Flehen um den Staat
In dem Systemwandel-Video der Taz sagt die Klimagerechtigkeitsaktivistin Ruth Kron einen Satz den ich in letzter Zeit leider viel zu häufig gehört habe: „Wenn wir für den Systemwandel unendlich viel Zeit haben, dann würde ich sagen: Der Systemwandel muss von unten passieren, es muss ein emanzipatorischer Prozess sein. Die Zeit haben wir leider nicht“.[1] Ulrike Herrmann zieht konsequent den darin immer implizierten Gedanken: „Das erfordert […] dass der Staat diesen Umstieg plant.“ Und dann übertreibt sie etwas, wenn sie eins draufsetzt und sagt „Und zwar in jedem einzelnen Schritt“. Das ist doch krass. Absage an Emanzipation, hoffende Hingabe an den Staat. Und ich glaube die Hoffnung liegt beim Staat falsch. In den letzten Texten kritisierte ich staatssozialistischen Ideen (nur grundlegend nicht anhand einzelner Modelle, das kommt noch irgendwann ), nun möchte ich mich mit der häufigsten liberalen Staatsphantasie auseinandersetzen: Marktwirtschaft mit öko-sozialer Weltinstitution.
Langsam wird’s ne Artikelreihe:
1. Kritik des demokratischen Staatssozialismus
2. Warum ein staatlicher Sozialismus wahrscheinlich nicht ökologisch wird…
3. Kritik der globalen öko-sozialen Marktwirtschaft (dieser Artikel)
Auf keimform.de hat ja Benni schon einen „Weltstaat light“ vorgestellt und ich kenne diese Hoffnung auch. Gerade als ich letztes Jahr nach eindringliche Zurede von Annette und Benni die Klimakrise (wieder) ernst nahm, dachte ich „Scheiße, dann vielleicht doch staatssozialistische Übergangsgesellschaft“. Auch hat Durchsetzung von oben in einer Gesellschaft die aus ihrer Eigenlogik quasi „von unten“ (aber eben kein demokratisches Unten, sondern eine sachliche Herrschaft) Wachstumszwang erzeugt und den Subjekten Konsum als Kompensation für die Zumutungen verspricht seine systemische Berechtigung. Aber nur wenn man nur in dem System denkt. Nur scheint es mir, dass viele Vertreterinnen dieses Konzept sich mit ihren eigenen Wünschen und seinen Konsequenzen nicht wirklich auseinandersetzen, sondern diese Ideen sich von wabernder Hoffnung einer demokratischen, aber enorm starken Weltinstitution leiten lassen. Aber Vision reicht hier bei Weitem nicht. Erteilt man eine Absage an Emanzipation, muss man schon gute Gründe dafür haben. Und zumindest irgendwann mal überlegt haben wie eine global regulierte öko-soziale Marktwirtschaft oder halt gleich Ökostaatssozialismus funktionieren soll. Da freue ich mich immer über Öko-Staatssozialistinnen wie C. Zeller oder B. Kern die ihr Konzept wenigstens ernst nehmen und zur Diskussion stellen. Die häufig fehlende Bestimmung des Konzepts hat wohl mit dem üblichen Bilderverbot zu tun und die Antwort ist auch die übliche: Über Utopie reden ist notwendig.
Einige Commonist*innen haben letzte Woche über diese Idee diskutiert und ich will nun ein paar Ideen dazu vorstellen. Davor sei noch eine kurze Bemerkung erlaubt: Ich glaube viele diskutierte Konzepte wie Gemeinwohlökonomie, Green New Deal, Marktsozialismus oder öko-soziale Marktwirtschaft klingen sehr unterschiedlich, aber gehören eigentlich zu einem Paradigma. Sie liegen alle zwischen den Polen von Markt und Staat, Marktwirtschaft und Staatswirtschaft, Kapitalismus und Staatssozialismus. Man kann sogar versuchen die Modelle in dem Kontinuum zwischen Markt und Staat einzuordnen, wie ich wie üblich dilettantisch versucht habe. An den Polen liegt die liberale Marktwirtschaft und (demokratischer) Staatssozialismus. Ich glaube aber, dass Kontinuum ist selbst schon falsch, es gibt Kipppunkte und Brüche, aber darauf kommen wir im Laufe des Textes inhaltlich.
Eine globale öko-soziale Marktwirtschaft
Ich will mich gar nicht mit den nationalstaatlichen Versuchen einer öko-sozialen Marktwirtschaft aufhalten. Die kritischeren Denkerinnen wissen selbst, dass das nichts wird. Eine tiefgreifende Regulierung der Marktwirtschaft – also bspw. hohe CO2-Steuer, ausreichend hohes bedingungsloses Grundeinkommen, Nord-Süd Umverteilung – kann es nur global geben. Wahrscheinlich muss nicht gleich die ganze Welt mitmachen, wenn sich die USA, China und die EU dazu durchringen können wird es vielleicht schon reichen. Dann hätten wir ein neues öko-imperialistisches Projekt (natürlich ganz im guten Willen), dass der restlichen Welt die öko-soziale Regulierung nahelegt/auferlegt/aufzwingt – im Namen der Klimagerechtigkeit müssten diese Regulierungen in einigen Ländern natürlich schwächer ausfallen.
Okay, inhaltlich kann ich über die Form der Regulierung nicht viel sagen, da gibt es Tausende Menschen die es besser wissen, aber irgendetwas Richtung Einpreisung von Umweltfolgeschäden also CO2-Steuer, „echte Preise“, etc. Mich interessiert als braver Soziologe die gesellschaftliche Form, die solch ein Inhalt annehmen müsste. Zwei politische Modelle stehen vor dem inneren Auge: Entweder eine relativ dezentrale, politische Institution auf Basis von Absprachen (UN-Variante) oder eine relativ zentrale Institution (Weltstaat-Variante). Weltstaat klingt für die einen nach einer endlich zu sich gekommenen Menschheit, für die anderen nach autoritären Phantasien. Lassen wir die Frage mal kurz außen vor und fragen: Zu was müsste solch eine Institution fähig sein?
