Wie verhindern wir die Klimakatastrophe?
Mein Eindruck der ganzen Diskussion ums Klima ist, dass sich tatsächlich fast niemand ernsthaft der Problematik stellt. Es gibt viele Varianten der Verdrängung des Problems und die Klimaleugner sind nur die offensichtlichste davon und alle haben sie durchaus einen rationalen Kern. Ich finde diese Haltungen bis weit in die Klimagerechtigkeitsbewegung hinein und würde auch niemals behaupten, dass ich frei davon bin.
Ok, um zu erklären was ich meine, möchte ich erst einmal ein paar Voraussetzungen setzen mit denen ich im folgenden operieren werde. Die lassen sich meiner Meinung nach alle sehr gut begründen, aber das werde ich im Rahmen dieses Artikels nicht tun:
- Wenn alles so weiter läuft wie bisher also mit halbherzigen Klimaschutzmaßnahmen steuern wir auf eine Welt zu in der sämtliche Kippunkte des Klimasystem gerissen werden. Das bedeutet eine Welt in der nur noch ca. 1 Milliarden Menschen ernährt werden können und nicht wie heute 11.
- Die ersten Folgen der Klimakrise sind bereits zu spüren. Schon jetzt sterben Menschen. Die ersten extrem drastischen Folgen dieses Worst-Case-Szenario werden wir noch erleben und bereits unsere Kinder werden einen Großteil der Wucht zu spüren bekommen.
- Um dieses Worst-Case-Szenario zu verhindern muss die Zunahme von CO2-Äquivalenten in der Atmosphäre (CO2e) sofort gestoppt werden und in vergleichsweise kurzer Zeit reduziert und innerhalb von wenigen Jahren auf Null gebracht werden. Ich leg mich jetzt hier nicht auf Jahres- oder Gradzahlen fest, das ist im wesentlichen Statistik. Wichtig ist nur: Je schneller das geht um so größer ist die Chance das Worst-Case-Szenario zu verhindern.
- Es gibt keine Möglichkeit BIP-Wachstum global und langfristig von den CO2e zu entkoppeln.
- Das Pariser Klimaabkommen hat sicherlich viele Schwächen und ist alles andere als perfekt, aber die Zielrichtung ist schon im Prinzip richtig. Diese Ziele einzuhalten ist also Mindestvoraussetzung jeder Lösung des Problems.
Wenn man diese Voraussetzungen annimmt, dann folgt daraus außerdem direkt für jede denkbare Lösung des Problems:
- Eine Lösung, die primär auf Marktmechanismen und kapitalistische Innovation setzt, wird nicht funktionieren wegen 4.
- Eine Lösung, die primär auf lokale Initiative und individuelle Verhaltensänderungen setzt wird nicht funktionieren wegen 3.
- Eine „Lösung“, die auf Abschottung der kapitalistischen Zentren setzt wird nicht funktionieren wegen 1.
In der Klimagerechtigkeitsbewegung ist der Slogan „System Change not Climate Change“ schon länger weitestgehend Konsens. Der radikalere Flügel buchstabiert das konkreter aus damit, dass der Kapitalismus abgeschafft werden muss um das Problem zu lösen. In letzter Zeit hat meiner Wahrnehmung nach dieser radikalere Flügel durchaus mehr Gehör gefunden. Wenn man genauer nachfragen würde, was diese Leute alles unter Kapitalismus verstehen, und was genau sich ändern muss, würde man vermutlich auch wieder eine Vielzahl von Antworten bekommen. Aber auch diese Debatte, so spannend sie ist, ist nicht Gegenstand dieses Artikels.
Ich möchte mich statt dessen auf ein meiner Meinung nach noch viel größeres Hindernis bei der Lösung des Klimaproblems fokussieren: Nämlich den Nationalstaat. Warum ist das so? Außerhalb einer doch eher kleinen Fraktion von Marktradikalen (In Deutschland überwiegend in der FDP organisiert) behaupten nur recht wenige Menschen, dass man ohne durchaus massive staatliche Eingriffe das Problem lösen könnte. Und tatsächlich ist die unwirksame bis kontraproduktive Politik unserer Regierung ja auch weit entfernt davon, massive staatliche Eingriffe abzulehnen. Das beste Beispiel ist die ja durchaus nicht billige Förderung von Elektroautos (Warum uns das jetzt nicht retten wird, ist leider auch nicht Gegenstand dieses Artikels, sorry).
Massive staatliche Eingriffe sind also durchaus Konsens. Eingriffe, die das Klima retten sind trotzdem seit Jahrzehnten nicht in Sicht. Warum passiert das also nicht? Natürlich ist Korruption ein Grund. Politik und Wirtschaft sind in allen wichtigen Emmisionsländern stark miteinander verwoben und das nimmt mal legale oft aber auch illegale Formen an. Doch ist das ja auch nicht die Ursache des Problems sondern eher die Folge davon, dass beide halt aufeinander angewiesen sind. Und das wiederum hängt stark damit zusammen, dass Nationalstaaten miteinander in Konkurrenz stehen (Staatenverbünde wie die EU ändern an der Grundargumentation dieses Artikels übrigens nichts, weil die sich ja im wesentlichen nur zusammen tun um eben genau in jener Nationalstaatenkonkurrenz bessere Chancen zu haben). Wenn man genau hinhört was unsere Politiker:innen so von sich geben, dann hört man das zwischen den Zeilen auch sehr deutlich raus.
Das Grundproblem ist, dass jedes Land für sich zwar radikale Maßnahmen (wie sie von 3. gefordert werden) ergreifen könnte, dass das aber quasi sofort dazu führen würde, dass das Land am kapitalistischen Weltmarkt vor die Hunde geht und letztlich das auch für die Bevölkerung Armut und Elend bedeutet. Hierzulande ist es am deutlichsten natürlich wieder bei der Autoindustrie. Jeder zwanzigste Euro der Wertschöpfung kam 2015 aus der Autoindustrie in Deutschland. Hunderttausende von Arbeitsplätzen hängen da dran. Vom Klimastandpunkt aus gesehen muss man das eigentlich alles so schnell wie möglich abwickeln und vielleicht noch einen kleinen Rest an E-Autos und E-Bussen bauen. Die Folge im jetzigen System wäre: Deutschland fällt von der wichtigsten Macht in Europa zurück auf ein Level mit kleineren Ländern wie Spanien oder Italien. Das wird keine deutsche Politiker:in und sei sie auch noch so rot oder grün im jetzigen System jemals durchsetzen. Und das ist natürlich nicht nur ein deutsches Problem. Ähnliche Abhängigkeiten vom fossilen Kapital gibt es überall auf der Welt.
Das ist natürlich nicht die gesamte Wahrheit. Es gibt ja durchaus auch modernere Kapitalfraktionen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und genau deswegen auf Zukunftstechnologien wie z.B. Erneuerbare Energien setzen. Wegen 4. können die aber niemals das alles auffangen, was durch die fossile Industrie verloren geht. Was nicht ausschließt, dass es einzelne kleinere oder mittlere Länder geben könnte in denen das trotzdem funktioniert. Das erhöht dann aber nur den Druck in anderen Ländern weil dort ja dann eben weniger von diesen Zukunftstechnologien produziert werden kann.
Nun werdet ihr, die ihr ja vermutlich eh fast alle Antikapitalisten seid, sagen: Genau! Deswegen muss der Kapitalismus weg! Dass das in einem einzelnen Land nur schlecht funktionieren kann, weil es nur funktioniert, wenn man sich vom Weltmarkt entkoppelt, was mehr oder weniger auf Deindustrialisierung und eine Nord-Korea-Version hinausläuft, ist vermutlich sogar noch weitestgehend links(radikaler) Konsens heutzutage.
Ok, also Weltrevolution! Da bin ich dabei, aber so lange die Nationalstaaten und ihre Konkurrenz bestehen bleiben, würde selbst das nichts Wesentliches ändern. Es ist ja nicht nur die Logik von Profit und Kapital die hier wirkt, sondern ganz stofflich die Logik von Ressourcenverbrauch und Wohlstand. Wenn ich nun mal davon lebe, dass ich Kohle aus der Erde grabe und auf dem Weltmarkt gegen Lebensmittel eintausche, dann werde ich das auch tun wenn alle plötzlich Kommunist:innen geworden sein sollten. Es brauch also auch dann noch eine globale Koordination der Ressourcenströme und ein globales Management der CO2e. Das ist also im wesentlichen erst mal unabhängig von der Frage ob wir für Profit oder für unsere Bedürfnisse produzieren, so lange diese Bedürfnisse nicht auch global koordiniert werden.
