, Geldsystem etc.) ist die zweite Logik – Aufheben des Staates und der Ökonomie in eine Commonsstruktur – viel realistischer. Okay, dass ich das sage, verwundert euch vielleicht nicht. Ich glaube nur, dass traditionelle eher staatsbezogene Linke deswegen nicht anders antworten, weil sie sich die Frage gar erst stellen: Was passiert im Moment des Kairos und sind wir darauf vorbereitet?
Okay, ich bin ein wenig abgedriftet, aber das sind für mich wichtige Zusammenhänge, in denen ich das Konzept der Commonsverbünde diskutieren möchte. Ich bin zwar immer noch nicht von den Commonsverbünden überzeugt, aber nur weil ich das (noch) nicht bin, heißt es nicht, sie theoretisch zu entsorgen – denn theoretisch, vom Kairos her gedacht, brauchen wir sie. Das ist mein Punkt.
Den Begriff der „dissidenten Subsistenz“ finde ich übrigens zu defensiv und klein-klein gedacht. Bei Commonsverbünden, die strukturell skalierbar (transpersonalisierbar) angelegt sind, finde ich mit Blick auf Klima und Kairos den Begriff der „resilienten Dissidenz“ passender.
Ich möchte anknüpfen an dem Beitrag von JHC: „Die Möglichkeiten der Entmonetarisierung im o.g. emanzipatorischen
Sinne entstehen m.M. nach immer nur dann, wenn ein neuer
Produktionsbereich / ein neues Projekt dem Verbund beitritt.
Lediglich die Ausdehnung der „Commons-Sphäre“ funktioniert
in diesem Sinne „entmonetarisierend“.“
Denken wir diesen Gedanken doch einmal zu Ende: Nach und nach treten dem an einem Ort konzentrierten Verbund solche Commons bei, die mit ihren Produkten am Ende alle Lebensbedürfnisse abdecken. Das wäre der qualitative Sprung der Commons-Bewegung, der mit einem Schlag all‘ die Probleme löst, die oben diskutiert werden. Nach innen funktioniert dieser Verbund dann als reine Schenk-Ökonomie. Nach außen würde der geringe Kapitalbedarf, der dann noch bleibt (z. B. für Grundsteuer, anteiliger Beitrag für die staatlich geschaffenen Infrastrukturen, die gelegentlich auch von Commons-Mitgliedern genutzt werden – z. B. Straßen, Eisenbahn) durch den Verkauf von überschüssigen Produkten auf den lokalen Märkten und durch Seminarangebote und Beherbergung externer Gäste aufgebracht. In zwei Artikeln in der Monatsschrift „Contraste“ habe ich das genauer ausgeführt. Bei Bedarf schicke ich Euch gerne Kopien davon.
Hallo Jörg, schön dass du dich hier meldest und damit die Diskussionsstränge zusammen führst. Ich habe die beiden Artikel gelesen und dachte mir schon dass wir mal uns austauschen sollten. Sind die beiden Artikel denn auch Online verfügbar? Dann könntest du sie hier verlinken. Auf der Contraste Seite habe ich sie leider nicht gefunden.