Staat gegen Markt: Macht, Effizienz & Staatssozialismus
Klar ist: Sie braucht viel viel (viel, viel, viel) Macht, sprich Durchsetzungseffizienz sprich Durchsetzungsgewalt. Ihre größten Gegnerinnen? Zuerst mal ein Großteil des Kapitals das in Charaktermaske mit Wirtschaftslobbys, Bestechung, demokratische Einflussnahme, etc. alles dagegen tun wird – wiederum keineswegs weil sie böse sind oder nicht an den Klimawandel glauben, sondern weil sie gute Gründe dafür haben und schon jetzt gebärden sie sich effizient als Verteidigerinnen der Lohnarbeiterinnen gegen die bösen Klimaleute. Und die Lobbys sind stark, wie unglaublich ist es denn, dass sie es in den USA geschafft haben, dass ca 70% der konservativen Republikaner glauben, dass Klimawandel nicht menschengemacht ist (für Klima-Lobbyismus gab die fossile Energiebranche auch zehnmal soviel Geld aus wie Erneuerbare-Energie-Unternehmen und Umweltschutzorganisation zusammen) (vgl. Wiki). Dann gibt es noch Lohnabhängige die wirklich etwas zu verlieren haben und Organisationen in Politik und Zivilgesellschaft die aus verschiedensten Gründe dagegen sind.
Nehmen wir an es hat (wie durch ein Wunder) geklappt: wir haben eine öko-soziale Weltinstitution. Das Problem ist, dass der Widerstand aus der Wirtschaft nicht nur für den Übergang gilt, sondern von der Marktwirtschaft wieder und wieder produziert wird. Unternehmen haben gute Gründe green-washing zu betreiben, Realverschmutzung zu verstecken, etc. etc. Die Systemlogik arbeitet gegen ökologische und soziale Politik. Das bedeutet der (national-beauftragte oder globale) Staat muss immer genauer werden, er muss genauer überwachen, tiefer eingreifen, nachforschen und stärker regulieren, um die eigene Politik auch wirklich umsetzen zu können. Der ökologische Staat muss sein wie ein Bohrer, der sich immer tiefer in Wirtschaft und Gesellschaft hineingräbt. Bis er die letzten Schmutz-Maulwürfe so verschreckt hat, dass sie kaum was anzurichten wagen. Und diese Struktur gilt es aufrechtzuerhalten und ständig gegen neue Maulwurfsgänge zu verbessern.
Dies ist glaub ich auch der Punkt wo der zentralistische Weltstaat vielversprechender ist, als die UN-Variante. Die UN-Variante baut immer auf der fragilen Zustimmung der Nationalstaaten auf und diese haben wiederum gute Gründe die Regulierungen nicht so hart durchzusetzen. Und besonders je mehr die Weltinstitution die Schrauben andreht, desto wahrscheinlicher, dass die Nationalstaaten sich wegducken. Das sehen wir ja alles heute schon. Also UN adé, Weltstaat juchee. Die steigende Regulierungsanforderung ist auch der Punkt wo ein Regulierungsmoloch auch gleich Staatsplanung machen könnte und somit die öko-soziale Marktwirtschaft in Ökostaatssozialismus kippt. Das halte ich sogar für ziemlich wahrscheinlich. Ich glaube sowieso, dass ein Weltstaat so enorm viel Macht hat gegenüber der Marktwirtschaft, dass es fraglich ist wie lange sie gegen ihn bestehen kann, da gerade die Standortkonkurrenz ihn nicht von tiefen Eingriffen abhält. Nur die Kapitalinteressen und die werden ihm früher oder später ein sehr lästiger Dorn im Auge. Er wird sich die Macht und Herrschaft verschaffen, die so auf dem Silbertablett vor ihm liegt.
Zusammenfassende These: eine öko-soziale Weltinstiution bei Marktwirtschaft kämpft ständig mit der Systemlogik und muss immer tiefer und radikaler in Gesellschaft und Wirtschaft eingreifen. Sie wird sich konsequent wahrscheinlich zum Weltstaat zentralisieren um so die nationalstaatlichen Partialinteressen aus dem Weg zu räumen und wahrscheinlich sogar Marktkoordination durch Staatsplanung ersetzen. Dieser Staat wäre (auch wenn demokratisch gewählt) enorm stark, tiefgreifend und herrschaftsvoll. Und damit hoch anfällig für autoritäre Neuformierung, aber dazu gleich.
Staat gegen Ökologie
Bis jetzt haben wir so getan als würde der Staat den öko-sozialen Kurs halten. Schon dafür gibt es gute Gegenargumente. Der kapitalistische Staat (und nebenbei auch der sozialistische) gewinnt Handlungsmacht nur durch Wirtschaft und Wachstum. Also genau gegen das was er vorgehen muss. Mit jeder Steuerquelle die er verkleinert, eindämmt oder gar ganz zuschüttet, schneidet er sich ins eigene Fleisch. Wir haben es also mit einem Art gespaltene Staat zu tun, einem Staat mit einer Art dissoziativen Persönlichkeitsstörung. Der Staat ist kein Monolith, sondern ein Konglomerat vielerlei Institutionen und genau in ihnen wird sich diese Spaltung ausdrücken – so ähnlich wie im heutigen Staat: Wirtschaftsministerium, Innenministerium, usw. gegen Umweltministerium.
