Jenseits des Nebenwiderspruchs?
Verhältnis von Klassen, Exklusion und Kapitalismus II
Wie so häufig: Dies ist ein Diskussionsartikel. Er will Diskussionen anstoßen und stellt keine tiefgreifende Analyse dar. Aber vielleicht ist er trotzdem spannend. Der Artikel führt die Gedanken zu der Bedeutung von Klasse in der Überwindung weiter.
An der Uni mach ich ein Seminar zu „Poststrukturalismus und Materialismus. Versuch eines Dialogs“ und in diesem kam es gestern zu einer Diskussion über Neben- und Hauptwiderspruch, oder in meinen Worten das Verhältnis der verschiedenen Exklusionslinien zueinander. Ich wünsche mir eigentlich eh schon länger das Verhältnis der verschiedenen Herrschaftsachsen und Exklusionslinien zueinander weiter zu klären, aber dieser Text entsprang nun dem Gedanken, dass diese Haupt-Nebenwiderspruchsdebatte innerhalb unserer Kritik von Exklusionsgesellschaften und Kapitalismus sich noch einmal anders darstellt. Bzw. einen Umgang mit der Problematik findet, der eventuell beide Positionen ernst nimmt. Na dann mal los …
Haupt-Nebenwiderspruchsdebatte
Ich will diese Debatte nur ganz kurz anreißen um von ihr aus die Argumente zu entwickeln. Innerhalb größerer Teile der vulgärmarxistischen Arbeiter*innenbewegung war der Widerspruch von Kapital und Arbeit der zentrale Widerspruch und damit das treibende Element, und somit der Untergang, des Kapitalismus. Im späteren 19. Jh. fragten sozialistischen Frauen ob Sexismus und Patriarchat einfach mit dem Sieg der Arbeiter*innenklasse über die Kapitalist*innen gelöst wäre. Ihnen wurde versichert, dass dies der Fall sei, da die proletarische Klasse ja jene Klasse ist, die durch ihre Machtergreifung alle Unterdrückungsverhältnisse mit aufheben muss. An diesem Ansatz gab es mir Recht Kritik.
Es wurde betont, dass Sexismus, Rassismus, etc. eigenständige Herrschafts-/Exklusionverhältnisse sind und somit auch unabhängig vom Kapitalismus existiert haben und es auch wieder könnten. Materialistische Feminist*innen (Bielefelder Schule, etc.) reagierten im Laufe des 20. Jh. so, dass sie Sexismus zum notwendigen Bestandteil des Kapitalverhältnis machten, welcher die kapitalistische Sphärenspaltung von Produktion und Reproduktion sicherte – das „warenproduzierende Patriarchat“ (R. Scholz) war geboren. Der „Nebenwiderspruch“ wurde damit zum Teil des „Hauptwiderspruchs“. Sexismus können wir überwinden, wenn wir den Kapitalismus mit überwinden; den Kapitalismus können wir nur überwinden, wenn wir den Sexismus mit überwinden. Auch andere Exklusionslinien über Hautfarbe, ethnische Zugehörigkeit, Körperliche Leistungsfähigkeit, etc. wurden mit dem Kapitalismus verbunden. Zumindest durch die bürgerliche Subjektkonstitution, welche das „Andere“ erzeugt, welchem es bestimmte Attribute zuspricht, welche es bei sich selbst verneinen muss wie Faulheit – PoC, Körperliche oder geistige Einschränkungen – Behinderte, etc.
„Klassen und der ganze Rest“ – das Verhältnis der Exklusionverhältnisse
In unserer Kritik verstehen wir den Kapitalismus, wie den Feudalismus und andere Gesellschaftsformen, als Exklusionsgesellschaft. Er stellt Bedingungen her unter denen es für je mich subjektiv funktional ist, andere auszuschließen. Dies geschieht über verschiedensten Exklusionslinien von Geld, Hautfarbe, Nationalität, etc. Nun wird es schwierig: Was ist das Verhältnis von Kapitalismus und Exklusionslinien? Diese Exklusionslinien stellen auch gesellschaftliche Vermittlungsformen dar. Sexismus prägt die gesellschaftliche Kooperation auf eine bestimmte Art und Weise, bspw. durch die Zuweisung der Sorge und Emotionalität als weiblich, welche einhergeht mit symbolischen Lebensbedingungen die es mir nahelegen mich als Mann oder Frau zu identifizieren. Der Feminismus ist dann ein Kampf um die kollektive Verfügung über diese symbolisch-sozialen Lebensbedingungen von Identitäten, Emotionalität, etc. Alle Exklusionslinien sind also an der gesellschaftlichen Vermittlung beteiligt, schaffen bestimmte Bedingungen für gesellschaftliche Kooperation und individuelles Leben.
Was ist nun das Verhältnis der verschiedenen Vermittlungsweisen/Exklusionsverhältnisse? Manche dieser Exklusionsverhältnisse können auch ohne den Kapitalismus existieren, sie haben eine Unabhängigkeit und eine eigene innere Logik. Somit bedeutet das Ende des Kapitalismus, noch kein Ende des Sexismus. Es kann Patriarchat ohne Kapitalismus geben, ich würde aber auch behaupten: es kann einen Kapitalismus ohne Patriarchat, ohne Sexismus geben – theoretisch, ich glaube kaum, dass dies eine historische Möglichkeit ist.
Diese verschiedenen Vermittlungsformen gehen synergetische Formen ein – bspw. als „warenproduzierendes Patriarchat“ (R. Scholz) – sie verbinden sich auf eine spezifische Art und Weise miteinander, zum Teil unterstützen sie sich, manchmal behindern sie sich in ihrer Exklusion – die Exklusion über Leistung wird bspw. durch Rassismus eingeschränkt, da eine ganze Gruppe von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe a priori in bestimmter Form ausgeschlossen wird.
Nun kommen wir zur spannenden Frage: Gibt es eine dominante Vermittlungsform? Ich bin mir hier nicht ganz sicher, aber ich würde vermuten ja. Die heutige Gesellschaft ist eine kapitalistische Gesellschaft und deshalb für mich dominant koordiniert und vermittelt über Tausch/Arbeit/Wert. Wenn dem so wäre, so könnten wir nicht von einer Veränderung der Gesellschaftsform sprechen, wenn bspw. die sexistische Exklusionslinie verschwindet. Wir würden dann von einem Formwandel innerhalb des Kapitalismus sprechen: ein nicht-patriarchaler Kapitalismus.1 Wenn dem nun so wäre, dann gibt es innerhalb des Kapitalismus Exklusionslinien die grundlegend mit seiner „ureigensten“ Vermittlungsform verbunden sind und andere Exklusionslinien die aus anderen Vermittlungsformen kommen und sich nur historisch mit der kapitalistischen Vermittlung verbinden. Nun könnte das große Raten und Theoretisieren losgehen: Ist eine Wert/Tausch/Arbeit-Vermittlung bspw. auf unterschiedliche Staaten angewiesen, oder könnte sie auch in einem Weltstaat funktionieren? Je nach dem wäre ‚Staatlichkeit’/Etatismus2, als Exklusion von Staatsbürger*innen und Nicht-Staatsbürger*innen, notwendig mit dem Kapitalismus verbunden oder nur historisch. Ich möchte dies nun nochmal beiseite lassen und feststellen, dass zwei Exklusionslinien sicherlich notwendig mit Kapitalismus verbunden sind: Eigentum und Leistung. In einer kapitalistischen Gesellschaft wird es immer eine Exklusion über die Profitabilität/das Arbeitsvermögen geben, ebenso wird es immer eine Exklusionslinie vermittels Geld, Erbe, Ressourcen, Eigentumsansprüche geben. Die Exklusion über Eigentum könnte auch als (nicht-personales) Klassenverhältnis gelesen werden. Dann wäre Klasse einer der „ureigensten“ Exklusionslinie des Kapitalismus, welches aus seiner Vermittlung über Wert/Tausch/Arbeit direkt entstammt.