Ansonsten sei noch mal auf die Mailliste zu Commons Verbünde verwiesen wo immer mal wieder Diskussionen dazu stattfinden können. Vielleicht magst du dich da eintragen und da die Artikel teilen: https://commons-institut.org/mailinglisten
Hinweisen möchte ich noch auf einen sachlichen Fehler in deinem Kommentar:
Du schriebst:
„Nach außen würde der geringe Kapitalbedarf, der dann noch bleibt (z. B. für Grundsteuer, anteiliger Beitrag für die staatlich geschaffenen Infrastrukturen, die gelegentlich auch von Commons-Mitgliedern genutzt werden – z. B. Straßen, Eisenbahn) durch den Verkauf von überschüssigen Produkten auf den lokalen Märkten und durch Seminarangebote und Beherbergung externer Gäste aufgebracht.“ Das ist so nicht korrrekt, denn Kapital ist Geld was für Investitionen eingesetzt wird und wieder erwirtschaftet wird. Hier geht es aber offenbar um Geld für laufende Ausgaben die natürlich alle Projekte egal wie groß haben werden solange außen rum noch eine Geldökonomie ist. Das muss dann wie du ja eigentlich auch schreibst durch laufende Einnahmen erwirtschaftet werden. Dementsprechend wird in dem Commons Verbünde Konzept unterschieden in Geld was für Investitionen benötigt wird, wo es reicht wenn es leihweise zur Verfügung steht und Geld für die Deckung der laufenden Kosten. Das ist Gedanklich wichtig, denn dadurch wird viel mehr denkbar als wenn allgemeiner von Geldbedarf gesprochen wird. Denn wenn ich denke im Projekt nur für Investitionen ausgeben zu können was an eigenem Geld da ist wären z.B. Immobilienkäufe fast immer unmöglich.
Natürlich braucht auch ein Projekt, das am Ende eine vollständige Subsistenzwirtschaft sein will, am Anfang Geld – schon allein für den Landkauf. Ohne eigenes Land – auch mit Wald für Bauholz – geht gar nichts. Wenn aber nach einigen Jahrzehnten eine vollständige Subsistenzwirtschaft erreicht ist, fallen eben intern keine Investitionskosten mehr an. Alles, was dann noch gewartet, repariert, erneuert, neu entwickelt und erforscht werden muss, geschieht in den eigenen Werkstätten, Laboren und Forschungseinrichtungen. Auch die Rohstoffe fürs Bauen (Lehm, Stroh und Holz), Kleidung, Nahrung, Hygiene werden auf dem eigenen Land produziert, z. B. auch Installationsmaterial für die Wasserleitung aus Polyäthylen, das wiederum aus dem eigenen Biogas synthetisiert wird. Bei nicht überall verfügbaren Rohstoffen wie z. B. Kalk und Metall-Erze denke ich an einen Verbund unter diesen Subsistenz-Kooperativen, von denen eine z.B. im Erzgebirge entstehen könnte. Dort wurden viele Bergwerke stillgelegt – nicht, weil sie erschöpft sind, sondern nur, weil sich der Abbau unter kapitalistischen Bedingungen nicht mehr gelohnt hat.
Auf diesen End-Zustand des Projekts bezieht sich meine von Dir zitierte Bemerkung.
Was die Contraste angeht, stellen die offenbar nur ihre Leitartikel online. Ich habe zwar noch meine Manuskripte, aber die kann ich nicht mehr selbst öffentlich machen, denn das Copyright dafür liegt ja nun bei Contraste. Vielleicht könntest Du dort selbst mal nachfragen. Ich selbst möchte das nicht, das sieht so nach Eigenlob aus…
@Jörg: Nur zur Klarstellung, was Du Dir da vorstellst: Ist das auf einem technischen Niveau wie bei den Amish gedacht oder soll es darüber hinaus gehen? Ersteres kann ich mir sehr gut vorstellen, aber letzteres nur schwer. Deine Erwähnung von „Polyäthylen“ deutet aber darauf hin. Mir ist nicht ganz klar, wie eine „Subsistenzwirtschaft“ aussehen sollte, die am Ende so Dinge produziert wie den Computer auf dem Du hier Deinen Kommentar verfasst hast ohne globale und letzten Endes auch weitgehend anonyme Lieferketten. Holt man die sich dann vom Müll des Kapitalismus? Was wenn, der dann absehbar demnächst kollabiert? Oder ist geplant auf diese „Segnungen der Zivilisation“ zu verzichten? Gilt das dann auch für moderne Medizin und Wissenschaft z.B.?