Green New Dealer sind nun sicherlich empört: „Die ökologische Transformation schafft doch ganz viele Arbeitsplätze, Technologiefelder und Wachstumspotential“ – Ach nein, Wachstum wollen wir ja nicht. Naja Wachstum in ressourcenschwachen Dienstleistungssektoren wie Massagen oder Musik. Stimmt, es gibt auch viel neue Aufgaben, aber soviel ich weiß (wiederum zu wenig) ist weniger produzieren angesagt – was in einer Gesellschaft ohne Arbeit nicht schlimm wäre, weil wir hier Resonanzfähigkeit zurückgewinnen und Resonanzbeziehungen aufbauen würden und höchstwahrscheinlich glücklicher leben, aber in einer Gesellschaft mit Lohnarbeit bedeutet das halt real Verzicht. Nicht so ein prickelndes demokratisches Programm. Auf jeden Fall wird ein guter Teil der gesellschaftlichen Innovations- und Menschenpower in die ökologische Transformation gehen und für den Staat weniger übrig bleiben. Das muss der mal verkraften.
Ich spreche jetzt immer so von „dem Staat“ und seinen Willem. Überzeugte Demokratinnen werden sich wundern warum der Staat denn irgendwelche Eigenlogik hat wie Ansaugen von Ressourcen und Menschen hat, er ist doch nur unser Repräsentant. In einer Diskussion meinte jemand im Brustton der Überzeugung: „Was hast du denn gegen den Staat? Wir sind doch der Staat“. Ich würde mit einem guten Teil der Politikwissenschaft und der politischen Soziologie davon ausgehen, dass der Staat (wie jede Institution) eine Eigenlogik hat und nicht nur ein Werkzeug demokratischer Interessen ist. Seine Angestellten wollen ihre Jobs behalten, den Regierenden ist es nahegelegt Legitimität zu erzeugen und sich und den Staat als notwendig zu konstruieren, usw. Ganz abstrakt führt dies bei einem Staat zu einer Logik der Selbsterhaltung und die garantiert man am besten indem man viel Ressourcen auf sich zieht[2]. Und gerade gegen diese Grundlogik des Staates muss eine vernünftige ökologische Politik vorgehen, die Ressourcen werden woanders gebraucht. Dies ist nun sehr abstrakt formuliert. Konkret wird sich das im Staat als Kämpfe verschiedener Parteilinien und zwischen den verschiedenen Ressorts zeigen: zwischen dem Ministerium für Inneres, für Wirtschaft und für Umwelt. Oder die eine Partei verspricht staatliche Anstellung und Großprojekte, die anderen Konsummöglichkeiten, die dritten eine wirklich effiziente ökologische Politik. Und für Subjekte einer Loharbeitsgesellschaft ist die dritte Option nicht unbedingt die überzeugendste, auch ein Grund weshalb die ökologische Bewegung zu autoritären Phantasien neigt. Man könnte auch die Abschaffung der Lohnarbeit diskutieren.
Staat gegen Demokratie
Nun, ich hab den Punkt schon in dem Beitrag zu Kritik des Staatssozialismus gemacht. Ein Staat ist an-sich schon nicht demokratisch, da er den Menschen erlaubt sich nur über eine Institution gegenseitig zu beherrschen, aber ein starker Staat hat mehr Ressourcen und Macht zur Verfügung als ein liberaler, nationalstaatlich-begrenzter Staat und kann sich deshalb einfacher autoritär gegenüber der Bevölkerung abschließen. Ein Weltstaat ist noch viel mächtiger und unabhängiger. Ich sprach in dem Beitrag auch von schleichender und plötzlicher Entdemokratisierung.
Und einige Ökointeressierte wollen sich bei ihrem Modell eines starken Staates mit so Kinkerlitzchen wie Demokratie gar nicht aufhalten: lieber gleich eine vernünftige, ökologische Expertokratie – das ist die autoritäre Schattenseite eines hierarchischen Wissenschaftsverständnis. Hier wird Gesellschaft gleich entpolitisiert und zu einer technischen Aufgabe erklärt. Nun, leider – wahrscheinlich sollte man eher sagen glücklicherweise – ist Öko-Autoritarismus oder Öko-Diktatur keineswegs ein Garant für ökologische Politik. Man brauch da überzeugte Autoritäre vom Schlage des Marvel-Bösewichten Thanos, dessen Geschichte so deutlich zeigt was er alles Opfern muss um ein wirklich autoritärer Öko werden zu können. Und im Marveluniversum besteht dank Magie die Möglichkeit das ein einzelner autoritärer Öko ausreicht, dies gilt für menschliches Zusammenleben aber nicht. Öko-Autoritäre müssen gegen ihre eigene Machtbasis in Staat (Angestellte und Beschäftigte) und Gesellschaft (Lohnabhängige, Betriebe, etc.) arbeiten, wenn sie gegen Wachstum, ständiger materieller Konsumsteigerung und Produktion vorgehen. Da schaffen sie sich keine Freundinnen und müssen erst recht autoritär durchgreifen. Wahrscheinlich werden die ungeliebten Öko-Autoritären von anderen Autoritären bruchhaft als Putsch oder mit Massenbewegung als Revolution entfernt, oder durch eine schleichende Ent-Ökologisierung und Green-Washing entmachtet.
Alles in Allem gute Aussichten für eine emanzipatorische Lösung des Problems. Hauptsache es wird über Utopie diskutiert 🙂
[1] Es ist auch eine komische Vorstellung, dass es mit dem Staat schneller gehen soll. Der Nationalstaat hat sowieso keine Chance was groß zu verändern. Damit geht es nur auf internationaler Ebene und die ist keineswegs schnell. Auf die Ideen kommt man vielleicht eher wenn „emanzipatorisch von unten“ nur als von-unten innerhalb des System. Wenn so was gemeint ist wie freiwilliges öko-fairtrade Konsumieren und ökologische Selbstverpflichtungen der Unternehmen. Darauf kann man bis zum Sanktnimmerleinstag warten, solche freiwillige Öko-Einschränkung von unten wird in der Marktwirtschaft effektiv verhindert.