Das wiederum bedeutet, dass wir mit dieser globalen Koordination durchaus heute schon anfangen können. Tatsächlich ist das ja erstaunlicherweise sogar schon passiert! Das Pariser Klima-Abkommen ist ja genau das! Es ist wirklich alles andere als perfekt aber seine schiere Existenz grenzt angesichts dieser Logiken, die ich hier ja gerade ausgebreitet hab, schon fast an ein Wunder. Sollten wir tatsächlich aus dem ganzen Schlamassel noch halbwegs unversehrt raus kommen als Menschheit, dann wird dieses Dokument sicherlich eines Tages auf einer Stufe mit der Magna Charta oder der Bill of Rights stehen in seiner historischen Bedeutung.
Doch sieht es danach ja leider momentan überhaupt nicht aus. Und das liegt meiner Meinung nach schlicht daran, dass es keine Instanz gibt, die dieses Abkommen auch durchsetzen kann. Damit liegt die Antwort auf die Frage im Titel nahe. Wir brauchen genau so eine Instanz.
Ich denke man kann sogar noch ein wenig mehr über den notwendigen Aufbau einer solchen globale Klimaregierung sagen:
- Sie müsste eine demokratische Legitimation haben, die unabhängig von den Nationalstaaten ist. Das könnte z.B. eine globale direkte Wahl sein oder die Entsendung von Vertretern von Städten und Gemeinden.
- Sie muss mit einfacher oder mindestens 2/3 Mehrheit Entscheidungen treffen können. Das Wichtigste: Einzelne Staaten können keine Entscheidungen blockieren wie im Weltsicherheitsrat.
- Sie hätte das Recht den Netto-Ausstoß von CO2e von Nationalstaaten in einem gewissen Korridor zu bestimmen. Sie bestimmt aber auch nur darüber und sonst über nichts anderes. Wie genau die Länder ihre Reduktion organisieren bleibt ihnen überlassen.
- Sie hätte die Mittel, das auch durchzusetzen. Ja, ich fürchte das müssten zumindest in der ersten Zeit in letzter Konsequenz auch militärische Mittel sein, auch wenn das die Pazifist:innen unter meinen Leser:innen sicher abschrecken wird. Ich lasse mich in dem Punkt aber gerne eines besseren Belehren, wenn ihr mir erklärt, wie das gehen soll. Sie bräuchte auf jeden Fall deutlich mehr Kompetenzen als selbst der UN-Sicherheitsrat.
- Damit das ganze nicht als Wohlfahrtsausschuss und also in einer globalen Diktatur endet, braucht es einen ganzen Zoo von Institutionen, der da ein System von Checks and Balances installiert.
Mir ist bewusst dass das angesichts des derzeitigen politischen Zustands der Welt völlig abgedreht klingt und dass es natürlich extrem viele Kräfte gibt, die eine solche Lösung bis aufs Messer bekämpfen würden. Mir geht es weniger darum zu zeigen, dass diese Lösung besonders wahrscheinlich ist, sondern dass ich sie aus ziemlich simplen logischen Gründen tatsächlich für die einzige halte, die wirklich funktionieren könnte. Und eins ist auch sicher: Uns stehen die vermutlich disruptivsten Jahrzehnte der Menschheitsgeschichte bevor. Das passiert so oder so. Der Status Quo ist keine Option mehr und das wird auch immer mehr Menschen bewusst. Das zur Zeit überall auf der Welt Aufstände los brechen wie schon lange nicht mehr halte ich auch für einen Ausdruck dieses Bewusstseins. Diese Zukunft, die ich hier vorschlage ist übrigens die Option, die ich für am wenigsten disruptiv halte! Eigentlich müssten sich also alle Konservativen und Mächtigen dieser Welt darauf stürzen, das so schnell wie möglich einzuführen. In einem Satz zusammen gefasst würde ich sagen: Es gibt keine Möglichkeit ein globales Problem ohne wirksame globale Institutionen zu lösen.
Soweit erst mal. War ja schon lang genug. Vielleicht schreib ich demnächst dann auch nochmal einen kleinen Artikel darüber warum ich denke, dass das auch für unsere utopische Keimform-Perspektive ein Schritt in die richtige Richtung wäre, auch wenn so eine Weltregierung-Light ja eigentlich eher das Gegenteil von Commons ist.
Mich schaudert leider, Benni Bärmann, vor den gigantomanischen global-´babylonischen´ Institutions-Turmbauten, die Dir da vorschweben . . .
Meinst Du wirklich, es könne am wenigsten disruptiv gelingen, einen planetenumspannenden Gesundungsplan aufzustellen, indem Du den bestehenden Welt-Manipulations-Bestrebungen ein ökologisch-institutionel rettendes Gegen-Vorzeichen verpasst – und das Gleis ins Menschheitsüberleben sei gelegt ?
Du sagst es doch selbst: „Eigentlich müssten sich also alle Konservativen und Mächtigen dieser
Welt darauf stürzen, das so schnell wie möglich einzuführen. In einem
Satz zusammen gefasst würde ich sagen: Es gibt keine
Möglichkeit ein globales Problem ohne wirksame globale Institutionen zu
lösen.“ – dieses Mantra offerieren uns unsere Entscheidungsträger doch seit Jahren !!
Wie wär´s stattdessen mit dem Versuch, einfach nur nach geeigneten Katalysatoren für das zu suchen, was, menschliche Lebensorganisation betreffend, dringend neuer Geleise und Strukturen bedarf – – – und sich bereits über ein paar regionale Grundentscheidungen über Geld- & Politstrukturen mit immenser Fermentierungswirkung auf den Welthandel … auf den Weg bringen ließe, wenn es in die Köpfe gelangte ? ! ! !
vgl. bei Interesse bitte:
1.10.2019 gw/ Brauchen wir ´Messlatten-Gesellschaften´ ??
Ich eben ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass es praktisch sicher ist, dass „sämtliche Kippunkte des Klimasystem gerissen werden“ (oder jedenfalls eine Reihe wesentlicher Kipppunkte) und es infolgedessen mindestens 4 Grad wärmer werden wird. Die Folgen werden dramatisch sein: Große Teile der Welt dürften weitgehend unbewohnbar werden – insbesondere die Tropen und Subtropen bis hin zu Südeuropa – und die Menschen werden wahrscheinlich großteils in heute ziemlich menschenleere Regionen nahe den Polen umsiedeln müssen: Nordkanada, Sibirien, Grönland, Patagonien und die Antarktis. Die Verwerfungen werden dramatisch sein, die Nationalstaaten wie wir sie heute kennen werden das vermutlich allesamt nicht überstehen und der Kapitalismus wahrscheinlich auch nicht.
Das wäre in der Tat verheerend. Aber kennst du Begründungen für diese Aussage? Ich kenne eine entsprechende Bemerkung des Klimawissenschaftlers Will Steffen, aber ohne genauere Begründung. Möglichst viele Menschen am Leben zu erhalten wird denke ich tatsächlich die große Herausforderung werden, die auf die Menschheit in der kommenden Extremsituation zukommt.
Das scheint mir nicht wirklich logisch. Also angenommen, CO2 selbst hätte gar keine schlimmen Folgen. Dann wären Öl, Gas und Kohle irgendwann alle verbrannt und die Menschheit müsste auf andere Energieträger umsteigen. Der (dann harmlose) CO2-Gehalt der Atmosphäre würde daraufhin sinken, aber wieso sollte das BIP kollabieren? Diese Aussage scheint mir die Bedeutung fossiler Energieträger zu überschätzen.
Ich stimme aber zu, dass für Länder, deren Schlüsselindustrie sehr CO2e-lastig ist – z.B. Öl, Gas, Autos oder Rindfleisch – eine drastische Reduktion der CO2e sicherlich mit einem massiven Einbruch des BIP verbunden wäre, weil ein Umstieg auf Ersatz-Industrien mit großen Kosten verbunden wäre und wahrscheinlich nur einen Teil der wegfallenden Arbeitsplätze/Umsätze ersetzen könnte.