@Benni, ich antworte mal was ich (Gunter) mit Subsistenz meine. Ich vermute das unterscheidet sich etwas von dem von Jörg, insbesondere geht es mit nicht um eine „Selbstversorgung“ von Inseln im Kapitalismus, das würde meine ich keinen Sinn machen. Mir geht es aber schon darum, dass wir uns unsere insbesondere grundlegenden Lebensgrundlagen wieder aneignen, im Idealfall nicht nur als kollektives Privateigentum sondern als neutralisiertes Nutzungseigentum so wie z.B. beim Mietshäuser Syndikat. Also möglichst nah an einem Commons, soweit es halt in jetzt geht. Und mir geht es um die Logik der Wirtschaft: Subsistenz bedeutet für mich eine Versorgungslogik statt einer Marktlogik zu haben. Es ist für mich aber keine Aussage über das technische Niveau oder die zwingend lokale Produktion. Obwohl natürlich angepasste, konviviale Technik und Relokalisierung statt globaler Märkte auch zwangsläufig Teil davon sein wird. Aber eben nicht aus einer Dogma der Selbstversorgung heraus, sondern weil es den Bedürfnissen und nach Autonomie und Resilienz mehr entsprechen wird. Mich haben da die Diskurse in der buko über die „Politisierung der Subsistenz“ über die z.B. Brigitte Kratzwald hier schreibt und ein Lesekreis des damit zusammenhängenden Buches „Zeitgeist mit Gräten“ geprägt.
Benni: Natürlich will ich nicht zu den Amish zurück, sonst hätte ich nicht die Beispiele moderner Technik (Polyäthylen) angeführt. Es geht hier um die Keimform einer Produktions- und Lebensformform jenseits der kapitalistischen Warenproduktion. So lange Computer und Handys nur von der kapitalistischen Industrie hergestellt werden können, scheiden sie eben für ein solches Projekt aus. Wir brauchen sie auch nicht für ein gutes Leben. Ich sehe auch keinen Widerspruch darin, diese Techniken jetzt zu verwenden, denn im Moment bin ich (leider noch) Teil des kapitalistischen Systems, und das wäre ich immer noch, wenn ich darauf verzichten würde.
Gunter Kramp: Kann eine Keimform überhaupt etwas anderes sein als eine „Insel im Kapitalismus“? Nur so kann man zeigen und beweisen, dass man ohne ihn gut leben kann. Mietshäuser-Syndikate sind eine gute Sache, die man unbedingt machen sollte – damit haben wir aber nur eine der 1000 negativen Auswirkungen des Kapitalismus ausgeschaltet, immerhin. Warum sollte sich aber so ein Syndikat nicht auch noch Gärten für die Selbstversorgung anlegen, weitere Häuser selbst dazubauen, Werkstätten einrichten, eine Schule gründen, Schafe züchten, Wolle spinnen, Stoffe weben, mit Pflanzen färben, Kleider nähen und, und und? „Das würde, meine ich, keinen Sinn machen“ schreibst Du. Warum nicht? Das musst Du mir mal erklären. Für mich ist es jedenfalls eine inspirierende Idee, für die ich mich begeistern kann, und sicher viele andere auch. Das wäre wirklich die Keimform eines Lebens jenseits des Kapitalismus, und nicht nur die Reparatur einer seiner schlimmen Auswirkungen.
@jörg: „Wir brauchen sie auch nicht für ein gutes Leben.“ Sehe ich anders. Moderne Elektronik ist unverzichtbar für halbwegs angemessenes Produktivitätsniveau. Niemand ist eine Insel und für jedes Handy, dass die Leute dann nicht haben, musst Du ihnen irgendwas anderes bieten sonst laufen sie halt über. Und es geht dabei auch gar nicht mal in erster Linie um Konsumgüter. Egal wo Du hin guckst in der Produktion wirst Du überall Elektronik finden und die geht halt nach ein paar Jahren kaputt und dann braucht man neue. Sobald man sich aus dem Kapitalismus entfernt, ist man automatisch in einer Systemkonkurrenz. Da teilt jedes neue Experiment vom ersten Tag an das Schicksal mit dem alten Ostblock und die sind halt zB eben an genau dieser Frage gescheitert. Die waren nur ein paar Jahre hinterher mit der digitalen Revolution aber es hat ihnen am Ende das Genick gebrochen.