[2] Ich kenn diese These grob aus politischer Soziologie und Politikwissenschaft, aber sie müsste eig nochmal genauer überprüft und argumentiert werden, jemand Ideen wo man da was finden könnte?
In meinem Artikel, den Du zwar irgendwie disst aber nicht verlinkst, schreibe ich am Anfang:
„Mein Eindruck der ganzen Diskussion ums Klima ist, dass sich tatsächlich fast niemand ernsthaft der Problematik stellt. Es gibt viele Varianten der Verdrängung des Problems und die Klimaleugner sind nur die offensichtlichste davon und alle haben sie durchaus einen rationalen Kern. Ich finde diese Haltungen bis weit in die Klimagerechtigkeitsbewegung hinein und würde auch niemals behaupten, dass ich frei davon bin. “
Ehrlich gesagt ist das für mich hier auch so ein Fall. Es mag alles sein, dass Deine Analysen von Tendenzen und Drücken, denen eine Weltregierung Light ausgesetzt wäre, auf lange Sicht zu einer autoritären Form führen würde. Nur sind wir auf lange Sicht halt alle tot. Die Zeitskala findet in deinen Überlegungen nicht statt. Oder anders formuliert: Das Utopiethema und das Klimathema zu vermischen macht nicht so richtig Sinn. Das ist ein Transformationsthema. Die richtige Frage ist nicht „In welcher Utopie haben wir das Klima im Griff?“ sondern „Welche Transformation erlaubt sowohl die Begrenzung der Klimakatastrophe als auch das Verfolgen der Utopie?“
Außerdem hab ich in meinem Artikel auch Bedingungen genannt, die diese Tendenzen zumindest eindämmen können. Darauf gehst Du nicht wirklich ein.
Ich halte die Commons für einen wichtigen Akteur von sowohl Transformation als auch Utopie, aber um das Klima als Menschheits-Commons zu konstituieren kommen wir zusätzlich an (welt-)staatlichen Akteuren nicht vorbei.
Hello, ich hab ihn jetzt verlinkt. Und ich glaub du missverstehst mein Argument. Es ist gerade nicht utopische Maximalforderung vs. realistische Regulierungspolitik, sondern „realistische Reformpolitik“ wird höchstwahrscheinlich nicht funktionieren. Das was radikal scheint ist wahrscheinlich auch konsequent. Glaub ich. Wenn du das nicht glaubst dann fänd ichs spannend wie du argumentierst warum so ne Weltregierung überhaupt kurzfristig nicht versagen oder sich autoritär verselbständigen o.ä. soll …
Und die demokratischen Entscheidungsideen die du bei dir einführst ändern ja m.E. nichts an den Grundproblemen die ich anspreche, aber vl verstehe ich dich da auch falsch.
Es geht nicht um „Realpolitik“ vs. „radikal konsequent“ sondern um „Utopie“ vs. „Transformation“. Du hast keine Zeitachse in Deiner Argumentation. Aber ich wiederhole mich.
Und natürlich kann das alles scheitern und natürlich ist das sogar wahrscheinlich. Aber es ist _unmöglich_ (und ja, das meine ich so absolut) ohne eine global durchsetzungsfähige Instanz das Klima in den Griff zu kriegen. Meinetwegen kann diese „global durchsetzungsfähige Instanz“ auch das Klimacommons mit keinen Machtmitteln außer dem besseren Argument sein, aber dann müssten halt _alle_ Menschen überzeugt werden. Oder zumindest fast alle. Glaubst Du ehrlich so was kann innerhalb von 10 Jahren funktionieren? In 100 Jahren kann viel passieren. Aber in 10 Jahren sind halt die meisten Menschen dann immer noch die selben Arschlöcher wie jetzt, die ihr ganzes Leben in autoritären Strukturen verbracht haben. Wieso sollten die auf einmal das Klima vor ihren Eigennutz stellen?
Deswegen brauchen wir eine Lösung für die Transformation, die gleichzeitig genug verändert um das Klimaproblem zu bremsen und aber eben mit den Leuten und deren Prägungen arbeitet, die halt nun mal da sind. Die Lösung, die ich präsentiert habe, ist einfach diejenige mit am wenigsten Veränderung, die es aber noch gerade so vielleicht schaffen könnte. Und ja, das wirkt immer noch fast unmöglich. Aber es ist die am wenigsten unmögliche Variante, die ich sehe.
Ja es gibt eine Zeitachse. Und ja ich rede von Transformation. Aber die staatliche Übergangsgesellschaft die du vorschlägst wird sicherlich nicht demokratisch und höchstwahrscheinlich nicht ökologisch. In einer Gesellschaft der Lohnarbeit verlangst du von den Leuten wirklich „Klima vor Eigennutzen“ weil du ihnen mit Klimapolitik v.a. Verzicht bietest. Das ist ja gerade das Problem der degrowth Bewegung. Geht es um die Abschaffung der Lohnarbeit haben fast alle (und ja eig alle) einiges zu gewinnen. Der Commonismus verlangt gerade nicht einfach Klima vor Eigennutz, weil er den „Eigennutz“ der Leute nicht auf materiellen Konsum festschreibt wie Staatssozialismus oder Kapitalismus.
Und ich finde auch wichtig wie Annette betont darüber nachzudenken wenn wir es nicht hinkriegen. Da hätte ich lieber daran mitgewirkt für eine Welt die in der Klimakrise leben muss eine commonistische-demokratische Utopie vorzubereiten und nicht einem staatlichen Autoritarismus das Wort geredet zu haben und dabei geholfen sogar noch die Linke zu Autoritären zu machen, was den rechten Autoritären sicherlich den Weg noch viel einfacher machen wird. Also aus Transformationsperspektive vor der Klimakrise und mit der Klimakrise stelle ich mich gegen Autoritarismus. Und der linke Autoritarismus ist da der Gegner der uns am nähesten steht.