Ich finde es seltsam, dass du hier den Nationalstaat als losgelöst vom Kapitalismus betrachtest. Bisher gab es keinen Kapitalismus ohne Nationalstaaten als politische Form und nahezu keine längerfristig erfolgreichen Nationalstaaten ohne Kapitalismus (vielleicht mit Ausnahme Kubas, aber allzu erfolgreich und komplett kapitalismusfrei ist das auch nicht).
Warum die Nationalstaaten – insbesondere die reichen und mächtigen unter ihnen – nun plötzlich zustimmen sollten, einen wesentlichen Teil ihrer Souveränität an eine Weltregierung abzugeben, auf die sie selbst keinen Einfluss nehmen könnten und die absehbarer Weise (wie du ja selber schreibst) ihre Schlüsselindustrien ruinieren würde, erschließt sich mir nicht. In der Praxis ist die Perspektive „Weltregierung innerhalb der nächsten 10 Jahre!“ genauso unrealistisch wie „Kommunistische Weltrevolution innerhalb der nächsten 10 Jahre!“
Ich stimme aber auch, dass neben diesen beiden unrealistischen Perspektiven keine andere Möglichkeit erkennbar ist, wie die Klimakatastrophe noch abgewendet werden könnte. Deshalb wird sie kommen.
Danke Benni für die Veröffentlichung Deiner Gedanken.
Die Klimaveränderung durch die Menschen und wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten ist ein schwieriges Problem.
So wie wir jetzt leben, mit all den sozialen, soll heissen
Mensch-zu-Mensch-Abhängigkeiten im Ggs. zu Mensch-Natur-Abhängigkeiten,
scheint es unlösbar zu sein. Das zeigen die Klimamassnahmen der Regierung
(e-Autos mit Kohlestrom z.B.)
und auch die Vorschläge der Opposition (Verkehr umsonst, Mieten runter als Klimamassnahme der Linken z.B.).
Die Politik ist komplett hilflos, und keiner macht was.
Andere grundlegende Vorschläge, z.B. „Kapitalismus abschaffen“,
werden nicht breit publiziert, insbesondere nicht, was Alternativen sein könnten.
Es gibt auch keine mediale politische Diskussion, die den Namen verdient hätte,
also aufzeigt oder diskutiert, wie die Welt heute funktioniert.
Anscheinend betrachten dies diejenigen, die Publikationen
verbreiten lassen, als Bedrohung.
So kommt es dazu, dass jeder seine eigene Theorie zusammenliest und
sich zusammenstellt, wenn es hoch kommt noch mit Bekannten diskutiert.
Denn den veröffentlichten Schwachsinn, der so oft nachweislich
interessengeleitet und nicht erkenntnisgeleitet ist,
kann man nur eingeschränkt vertrauen.
Ich habe von Publikationen gehört, die schreiben, dass es möglich sei,
alle Menschen heutzutage ziemlich klimafreundlich zu unterhalten,
z.B. „Postwachstunsgesellschaft“, also wirtschaftlich-technisch,
wenn es die soziale und Macht-Ebene nicht gäbe.
So ist da eine Utopie: Irgendwie sozial organisiert geht’s.
Wie genau, darf nicht diskutiert werden, s.o..
Ehrlich gesagt bin ich da auch ziemlich hilflos.
Ich bin mir sicher, es gibt noch viele mehr oder weniger bekannte
und noch mehr unbekannte Möglichkeiten eine klimaschonende
Wirtschaftsweise global zu etablieren.
@christian: „Ich kenne eine entsprechende Bemerkung des Klimawissenschaftlers Will Steffen, aber ohne genauere Begründung.“
Die Begründung ist die, die Du ja selbst genannt hast. Große Teile der Welt werden unbewohnbar und sind für Nahrungsmittelproduktion nicht mehr verfügbar. Aber ich hab jetzt auch keine detaillierten Studien zu dem Thema hier, aber ich glaub auch nicht, dass man das wirklich seriös machen könnte. Bisschen zu viele Unbekannte in der Gleichung.
„Diese Aussage scheint mir die Bedeutung fossiler Energieträger zu überschätzen.“
Ja, das ist vielleicht falsch ausgedrückt gewesen. Mit sehr viel Vorlaufzeit kann man das vielleicht sogar langfristig entkoppeln (aber nicht vom Ressourcenverbrauch an sich). Aber diese Zeit haben wir ja nicht mehr. Vor 20 Jahren wäre das vermutlich alles noch deutlich weniger disruptiv gegangen.
10 Jahre!“ genauso unrealistisch wie „Kommunistische Weltrevolution
innerhalb der nächsten 10 Jahre!““
Wie gesagt: Die Disruption kommt eh. Auch für die Reichen und Mächtigen. Deswegen liegt das eigentlich in ihrem Eigeninteresse, die Macht kontrolliert abzugeben, damit sie möglichst viel behalten können. Was nützt es der USA, wenn sie zwar weiterhin souverän handeln können, aber ganze Bundesstaaten in den Fluten versinken und sie ihre Bevölkerung nicht mehr ernähren können? Das wird ihre Macht und ihr Reichtum auch nicht überleben und auch ihre glorreiche Armee wird das nicht verhindern können. Auch die Adeligen haben irgendwann Teile ihrer Macht abgegeben weil sie nicht mehr zu halten war. Manche Freiwillig, andere Gezwungen. Das wird so oder so kommen.
Ich würde Christians Kritik zustimmen, dass es wenig Sinn ergibt, den Nationalstaat so komplett losgelöst vom Kapitalismus zu betrachten. Der Nationalstaat ist ja aktuell v.a. ein Hindernis weil sich die Staaten in Standortkonkurrenz auf einem kapitalistischen Weltmarkt befinden.
In deinem Szenario gehst du ja schon davon aus, dass der Kapitalismus überwunden werden muss, aber die Re/Produktionsweise die dann an seine Stelle tritt, bleibt unbestimmt. Offensichtlich ist das noch kein Kommunismus/Commonismus, denn es gibt ja immer noch Staaten, bzw. eine Art Weltstaat.Aber es wäre doch gerade relevant, diese Re/Produktionsweise zu klären. Denn wenn diese es Menschen nahelegt, die Bedürfnisse anderer miteinzubeziehen anstatt auf Kosten von anderen zu produzieren und konsumieren, dann ist die Forderung nach einem Weltstaat nicht nur überflüssig, sondern würde auch Exklusionslogik wieder einführen.Was meinst du mit „Logik von Ressourcenverbrauch und Wohlstand“? Was macht diese Logik aus, durch was wird sie hervorgebracht?
Aus meiner Sicht ist es ein reines Energie-Problem. Unsere Energieversorgung weltweit kommt hauptsächlich aus fossilen Trägern und zu einem kleinen Teil aus Kernenergie. Das alles muss auf erneuerbare Energiequellen umgestellt werden, und schon ist das Problem gelöst.
Das Problem ist nicht unbedingt ein kapitalistisches. Die DDR mit ihrer Abhängigkeit von Braunkohle und nicht beherrschbaren KKWs hatte ohnehin schon eine Energie-Problem und stünde heute auch vor der Herausforderung, die Versorgung auf Erneuerbare umzustellen. Es mag sein, dass dies im Sozialismus besser geht; man könnte z.B. eine volkseigene Batteriefabrik auf die grüne Wiese setzen, ohne dass irgendeine Privatperson sich eine goldene Nase daran verdient. Umgekehrt kann es aber auch passieren, dass die Regierung in ihrer Betonköpfigkeit den Klimawandel als kapitalistische Propaganda abtut oder die Umstellung auf Erneuerbare viel zu halbherzig vorantreibt.