Konsequenzen? Exklusionslogik jenseits von Neben-Hauptwiderspruch?
Nun, die Frage wäre nun: Was bedeutet das für eine Überwindung des Kapitalismus? Nun, den Kapitalismus können wir überwinden, wenn wir die Vermittlung über Tausch/Wert/Arbeit beenden. Jedoch können dann gut und gerne noch andere exkludierende Vermittlungsverhältnisse weiterbestehen. Darum wäre die entscheidende Frage: Was bedeutet dies für eine Aufhebung der Herrschaft/der Exklusion?
Letzthin hatten wir eine Diskussion mit einer netten sozialrevolutionären Gruppe, die uns dafür kritisierte die Klassenverhältnisse nicht genug in die Transformationsdiskussion aufzunehmen. Ihr Argument war: Menschen haben aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position mehr oder weniger Gründe diese Gesellschaft zu überwinden oder zu verteidigen. Kapitalist*innen haben mehr Gründe diese Gesellschaft zu verteidigen als Lohnarbeiter*innen. Ja, das stimmt. Dies gilt aber auch für alle anderen Exklusionsverhältnisse: Deutsche haben mehr Grund diese Gesellschaft zu verteidigen, als Menschen in Somalia; „Männer“ mehr als „Frauen“; „Nicht-Behinderte“ (als gäbe es die) weniger als „Behinderte“ etc. Meine Position im Klassenverhältnis, als Vermittlung der Verfügung über Eigentum, legt mir Verteidigung oder Widerstand nahe. Meine Position im Geschlechterverhältnis, welches die Verfügung über sozial-symbolische Identitäten, Emotionaltiät, etc. deutlich begrenzt, legt mir Verteidigung oder Widerstand nahe. Etc. etc. Damit ist auch klar, dass es (wahrscheinlich) nicht das eine Subjekt gibt, dass nur von Herrschaft und Exklusion betroffen ist. Wir alle exkludieren (auch uns selbst) und werden exkludiert. Wir alle sind in Herrschaftsverhältnisse eingewoben.
Hier liegt glaube ich die Bedeutung des Sprechens von Exklusionsgesellschaften und den Kapitalismus als eine davon. Und damit inhärent verbunden: die Bestimmung der Utopie als Inklusionsgesellschaft. Wenn wir die bisherige Geschichte als Geschichte der Exklusionsgesellschaften (Feudalismus, Kapitalismus, Realsozialismus, etc.) bestimmen, dann wäre die Inklusionsgesellschaft eine grundsätzlich andere Form der Vergesellschaftung. Sie müsste nicht nur jenseits einer Vermittlung über Tausch/Wert/Arbeit liegen, sondern auch jenseits einer exkludierenden Vermittlung über Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität etc. Sie definiert sich nicht (nur) durch die Überwindung des Kapitalismus, sondern jeder Form von gesellschaftlichen Bedingungen, welche Exklusion und Herrschaft nahelegen. Damit gibt es noch einen Hauptwiderspruch den wir angehen müssten um den Kapitalismus zu überwinden – die Vermittlung über Tausch/Arbeit, und dann sind auch die hiermit notwendig verknüpften Exklusionslinien (Leistung und Eigentum/Klasse) zentral; aber dies würde keineswegs die anderen exkludierenden Vermittlungsverhältnisse beenden.
Wenn diese Einschätzung so halbwegs stimmt kommen noch ein paar Fragen bei mir auf: Die Bestimmung von Tausch/Wert/Arbeit als heute dominantes Vermittlungsverhältnis ist nicht das gleiche wie einem (sehr kruden) Basis-Überbau-Schema wo der Überbau aus Rassismus, Sexismus etc. daraus abgeleitet werden könnte und mit der Basis vergeht. Wenn wir die Tausch-Vermittlung aufheben, dann werden sich die anderen Exklusionsverhältnisse in ihrer Form nach mitverändern, aber nicht verschwinden. Die Aufhebung des Tausches durch Inklusionsbedingungen, ist aber auch eine Aufhebung jedweder anderer gesellschaftliche Koordination auf Basis von rassistischer, körperlicher, sexistischer, nationaler, etc. Exklusion. Was bedeutet dies für den Konstruktionsprozess einer freien Gesellschaft?
Dieser Kapitalismus bräuchte natürlich noch immer eine Trennung von Produktion und Reproduktion, aber er müsste sie anders organisieren, er würde sie nicht über die Geschlechterverhältnisse organisieren.
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Mir ist es wichtig diese Vermittlungsform/Exklusionslinie von Rassismus abzugrenzen. Ein „Staatsvolk“ und somit Aus-/Einschluss in einen Staat sind beinahe immer mit Konzeptionen von „Blut und Boden“ verknüpft, aber nicht immer. Der Staat kann auch weniger als „Ethnie“ und mehr als „Arbeits-/Verantwortungsgemeinschaft“ verstanden werden: „Du darfst Deutsche sein, wenn du für Deutschland etwas leistest“. Dies wird in der Rassismusforschung wohl auch schon länger beobachtet.
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Simon, wie so häufig auch im Buch, unterstellst Du früheren Konzepten immer recht einseitige Ansichten. Auch Frauen haben unter den früher wirklich unerträglichen sozial-ökonomischen Bedingungen innerhalb der frühsozialistischen oder späteren Bewegungen durchaus engagiert dafür gestritten, als Grundbedingung von Emanzipation soziale Befreiung und wenigstens Gleichheit mit den Männern zu erstreiten. Du schreibst: „Ihnen wurde versichert, dass dies der Fall sei, da die proletarische
Klasse ja jene Klasse ist, die durch ihre Machtergreifung alle
Unterdrückungsverhältnisse mit aufheben muss.“ Sogar wenn das so stimmen würde, na und? 1. beziehst Du Dich damit auch wieder auf sie als Objekte der Versicherung und gestehst ihnen nicht selbst zu die Position zu haben, dass diese sozial-ökonomische Ungleichheit auch sie in besonderem Maße unterdrückt und 2.: diese „Versicherung“ beinhaltet, dass wenigstens die damals drückendsten Voraussetzungen einer eventuell auch weiter gehenden Emanzipation beseitigt werden sollten. Eleanor Marx-Aveling und Edward Aveling schrieben z.B. im Text „Die Frauenfrage“, dass die Enteignung des Privateigentums und dann die Abschaffung des Attates nur „first step[s]“ seien, die überhaupt erst mal den Weg für eine Neugestaltung des Lebens freimachen müssten.