Als ein wichtiges Argument was hier nicht auftaucht möchte ich dran erinnern dass mitnichten die herrschenden bei relevanten Themen weiter wären als der Bevölkerungsdurchschnitt. Umfragen zeigen das immer wieder Z.B. zur Abwicklung der Kohleverstromung oder auch Bürgerräte so z.B. in Irland zum Thema Abtreibung und Homoehe. Die Regierenden gehen da Lobbygruppen auf den Leim so dass sie Dinge für unrealistisch halten die von unten längst mehrheitlich gewollt wären
Das Problem ist noch viel tiefergehender. An der Basis der ganzen Klimakrise liegt in unser Verhältniss zur Welt. Die grundsätzliche Logik von Kontrolle widerspricht der Co-Existenz mit dem Rest der Welt. Eine Gesellschaft die Kontrolle und Herrschaft widespricht einen gleichwertigen Beziehung mit der Umwelt, weil Menschen in solch einer Welt keine gleichwertigen Beziehung lernen. Menschen sind zu schlecht, um sich nicht von der Macht innerhalb staatlicher System korrumpieren zu lassen. Gäbe es einen Weltstaat, der den Ressourcenverbrauch überwacht gebe es in diesem Machtkämpfe darum wer in den Kontrollpositionen sitzt, diese und die Kontrolle selbst würde massiv Ressourcen verbrauchen. Am Ende haben wie in jedem staatliche System Eliten, die massiv Ressourcen verbrauchen (nur wahrscheinlich geht es den Rest der Menschen .Zur Ansammlung von Macht und Ressourcen ist der Staat nämlich da (siehe dazu auch Woreshipping Power – an Anarchist View on Early State Formation). Es sieht übrigens überhaupt nicht danach aus, dass die Eliten in irgendner Form in Richtung Weltstaat wollen und wenn wir mächtig genung wären sie dahin zu bewegen, dann wären wir auch mächtig genung Revolution zu machen. Übrigens wenn weisse Europäer*innen positiv über eine Weltstaat diskutieren kriege ich das kotzen. Da zeigt sich der Rassismus und der Autoritarrismus, der mit der ganzen Idee verbunden ist z.b. Native Americans verschreiben zu wollen, dass die einen Staat brauchen ist ziemlich widerlich. In den von den USA beanspruchten Gebiet gibt es übrigens den grössten Anti-Autoritären Aufstand mindesten seit Ende der 60er, inklusive Gegeseitiger Hilfe und Aufbau von antikapitalistischen Alternativen und super Analysen zur Klimakatastrophe.
@Decolonization: Ich bin auch kein Fan von einem Welt-Staat (bzw. Staaten an sich), aber ich bin gerade über ein-zwei Sachen deiner Argumentation gestolpert, die ich eher irritierend finde.
Du sagst: „Es sieht übrigens überhaupt nicht danach aus, dass die Eliten in irgendner Form in Richtung Weltstaat wollen und wenn wir mächtig genung wären sie dahin zu bewegen, dann wären wir auch mächtig genug Revolution zu machen.“
Das sehe ich nicht so. Ein Welt-Staat baut immer noch auf kapitalitischen Verhältnissen auf und sämtliche Institutionen können weitgehend übernommen, vll. zusammengelegt werden und die Wirtschaft läuft in relativ gewöhnlicher Ordnung mit Lohnarbeit etc. weiter. Ich sag nicht, dass die Umstellung auf einen Welt-Staat einfach ist, aber sie ist denkbar und auch Machtverhältnisse bleiben relativ unangetastet, weswegen eine solche „Überredung“ prinzipiell mit bestimmten Interessen in Einklang gehen würde.
‚Revolution zu machen‘ ist dagegen noch nichts als eine Phrase. Wir haben keinerlei Ahnung was ‚Revolution‘ bedeutet und wie das Ergebnis davon aussehen soll. Ich würde sogar behaupten, dass wir kaum eine Ahnung haben, was ‚Revolution machen‘ bedeuten soll, abgesehen von ein paar sich mir aufdrängenden Bildern von Menschenmassen, die Fahne-schwenkend durch die Straßen ziehen (und dabei Klamotten aus dem 19. Jahrhundert tragen).
Ich will das nicht abwerten, nur sagen: Eine Veränderung der bestehenden Verhältnisse ist notwendig, aber nichts, dass ‚einfach gemacht werden kann‘. Und eine bürgerliche Bewegung für einen Welt-Staat dagegen ist auf jeden Fall machbar (und das unabhängig davon, ob ich das persönlich erstrebenswert finde).
Und das: „Übrigens wenn weisse Europäer*innen positiv über eine Weltstaat diskutieren kriege ich das kotzen. Da zeigt sich der Rassismus und der Autoritarismus, der mit der ganzen Idee verbunden ist z.b. Native Americans verschreiben zu wollen, dass die einen Staat brauchen ist ziemlich widerlich.“
Ich glaube nicht, dass es darum geht Native-Americans einen Staat verschreiben zu wollen. Dass es bereits anti-autoritären Aufstand gibt zeigt ja, dass ihnen jetzt schon ein Staat verschrieben wird. In diesem Sinne ändert sich ja nichts; egal ob es jetzt ein National- oder Weltstaat ist. Mit einem Welt-Staat sollen ja, wenn ich das nicht ganz falsch verstanden habe, ganz andere Probleme gelöst werden; die nationale Konkurrenz in etwa, durch welche sich sehr schwer Entscheidungen zugunsten des Klimas durchsetzen lassen, wenn sie wirtschaftlich nicht rentabel sind. Was ich damit sagen will: Die Diskussion läuft ja bereits im Rahmen von Staatlichkeit (die auf Geld/Markt/Verwertung und auch Herrschaft aufbaut) und es geht dabei (soweit ich das sehe) nicht darum, diese Staatlichkeit auszuweiten, sondern die Ordnung dieser Staatlichkeit anders zu strukturieren. Insofern finde ich eine Diskussion darüber nicht verwerflich, wenn ich es natürlich auch wichtiger finde, über Möglichkeiten zu diskutieren, die aus Herrschaftsverhältnissen herausführen.