Am 18. November will „Die Linke“ (die sogenannte) in einer Bundespressekonferenz ihr Klimapapier vorstellen. Auf einer Veranstaltung in Hamburg hat der klimapolitische Sprecher Lorenz Gösta Beutin ein paar kleine Einblicke gegeben, aus denen ersichtlich wird, wie halbherzig auch „Die Linke“ sich diesem Thema annimmt: Die Stromversorgung soll bis 2030 auf 63 % Erneuerbaren-Anteil gebracht werden. Durch energetische Sanierung enteigneter Altbauten soll der CO₂-Ausstoß beim Heizen halbiert werden usw. Lauter unausgegorener, halbherziger Müll, der von den Parteikadern hinter dem Rücken der Basis zusammengeschrieben wurde. Aber immerhin, „Die Linke“ befasst sich jetzt mit dem Thema, Fridays For Future sei Dank.
Statt nur ein Ende des Kapitalismus zu fordern, sollte man auch dazusagen, was es dann sein soll. Ich möchte einen basisdemokratischen Sozialismus, und ich finde, der sollte vehement eingefordert werden.
Und auch, wenn ein Ende des Kapitalismus weltweit gerade nicht in Sicht ist, ist das kein Grund zum Verzweifeln. Ich finde, es gibt auch innerhalb des Kapitalismus gerade ein paar interessante Entwicklungen:
1. Die Preise für Erneuerbare fallen immer weiter, und irgendwann kommt der Zeitpunkt, ab dem Öl und Kohle nicht mehr konkurrenzfähig sind. Das gilt glücklicherweise auch für die USA, die aus dem Pariser Abkommen ausgetreten sind und von denen auf politischem Wege nichts mehr zu erwarten ist.
2. Die etablierten Autohersteller hatten Jahrzehnte Zeit, ein Elektrofahrzeug zu entwickeln, hatten aber keinen Bock drauf. Dann kam plötzlich Tesla, ein völliger Newbee, und hat mal eben ein Luxus-Elektroauto auf den Markt gebracht. Das ergab zwar vom Umwelt-Gesichtspunkt her keinen Sinn, denn es ist kein massentaugliches Auto. Für die alten Autohersteller ist es aber eine Katastrophe, denn ihre Verbrenner im High-End-Bereich sind auf einmal lahme Schnecken. Jetzt sind die alten Autohersteller plötzlich in Zugzwang, ebenfalls Elektroautos zu bauen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Neuwagen mit Verbrennungsmotor kaufen schon jetzt nur noch Idioten. Der Strom aus der Steckdose ist pro 100 km nur halb so teuer wie das Benzin an der Tankstelle. Und die Preise für Akkus halbieren sich derzeit alle vier Jahre, d.h. Verbrenner sind in wenigen Jahren bereits vom Anschaffungspreis her unwirtschaftlich.
@jojo, Christian:
„Ich würde Christians Kritik zustimmen, dass es wenig Sinn ergibt, den
Nationalstaat so komplett losgelöst vom Kapitalismus zu betrachten.“
Damit meine ich eben, dass die Verknüpfung von Ressourcenverbrauch und Wohlstand auch rein stofflich nicht zu vermeiden ist auch unabhängig vom Kapitalismus. Ein gewisser Lebensstandard für eine gewisse Anzahl an Menschen bedeutet einen gewissen Ressourcenverbrauch ob im Kapitalismus im Kommunismus oder auf Alpha Centauri. Natürlich kommt es auf das wie und das wieviel an. Aber welches System in Zukunft auch immer an die Stelle des Kapitalismus treten soll muss irgendeine Form von globalem Ressourcenmanagement beinhalten. Die von mir vorgeschlagene Weltregierung Light zur CO2e-Reduktion wäre ein Einstieg in so ein System.
@Thomas: Schön dass Du am Beispiel der DDR das auch nochmal deutlich gemacht hast, dass hier das ökonomische System nicht unbedingt der ausschlaggebende Faktor ist.
Bei „Aus meiner Sicht ist es ein reines Energie-Problem.“ kann ich aber schon wieder nicht mehr mitgehen. Waldzerstörung und Landverbrauch ist ein CO2e-Problem, aber kein Energieproblem. Torf, Viehwirtschaft, Beton, Agrotechnik und Chemische Industrie erzeugen CO2e in sehr erheblichem Ausmaß und haben mit Energie nichts zu tun. Und dabei ist noch nicht mal berücksichtigt, dass das Klima ja nur ein Teil der Ökologischen Krise ist und das Artensterben durch noch viel mehr Faktoren angetrieben wird und nicht bloß durchs Klima. Sicherlich sind erneuerbare Energieen mit der wichtigste Teil der Lösung aber leider bei weitem nicht die einzigen. Es ist durchaus ein Zukunftspfad vorstellbar in dem wir sehr bald alle Energie erneuerbar erzeugen und trotzdem das Klima aus dem Holozän kippt.
@Benni:
Ja, aber darin liegt eben auch eine gewisse Hoffnung – Menschen können auf relativ engem Raum leben, wie Länder mit hoher Bevölkerungsdichte zeigen. Landwirtschaft wird sicherlich eine große Herausforderung bei der Aufgabe, möglichst viele Menschen am Leben zu erhalten, aber auch da gibt es sicherlich bislang nicht ausgereizte Möglichkeiten, z.B. vertikale Farmen mit mehreren Stockwerken. Es gibt einen lesenswerten Artikel über das Überleben in einer 4 Grad wärmeren Welt, wo die Autorin (Gaia Vince) auf solche Möglichkeiten eingeht.
Klar ist, dass das alles kein Zuckerschlecken wird und dass die kommunistischen Visionen einer schönen Zukunft, in der alle machen, was sie möchten und sich nehmen, was sie wollen, leider passé sind. Aber alle Hoffnungen würde ich deshalb nicht aufgeben; die Herausforderung wird darin bestehen, aus beschissenen Umständen doch noch das Beste zu machen.
„Das wird so oder so kommen“: Das denke ich auch, aber gibt es Beispiele (mehr als nur Ausnahmen) von Adeligen, die ihre Macht freiwillig abgegeben haben, Jahrzehnte bevor sie sonst vielleicht dazu gezwungen worden wären? Das wäre hier ja die notwendige Parallele.
Und „die USA“ ist halt kein Akteur. Macht ist in Demokratien nicht vererbbar, und die heutigen Politiker:innen, die alt genug sind, um es in wichtige Positionen gebracht zu haben, können sich ausrechnen, dass sie in 30–40 Jahren, wenn die Probleme vielleicht richtig kritisch werden, im Altersheim sitzen und kaum noch mehr mitkriegen werden, was um sie herum passiert – dann ist es nicht mehr ihr Problem.
Und was Reichtum betrifft, ist die im Kapitalismus übliche Zeitspanne, in der sich Investitionen rechnen müssen, 20–30 Jahre. Dass ihr Reichtum in 30 bis 150 Jahren womöglich ernsthaft bedroht sein könnte, wird viele Wohlhabende wahrscheinlich beunruhigen, aber nicht hinreichend stark, als dass sie deswegen bereit wären, heute im großen Stil auf Gewinnmöglichkeiten zu verzichten. Dass ist alles noch zu weit weg, zu unsicher („vielleicht findet sich ja doch noch eine praktikable Geoengineering-Lösung?“) und wird wahrscheinlich nicht mehr als ein achselzuckendes „naja, wenn nötig werden unsere Nachkommen halt rechtzeitig die Branche/das Land wechseln müssen“ auslösen.
Also dein Appell ans „Eigeninteresse“ der Reichen und Mächtigen ist ein guter Versuch, aber ich vermute, du wirst bei den meisten von ihnen damit auf Granit beißen 🙁 . (Sofern sie ein konkretes kurzfristiges Interesse an CO2e-intensiven Branchen haben – die paar Solar- und Windunternehmer musst du nicht überzeugen, aber das sind halt auch zu wenige, um viel zu ändern.)
Ich habe mir auch nochmal die Idee, dass es aufgrund der Staatenkonkurrenz eine Weltregierung braucht, durch den Kopf gehen lassen. Tatsächlich stammen 71 Prozent der fossilen CO2-Emissionen aus sieben Staaten(verbünden) – China, USA, EU (inklusive des ausstiegswilligen Großbritannien), Indien, Russland, Japan und Südkorea.* Sollten sich die Entscheidungsträger aus diesen sieben „Ländern“ auf ein gemeinsames effektives Protokoll zur CO2e-Reduzierung einigen können, würde es dann daran scheitern, dass die anderen 30 Prozent nicht mitmachen? Ich denke nicht. Zum einen wären die anderen Staaten dann wahrscheinlich zum Großteil bereit, sich anzuschließen – um nicht als „Schurkenstaaten“ dazustehen und weil sie dann ja keine Wettbewerbsnachteile befürchten müssten. Zum anderen könnten die Länder, der sich doch verweigern, wahrscheinlich durch Strafzölle und Sanktionen so unattraktiv gemacht werden, dass ihr laxeres Emissionsregime keinen Wettbewerbsvorteil mehr darstellt.