Ich bin der Überzeugung, dass pauschale Verurteilungen früherer Positionen ohne Einbeziehung der konkreten inhaltlichen und geschichtlichen Kontexte das Denken wesentlich ärmer macht…
Noch so eine unterstellende Behauptung: „(sehr kruden) Basis-Überbau-Schema wo der Überbau aus Rassismus,
Sexismus etc. daraus abgeleitet werden könnte und mit der Basis vergeht“ – Wo wären Rassismus und Sexismus als Überbauphänomen bestimmt worden?
Worauf es bei Marx tatsächlich ankommt, ist die Orientierung daran, „dass die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen…“.
@Annette: Das krude Basis-Überbau-Schema wollte ich nicht dem Arbeiter*innenmarxismus unterstellen, sondern nur als Denkfigur. Ich bin mir sicher, dass die Debatten diverser sind. Der Text soll ja auch nur einige Argumente in Abgrenzung entwickeln und nicht der Diversität der Arbeiter*innenbewegung gerecht werden. Für mich wäre es spannnder: Was hälts du von den inhaltlichen Thesen nachher?
@Benni: Ich versteh die Umkehrung nicht ganz. Du meinst: Es gibt Exklusion und die muss durch Exklusionslinien legitimiert werden? Aber der Begriff der Exklusionslinien/-verhältnisse weist doch gerade hin anhand welcher Identitäten diese Exklusion funktioniert. Es werden ja konkret Frauen die Sorgetätigkeit zugesprochen und nicht insgesamt iwelchen Menschen und dann später mit einer Definition von Weiblichkeit legtimiert. Aber ich befürchte ich verstehe deinen Einwand auch nicht so richtig.
Für mich wäre noch spannend: Würdet ihr zustimmen das Tausch/Wert/Arbeit Vermittlung das bestimmende Vermittlungsverhältnis des Kapitalismus ist? Und wir damit heute in einem sexistischen, rassistischen, behindertenfeindlichen, nationalen, etc. Kapitalismus leben?
„Würdet ihr zustimmen das Tausch/Wert/Arbeit Vermittlung das bestimmende Vermittlungsverhältnis des Kapitalismus ist?“
Ich stimme dem nicht zu. Damit ist „Kapitalismus“ unterbestimmt. Meiner Auffassung nach gehört zur Bestimmung von Kapitalismus ein soziales Verhältnis, bei dem Eigentümer von Produktionsmitteln sich den Mehrwert aneignen, den andere mit den von ihnen zur Verfügung gestellten Produktionsmitteln außer dem Wert noch herstellen. Ohne diese Mehrwertaneignung(shoffnung, die heutzutage durch spekulative Praxen auch in die Zukunft verschoben wird) läuft gar nichts, auch keine Wertproduktion…
Zur Rolle von verschiedenen „Exklusionslinien“ komme ich doch immer wieder darauf zurück, dass es die Produktionsverhältnisse im Marxschen Sinne sind, über die der „rote Faden“ der Geschichte verläuft, weil die Produktion der lebensnotwendigen Güter und deren Art und Weise grundlegend ist. In allen Klassen-Gesellschaften, in denen nur eine bestimmte Gruppe von Menschen über das Mehrprodukt verfügt, entstehen verschiedenste Ausschlussmechanismen, die einige beteiligt an der Verfügung über das Mehrprodukt, andere mehr ausschließt, die das Klassenverhältnis stützen und zu reproduzieren helfen. Diese können sich ebenfalls verselbständigen und in Gesellschaftsformen mit verschiedenen Produktionsverhältnissen in jeweils angepasster Form vorkommen, so dass bei der Aufhebung eines Produktionsverhältnis diese begleitenden Exklusionsformen nicht unbedingt mit aufgehoben werden, sondern selbst eine neue Form annehmen.
Ich schrieb schon mehrmals, dass ich für geschichtliche Abläufe häufig selbst unklar darüber bin, welche Faktoren bestimmend sein könnten, welche nur begleitend… aber bei der grundlegenden Rolle der Produktionsverhältnisse/Produktionsweise bin ich mir schon ziemlich sicher, denn Menschen müssen “ zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden “ …
@Annette: Ich stimmte natürlich zu, dass im Kapitalismus Mehrwert angeeignet werden muss. Ich verstehe aber nicht, warum dies von einer bestimmten sozialen Gruppe (den Kapitalist*innen) gemacht werden muss. In dem was ich als Genossenschaftskapitalismus bezeichne würden die Genossenschaftler*innen sich selbst gegenüber als Kapitalist*innen verhalten und sich eben nicht den ganzen Gewinn auszahlen, sondern ein Teil zurückbehalten um damit investieren zu können etc. Damit wäre auch nicht mehr ein personalisiertes Klassenverhältnis (Menschen mit und ohne Produktionsmittel) notwendig.
@Simon:
Aber selbst wenn in diesem „Genossenschaftskapitalismus“ anfangs alle Menschen gleichberechtigte Partner irgendeiner Genossenschaften wären, müsste doch, wenn der Begriff „Kapitalismus“ irgendeinen Sinn machen soll, das passieren, was im Kapitalismus immer passiert: Die verschiedenen Genossenschaften konkurrieren gegeneinander, einige schaffen es nicht und gehen pleite, deren Mitarbeiter sind dann arbeitslos. Anschließend schaffen sie es vielleicht nicht, eine neue Genossenschaft zu finden, die sie als gleichberechtigte Partner aufnimmt. Entweder bleiben sie dann prekäre Arbeitslose, bei denen bestenfalls ein Minimum des gesellschaftlich produzierten Reichtums ankommt, oder sie schaffen es vielleicht noch, sich zu schlechteren Bedingungen — keine vollen Mitentscheidungsrechte, keine Gewinnansprüche, schlechteres Grundgehalt — an eine Genossenschaft zu verkaufen. (So ist es ja etwa bei der berühmtem Mondragon-Kooperative, wo ebenfalls zwischen vollwertigen Genossen und bloß weisungsgebundenen Angestellten unterschieden wird.)
Sprich: Der normale Gang des Kapitalismus wird nach ein paar Jahren dazu führen, dass es wieder Klassen gibt. Sollte dir hingegen eine Gesellschaft vorschweben, die genau das verhindert und dauerhaft dazu führt, dass der gesellschaftliche Reichtum gleichmäßig unter allen aufgeteilt wird und ebenso alle Mitentscheidungsrechte gleichermaßen bei allen liegen, würde ich sagen, dass allerspätestens dann die Bezeichnung „Kapitalismus“ definitiv nicht mehr hinhauen würde. (Selbst wenn es vielleicht noch die eine oder andere oberflächliche Ähnlichkeit gäbe: Ebenso gut könnte man einen Elefanten als „Schwein“ bezeichnen, weil beides vierbeinige Säugetiere sind.)
Daneben frage ich mich schon die ganze Zeit, was eigentlich der Zweck deines seltsamen Gedankenexperiments sein soll: Eine Apologie des Kapitalismus („auch der Kap. kann zu einer klassenlosen Gesellschaft führen, in der alle gleichen Anteil an der Reichtumsproduktion erhalten und niemand unter die Räder kommt“) ja wohl nicht. Was aber dann?
Schön dich wieder mal zu lesen Christian :).
