Das Unbewusste in der Kritischen Psychologie
[Veranstaltung auf der Ferienuni Kritische Psychologie 2014. Hinkommen – kostenlos!]
Themenstrang: »Unbewusstes«
Referent_in: Stefan Meretz
Tag/Zeit: Donnerstag, 18.9.2014, 13:30–15:30 Uhr
Von der Motivationsforschung zur Grundlegung — Versuch einer Rekonstruktion
Ohne die Psychoanalyse hätte es die Kritische Psychologie nicht geben können. Die kritische Rezeption der Freudschen Psychonanalyse war zentral für die Entwicklung einer eigenen wissenschaftlichen Grundlage, die die Verkürzungen und unhaltbaren Annahmen der Psychoanalyse hinter sich lässt. Einen Meilenstein bildet hierbei die 300-seitige Analyse von Ute Osterkamp im Band 2 der Motivationsforschung von 1976. In der Grundlegung der Psychologie von Klaus Holzkamp nur 7 Jahre später taucht von den Ergebnissen nur noch wenig (explizit) auf. Warum?
In dem Vortrag will ich versuchen, die Auseinandersetzung von Ute Osterkamp mit der Freudschen Psychoanalyse zu rekonstruieren. Obwohl inhaltlich bereits gewendet, argumentiert Osterkamp noch “in” den Begriffen der Psychoanalyse, was bei Holzkamp so nicht mehr auftaucht. Die in der Grundlegung gegebene Aussicht, eine subjektwissenschaft fundierte Theorie des Unbewussten weiter auszuarbeiten, wurde jedoch nie explizit umgesetzt. Ist in der Kritischen Psychologie damit schon alles gesagt zu Psychoanalyse und Unbewusstem, oder ist da noch mehr drin?
In dem Vortrag geht es um die Rezeption der Freudschen Psychoanalyse durch Ute Osterkamp, nicht jedoch um eine Einführung in diese selbst. Gleichwohl werden die rezipierten Konzepte inhaltlich vorgestellt. Kenntnisse der Psychoanalyse sind somit nicht erforderlich, Grundkenntnisse der Kritische Psychologie in jedem Fall hilfreich.
„Ohne die Psychoanalyse hätte es die Kritische Psychologie nicht geben können“
Sicher, ohne die Menschheitsgeschichte gebe es keine KP. Nur in diesem Zusammenhang ist Stefan Meretz Satz zu verstehen.
Ute Osterkamp:
Unsere Herausarbeitung der Problematik wie des Erkenntniswertes der Psychoanalyse ist dadurch charakterisiert, daß dabei die Gleichsetzung von Theorie des Subjekts und Psychoanalyse aufgehoben ist, indem wir von der bisher erarbeiteten kritisch-psychologischen Konzeption menschlicher Subjektivität in ihrem emotional-motivationalen Aspekt aus argumentieren. Wir kritisieren die Psychoanalyse damit nicht einfach vomStandpunkt des Marxismus, sondern vom Standpunkt einer dem Anspruch nachwissenschaftlich entwickelteren (wenn auch natürlich nur erst ansatzweise elaborierten) marxistisch fundierten Psychologie. Unsere Argumente richten sich nicht gegen die Tatsache, daß die Psychoanalyse die menschliche
Subjektivität heraushebt und erforscht (dies geschieht vom kritisch-psychologischen Ansatz aus ebenfalls), sondern gegen die inhaltlichen
Basisbegriffe und Grundannahmen über die Natur und die Entwicklung des
Menschen, von denen sie dabei ausgeht. Wir wollen nachweisen, daß die fundamentalen psychoanalytischen Vorstellungen über die Natur des Menschen im Verhältnis seiner Gesellschaftlichkeit wissenschaftlich unhaltbar sind, womit auch ihre inhaltlichen Grundbegriffe notwendig verkürzt und »verkehrt« sein müssen, unddaß eine adäquate Theorie der menschlichen Subjektivität in der bürgerlichenGesellschaft einschließlich einer angemessenen Theorie der Ursachen und der Behandlungpsychischer Störungen nur auf der Grundlage des historischen und dialektischen Materialismus erarbeitet werden kann, daß also auch die psychologischen Basiskategorien, mit denen die von der Psychoanalyse aufgeworfenen Fragestellungen wissenschaftlich begründet und weiterführend analysiert und erforscht werden können, aus der logisch-historischen Analyse des Gegenstandes im Sinne des dialektischen Geschichtsmaterialismus gewonnen werden müssen.
Mit diesem Ansatz unserer kritischen Analyse wird davon ausgegangen, daß nicht nur die Psychoanalyse selbst, sondern alle wissenschaftlichen Konzeptionen, sofern sie psychoanalytische Grundvorstellungen enthalten, in ihrer wissenschaftlichen Basis fundamental problematisch sind. Dies gilt, wie zu zeigen sein wird, in besonderem Maße für die gegenwärtige »Soziologie« in der bürgerlichen Gesellschaft, speziell, sofern sie als »Sozialisationsforschung« Aussagen über die individuelle Vergesellschaftung des Menschen machen will, weil die Soziologie dabei fast durchgehend mit Selbstverständlichkeit sich im Bereich psychoanalytischer Basisbegriffe bewegt. Es wird nachzuweisen sein, daß dadurch in Kernbereichen der Soziologie, auch in all ihren antikapitalistischen, marxistisch gemeinten Varianten, die Frage nach dem Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft nicht nur falsch beantwortet, sondern in grundlegend falscher Weise gestellt wird und daß diese Fehler nur durch die Eliminierung psychoanalytischer Denkweisen und Einbeziehung einer auf der Grundlage und im Rahmen des historischen und dialektischen Materialismus erarbeiteten Theorie der individuellen Vergesellschaftung des Menschen überwunden werden können.
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Stefan, dazu muss nicht mehr gesagt werden. Andrés Zöllner