(* Laut Wikipedia – die nicht einzelnen Ländern zugeordneten Emissionen aus internationaler Schiff- und Luftfahrt habe ich je zur Hälfte den sieben Großemittenten zugerechnet, wobei ich vermuten würde, dass deren realer Anteil eher größer ist.)
Andererseits: Wenn sich die Entscheidungsträger der sieben Großemittenten nicht auf einen konkreten Ansatz zur Emissionsreduzierung einigen können, sollten sie sich dann aber trotzdem darauf einigen können, einer Weltregierung einen Blankoscheck für eine Lösung auszustellen, auf die sie selbst gar keinen Einfluss mehr nehmen können? Das erscheint wenig plausibel…
OK, das sind jetzt nur die fossilen CO2-Emissionen – bei anderen Treibhausgasen und bei CO2-Emissionen aus Entwaldung dürfte die Verteilung etwas anderes und vielleicht etwas ausgewogener sein. Aber auch da denke ich: Generell wird es eine Handvoll an hauptverantwortlichen Akteuren geben, die deshalb auch bei der Lösung – sofern es eine gibt – die Hauptrolle spielen müssten. An diesen Hauptakteuren vorbei wird nichts gehen – aber wenn sie sich einigen könnten, wäre auch keine Weltregierung mehr nötig.
@christian wg. den 70%: naja, darum gehts doch genau, um ein „effektives Protokoll zur CO2-Reduktion“. Ist schon klar, dass das nicht geht ohne dass die wichtigsten Produzenten mitspielen. Nur dieses „effektive Protokoll“ muss halt irgendwie halt auch wirklich effektiv sein. Sprich: Es muss Möglichkeiten geben Abweichler zur Vernunft zu bringen. Es kann ja jederzeit passieren, dass es sich ein Land anders überlegt. Das Problem haben wir ja jetzt schon mit den USA bei Paris. Außerdem sind die übrigen 30% auch nicht ohne, weil da viele Schwellenländer dabei sind, deren Emmissionen sehr schnell steigen. Ich vermute also, dass dieses Verhältnis sich in Zukunft eher verringert.
Irgendwie scheint in der ganzen Diskussion das Wort „Weltregierung“ auch ein bisschen ein Aufregerwort zu sein. Es geht doch nicht um eine Weltregierung in dem Sinn, was heute eine nationale Regierung ist. Ich würde es eher den Einstieg in den Ausstieg aus dem Nationalstaat durch effektive globale Institutionen nennen.
Naja das kommt auf die Definition von „freiwillig“ an. Natürlich gab es Druck. Aber eigentlich gibt es, wenn man sich die Geschichte anguckt immer wieder Situationen, in denen die Adligen Teile ihrer Privilegien abgeben um Schlimeres zu verhindern. Ich hab ja im Text oben schon auf Magna Charta und die Bill of Rights verwiesen. Das ganze „lange 19. Jahrhundert“ ist voll von einem permanenten hinundher in der Frage. Es gab auch damals immer Teile des Adels, die für Reformen waren und (meistens größere) Teile, die am alten Status festgehalten haben. Das ist heute ganz ähnlich denke ich. Entscheidend ist damals wie heute der Druck von Unten.
Ich teile die Überlegung, dass es globaler Institutionen bedürfe, welche in der Lage sind einzelnen Akteuren (Unternehmen, Staaten) gewisse Standards und möglicherweise Entnahmegrenzen für Rohstoffe etc. vorzuschreiben.
Es ist jedoch völlig unklar wer diese initiieren soll und weshalb sich ein oder gar alle Nationalstaaten (der Nordhalbkugel) sich an die Vorgaben dieses Gremiums oder dieser Einrichtungen halten sollten. Woher sollen die Machtmittel kommen?
Wenn wir die Geschichte betrachten, entwickelten sich neue Institutionen selten einfach aus dem Nichts. Weitgehend handelte es sich dabei um Umformungen bestehender Institutionen.
Überhaupt erwarte ich eher von (größeren) Unternehmen und regionalen Intitiativen den Klimawandel zu drosseln als von den zentralen Staatsregierungen.
Eine mögliche Kombination eines Zusammenschluss regionaler Verbünde und globaler Institutionen sehe ich z.B. in Ansätzen wie dem Global Parliament Of Mayors. Also derart, dass Städte und Gemeinden ihre Beziehungen intensivieren und parallele Institutionen schaffen, welche sich global vernetzen und so zunehmend auf Unternehmen und Zentralstaats-Regierungen Druck ausüben können. In etwa wie eine globalisierte Hanse.
Eine solche Entwicklung könnte auch den Widerspruch von Regionalität und Globalität aufheben und Heimatbedürfnisse ebenso einlösen wie dem aufsteigenden Nationalismus Einhalt gebieten.
Eine für nahezu jeden Menschen verständliche Forderung könnte deshalb die (weitmögliche) Kommunalisierung und Demokratisierung (in Richtung deliberative Demokratie) von politischen Entscheidungen, Verwaltung und Öffentlicher Daseinsvorsorge sein.
Dazu hat Benjamin Barber 2013 einen Vortrag gehalten „Weshalb Bürgermeister die Welt regieren sollten“: https://www.youtube.com/watch?v=P-lBlZ3hqKc
@perikles: Ob es jetzt ein Zusammenschluss von Nationalstaaten ist oder von Städten und Regionen ändert am Grundproblem nichts. In beiden Fällen wird es Einheiten geben, die nur sehr schwer zu überzeugen sein werden und andere, deren Existenz viel direkter bedroht ist.
Nö. Kapitalismus, Nationalismus und Herrschaft sind drei Seiten von ein und der selben Scheiße. Ein gemeinsames Überleben auf der Basis des Klimawandels kann es geben, wenn Menschen nach Lösungen suchen und sich darüber auf Augenhöhe ins Benehmen setzen. Und da nachhaltige Überlebensstrategien ohnehin nur in sozialen Gruppen denkbar sind, ist es erforderlich Netzwerke zu bilden. Es wird nichts mehr geben, was „Durchzusetzen“ wäre, es sei denn im Rahmen eine Kampfes der Reichen gegen die Armen um das Überleben. Solidarisch wird das nicht sein.
@doc: ja, ich strebe auch eine Gesellschaft an, in der sich niemand mehr „durchsetzen“ muss. Nur rechne ich nicht damit, dass das in naher Zukunft möglich ist und selbst wenn morgen alle Herrschaftsmittel auf magische Weise verschwinden, so sind wir doch alle zu sehr in diesem System groß geworden um einfach so alle mit einzubeziehen.
Da die Lösung des Klimaproblems aber vor allem _dringend_ ist (siehe 3.), muss man den Klimaschutz halt doch irgendwie „durchsetzen“ und das geht halt nur global.
@Benni #10:
Effektivere Mittel als wirtschaftliche Sanktionen und Boykott werden sich da wohl nicht finden lassen. Oder denkst du ernsthaft, es könne eine Institution geben, die es sich leisten könnte, mit „militärischen Mitteln“ gegen atomar bewaffnete Staaten wie die USA, Großbritannien, Russland, China und Indien vorzugehen?
Übrigens hat ja auch die EU – obwohl deren Mitglieder ihr einen nicht so kleinen Teil ihrer staatlichen Souveränität abgetreten haben – nicht das Recht, gegen Mitgliedstaaten polizeilich oder militärisch vorzugehen. Was sich ja auch schon als Problem erwiesen hat, wenn etwa Polen oder Ungarn EU-Entscheidungen ignoriert haben, ohne dass die EU da viel machen könnte.
Mein Argument war ja auch nicht, dass die unwichtig sind, sondern dass sie sich einen Abkommen vermutlich großteils anschließen würden, sofern die „Großen“ mit gutem Beispiel vorangehen.