Hmm hmm … Ich würde ja auch sagen, wie ich es in einem vorherigen Artikel „Kapitalismus ohne Klassen?“ argumentiert habe, dass solch ein Genossenschaftskapitalismus einiges an staatlicher Intervention brauchen würde, dass sich nicht erneut personalisierte Klassenverhältnisse bilden. Und es geht da nicht darum, dass alle Leute den „gleichen Anteil an der Reichtumsproduktion“ bekommen, sondern, dass es keine Schicht von Leuten gibt die Produktionsmittel besitzen und darum (tendenziell) nicht arbeiten müssen, und eine andere Gruppe die sich verkaufen müssen. Und ja, wahrscheinlich müsste es noch mehr staatliche Intervention geben, die Genossenschaften vorschreibt, dass sie nur neue Menschen einstellen dürfen, wenn diese auch volle Genossenschaftsmitglieder werden.
Mein Argument ist es ja auch nicht, dass es hier keine Klassenverhältnisse gibt, sondern keine personalisierten Klassenverhältnisse, sondern sich die Lohnarbeiter*innen zu sich selbst als Kapitalist*innen verhalten müssen, also das Klassenverhältnis quasi internalisiert wird.
Meine zentrale Frage ist das Verhältnis von Klassenverhältnissen und Kapitalismus. Kann es ein Kapitalismus ohne personalisierten Klassenverhältnissen geben? Wenn dem so wäre, würde ich argumentieren, dass personalisierte Klassenverhältnisse zwar eine Folge einer marktwirtschaftlichen Konkurrenz ist, aber keine Notwendigkeit für Kapitalismus. Der Kapitalismus wäre dann v.a. Wertgesellschaft und nicht Wert+Klassengesellschaft.
@Simon: Die Debatte leidet darunter, dass du nicht sagst, was du unter Kapitalismus verstehst. Ich würde sagen: Im Kern der kapitalistischen Produktionsweise stehen Unternehmen, die Geld (Kapital) möglichst ertragsmaximierend vermehren wollen, wobei sie voneinander unabhängig agieren (und damit tendenziell gegeneinander konkurrieren können). Gibt es keine derartigen Unternehmen (oder sind sie nur eine Randerscheinung), macht es auch keinen Sinn, von „Kapitalismus“ zu sprechen. Mit
beschreibst du eine Gesellschaft, in der der Kauf und Verkauf von Arbeitskraft verboten ist – niemand könnte mehr „Mitarbeiter“ bzw. Angestellte als bloß ausführenden Produktionsfaktor auf dem (Arbeits-)Markt mieten, wie es heute üblich ist. Unternehmen gleichberechtigter Genossenschaftler_innen (Genossenschaftsmitglieder) würden aber nicht systematisch irgendwelches Geld (das sie selbst ja nicht, oder jedenfalls nicht in gleicher Höhe ins Unternehmen eingebracht haben) in mehr Geld verwandeln wollen — sie würden zunächst ihren Arbeitsplatz erhalten und sich darüber hinaus vielleicht noch möglichst hohe Gehälter/Boni sichern wollen. Das dafür benötigte Geld würden sie sich ggf. leihen (Direkt- oder Bankkredit), wobei sie sich wie jeder Kreditnehmer um möglichst gute Konditionen, sprich möglichst niedrige Zinsen bemühen würden. Nicht die systematische Verwandlung von Geld in mehr Geld, sondern die von ihrer Arbeitskraft in ein dauerhaftes und (ggf.) möglichst hohes Gehalt wäre ihr Ziel. Solche Genossenschaften wären deshalb keine kapitalistischen Unternehmen wie oben beschrieben, weshalb man hier von „Genossenschaftsmarktwirtschaft“, nicht aber von „Genossenschaftskapitalismus“ sprechen kann.
Allerdings wäre auch diese nichtkapitalistische Gesellschaft immer noch eine Klassengesellschaft, da es zumindest noch die separate Klasse der Langzeitarbeitslosen und Abgehängten gäbe, die keine Genossenschaft finden können, die bereit ist, sie als gleichberechtigte Mitglieder/Mitarbeiter aufzunehmen.
@Simon: Spannender Gedankengang. Besonders der Abschnitt hat mir was gebracht:
Aber noch eine ernst gemeinte Frage und ich hoffe, sie ist nicht schon im Text beantwortet worden: Du beschreibst, dass es eine Menge verschiedener Formen der Exklusion gibt und nicht alle davon mit der Beendigung des Kapitalismus von selbst verschwinden. Was mit der Beendigung des Kapitalismus auf jeden Fall verschwinden muss, ist meiner Meinung nach die spezifische Situation der Lohnabhängigkeit – das sich selbst 30-, 40-, 50-Stunden jede Woche verkaufen müssen, um nicht von den mich umgebenden, als Privateigentum erschlossenen, Dingen ausgeschlossen zu werden. Weil es meiner Ansicht nach die einzige spezifische Lebenssituation ist, welche der Kapitalismus hervorbringt und systematisch vermehrt (und ich natürlich auch Teil davon bin), schreibe ich auch explizit aus dieser Perspektive und finde sie fundamental, um die Notwendigkeit einer Aufhebung des Tausches zu verstehen. Die Aufhebung des Tausches bringt dann, wie du schreibst, „auch
eine Aufhebung jedweder anderer gesellschaftliche Koordination auf Basis
von rassistischer, körperlicher, sexistischer, nationaler, etc.
Exklusion“ mit sich.
Zur Frage: Findest du die Perspektive zu einfach gedacht/zu parteiisch? Meinst du, dass sie andere Exklusionsverhältnisse vergessen lässt? Glaubst du, dass es überhaupt eine Perspektive braucht bzw. meinst du, dass es vielleicht sogar eine hilfreichere Perspektive gibt, die etwa nicht an eine Lebenssituation geknüpft ist?
@Christian, Simon und um auch noch meine 5cent zu dem Gedankenspiel abzugeben: Kapital ist meinem Wissensstand nach erst einmal nur die Bewegung von Geld zu mehr Geld, was eben der Kern von G-W-G‘ ist. Produktionskapital im speziellen ist dann diese Bewegung über die Verwendung der Ware Arbeitskraft. Ein Kapitalismus ist demnach eine Gesellschaft, in welcher die bestimmenden Strukturen über diese Bewegung von Geld zu mehr Geld erzeugt werden.
Auf der Grundlage können zwei konkurrierende Genossenschaften gedacht werden, bei welchen die Mitglieder von Genossenschaft A vollständig Eigentümer der Aktien von Genossenschaft B sind, sowieso die Mitglieder der Genossenschaft B vollständig Eigentümer aller Aktien von Genossenschaft A sind. In der Rolle als Aktionär verlangt jede Person, dass der Wert der eigenen Aktien steigt, die andere Genossenschaft also effizienter wird. In der Rolle als Produzierender versucht jede Person dabei „zunächst ihren Arbeitsplatz erhalten und sich darüber hinaus vielleicht noch möglichst hohe Gehälter/Boni [zu] sichern“ (Christian). So lange niemand nur durch die Geldvermehrung der Aktien leben kann, ist zwar jede einzelne Person strukturell als Aktienbesitzer Kapitalist (bzw. „handelt kapitalistisch“), aber alle bleiben sie lohnabhängig – das heißt, sie können auch arbeitslos werden, da es ja eine solche Institution wie ein Arbeitsamt nicht ausschließt. Strukturell gibt es also meiner Ansicht nach zwei Klassen, während sich aber jede Person in der sozialen Klasse der Lohnabhängigkeit befindet.
