Das commonistische Internet
[Erschienen in: Utta Isop (2023, Hg.*). Lernen im Überwachungskapitalismus. Schulen und Universitäten für digitale Autonomie! Neu-Ulm: AG SPAK)]
Stellen wir uns vor, es sei vorbei mit dem Kapitalismus, der uns drangsalierte und überwachte. Wie sieht die neue Welt aus – heute, nach dem Kapitalismus – und wie das neue Internet? Und gab es damals in Zeiten des Überwachungskapitalismus nicht auch schon gute Ansätze, die heute für die Bedürfnisbefriedigung aller genutzt werden?
Für unsere Leser:innen in der Vergangenheit sei erklärt, wie die neue, die commonistische Gesellschaft funktioniert, denn das ist sie, eine auf Commons basierende und fortwährend Commons schaffende Gesellschaft. Heute weiß, nein, fühlt jedes Kind, was Commons sind, doch wie erkläre ich das den Menschen in der Vergangenheit, die davon keinen Plan haben? Vielleicht mit einer Analogie: wie die Ware, so die Commons.
Commons statt Ware
Im Kapitalismus drehte sich alles um Kaufen und Verkaufen. Alles musste Ware sein, die Dinge, das Wissen, die Kultur, die Leistungen, die Gefühle. War die Sache nicht selbst verkaufbar, so diente sie dazu, anderes verkaufbar zu machen. Aber nein, so allgemein stimmt das nicht, denn es gab gleichzeitig neben der Ökonomie (so nannte man das) einen riesigen Bereich, in dem es nicht ums Verkaufen ging: die Familien und andere Sorgestrukturen. Obwohl der zweite Bereich, auch Care genannt, nicht nur die Grundlage aller Existenz und ohnehin viel größer war, war er von der Ökonomie total abhängig. Viviane Forrester nannte es seinerzeit den „Terror der Ökonomie“. Darin waren jedoch alle von allen getrennt, begegneten sich strukturell feindselig und mussten für ihre Existenzerhaltung fiese Regeln befolgen: Wenn du nichts leistest, kannst du dir nichts leisten. Dann ist deine Existenz prekär bis zum Hungern, während du neben Bergen von Nahrung hockst. Die Ware war der Kern des Ganzen, sie war allgegenwärtig, ohne Geld aber unerreichbar. Dafür sorgte das Eigentum, das alle anderen von der Verfügung ausschließt. Diese Struktur des Ausschlusses und der Getrenntheit erzeugte die Logik der Exklusion. Ihr Kern war: Du kommst voran, wenn es andere nicht tun, du kannst deine Bedürfnisse befriedigen, doch geht dies stets auf Kosten von Anderen und der Umwelt.
Grob gesagt sind Commons das Gegenteil. Der Kern ihrer Inklusionslogik ist: Du kommst dann voran, wenn es andere auch tun, du kannst dann deine Bedürfnisse befriedigen, wenn du die anderen Menschen wie auch die Umwelt mit einschließt. Kooperation ist also naheliegend, doch nicht eine solche, die die eigene Position im Konkurrenzkampf stärkt, sondern eine, die für alle ein gutes Leben will. Dies wird möglich, weil es kein Eigentum mehr gibt, nur noch Besitz. Niemand kann allgemein per Recht von den Dingen ausgeschlossen werden (=Eigentum), nur wenn ich sie gerade nutze, gehören sie mir auch (=Besitz). Und das Grandiose dabei: Alle Tätigkeiten werden freiwillig getan oder weil sie einsichtigerweise notwendig sind. Auch die Aufgaben, die gerade keinen Spaß machen oder mir unmittelbar nichts bringen, werden erstaunlicherweise übernommen. Das kannte man früher nur in Ausnahmesituationen wie Naturkatastrophen, wo man sich gegenseitig half. Diese weite, einschließende Lebensweise hat die Sorge umeinander und die Achtsamkeit miteinander in einem Ausmaß gestärkt, das man sich früher nicht vorstellen konnte. Niemand muss sich mehr altruistisch aufopfern, weil Inklusion und Solidarität ohnehin das Selbstverständliche sind.
Internet – mich mit anderen verbinden
Doch die Commons, in denen sich die Menschen bewegen, sind nur der zwischenmenschliche, der interpersonale Aspekt der neuen Gesellschaft. Ich bin ja nicht nur mit den Menschen verbunden, die ich kenne, sondern in der Mehrzahl mit Menschen, die ich nicht kenne. Viele tun etwas für mich und ich etwas für sie – ohne, dass wir voneinander wissen. Für diese transpersonale Verbundenheit spielt das Internet eine zentrale Rolle. Früher waren es Beziehungen über Waren, die von Produzent:innen gekauft und verkauft wurden, um in ein Endprodukt einzufließen, das ich konsumierte. Dabei haben alle für sich produziert, um die Waren auf dem Markt loszuschlagen. Alle haben ihre Informationen als Betriebsgeheimnisse argwöhnisch verborgen, blieben von den anderen getrennt und nur über den Handel – Kaufen und Verkaufen – verbunden. Das Internet diente als Handelsplattform.