Klar, mit genügend „Druck von unten“ geht theoretisch alles. Aber das ist nun wieder eine ziemlich andere Argumentationslinie als oben, wo du vom „Eigeninteresse“ der „Reichen und Mächtigen“ sprachst.
Ich sprach ja auch von (bestimmten) „kommunistischen Visionen einer schönen Zukunft“, nicht vom Kommunismus an sich. „Kommunismus“ ist ein flexibler Begriff, unter dem sich verschiedene Leute ganz unterschiedliche Dinge vorstellen, weshalb sich da kaum eine allgemeine Aussage treffen lässt. In einer vier Grad wärmeren Welt werden Solidarität, umfassende Kooperation und tatsächlich eine weitgehende Einbeziehung der „Bedürfnisse aller Menschen“ wahrscheinlich sehr viel nötiger sein als heute, weil die Alternative zu Massenmord und vollständigem Kollaps führen dürfte. Insofern sind das vielleicht gar nicht mal so schlechte Voraussetzungen für einen Kommunismus – aber eben für einen, der sich von Visionen wie Post Scarcity und vollautomatischem Luxuskommunismus radikal unterscheiden wird.
#12:
Tatsächlich gibt es ja auch die, deren Existenz sehr direkt bedroht ist und die trotzdem schwer zu überzeugen sind. Australien leidet ja jetzt schon massiv unter Klimawandel-verstärkten Waldbränden und könnte, da es in der subtropischen Zone liegt, durch den Klimawandel leicht unbewohnbar werden. Trotzdem macht seine Regierung – offenbar mit Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit – eine klimafeindliche Politik wie kaum ein anderes Land. Und obwohl Florida absehbarerweise untergehen wird, wenn nicht sehr schnell viel passiert, wurde dort mehrheitlich Trump gewählt. Mit einem Verweis auf ein mehr oder weniger rationales Eigeninteresse lassen sich solche Verhaltensweisen nicht erklären, höchstens mit anderen psychologischen Faktoren wie Verdrängung.
Ne. Beides muss zusammen kommen, damit das Wirklichkeit werden kann.
Hm. Ok. Komische Unterscheidung. Eigentlich ist für mich jede Zukunft schön, wenn sie sich endlich mal an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Aber ich verstehe was Du meinst. Es macht natürlich einen Unterschied, ob es ein High- oder ein Low-tech-Kommunismus ist. Aber selbst wenn es klimabedingt erst mal hart wird, würde ja eine Gesellschaft, die an den Bedürfnissen der Menschen orientiert ist, sehr schnell auch wieder ein technisches Niveau erreichen mindestens so wie heute.
Damit hast Du natürlich Recht. Aber ich glaube schon, dass die materiellen Verhältnisse sich da über kurz oder lang Bahn brechen. Australien hatte übrigens auch schon mal ne kurze Phase, wo sie eine vergleichsweise klimafreundliche Politik gemacht haben, das wurde dann aber wieder kassiert. Je mehr die Folgen spürbar werden, umso mehr kommt die Klimapolitik auch ins kurz- und mittelfristige Denken bei den Leuten rein. Vermutlich halt zu spät, aber dass das früher oder später passiert, davon kann man glaub schon ausgehen.
@ Benni:
Warum ich den Eindruck hatte dass du hier Kapitalismus und Nationalstaat zu sehr als getrennte Phänomene behandelst:
Du schreibst erst, dass die Forderung nach Überwindung des Kapitalismus Gehör findet in der Klimabewegung, auch wenn z.T. unterschiedliche Sachen unter Kapitalismus verstanden werden und dann sagst du dass das aber nicht Thema sein wird:
„Ich möchte mich statt dessen auf ein meiner Meinung nach noch viel
größeres Hindernis bei der Lösung des Klimaproblems fokussieren: Nämlich
den Nationalstaat“
Und später:
„Nun werdet ihr, die ihr ja vermutlich eh fast alle Antikapitalisten
seid, sagen: Genau! Deswegen muss der Kapitalismus weg! Dass das in
einem einzelnen Land nur schlecht funktionieren kann, weil es nur
funktioniert, wenn man sich vom Weltmarkt entkoppelt, was mehr oder
weniger auf Deindustrialisierung und eine Nord-Korea-Version
hinausläuft, ist vermutlich sogar noch weitestgehend links(radikaler)
Konsens heutzutage.
Ok, also Weltrevolution! Da bin ich dabei, aber so lange die
Nationalstaaten und ihre Konkurrenz bestehen bleiben, würde selbst das
nichts Wesentliches ändern. Es ist ja nicht nur die Logik von Profit und
Kapital die hier wirkt, sondern ganz stofflich die Logik von
Ressourcenverbrauch und Wohlstand. Wenn ich nun mal davon lebe, dass ich Kohle aus der Erde grabe und auf
dem Weltmarkt gegen Lebensmittel eintausche, dann werde ich das auch tun
wenn alle plötzlich Kommunist:innen geworden sein sollten. Es brauch
also auch dann noch eine globale Koordination der Ressourcenströme und
ein globales Management der CO2e. Das ist also im wesentlichen erst mal
unabhängig von der Frage ob wir für Profit oder für unsere Bedürfnisse
produzieren, so lange diese Bedürfnisse nicht auch global koordiniert
werden.“
In diesem Szenario gibt es also keinen Kapitalismus mehr, aber trotzdem Weltmarkt und Staatenkonkurrenz? Mir fällt es sehr schwer über dieses Szenario nachzudenken und zu überlegen, ob es einen Weltstaat light bräuchte, wenn die Re/Produktionsweise hier so unbestimmt bleibt.
Im Kommunismus/Commonismus wird es wohl auch eine globale Koordinierung von Bedürfnissen brauchen, aber eben eine polyzentrische und keinen Staat, der militärisch oder mit Polizei etwas durchsetzt.
Das siehst du ja auch als erstrebenswert an, argumentierst aber dass es wegen der Dringlichkeit der Klimakrise auch solche „Zwischenlösungen“ bräuchte. Um ehrlich zu sein glaube ich aber, dass wenn eine Bewegung so stark ist, dass sie den Kapitalismus abschaffen und eine Weltregierung einführen kann, sie eigentlich auch direkt den Kommunismus/Commonismus aufbauen könnte. Und auf dem Weg dahin Druck macht auf die bestehenden Regierungen und die Konzerne, damit Treibhausgasemissionen reduziert werden.
Mit der Logik von Ressourcenverbrauch und Wohlstand sprichst du aber einen Problempunkt an, der eventuell auch im Kommunismus/Commonismus (ich sollte mich mal für eine Schreibweise entscheiden^^) relevant sein kann und ich fände es spannend daran weiter zu denken. In unserem Bochumer Lesekreis zu „Kapitalismus Aufheben“ waren wir aber schon weitestgehend der Meinung, dass die Inklusionslogik mindestens auch die nächste Generation umfassen würde und es mir daher wohl nahegelegt sein würde, nicht übermäßig Ressourcen zu verbrauchen, und Wohlstand eher in sozialen Beziehungen als in ganz viel Konsumgütern zu suchen.
nein. in diesem szenario gibt es noch kapitalismus aber einen transnational regulierten.
Wenn der Punkt 4. Zutreffend wäre, würde ich keine Hoffnung haben. Nur in der Entkopplung von CO2 und BIP ist eine Perspektive. Mit und ohne Wachstum. Beispiel: Lokale Bioernährung mit wenig tierische Produkten ist CO2-srm und
Christian: „Diese Aussage scheint mir die Bedeutung fossiler Energieträger zu überschätzen.“ Die ist nicht zu überschätzen, denn sie ermöglichte es, menschliche Arbeitskraft im großen Maßstab zu substituieren (siehe: https://philosophenstuebchen.wordpress.com/2011/12/14/arbeit-energie-entropie/). Dies ist mit keiner anderen (erneuerbaren) Energie möglich, und auf Kernkraft bzw. Kernfusion sollten/können wir wohl kaum setzen.