(Nachtrag: Mein Beispiel ist ja Quatsch, da es sich um eine Genossenschaft handelt und nicht um eine Aktiengesellschaft – Der Teil meines Beitrages kann in der weiteren Diskussion einfach voll ignoriert werden)
@Christian: Ich dachte ich muss nicht definieren, was ich unter Kap verstehe, da dass eh klar ist, aber vl ist es doch sinnvoll, denn meine Definition von Kapitalismus passt nicht zu deiner. Du schreibst „Im Kern der kapitalistischen Produktionsweise stehen Unternehmen, die Geld (Kapital) möglichst ertragsmaximierend vermehren wollen“, ich würde sagen „Unternehmen, die Geld (Kapital) möglichst ertragsmaximierend vermehren müssen aufgrund der Konkurrenz“. Die Konsequenzen davon zeigt sich dann auch beim Genossenschaftskapitalismus:
„Nicht die systematische Verwandlung von Geld in mehr Geld, sondern die von ihrer Arbeitskraft in ein dauerhaftes und (ggf.) möglichst hohes Gehalt wäre ihr Ziel.“ Dieses Ziel haben alle Lohnarbeitende. Ich würde ja sagen, dass die Genossenschaft trotzdem die ganze Zeit Geld akkumulieren muss um in der Konkurrenz bestehen zu können, auch wenn es keine Kapitalist*innen gibt die nur „ihr Geld arbeiten“ lassen wollen. Zusätzlich werden die Genossenschaftler*innen sich ja sicher auch auf so etwas wie ne Gewinnausschüttung verständigen und darum also auch Interesse daran haben, dass Geld akkumuliert wird.
Ich glaub mit der Kritik an der Regel nur Menschen einzustellen wenn sie Genossenschaftsmitglieder werden hast du aber Recht. Ich sehe weniger die Einstellung als das Problem als die Kündigung. Zumindest wird es einige Ineffizienten verursachen, wenn alle Angestellten mitentscheiden dürfen wenn es um (Arbeitskraft-)Einsparungsmaßnahmen geht. Vorstellbar wäre es wahrscheinlich noch immer (Genossenschaft ist demokratisch und 50% stimmen dafür das iwie 20% entlassen werden sollen, oder es gibt schon eine tendenziell verselbständige Verwaltung wie bei so vielen Genossenschaften).
Wahrscheinlich wäre auch ein Genossenschaftskapitalismus möglich ohne die oben genannte Regel und tatsächlich der Möglichkeit Leute nur als Mietlinge einzustellen. Das entscheidende was ja verhindert werden müsste ist die Herausbildung einer Gruppe von Menschen, die nicht mehr lohnarbeiten müssen, sondern nur von den Gewinnen lebt und die Produktionsmittel besitzt – also die Personalisierung des Klassenverhältnissen.
Darum auch: natürlich gibt es da noch Klassen (im Sinne von Menschen in bestimmter ökonomischer Position), aber halt keine Kapitalist*innenklasse mehr.
Hallo Marcus, schön dass du dabei bist 🙂
Zur Parteilichkeit: Ich glaub um ne passende Antwort geben zu können müsste ich das besser verstehen: Was bedeutet es für dich „aus der Perspektive der Lohnarbeit“ zu schreiben? Welche Foki oder Einschränkungen kommen daraus? Weil natürlich sind wir ja alle parteiisch und haben eine bestimmte Perspektive, und dies schränkt uns immer auch ein aber erlaubt uns auch bestimmte Verhältnisse besser zu verstehen (PoC haben sicher die Möglichkeit Rassismus besser zu verstehen).
PS: Nur die „Aufhebung des Tausches durch Inklusionsbedingungen“ kann Rassismus etc. abschaffen. Ich glaub dieses positive Element ist entscheidend, dass ist genau das was vielen linken Theorien fehlt. So können sie nur ne ewige (notwendig nie-endende) Reihe an Dingen benennen, die abgeschafft werden sollen. Mit Position kann genau in der Überwindung von Rassismus, Sexismus, Ableism etc., dass „etc.“ überwunden werden, von dem Butler schreibt, dass es so zentral ist.
@Simon: Die Perspektive der Lohnabhängigkeit, nicht Lohnarbeit, das ist meiner Meinung nach entscheident. Lohnarbeiterin und Kapitalistin sind Charaktermasken, welche die kapitalistische Produktion benötigt und sind in dem Sinn gegensätzlich. Für die Lohnabhängigkeit gibt es kein Gegenstück als die nicht-Lohnabhängigkeit. Lohnabhängigkeit ist weder eine soziale Klasse, noch eine Charaktermaske – sie ist der eine spezifische Exklusionszustand der kapitalistischen Produktionsweise und lässt sich meiner Meinung nach auch nur durch die Exklusionsbedingungen fassen und eben nicht mit dem Klassenbegriff.
Lohnabhängig zu sein bedeutet, dass ich kein Recht an Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum habe, also prinzipiell von allen Dingen erst einmal ausgeschlossen bin, wenn ich mich nicht zuerst selbst am (Arbeits-)Markt verkaufe bzw., in der Situation von Arbeitslosigkeit mit Sozialstaat, versuche mich zu verkaufen. Alle anderen Exklusionszustände (wie Sexismus und Rassismus) werden vielleicht durch bestimmte Produktionsweisen verstärkt oder abgemildert, während der Exklusionszustand der Lohnabhängigkeit sich nur auf den Kapitalismus bezieht und (ich lasse mich gerne verbessern) der einzige Exklusionszustand ist, der direkt mit dieser Produktionsweise zusammenhängt und mit der Aufhebung dieser auch vollständig verschwindet.
Die wesentlichen Problematiken für eine einzelne Person im Kapitalismus (nicht der Exklusionsgesellschaften) lassen sich meiner Meinung nach damit (nur?) am Zustand der Lohnabhängigkeit herausstellen – an der Ausgeschlossenheit des Menschen in einem Umfeld aus privaten bzw. kapitalistischen Eigentum und dem damit einhergehenden Zwang sich selbst (zu nicht von ihm selbst gestaltbaren Bedingungen) zu tauschen und damit einen wesentlichen Anteil des Lebens nicht selbst über sich bestimmen zu dürfen. Und mit dem Zwang sich in die Verwertungsstruktur hineinzubegeben, bekommt die kapitalistische Produktionsweise ja überhaupt erst ihren Antrieb mit den Auswirkungen der notwendigen Umweltzerstörung etc.
Ewige Vorrede, aber wieder zur Frage bzw. meiner Frage zu deiner Meinung zurück: Ich meine eben, dass die Beschreibung der Lohnabhängigkeit (aus welcher Perspektive ist ja einer Autorin/einem Autoren ganz selbst überlassen) vollständig ausreicht, um die Exklusionsbedingungen des kapitalistischen Systems und die Notwendigkeit seiner Aufhebung zu verstehen und halte sie daher noch nicht einmal für einseitig, da es eben m.M.n. keine „Klassenperspektive“ ist. Wenn es also in erster Linie darum geht den Kapitalismus aufzuheben (mit welchem dann eine Abmilderung von Sexismus/Rassismus/etc einhergehen kann), dann ist die Lohnabhängigkeit ein großartiger Anker um von dort aus alles weitere zu beschreiben, bei dem ich meine, dass er mit keinen Einschränkungen verbunden ist. Das wäre jetzt meine Frage: Glaubst du, dass ich da etwas übersehe?