@simon: das geht mir alles zu schnell. Nur weil ich in der Transformation eine Rolle für staatliche Institutionen sehe, soll ich jetzt ein Vorkämpfer für Autoritarismus sein? Nicht jede staatliche Institution ist automatisch autoritär. Das Gewaltmonopol ist ebenso ein Machtanspruch des Staates, wie es Abwehr anderer Machtansprüche ist. Ich halte es halt einfach für nicht denkbar (und nicht bloß unrealistisch), dass eine Inklusionsgesellschaft direkt aus dieser hervor geht, die seit Jahrtausenden von Gewalt (und eben nicht nur der des Staates) geprägt ist. Das wird einige Generationen brauchen (und vermutlich auch nie vollständig werden). Und das einfach weg zu schieben und auf der reinen Commons-Lehre zu beharren ist für mich eine Variante von Klima-Verdrängung. Das Klimathema wird hier nur noch als Vehikel mißbraucht um die eigene Agenda zu pushen und nicht mehr aus einer Eigenlogik heraus behandelt.
Du übersetzt hier einfach 1:1 Deine Utopietheorie in Transformationstheorie und so funktioniert das nicht. Die Stärke von Commons ist doch gerade, dass sie situativ eben durchaus sowohl mit Markt- als auch mit Staatsinstitutionen zusammen arbeiten können.
@Gunter: Also der Klimarat in Frankreich hat zwar weitergehende Maßnahmen als die Regierung empfohlen, aber bei weitem nicht das, was nötig ist. Aber wichtiger: Wenn es kein Gewaltmonopol mehr gibt, dann kann man auch niemanden daran hindern weiter Kohle zu baggern. Mehrheiten sagen also in dieser Frage gar nichts. Es muss einen gesellschaftlichen Konsens geben. Und das gilt eben nicht nur national sondern international. Dafür braucht es Institutionen, die durchsetzungsfähig sind um diesen Konsens notfalls zu erzwingen.
Ein ganz wesentlicher Punkt, auf den Benni schon hingewiesen hat, der mir aber in der Debatte hier etwas zu kurz zu kommen scheint, ist doch, dass es real gesehen (wenn man nicht auf Wunder hoffen will) nur zwei Alternativen gibt. Entweder (a) retten die kapitalistischen Staaten in den nächsten 10–20 Jahren noch durch ganz massive Anstrengungen das Klima, weil sie „von unten“ (durch die Bürger/Wähler:innen) dazu gezwungen werden – oder (b) das Klima ist für Zehntausende von Jahren ruiniert und alle Möglichkeiten zur Emanzipation entsprechend dramatisch verschlechtert. Ich sehe ja auch, dass es sehr wahrscheinlich auf (b) rauslaufen wird, aber das ist doch nichts, was man kampflos hinnehmen sollte!
Mir läuft die Diskussion hier zu dualistisch nach dem Schema „entweder-oder“ ab. Entweder ein Weltstaat rettet das Klima oder das Klima ist ruiniert und Emanzipation fortan unmöglich. Diese Entgegensetzung halte ich für nicht hilfreich.
Ich halte die Weltstaatlösung für nicht realistischer als andere auch nicht sehr realistische Vorschläge (Revolution/Commonismus jetzt). Deswegen finde ich „Weltstaat oder nix“ (oder „Revolution oder nix“) keine geeignete Losung(en). Nach meiner Einschätzung hat der Kapitalismus als System neben den nationalstaatlichen und anderen Interessengegensätzen auch übergreifende systemische Erhaltungsantriebe. Diese in Kombi mit Druck von unten lassen uns den katastrophalen Klimawandel bremsen (vermutlich nicht mehr aufhalten). Auch die Katastrophe ist kein Null-Eins-Ding, es gibt schlimme und noch schlimmere Szenarien. Jedes Stück erreichte Bremsung ist neue Bedingung für den weiteren Kampf um die Durchsetzung von allgemeiner Emanzipation. Unter commonistisch-inkludierenden Bedingungen haben wir auch unter beschissenen Klimarahmenbedingungen immer noch die relativ besten Voraussetzungen, dass möglichst wenig Menschen die Kosten tragen müssen. Nach einem relativen Scheitern im Klimakampf geht es weiter, und die Argumente für eine allgemeine Emanzipation nehmen doch eher zu als ab.
Ich bin mir unschlüssig, ob ein Weltstaat, der ja die nationalstaatlichen (u.a.) Interessen in sich vereinen müsste, automatisch autoritärer wäre als ein Sammelsurium von Partialinstitutionen und -staaten. Egal ob Welt- oder Partialinteressenstaatenverband – einer allgemeinen Emanzipation stehen beide Varianten im Wege. Gleichzeitig werden wir wohl oder übel damit noch eine Weile zu tun haben. Allgemeine Emanzipation ist die Perspektive, und welche Form von Staatlichkeit auch immer ist darin kein Mittel (ebenso nicht wie der Markt).
Ich fühle mich mit dem „entweder-oder“ Vorwurf nicht so recht angesprochen. Keine Ahnung ob ich gemeint war. Alles was ich sage, ist, dass ich eine Rolle für (welt-)staatliche Institutionen sehe in den entscheidenden 20er Jahren dieses Jahrhunderts, um das schlimmste abzuwenden und dass ich nicht sehe wie es ohne diese gehen könnte. Finde es ehrlich gesagt bisschen komisch, dass das überhaupt diskutiert werden muss. Ich meine was ist denn sonst die konkrete Perspektive für die nächsten zehn Jahre? Oder habt „ihr“ einfach keine? Und Nein „Allgemeine Emanzipation“ oder „jenseits von Staat und Markt“ ist keine konkrete Perspektive.