Studie der Welthungerhilfe: Auswirkungen des Klimawandels auf eine nachhaltige Ernährungssicherung 2015:
“ Wenn die Anpassungen an den Klimawandel nicht konsequent umgesetzt werden und die Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion nicht entsprechend gesteigert wird, dann besteht die Gefahr, dass im Jahr 2050 zwischen zwei und fünf Milliarden Menschen nicht angemessen ernährt werden können (Sakschewski et al. 2014).“
Die hier zitierte Studie zeigt auch, dass dies eben kein rein natürliches/naturwissenschaftliches Problem ist, sondern das Thema immer das „gesellschaftliche Naturverhältnis“ (diesen Begriff verwenden sie nicht) sein muss.
Seitdem Benni diesen Text geschrieben hat, sind an verschiedenen Stellen immer wieder Debatten darum aufgefacht, u.a. hier: https://keimform.de/2020/flehen-um-den-staat/
Dabei gab es auf mehreren Seiten den Eindruck, dass es Missverständnisse gibt und viel aneinender vorbei diskutiert wird. Jetzt haben Simon und Benni gestern dazu einen Workshop beim digitalen Commons-Institut-Treffen gemacht und ich habe Benni zugesagt, meine Kritik nochmal etwas ausführlicher und vor allem näher am Text zu formulieren, ihn also immanent zu kritisieren. Das versuche ich jetzt mal:
Ganz oben stellst du einige Annahmen auf, bei einigen davon bin ich mir sehr sicher, dass sie stimmen, bei anderen nicht ganz, aber ich halte sie zumindest für nicht unwahrscheinlich und würde sie hier deshalb auch erstmal übernehmen. Aus diesen Annahmen ziehst du mehrere Schlüsse, u.a.: „Eine Lösung, die primär auf lokale Initiative und individuelle Verhaltensänderungen setzt wird nicht funktionieren wegen 3.“ Punkt drei verweist dabei auf die Dringlichkeit: „Um dieses Worst-Case-Szenario zu verhindern muss die Zunahme von CO2-Äquivalenten in der Atmosphäre (CO2e) sofort gestoppt werden und in vergleichsweise kurzer Zeit reduziert und innerhalb von wenigen Jahren auf Null gebracht werden.“
In diesem Schluss steckt aber noch eine Zwischenannahme drin, die du implizit machst, aber nicht weiter ausführst: Nämlich, dass lokale Initiativen und individuelle Verhaltensänderungen nicht schnell genug die CO2e reduzieren können. Das Problem dabei sehe ich darin, dass „lokale Initiativen und individuelle Verhaltensveränderungen“ sehr schwammig sind und sehr viel meinen können. Was mir als erstes bei dieser Formulierung in den Kopf kommt sind Änderungen im Konsumverhalten, Radentscheide oder ähnliche kommunalpolitische Interventionen, und der lokale Aufbau von Commons. Und dann würde ich dir vollkommen zustimmen, dass das allein nicht schnell genug zur drastischen Reduktion von CO2e-Emissionen beitragen kann.
Was jedoch theoretisch auch als „lokale Initiative“ beschrieben werden könnte, wäre eine militante Massenbewegung für Klimagerechtigkeit, die aktiv klimazerstörerische Infrastruktur blockiert, sabotiert und abbaut, und zwar jeweils lokal an den Orten der Klimazerstörung, aber eben an all diesen Orten. Nun könnte man argumentieren, dass eine solche Bewegung, die stark genug wäre, das auch gegen Repressionen durchzusetzen und zudem global, unrealistisch erscheint. Allerdings würde auch das Szenario einer globalen Klimaregierung eine ähnlich starke Bewegung voraussetzen, denn die Nationalstaaten würden ihre Macht sicher nicht freiwillig an die globale Institution abgeben, ohne dass auf sie massiv Druck dafür aufgebaut würde. Also: Auch die Durchsetzung „von oben“ (durch eine globale Klimaregierung) setzt Druck „von unten“ voraus, und dann ist zumindest diskutabel, ob nicht durch diese Bewegung „von unten“ direkt auch diese Durchsetzung ausgehen kann – und vielleicht sogar gleich eine kommunistische Revolution.
Allerdings sehe ich es ähnlich wie du, dass das Szenario mit der Weltregierung noch am wenigsten disruptiv wäre. Es wäre z.B. denkbar, dass Nationalstaaten ihre Macht teilweise an eine globale Institution abgeben, wenn es diesen massiven Druck von unten gibt, der ihre Machtbasis sonst komplett in Frage stellen könnte.
Dann zu meiner Frage, die ja meine Hauptkritik an deinem Text war, nämlich das Verhältnis von Politik (Nationalstaat oder globale Klimaregierung) zu Re/Produktionsweise. Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe, deshalb berichtige mich bitte wenn ich falsch liege. Du schreibst:
„Aber auch diese Debatte [um Kapitalismus], so spannend sie ist, ist nicht Gegenstand dieses Artikels.
Ich möchte mich statt dessen auf ein meiner Meinung nach noch viel größeres Hindernis bei der Lösung des Klimaproblems fokussieren: Nämlich den Nationalstaat.“
Dann folgt eine ganz gut Analyse der Nationalstaaten im Kapitalismus, der ich voll zustimmen würde, und dann kommt dieser Absatz, der bei mir für sehr viel Unverständnis gesorgt hat:
„Ok, also Weltrevolution! Da bin ich dabei, aber so lange die Nationalstaaten und ihre Konkurrenz bestehen bleiben, würde selbst das nichts Wesentliches ändern. Es ist ja nicht nur die Logik von Profit und Kapital die hier wirkt, sondern ganz stofflich die Logik von Ressourcenverbrauch und Wohlstand. Wenn ich nun mal davon lebe, dass ich Kohle aus der Erde grabe und auf dem Weltmarkt gegen Lebensmittel eintausche, dann werde ich das auch tun wenn alle plötzlich Kommunist:innen geworden sein sollten. Es brauch also auch dann noch eine globale Koordination der Ressourcenströme und ein globales Management der CO2e. Das ist also im wesentlichen erst mal unabhängig von der Frage ob wir für Profit oder für unsere Bedürfnisse produzieren, so lange diese Bedürfnisse nicht auch global koordiniert werden.“
Wegen dieses Absatzes fiel es mir sehr schwer einzuordnen, worauf du hinaus willst, also einen global regulierten Kapitalismus, einen Kommunismus mit durchsetzungfähiger Weltregierung oder noch was anderes. Auch wenn du mir geschrieben hast, dass es dir gar nicht darum geht, hier irgendwelche Szenarien zu skizzieren, ploppen hier in diesem Text doch welche auf: Kapitalismus ist abgeschafft, aber Nationalstaaten und Konkurrenz gibt es noch (2.Satz)? Es gibt Kommunismus, aber trotzdem noch einen Weltmarkt (4.Satz)? Beides ist doch nicht das, was wir unter Kommunismus oder unter Aufhebung des Kapitalismus verstehen. Wenn ich diese beiden Sätze (die glaub ich für sehr viel Missverständnis gesorgt haben) außen vor lasse, bleibt da ein Satz, der wie ich jetzt annehme, den Kern deiner Argumentation bildet: „Es ist ja nicht nur die Logik von Profit und Kapital die hier wirkt, sondern ganz stofflich die Logik von Ressourcenverbrauch und Wohlstand“ (3. Satz). Damit sprichst du ein wichtiges Problem an, was aber durch deine Erläuterung im nächsten Satz (mit dem Weltmarkt) bei mir zuerst untergegangen ist: Auf der rein stofflichen Ebene, also unabhängig von der Re/Produktions- und Vermittlungsweise, also auch im Kommunismus, gibt es einen Zusammenhang zwischen Ressourcenverbrauch und (zumindest kurz- und mittelfristigem) materiellem Wohlstand. Auch im Kommunismus wäre es vorstellbar, dass Leute aus Bequemlichkeit mit fossilen Brennstoffen heizen oder dass sie auf unökologische Weise Strom erzeugen um unliebsame Arbeitsprozesse automatisieren zu können. Damit handeln sie dann auf Kosten von Menschen in Weltregionen, die stärker vom Klimawandel betroffen sind, und genau deshalb braucht es eine globale Vermittlung von Bedürfnissen, wie du richtig schreibst. So weit kann ich in der Argumentation mitgehen und würde sagen, dass die globale Koordination in den Utopiediskussionen bisher noch eine Leerstelle waren, auch wenn sich das nun, v.a. dank deiner und Annettes Interventionen, langsam ändert. Du sagst zwar, dass es für dich eher ein Transformationsproblem ist; ich würde es aber auch für die Utopie so sehen, da globale ökologische Probleme tendenziell immer denkbar sind. Zumindest aber ist es ein Problem für ein Szenario einer kommunistischen Weltrevolution in den nächsten paar Jahren (I know, sehr unwahrscheinlich, andererseits scheint mir alles außer einer fortschreitenden Klimakatastrophe gerade sehr unwahrscheinlich), dass sie dann eine globale Koordination der Ressourcenströme und CO2e organisieren müsste (also Nahutopie).