@Marcus
Lohnabhängigkeit ist das, was jeder sieht und jeder an sich selbst begreift. „Ohne Moos nix los“.
Lohnabhängigkeit bedeutet prinzipiell arm zu sein, weil die eigenen Existenzbedingungen von einem fremden Willen abhängen: Von einem privaten oder staatlichen Unternehmer, der mir Lohn (weil Arbeit) gibt, von einem Staatsbürokraten, der mir ein Almosen gewährt oder von einer
Bankangestellten, die sich vor meiner Pistole ängstigt und deshalb Bares rausrückt.
Du meinst, „dass die Beschreibung der Lohnabhängigkeit vollständig ausreicht, um die Exklusionsbedingungen des kapitalistischen Systems und die Notwendigkeit seiner Aufhebung zu verstehen.“
Wäre das so, wäre der Kapitalismus längst verschwunden.
Lohnabhängigkeit verweist bloß auf ein eminentes individuelles Bedürfnis. Lohnabhängigkeit verweist nur darauf, dass es manchen Lohnabhängigen ziemlich gut geht und anderen Lohnabhängigen ziemlich schlecht. Lohnabhängigkeit macht aber keine Gründe sichtbar, warum das so ist. Bloße Lohnabhängigkeit verweist keineswegs auf gesellschaftliche Grundübel, die nur mittels einsichtigem und gemeinsamem Eingreifen beseitigt werden können.
@W.Buchenberg
„Du meinst, „dass die Beschreibung der Lohnabhängigkeit vollständig
ausreicht, um die Exklusionsbedingungen des kapitalistischen Systems und
die Notwendigkeit seiner Aufhebung zu verstehen.“ (M.M.)
Wäre das so, wäre der Kapitalismus längst verschwunden.“
Wieso verschwunden, es geht ja ums Verstehen, und solange die Lohnarbeiter der Kritik an der Lohnarbeit tausend Illusionen entgegenhalten, dann verschwindet der Kapitalismus eben nicht.
Des weiteren macht es also Sinn, diese Illusionen über den Kapitalismus zu widerlegen, aber auch das garantiert wiederum keinen Erfolg, wenn die Betroffenen nichts dazulernen wollen.
Allerdings finde ich die Selbstbestimmung (M.M.) als Gegenpart zur Lohnarbeit nicht stimmig, weil Selbstbestimmung genauso wenig eine sichere Reproduktionsbasis ist wie Lohnarbeit. Es ist nur eine andere Form der Konkurrenz, denn wer verfügt schon über alle nötigen Mittel?
Die einzige logische Alternative ist eine bewusst geplante gemeinschaftliche Produktionsweise. Nur dann gibt es existentielle Sicherheit und Verlässlichkeit hinsichtlich der Bedürfnisse, auch ohne 100% Selbstbestimmung, die immer nur eine Selbsttäuschung ist.
@Christian Siefkes
„Nicht die systematische Verwandlung von Geld in mehr Geld, sondern die
von ihrer Arbeitskraft in ein dauerhaftes und (ggf.) möglichst hohes
Gehalt wäre ihr Ziel. Solche Genossenschaften wären deshalb keine
kapitalistischen Unternehmen wie oben beschrieben, weshalb man hier von
„Genossenschaftsmarktwirtschaft“, nicht aber von
„Genossenschaftskapitalismus“ sprechen kann.“
Auch dauerhaft gutes Gehalt ist eine Geld-liche Zielsetzung, für die das Kapital (!!) der Genossenschaft verwertet wird. Es ist ein astreiner kapitalistischer Verwertungsprozess, nur dass der Profit (der gemacht wird!) anders verteilt wird. Die Herrschaft des Werts bleibt unangetastet.
Die üblichen Abhängigkeiten ändern sich ebenfalls nicht: Konkurrenzdruck am Markt, also Druck auf Preise und Löhne, Gefahr des Konkurses, der Entlassungen usw.
Man betrachte sich hierzu nur Betriebe wie die Mondragón und dergleichen und was in ihnen in der Krise passiert: Lohnverzicht, Entlassungen, Vergrößerung der Lohnhierarchie (aus Konkurrenzgründen) usw.
„Beschreibung der Lohnabhängigkeit“ und „Kritik der Lohnarbeit“ sind ganz verschiedene Dinge. Lohnabhängigkeit ist was sichtbar Individuelles, Lohnarbeit was Gesellschaftlich-Strukturelles.
@Mattis:
Du wirfst da Geld und Kapital in einen Topf – Gehälter zu erwirtschaften ist etwas anderes als systematisch Geld (Kapital) in mehr Geld verwandeln zu wollen. Deiner Logik zufolge wäre ja jede Lohnarbeiterin eine kleine Kapitalistin, weil sie selbst vermutlich gerne ein möglichst hohes Gehalt bekommen möchte.
Da ist einiges dran (worauf ich ja auch schon verwies), aber es ist nicht die ganze Wahrheit, siehe z.B. Dario Azzellinis Buch über Betriebe unter Arbeiter_innenkontrolle (Rezension hier). Klar, ein Pleiterisiko mit entsprechenden Konsequenzen gibt es, aber dass Genossenschaftler_innen in einem Kooperativbetrieb einige von sich selbst entlassen, nur um dem Rest höhere Gehälter zahlen zu können, ist zwar theoretisch denkbar, kommt praktisch aber nicht vor.
Und vorher:
Das ist zunächst nur ein Schlagwort, was meinst du damit genauer (Literaturtipps)? Ein schon konzeptionelles Problem jeglicher Gesamtplanung sehe ich allerdings in der „Demokratiepflicht“ — ist etwas nur von 45 Prozent (oder weniger) der Leute gewünscht, kann es dann nicht stattfinden? In Märkten (egal ob kapitalistisch oder nicht), ist zunächst alles möglich, sofern sich hinreichend viele Produzent_innen (Anbieter) und Nutzer_innen (Käufer) finden, außer wenn die Mehrheit es explizit (per Gesetz) verbietet. Das erscheint mir ein wichtiger Zugewinn an persönlicher Souveränität gegenüber einem Plan, dem nur per Mehrheitsentscheidung zustande kommen kann (oder nach Entscheidung durch eine oligarchische Minderheit, aber das wäre dann noch schlimmer).
Die Lohnarbeiterin tritt nicht mit Kapital an und will auch nicht Geld in mehr Geld verwandeln, sondern tritt an mit ihrer Arbeitskraft.
Der Verwertungsprozess ist derselbe, die Waren müssen zur Realisation von Mehrwert taugen, also sind sie dem Konkurrenzdruck ausgesetzt mit allen Folgen. Genossenschaften, die sich dem nicht stellen, leiden typischerweise schnell an Kapitalmangel und veralteter Infrastruktur.