Was ist zB mit Photovoltaik? Du unterschätzt glaube ich wie viel vom „guten Leben“ aus den internationalen Lieferketten kommt.
Ganz zu schweigen davon dass mit weniger internationalen ökonomischen Verbindungen auch weniger menschliche Verbindungen einhergehen. Weniger Kosmopolitismus. Weniger globale Kultur. Ich finde solche provinziellen Fantasien ehrlich gesagt nicht nur wenig Ziel führend sondern sogar gefährlich bis reaktionär. Wir brauchen nicht weniger Globalität sondern mehr. Es gibt kein zurück in die Zeit vor dem Anthropozän. Wir müssen jetzt schon die ganze Welt gemeinsam gestalten oder halt unter gehen.
Wichtiger als dieses Abkapseln fände ich sich die notwendigen Schnittstellen zum sterbenden Kapitalismus genau anzugucken und nach Möglichkeiten zu suchen, wie man diese Dynamik vorteilhaft gestalten kann ohne wieder zurück gezogen zu werden. Nur so ist es eine Keimform mit „doppelter Funktionalität“ und das ist mehr oder weniger die Definition von Keimform.
@Jörg: Wir sind uns offenbar einig darin dass wir möglichst viele Grundlagen unseres Lebens uns kollektiv aneignen sollten. Der Unterschied scheint mir zu sein wie mit dem Rest umzugehen ist: Du plädierst offenbar dafür auf alles was wir mit Geld kaufen müssen tendenziell zu verzichten. Meine Sichtweise wäre eher dass wir auf alles verzichten sollten was unser Leben nicht verbessert, damit fällt schon recht viel Geldbedarf weg. Und vieles Einsparen durch gemeinsame Nutzung und Reparatur. Aber ich denke wir sind Gesellschaftlich so verwoben, dass das Einzige was zielführend ist auch lange Lieferketten möglichst solidarisch zu gestalten. Auch das geht, wie Projekte der Freien Software und Hardware zeigen. Und starke große Basiskollektive können auch anders Produkte beschaffen, allein schon weil sie sich Leute leisten können die sich da mit mehr Wissen drum kümmern als es jeder einzeln könnte.
Benni: „Moderne Elektronik ist unverzichtbar für halbwegs angemessenes Produktivitätsniveau“. Ja, das trifft vollkommen zu für das kapitalistische Wirtschaftssystem. Aber ich dachte, das wollen wir hinter uns lassen? Eine ganz andere Art des Wirtschaftens erfinden ohne Konkurrenz, Wachstumszwang und Massenproduktion? Das Produktionsniveau drastisch senken, um die drohende Umweltkatastrophe wenn nicht abzuwehren, zumindest noch abzumildern?
Globale Vernetzung gibt es auch jenseits kommerzieller Interessen. Schau doch nur mal das Global Ecovillage Network (GEN) an, wie die sich weltweit vernetzt haben und sich austauschen! Klar, das läuft heute alles über das Internet, aber es geht auch ohne, nur wird alles etwas langsamer und umständlicher – genau so, wie Fernreisen ohne Flugzeug langsamer und umständlicher werden. Wenn doch nur unser Planet dadurch halbwegs bewohnbar bleibt? Und wollten wir nicht sowieso unser Leben entschleunigen? Wenn Du das als provinziell, gefährlich oder gar als reaktionär empfindest, können wir unsere Diskussion einstellen.