Achja eins noch: Nein, die Katastrophe ist kein „Null-Eins-Ding“, aber es ist ein nichtlinearer Prozess ohne Rückfahrkarte. Die berühmten Kipp-Punkte sind halt schon ziemlich digital. Ab einem bestimmten Punkt ist der Amazonas-Regenwald, der Permafrost oder die Eisschilde weg und kommen nicht mehr wieder. Und diesen Fakt müssen alle Transformationsvorstellungen berücksichtigen. Und das bedeutet man muss wählen zwischen im hier und jetzt sich die Hände schmutzig machen mit den ganzen lästigen Institutionen, die es halt nun mal leider gibt und die leider nun mal Macht haben, oder man beharrt auf der reinen Leere und sollte dann aber auch konsequent sein und sich auf eine Zukunft mit nur einem Bruchteil der jetzigen Weltbevölkerung einrichten und das auch ehrlich sagen.
Nun die Ergebnisse des Klimarats ein Frankreich finde ich schon eine Bestätigung, dass es nicht die ach so tollen Eliten sind die über die Dummen Bürger die keinen Bock auf Klimaschutz haben entscheiden müssten. Denn letztlich ist das ja die Sichtweise die begründet warum es Autoritäres Handeln hier bräuchte.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/klimapolitik-frankreich-buergerrat-klimaschutz-gelbwesten-direkte-demokratie
Ich denke es braucht eben gerade mehr Druck von unten und natürlich auch dessen Einfluss auf Staatliche Entscheidungen, die dann eben doch auch autoritär durchgesetzt werden (z.B. Tempolimit auf der Autobahn)
Gleichzeitig finde ich es wichtig sich klar zu machen dass ohne Staat zwar niemand „verhindert dass jemand Kohle ausbuddelt und verbrennt“ aber insbesondere ohne Staat und ohne Kapitalismusauch wenig Motivation bestünde mittels Kohleabbau die eigene Umgebung zu zerstören. Wie Jörg Bergstett es schön ausdrückt: Macht macht Umwelt kaputt. Umweltzertstörung wird aktiv von Herrschaftsstrukturen organisiert, dort wo diese sich auflösen findet sie nicht mehr statt.
Dazu kommt noch die extreme Ungleichverteilung der Verantwortung für Klimawandel: Das reichste 1 Prozent schädigt das Klima doppelt so stark wie die ärmere Hälfte der Welt. https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/klimawandel-ungleichheit-reichste-1-prozent-schaedigt-klima-doppelt-so-stark
Statt mehr brauchen wir auf alle Fälle weniger Herrschaft. Das kann auch durch eine demokratisierung der Staaten und der internationalen Strukturen geschehen. Man muss die ja nicht gleich über gedanklich Bord werfen. Aber dass die Weltregierung uns weiterhelfen könnte erscheint mir sowas von Weltfremd…
@gunter: Wenn die Leute in der eskalierenden Klimakrise ums überleben kämpfen, braucht es keinen Kapitalismus um sie zu motivieren die Kohle aus zu graben. Die Tragik der Allmende ist ja real, wenn es keine Institutionen gibt, die sie managen. Und solche Institutionen können wir in der nötigen Eile nur über die Staaten aufbauen. Das mag unrealistisch oder „weltfremd“ sein, es ist aber die einzige Möglichkeit, die uns bleibt. Anstatt die ganze Zeit staatssozialistische Strohmänner zu kritisieren, kritisiert mal, was ich wirklich in dem Artikel geschrieben hab. Da mache ich sehr plausible Annahmen und folgere sehr direkt daraus genau diese These. Ich las hier noch keine Kritik an weder den Annahmen noch an den Folgerungen. Nur alte Anarcho-Gewissheiten über böse autoritäre Staaten (die ich im übrigen alle teile). Aber wir stehen vor einer Zeitenwende, wie sie niemand von uns erlebt hat, und wie sie in der ganzen Menschheitsgeschichte vielleicht auch nur zweimal vorkam. Das könnt ihr nicht mit euren alten Gewissheiten behandeln, sondern müsst es aus der Eigenlogik der Klimakrise und ihrem zeitlichen Verlauf denken.
Sry für die Absenz. @Marcus und @Decolonize – danke für die Argumente, m.E. ergänzen sich die auch eher. @Gunter: Ja das mit Macht mach Umwelt kaputt find ich intuitiv verständlich, aber würd ich gern genauer verstehen, nicht dass es bei „komplexe Kooperation macht Umwelt kaputt“ rauskommt (könnte man ja auch diskutieren).
@Stefan: Warum glaubst du ist der Weltstaat nicht autoritärer? Zuerst mal ist er viel machtvoller und stärker und kann deshalb einfacher autoritär werden (ähnliches Argument wie beim staatssozialistischen Staat).
@ Christian und Benni: Ein Freund von mir hat die Diskussion beobachtet und hat mich darauf hingewiesen: Ihr geht nicht wirklich auf meine Argumente ein. Ihr sagt einfach: Commonismus/Revolution geht eh nicht, darum entweder Barbarei oder starker Staat. Ich hab versucht zu argumentieren warum ich von „starker Staat“ nicht zu viel erwarten würde, das sind zuerst mal Thesen die ich gerne diskutieren würde, aber die werden von euch kaum inhaltlich diskutiert. Also bitte, inhaltliche Kritik.