Auch verstärkte Selbstausbeutung war noch nie ein Schutz vor dem Ruin. Könnte man den Kapitalismus nett und human gestalten, dann hätte sich Marx „Das Kapital“ komplett sparen können, denn dann wäre ja einzig und allein die persönliche geldgierige Mentalität der Kapitalisten das Übel, und rein ökonomisch könnte abgesehen davon alles so bleiben wie es ist.
So hab ich das auch nicht behauptet. Beides hängt nicht direkt zusammen, sondern:
1. wenn es eng wird, verordnet sich die Belegschaft zwangsläufig Lohnverzicht, das bedeutet verstärkte Selbstausbeutung. Irgendwann reicht auch das nicht, und dann muss selbstverständlich entlassen werden, oder gleich Konkurs. Selbstbestimmung heißt hier, dass man sich selber den Gesetzen des Marktes unterwerfen muss.
2. die gewählten oder von der Belegschaft eingestellten Geschäftsführer und diverse Spezialisten bekommen ein x-faches an Einkommen, damit sie nicht zur Konkurrenz wechseln. Am Beispiel Mondragon stellte Andreas Exner fest:
„Einzig die weitere Vergrößerung der Einkommensspanne (derzeit bei ca. 1:9) wurde bislang blockiert (aber vom Ausgangspunkt 1:3 schrittweise gelockert). Während die einfachen Mitglieder durch die hohe Arbeitslosigkeit in der Region relativ an die Kooperative gebunden sind, gilt das für das Management nicht im selben Maße, das relativ leicht in einen kapitalistischen Betrieb überwechseln kann (ein Umstand, der auch explizit als Drohung im Konfliktfall eingesetzt worden ist und als Argument für die beständigen Versuche, die Einkommensspanne auszuweiten, herhalten muss).“http://www.social-innovation.org/?p=3799
@Mattis:
Das stimmt, aber niemand hier hat ja etwas anderes behauptet. Worum die Diskussion hier ging, ist aber eine Gesellschaft, in der das Mieten von Arbeitskraft als bloß ausführendem Faktor verboten ist, so dass es statt kapitalistischen Firmen nur noch intern demokratisch organisierte Kooperativbetriebe gäbe. Das ändert nicht alles, aber sehr viel, und führt zudem den Begriff „Kapitalismus“ ad absurdum.
Die von dir beschriebenen Effekte beziehen sich allesamt auf einzelne Kooperativen in einem überwiegend kapitalistischen Umfeld. Gäbe es dieses Umfeld nicht, würde vieles anders aussehen. Die anonyme „Konkurrenz“, der sich die einzelnen Kooperativen unterwerfen müssten, gäbe es dann so auch nicht mehr, da sich die verschiedenen Kooperativbetriebe sicherlich untereinander abstimmen würden — im Gegensatz zu nach Profitmaximierung strebenden Firmen macht das für sie sehr viel Sinn. Vgl. dazu Elinor Ostrom, die immer wieder betont hat, dass Menschen eben da miteinander reden und kooperieren, wo das für sie sinnvoll ist. Und für Kooperativen ist es eben sinnvoll, auch wenn es sich um wirtschaftliche Betriebe handelt, die kostendeckend arbeiten müssen.
@Wal Buchenberg und Mattis:
Ich würde noch hinzufügen, dass der Kapitalismus auch nicht durch ein Verständnis der Illusion verschwinden würde, sondern es noch eine Gesellschaftsform benötigt, in die er sich aufheben lässt (ganz grob), aber sonst wäre das genau mein Argument. Ansonsten –
Ich glaube, da haben wir gar keinen Widerspruch, sondern nur die Begriffe verschieden definiert. Für mich ist Lohnabhängigkeit strukturell und verbindet die Situationen der Lohnarbeit und Arbeitslosigkeit – welche für mich genauso gesellschaftlich-strukturell, nur eben spezieller sind.
Das stimmt. „Selbstbestimmung“ ist definitiv nicht der Gegenpart zur Lohnarbeit bzw. zur Lohnabhängigkeit und wenn ich das so gesagt habe (was ich mir gut vorstellen kann), revidiere ich das als einfachen Denkprozess. Ich denke (in Hinblick auf Stefan und Simon), dass die Parallele zur Lohnabhängigkeit innerhalb einer Commons-Struktur sich wohl am ehesten als Gesellschaftliche-Abhängigkeit beschreiben lässt, wenn auch damit noch keine Aussage zur Organisation getroffen wurde. Relevantes Zitat aus „Kapitalismus aufheben“:
Und noch hierzu:
Ob das die einzige logische Alternative ist, ist ja gerade die spannende Frage, der ich und andere nachgehen und auf die wir m.M.n. noch keine befriedigende Lösung gefunden haben – aber eben danach suchen, da Planwirtschaft einige Probleme mit sich bringt, die man eben „gerne nicht hätte“. Und ich halte es für gut möglich, dass ich zumindest für mich eines Tages feststelle, dass eine solche Alternative nicht existiert, aber gerade sehe ich das Potential dafür und versuche das für mich auszuloten. Aber die bisherigen Ergebnisse, die insbesondere innerhalb des Commons-Institutes hervorgebracht wurden, sind auf jeden Fall noch nicht ausreichend, um eine Alternative zum Kapitalismus darzustellen. Aber um das weiterzuentwickeln sind wir ja meiner Ansicht nach hier auf dem Blog.
sinnvoll ist. Und für Kooperativen ist es eben sinnvoll, auch wenn es
sich um wirtschaftliche Betriebe handelt, die kostendeckend arbeiten
müssen.“
warum ist es für kooperativen per se sinnvoll nicht zu konkurrieren?
@Marcus&Lohnabhängigkeit:
Glaube ich, dass mit der Perspektive der Lohnabhängigkeit
etwas übersehen wird? Ich glaube schon. Sie ist insofern positiv als dass sie unmittelbar einsichtig ist für viele Personen im Kapitalismus, aber in ihr notwendig enthalten sind nicht Verselbständigung der Verhältnisse, Konkurrenz, Staatlichkeit, bürgerliche Subjektivität, etc. – wobei du sagst, dass diese strukturelle Momente da mitgedacht werden … ich weiß nicht genau wie. Daneben fehlt noch ein ganzer weiterer Bereich: Der Kapitalismus benötigt Abspaltung. Er muss ein Teil der Herstellung der Lebensbedingungen nicht-tauschförmig organisieren, die Sorge, die Kindererziehung, etc. dies ist eine entscheidende Grundlage wie v.a. Sexismus im Kapitalismus reorganisiert wird. Und dieser Bereich ist auch für viele Exklusionen zuständig. Abspaltung hat auch immer ein Element einer Abspaltung von Teilen von mir, die ich negativ bewerte (bspw. Faulheit) und historisch Menschen mit anderer Hautfarbe oder auch Menschen die keine Arbeit finden, oder sich der Lohnarbeit verweigern zugeschrieben werden.
@Christian: Ich verstehe (wie Benni fragt) auch noch nicht warum Genossenschaftskapitalismus (oder bei dir wohl Genossenschaftsmarktwirtschaft) so anders sein soll. Warum sich Genossenschaften auf dem Markt so anders verhalten würden ..