Wo ich aber nicht mitgehen würde, ist die Annahme, dass die Re/Produktionsweise in dieser Diskussion nachrangig ist, wie sich das bei dir andeutet wenn du schreibst, dass der Nationalstaat ein „noch viel größeres Hindernis“ ist, und dass die Frage nach globaler Koordination „im wesentlichen erst mal unabhängig von der Frage [ist] ob wir für Profit oder für unsere Bedürfnisse produzieren“. Warum die Re/Produktionsweise nicht zu vernachlässigen ist, begründest du ja eigentlich schon in deinen Annahmen: „4. Es gibt keine Möglichkeit BIP-Wachstum global und langfristig von den CO2e zu entkoppeln.“.
Wenn wir nicht davon ausgehen, dass sich BIP-Wachstum einfach aus einem steigenden Komfort- und Luxusbedürfnissen auf der stofflichen Ebene ergibt, sondern vielmehr aus dem Verwertungszwang des Kapitals, dann lässt sich aus diesem vierten Punkt die Schlussfolgerung ziehen: Entweder muss der Kapitalismus überwunden werden, um CO2e-Emissionen zu senken, oder aber es muss so weit regulierend in ihn eingegriffen werden, dass sich die Verwertungskrise nochmal massiv verschärft und noch viel viel mehr Menschen ihre Grundbedürfnisse nicht mehr über den Markt befriedigen können. Wenn man das noch einigermaßen menschenfreundlich auffangen will, braucht es den Aufbau von Alternativstrukturen, die diese Bedürfnisse decken können – was dann letztendlich auch auf eine Überwindung des Kapitalismus hinausläuft.
In einem Kommentar oben (23.11.2019) schreibst du dennoch, dass es sich bei diesem Szenario hier um einen global regulierten Kapitalismus handelt. Prinzipiell hätte ich nichts dagegen, wenn der Kapitalismus von so einer Klimaregierung global zu Tode reguliert wird – wenn wir gleichzeitig emanzipatorische Alternativen von unten aufbauen. Allerdings ist wirklich die Frage, warum so eine globale durchsetzungsfähige Institution/Weltregierung das tun sollte. Denn auch wenn du das von einem Weltstaat abgrenzt, würde diese Institution doch auf finanzielle Mittel angewiesen sein (erst recht, wenn sie ein Militär unterhält), die sie – genauso wie Staaten – nur aus einer funktionierenden Wirtschaft bekommt. Der Zusammenhang zwischen Staat und Kapitalverwertung besteht eben auch außerhalb der Staatenkonkurrenz.
Deshalb würde ich dabei bleiben, dass eine hinreichend schnelle Reduktion der CO2e-Emissionen wahrscheinlich nicht ohne kommunistische Weltrevolution geht. Die Aufhebung des Kapitalismus ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Es braucht auch eine globale Koordination der Bedürfnisse und Ressourcenströme, die wahrscheinlich auch nicht ohne gewisse Formen der „Durchsetzung“ auskommt. Allerdings würde ich dann schon fragen, ob nicht auch Kooperationsverweigerung eine hinreichende Form der Durchsetzung sein könnte, mit der eine gewaltvollere und staatsförmigere Durchsetzung vermieden werden kann. Auch für die Frage, wie gewaltvoll so eine Durchsetzung sein muss, ist übrigens die Re/Produktionsweise entscheidend: Im Kapitalismus würde so eine globale Institution ja gegen die Verwertungsdynamik anregulieren, an der ganz viel dran hängt, im Kommunismus würde sie nur den Widerspruch von kurz- und mittelfristigem materiellem Wohlstand und langfristiger ökologischer Sicherheit auf rein stofflicher Ebene bewegen.
Ich komme langsam zum Schluss:
Du hast mit dem Text hier und an vielen anderen Stellen auf die Notwendigkeit globaler Koordination und den Zusammenhang von Wohlstand und Ressourcenverbrauch auch auf rein stofflicher Ebene (also auch im Kommunismus) und die Probleme, die sich daraus ergeben können, hingewiesen. Dafür bin ich dir dankbar und kann das mittlerweile glaub ich ganz gut aufgreifen. Trotzdem bleibt (wie ich hier versucht habe zu begründen) die Frage nach der Re/Produktionsweise für mich ganz entscheidend. Ich habe aber überhaupt nichts dagegen, auf dem Weg zum Kommunismus auch Reformen innerhalb des Kapitalismus zu erkämpfen, wo immer sie möglich sind und das Leben von Menschen verbessern und zur Reduktion von CO2e-Emissionen beitragen. Und wenn eine Bewegung genug Druck ausübt, können ja auch Reformen eingeführt werden, die der Systemlogik widersprechen. Dazu könnte auch gehören, dass Nationalstaaten einen Teil ihrer Macht an eine demokratisch legitimierte globale Klima-Institution abgeben, wie du hier vorschlägst. Nur glaube ich nicht, dass das so weit funktioniert, dass es ausreichen wird. Was ich aber dann spannend fände zu diskutieren, in wie fern solche globalen Institutionen heute auch Keimformen einer globalen kommunistischen Koordination sein könnten – oder wie sie dazu umgebaut werden können. Wenn du dazu noch mehr Gedanken hast, bin ich gespannt sie zu hören/lesen.
Dafür müsste diese Bewegung sich
eben nicht nur global sondern überall lokal durchsetzen. Das ist ein
Unterschied ums Ganze. Und da gehts ja nicht nur um punktuelle Sachen
wie Kohleminen sondern auch um riesige Waldgebiete und den Verkehr in
jeder Stadt. So lange nicht grundsätzlich die Konkurrenz abgeschafft
ist, hat halt dann jeder einen Vorteil, der keine solche Bewegung hat
(sei es weil die Leute eh nicht dahinter stehen oder weil sie
unterdrückt wird).
Aber klar könnte auch so eine Bewegung helfen
globale Institutionen durchzusetzen. Passiert ja auch schon. Ich sehe da
eher ein Verhältnis gegenseitiger Bedingung als ein entweder-oder.
Zu weiteren Punkten später mehr.
Ok, weiter im Text…
Deswegen hab ich ja gesagt, dass es eine neue Legitimationsquelle jenseits der Nationalstaaten braucht. Das würde es einzelnen Staaten sehr schwer machen gegen die Quoten, die der Klimarat vorgibt zu verstoßen. Es geht bei der Durchsetzungsfähigkeit von Institutionen nicht immer nur um Geld und Gewalt. Legitimation ist genauso wichtig. Momentan gibt es keine internationalen Organisationen, die Legitimität nicht von den Nationalstaaten kriegen und das ist ein wichtiger Teil des Problems, weil die dann immer alles blockieren können.
Ich hab nie gesagt dass es nicht auch noch andere Bedingungen geben könnte. Das war nur nicht Gegenstand des Artikels. Ich finde auch den Beweis zu führen im Falle des Kapitalismus deutlich schwieriger. Das mit der unmöglichen Entkopplung vom BIP halte ich noch für das beste Argument. Aber wer sagt, dass es kein Kapitalismus mehr ist, wenn er nicht wächst? Im Grunde sind wir spätestens seit 2008 ja schon in dieser Lage. In einzelnen Ländern schon viel länger, Japan z.B. Ich hab noch nichts von der Abschaffung des Kapitalismus gemerkt.
Kapitalismus erzeugt Wachstum sonst ist er in der Krise. Aber wer sagt dass er nicht in ner Dauerkrise existieren kann?
Und als letztes noch:
Ja, für mich auch. Ich finde sie nur schwieriger. Und die beiden Fragen mögen nicht völlig unabhängig voneinander sein, aber eine gewisse eigenständige Logik gibt es halt doch.