Gunter: Deine Sichtweise wäre eher, „dass wir auf alles verzichten sollten was unser Leben nicht verbessert, damit fällt schon recht viel Geldbedarf weg. Und vieles Einsparen durch gemeinsame Nutzung und Reparatur“. Das geschieht doch im Rahmen der „neuen sozialen Bewegungen“ schon seit den 1980ern. Ja, die Szene ist seitdem gewachsen – von vielleicht 0,001 % der Bevölkerung auf 0,01 % – eine Verzehnfachung, wie toll!. (die Zahlen sind natürlich fiktiv, aber es dürfte klar sein, was ich meine). Jedenfalls hat dies das kapitalistische System nicht im Geringsten gestört, es ist heute mächtiger und zerstörerischer denn je. Sogar die Grünen sind neuerdings Wachstumsfetischisten.
Ich will damit das, was Du beschreibst, überhaupt nicht herabsetzen. Ich bin sehr froh, dass es diese Bewegung gibt, denn sie gibt zumindest schon mal die Richtung vor, in die wir alle gehen sollten. Aber angesichts der paar Jahrzehnte, die uns bis zum völligen Klimakollaps noch bleiben, sollten wir doch mal darüber nachdenken, wie wir diese Bewegung auf eine neue Stufe heben, indem wir diese vielen vereinzelten und zersplitterten Aktivitäten vergesellschaften, regional zusammenführen und dadurch zeigen, dass es ein gutes Leben ohne Kapitalismus geben kann. Ja, das sind Inseln, die aber in regem Autausch mit ihrer Umgebung stehen.
@jörg: „sinkendes Produktivitätsniveau“ bedeutet halt das Leute massenhaft sterben, weil mehr Leute länger arbeiten müssen um das selbe Zeugs herzustellen. Und Zeugs ist das wovon wir leben. Klar produzieren wir auch viel zu viel Müll und da kann man sicher einiges einsparen. Und ebenso klar ist die kapitalistische Produktivität nicht an sich erstrebenswert, weil es da halt um den Profit geht und nicht um sinnvolles Zeugs. Das alles sind aber lineare Effekte, die spätestens dann enden, wenn wir gar keinen Müll mehr produzieren und keine Reichen mehr mit durchfüttern. De vom Kapitalismus erzwungene Produktivitätssteigerung ist aber exponentiell. Deswegen wird es auch im Kommunismus Produktivitätssteigerung (im stofflichen Sinn, nicht im monetären) brauchen wenn es nicht zu Massensterben kommen soll. Mindestens so lange bis die Weltbevölkerung nicht mehr wächst. Und das sind noch ein paar Jahrzehnte nach aktuellen Prognosen.
Das einfach zu ignorieren ist deshalb reaktionär und gefährlich eben weil diese schön klingenden provinziellen lokalen Utopien – wenn sie sich wirklich durchsetzen sollten – Massensterben bedeuten. Mitten in der ökologischen globalen Krise dann auch noch alle Verbindungen kappen und nur die eigene Scholle beackern wird das Sterben vervielfältigen.
Aber die Anfänge dieser Entwicklung sehen wir ja schon. Eben noch hatten wir eine globale Ökonomie, zack, jetzt sinds schon zwei. Und beide gehen unter dabei. Und ich meine das nicht monetär. Leute frieren und hungern im nächsten Winter, weil Putin und seine Freunde sich in einen reaktionären Lokalrausch reingesteigert haben und meinen sie brauchen niemanden mehr.