Ich würde da Mattis Einschätzung zustimmen. Wenn die Genossenschaftsmitglieder weiter Lohn erhalten wollen, müssen sie die Genossenschaft so führen, dass sie auf dem Markt bestehen kann, und das verlangt nun mal Profit erwirtschaften (also systematische aus Geld mehr Geld zu machen) um in der Konkurrenz bestehen zu können.
Auch unabhängig von Krisenszenarien finde ich: Eine Arbeiterselbstverwaltung muss sich mit denselben Themen herumschlagen wie ein normales kapitalistisches Unternehmen, außer dass nichts für den Privatkonsum eines persönlichen Eigners abgezogen wird. Aber das liegt eh meist unter 10%, und statt z.B. Dividenden an Aktionäre muss eben der selbstverwaltete Betrieb Zinsen für aufgenommenes Kapital zahlen.
Ansonsten bleibt alles gleich: Konkurrenz um die zahlungsfähige Nachfrage, Werbung, Erfindungen geheimhalten statt solidarisch teilen; erfolgreichere Betriebe können höhere Löhne zahlen und dadurch auch neuere Maschinen anschaffen und die besseren Spezialisten einstellen, die dann den anderen fehlen; also gibt es Lohngefälle zwischen den Betrieben. Die Arbeiterexistenz wird weiterhin komplett bestimmt vom Markterfolg des Betriebs. Soviel als weitere Denkanstöße, die Liste ist noch länger, aber ich will das hier nicht ausdehnen.
@Benni (und @Simon und @Mattis):
Ich sagte, dass Kooperation bzw. Sich-abstimmen sinnvoll ist, was Konkurrenz nicht ausschließt. Formell betrachtet konkurrieren Kooperativen um denselben Kundenstamm, aber sie müssen das nicht destruktiv tun, sondern können sich den Markt untereinander aufteilen. Notwendigerweise destruktiv wird das Ganze erst bei börsennotierten Unternehmen, die ihren Aktionären beweisen müssen, dass sie mehr Rendite liefern als die Konkurrenz.
Interessant finde ich ja schon, sich anzuschauen, wie Märkte oft in Entwicklungs- und Schwellenländern funktionieren (ich bin gerade mal wieder in einem solchen). Da gibt es oft viele kleine Shops oder Betriebe, die alle praktisch identische Angebote machen und nicht selten auch direkt nebeneinander angesiedelt sind. Da versuchen alle bloß, ihren Anteil am Kuchen abzukommen — keiner versucht, den Markt „aufzurollen“ und die anderen zu verdrängen. Vermutlich weil es ihnen einerseits an Kapital dafür fehlt und es andererseits auch keine Notwendigkeit dafür gibt — so ein Verdrängungswettkampf kann ja leicht nach hinten losgehen, und warum alles riskieren, solange man auch so akzeptable Ergebnisse erwirtschaften kann? Das sind natürlich keine Genossenschaften, sondern entweder Familienbetriebe (wo im Wesentlichen die Eigentümerfamilie arbeitet) oder kleine kapitalistische Unternehmen mit Einzeleigentümer. Aber für Kooperativen gilt dieselbe Logik.
Die Neoklassik ist übrigens ehrlich genug, die Annahme, dass alle Marktteilnehmer profitmaximierend wirtschaften (und dafür im Falle von Firmen sogar ihre Existenz aufs Spiel zu setzen bereit sind) als Annahme zu kennzeichnen — sie braucht diese Annahme, weil ihre Modelle sonst nicht funktionieren, aber aus dem Marktgeschehen ableiten kann sie sie nicht.
Übrigens glaube ich wie gesagt nicht, dass eine Genossenschaftsmarktwirtschaft die Lösung aller Probleme wäre, z.B. dürfte die Konkurrenz auch zwischen Kooperativen schnell destruktiv werden, wenn der Markt schrumpft bzw. aufgrund von Innovation weniger Arbeit benötigt wird und die Genossen fürchten müssen, in die Arbeitslosigkeit abzurutschen. Aber sie weist in eine interessante Richtung, die über die dumpfe Gleichsetzung „Märkte = Kapitalismus = doof“ hinausgeht.
„Formell betrachtet konkurrieren Kooperativen um denselben Kundenstamm,
aber sie müssen das nicht destruktiv tun, sondern können sich den Markt
untereinander aufteilen. Notwendigerweise destruktiv wird das Ganze erst
bei börsennotierten Unternehmen, die ihren Aktionären beweisen müssen,
dass sie mehr Rendite liefern als die Konkurrenz.“
Das scheint mir eine recht naive Sicht der Dinge zu sein. Zum einen gibt es genug Berichte über dramatisch verschuldete „Selbständige“ in jenen Zonen, aus verschiedenen Gründen, und Einzelfälle sind das durchaus nicht, sondern das hat System.
Zum anderen gab es auch in der Bundesrepublik Deutschland in früheren Jahrzehnten zwar massenhaft kleine Lädchen – aber man sieht heute doch, wie wenig das eine verlässliche Situation ist. Das sind doch letztlich nur Momentaufnahmen, meist noch durch die rosa Brille der „Mikrokredite“ verfälscht.
Irgendwann schälen sich durch individuelle Vorteile größere Geschäfte heraus und schlucken oder vernichten die kleineren. Und die ganz Großen kommen von außen und machen die kleinen Lädchen und Imbisse platt. Dann beginnt das Elend der Verlierer.
Es ist illusorisch, innerhalb der kapitalistischen Konkurrenz sichere Entwicklungs-Zonen ausfindig zu machen. Zumal sich aufgrund des durchgesetzten Weltmarkts dieser Prozess der Konzentration in den Schwellenländern schneller abwickeln wird als in den alten kapitalistischen Ländern. Keine Generation kann heute noch vor diesen Umbrüchen sicher sein.
@Mattis:
Selbstverständlich, aber hier im Kontext ging es ja gerade um das Szenario, dass es keine mietbaren Lohnarbeiter_innen und deshalb auch keine kapitalistische Konkurrenz gibt.
@Benni:
Naja, da stecken wiederum sehr bestimmte Annahmen drin, wonach nur die Größten überleben und die Zahl der Betriebe von „Runde“ zu „Runde“ schrumpft — und daneben im Übrigen auch die benötige Arbeitsmenge, sonst würde die Mitarbeiter der verdrängten Genossenschaften ja einfach bei den verbleibenden unterkommen und (sofern diese egalitär-demokratisch organisiert sind) dadurch keine Nachteile erleiden.
Das es einen solchen Konzentrationsprozess gibt, gilt wahrscheinlich unter bestimmten Umständen für bestimmte Branchen, aber selbst im Kapitalismus würde ich bezweifeln, dass es für alle gilt — manchmal ist Größe ein Vorteil, aber nicht immer. Und natürlich kommt man nicht um die Tatsache rum, dass Märkte über Jahrtausende lang in nichtkapitalistischen Kontexten existierten, ohne dass sich solche Konzentrationsprozesse in nennenswertem Maße vollzogen hätten.
Ne, kulturelle oder ethische Unterschiede würde ich da auch definitiv nicht als entscheidend sehen — eher materiell-strukturelle Unterscheide wie die Verfügbarkeit von großen Kapitalmengen oder eben von mietbarer Lohnarbeit. Aber belassen wir es mal dabei, ansonsten drehen wir uns nur im Kreis.