Stimmt die Argumentation von oben können wir nämlich nicht einfach öko-soziale Markt- oder Staats-Übergangsgesellschaft, das könnt ihr ja mal widerlegen – und Benni in deinem Text steht halt einfach nicht viel über diesen „Weltsaat light“. Ich werfe auch nicht alle Leuten die „starker Staat“ vor Autoritarismus vor, aber die historische und logische Verbindung zwischen starker Staat und Autoritarismus liegen doch auf der Hand, und wenn selbst libertär-kommunistische Linke einen starken Staat ideologisch vorbereiten wird’s schwer.
Konkrete Perspektive für die nächsten 20 Jahre war einfach nicht der Thema von dem Text, aber ich würde sagen: soziale Bewegungen stärken und vernetzen (und das heißt auch mit Gewerkschaften, erst dann kann man die aus ihrem Arbeitsstandpunkt rausholen), Commons darin und außerhalb aufbauen, und es werden Leute sowieso reformistische Kämpfe für einen starken Staat und staatssozialistische Kämpfe führen, da kann man teilweise solidarisch sein und die teilweise deutlich kritisieren. Es ist ja wirklich auch eine Frage welche Bedeutung oder Stellung man in der Bewegung hat und nach meiner groben Einschätzung gibt es mehr als genug Leute die „mehr Staat“ brüllen.
@Simon:
Das ist ein schönes Beispiel wie Du mir die Worte im Mund rum drehst damit sie in Deine Erzählung passen. An dem Satz ist nämlich so gut wie alles falsch. Es fängt schon mit dem „Ihr“ an. Dir ist wohl bekannt dass Christian und ich in auch hier entscheidenden Fragen komplett unterschiedliche Positionen vertreten, trotzdem machst Du jetzt da so ein Fraktionsding draus. Warum? Weil es zu Deiner Erzählung passt.
Und es geht grad so weiter: „Commonismus/Revolution geht eh nicht“ Nein, das hab ich einfach nie gesagt. Ich hab nur gesagt, dass selbst _wenn_ wir eine commonistische Revolution innerhalb der nächsten 10 Jahre hätten, sie das Klimaproblem nicht lösen kann.
Wieder: Du stellst das was ich geschrieben hab komplett falsch dar, weil es sonst nicht in Deine Erzählung passt.
Und weiter im Satz: „darum entweder Barbarei oder starker Staat.“ Auch das hab ich nicht gesagt (und ich glaube da kann ich auch für Christian sprechen, er auch nicht). Wenn Du Dich mal mit meinem konkreten Vorschlag endlich mal auseinandersetzen würdest anstatt ihn in Deine komische „Staatssozialismus/Autoritarismus“-Schublade zu stecken, wüsstest Du das vielleicht auch. Es ist ja zB überhaupt nicht zwingend, dass wenn Milliarden ihre Lebensgrundlage verlieren, daraus Barbarei folgt. Wir können auch dann immer noch eine kommunistische Zukunft haben. Nur halt mit weniger Menschen und auf niedrigerem Automatisierungsniveau. Ich will das nur einfach nicht. Wenn das Dein Ziel ist, dann sags halt einfach. _Das_ könnte ich dann kritisieren.
Genauso wenig ist es zwingend, dass „wir können nicht ohne internationale Institutionen die Klimakrise bremsen“ irgendwas mit „starkem Staat“ zu tun hat. In der Praxis schränken internationale Institutionen die starken Staaten doch ein! Durchsetzungsfähige internationale Organisationen sind doch eher das Gegenteil von „starkem Staat“. Wenn Du Dir real existierende autoritäre Politik angucken würdest anstatt Deine Fantasieversion davon, dann wäre Dir sicher auch schon aufgefallen, dass alle autoritären Präsidenten genau diese Politik zur Zeit fahren: Gegen EU und UN. Gegen WHO und Co.
Aber … again… das würde dann natürlich nicht mehr in Deine Erzählung passen.
Und dann, da musste ich fast lachen, kommst Du mit
Guess what, ich erwarte auch nix von einem „starken Staat“. Deswegen gibts da halt auch nicht viel zu diskutieren oder zu kritisieren. Ich kritisiere nicht Deine Argumentation gegen Deinen Strohmann, sondern dass Du den aufbaust. Ehrlich gesagt ist mir diese ganze Staatssozialismusdiskussion auch in diesem Kontext ziemlich egal. Das ist vielleicht historisch oder meinetwegen noch utopisch interessant aber das jetzt in den nächsten zehn Jahren irgendwie der Weltplanstaatssozialismus vom Himmel fällt, das ist so irreal, da weiß ich gar nicht warum man das diskutieren sollte. Wenn Du über Klima und autoritäre Lösungen reden willst, dann guck nach China. Aber das hat doch nix mit „Staatssozialismus“ zu tun.
Und eins noch zum Schluss:
Naja doch, da stehen sehr konkrete Vorschläge. Die sind tausend mal konkreter als alles was ich jemals von Dir zur Transformation gehört hab. Und insbesondere argumentiere ich da sehr genau _warum_ dass die _einzige_ Lösung ist für das Klimaproblem. Das mag ne steile These sein und sicher kann man dagegen irgendwelche Argumente vorbringen, nur argumentierst Du weder gegen meine Annahmen noch meine Schlussfolgerungen sondern nur gegen den Strohmann. Vielleicht guckst Du Dir den Text einfach nochmal an? Weil offensichtlich existiert in Deinem Kopf eine Version davon, die nichts damit zu tun hat, was ich geschrieben hab.
Aber ich werde langsam tendenziell bisschen sauer. Also vielleicht sollten wir das mal in anderem Rahmen weiter führen. Deswegen vielleicht noch als versöhnliches Ende: Wenn es Dein Steckenpferd ist zu beweisen, dass Staatsweltplansozialismus nicht die Lösung für die Klimakrise ist, dann feel free. Es interessiert mich zwar nicht so dringend, aber ich hab auch Hobbies, die Dich nicht interessieren. Nur bitte lass mich und meinen Vorschlag da raus, das ist nämlich einfach Thema verfehlt dann.