Unabhängig davon ob Benni recht hat damit dass eine durch Verzicht auf digitale Werkzeuge sinkende Produktivität gleich zu Hungersnöten führt ist doch eines klar:
Wenn du @Jörg beklagst, dass die wirtschaftlichen Alternativen zu klein sind, wo liegt der Sinn drin zu fordern dass sie auf weitgehendem Verzicht beruhen sollen ? Denn das macht sie mit Sicherheit wesentlich weniger anschlussfähig für die meissten Menschen. Mir ist es lieber wenn Menschen mit Smartphone aufhören Kapitalismus zu machen als wenn sie bei Alternativen nicht mitmachen weil sie da kein Smartphone haben dürfen. Mit freier Software langt mir da ein 7 Jahre altes, der Geldbedarf dafür ist nahezu Null, ich rette es vor dem Müll. Wem bringt es was (aktuell) darauf zu verzichten? Oder geht es um das Bewusstsein dass es auch ohne ginge ? Das finde ich auch wichtig, wir hätten uns gesellschaftlich weltweit statt für Smartphones auch für 100% erneuerbare Energien entscheiden können. Das hätte auch nicht mehr Aufwand gemacht. Das sind Themen die ich gerne diskutiere. Aber mit Alternativen die Menschen Verzicht vorschreiben oder auf scheinbar autonome Selbstversorgung setzen kommen wir nicht weit. Schon beim Spaten haben wir globale Produktionsketten. Wo es Sinn macht das zu reregionalisieren können wir das tun, aber wir werden nie die globale Verbundenheit aufheben. Wenn wir die globale Vernetzung nicht positiv gestalten ereilt uns erst recht die globale Dimension der Krisen, da bin ich ganz bei Benni.
Gunter.“Mir ist es lieber, wenn Menschen mit Smartphone aufhören Kapitalismus zu machen als wenn sie bei Alternativen nicht mitmachen, weil sie da kein Smartphone haben dürfen.“ Menschen mit Smartphone können nicht aufhören, Kapitalismus zu machen, weil Smartphones & Co nur im Rahmen des Kapitalismus produziert und betrieben werden können. Und zwar mit einem irrsinnigen und ständig steigendem Aufwand – man denke nur an die erforderliche Infra- und Extrastruktur (Satelliten, Weltraumtechnik). Wenn du meinst, dass Commons-Verbünde nur im Rahmen eines dauerhaft fortbestehenden kapitalistischen Systems ( mehr oder weniger reformiert) geschaffen und entwickelt werden sollen, brauchen wir auch weiterhin Smartphones und Co. Ich bin davon überzeugt, dass der Kapitalismus nicht reformiert werden kann, er muss überwunden werden. Hier scheiden sich die Geister. Können wir die Smartphone-Frage nicht einfach offen lassen und trotzdem über unser eigentliches Tema konstruktiv weiter diskutieren? Einig sind wir uns doch sicher in einer grundsätzlich konsumkritischen Haltung.
Benni: Mit deinem Konzept des „Zweiten Wachstums“ bewegst du Dich auf einer makro-ökonomischen Ebene (Welternährung). Die Idee der Commons-Verbünde gehört einer mikro-ökonomischen Ebene an, es sind quasi „betriebswirtschatliche“ Überlegungen. Bis Commons-Verbünde einmal auf der makroökonomischen Bühne in Erscheinung treten, hat sich das „zweite Wachstum“ ohnhin erledigt. Du hast es ja auf das Ende des Bevölkerungs-Wachtums terminiert, welches absehbar ist. Eine weitere Diskussion in dieser Richtung erübrigt sich.
Mein eigener Einstieg in das Thema ist inzwischen völlig aus dem Blick geraten. Ich hatte mich auf Jan Hendrik bezogen: „Die Möglichkeiten der Entmonetarisierung im o.g. emanzipatorischen Sinne entstehen m.M. nach immer nur dann, wenn ein neuer Produktionsbereich / ein neues Projekt dem Verbund beitritt. Lediglich die Ausdehnung der „Commons-Sphäre“ funktioniert in diesem Sinne „entmonetarisierend“. Mein Vorschlag war es, diese Ausdehnung des Commons-Verbundes so weit zu treiben, dass alle Produktionsbereiche abgedeckt sind. Dann tritt m. E. ein sehr interessanter qualitativer Sprung ein.
Jan Hendrik, wo bist du?