Heute sind es Beziehungen über Commons. Da sie jedoch Menschen oder Betriebe miteinander verbinden, die sich nicht kennen, bleiben sie anonym. Gleichzeitig, und das unterscheidet sie wesentlich von den früheren Handelsbeziehungen, schaffen sie Transparenz. Die Betriebsdaten sind öffentlich verfügbar. Qualität, Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen sind allgemein einsehbar. Mehr noch, ganze Lieferketten lassen sich visuell anzeigen, was die Entscheidung für oder auch gegen Kooperationspartner:innen extrem erleichtert. OpenData war der rudimentäre Vorläufer in der Vergangenheit, er bezog sich jedoch nur auf Daten, die der Staat freigab. Der Staat, das sei erklärend eingefügt, war eine von der Ökonomie getrennte Instanz, in der alles das geregelt wurde, was die Ökonomie nicht hinbekommen konnte, weil sie sich nur am Profit orientierte. Diese umständliche Organisationsweise mit zwei getrennten Logiken ist heute nur noch schwer vorstellbar. Heute ist einfach alles ein Netz von Commons. Das, was die Menschen brauchen, schaffen sie sich und finden dafür auch jeweils die passenden Organisationsformen. Ja, es ist komisch, eine derartige Selbstverständlichkeit aufzuschreiben, doch für die Menschen aus der Vergangenheit ist es vielleicht hilfreich. Darum noch ein paar Erläuterungen.
Das Netz der Commons
Das Netz der Commons ist keineswegs homogen und gleich verteilt so wie man sich vielleicht ein Fischernetz vorstellt, sondern im Gegenteil, es ist ist heterogen und gleichzeitig selbstähnlich. Die Heterogenität kommt vom unterschiedlichen Verbindungsgrad, die einzelne Knoten, also die Commons-Instanzen, haben. Grob gesagt gibt es mindestens drei Typen mit unterschiedlichen Verbindungsgraden: die Reproduktions-Commons, die Meta-Commons und die Infrastruktur-Commons (dazu gleich mehr). Die Selbstähnlichkeit kommt von der polyzentrischen Verteilung der verschiedenen Commons-Typen im Netz. Im Gesamtnetz gibt es nicht nur ein Zentrum, sondern viele, die die gleichen Aufgaben übernehmen. Das bedeutet, dass Teilnetze, zum Beispiel das einer Region, die gleichen Eigenschaften haben wie das Gesamtnetz. Fällt ein Teilnetz aus, bleibt das Gesamtnetz immer noch funktionsfähig. Polyzentrische Netzwerke sind wesentlich stabiler als hierarchische Systeme.
Nun zu den Aufgaben der unterschiedlichen Commons-Typen:
Die Reproduktions-Commons schaffen und erhalten das, was wir zum Leben brauchen. Früher wurde das eher Produktion genannt, aber mit dem Ende des Kapitalismus und den erheblichen Herausforderungen durch die vom Kapitalismus hinterlassene Klimakatastrophe wurde klar, dass die Grundlagen unserer Existenz viel eher Bewahrung, Sorge und Sicherung sind. Eine permanente und wahnhaft getriebene Neuproduktion war ein verrücktes Artefakt des Kapitalismus. Dennoch umfasst jede Reproduktion immer auch einen Gutteil an Neuschöpfung, an Produktion.
Meta-Commons entstanden als Ausgliederung aus den Reproduktions-Commons. Jede Reproduktion braucht Planung und Koordination. Im Sinne der Aufgaben-Fokussierung schien es sinnvoll, Planung und Koordination auszulagern und entlang von Reproduktionsketten in Meta-Commons zusammenzufassen. Sie kümmern sich darum, das der Fluss der Dinge und der Informationen zwischen den Commons klappt. Dafür benutzen sie Flow Contracts auf Basis von Flowchains – Weiterentwicklungen von sogenannten Smart Contracts auf der Basis von Blockchains in der alten geldbasierten Zeit (manche erinnern sich vielleicht noch an Bitcoins). Flow Contracts sind Vereinbarungen, mit denen Zusicherungen gegeben werden, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Produkte oder Dienste geliefert werden. Solche Zusicherungen sind wichtig, weil die tätigkeitsteilige Reproduktion nur funktioniert, wenn zum richtigen Zeitpunkt alles da ist. Sie sind Bestandteil des Commoning-Systems (auch dafür gab es Vorläufer in der alten Zeit), einem verteilten glokalen Planungs- und Koordinationssystem. Glokal (=global+lokal) deswegen, weil es einerseits den Zugriff auf alle Reproduktionsdaten weltweit erlaubt und andererseits die lokale Planung ermöglicht.
Nun noch zu dem dritten Typ, den Infrastruktur-Commons. Neben den planenden Meta-Commons bilden sie weitere wichtige Polyzentren, die enorm viele Verbindungen zu allen anderen Commons-Typen haben. Knapp beschrieben sorgen sie dafür, dass alle anderen Commons gut tätig sein können. Viele Aufgaben, die das alte Gebilde mit Namen „Staat“ inne hatte, werden von Infrastruktur-Zentren erledigt. Das sind auf bestimmte Aufgaben spezialisierte, meist global vernetzte Commons für Bahnverkehr, Stromtrassen, Gesundheitsdienste, Transport etc. – und nicht zuletzt das Internet selbst.
Die polyzentrische Netzwerkstruktur der Commons würde ohne ein Informationsrückgrat nicht funktionieren. Daher entschied sich die Weltgemeinschaft in einem aufwändigen Entscheidungsverfahren, eher viele von fossiler Energie angetriebene Prozesse zu reduzieren – Raumfahrt, Flugverkehr, Schiffsverkehr, Zement etc. – als das Internet zu beschränken, das immerhin einen erheblichen Anteil am Weltenergieverbrauch hatte. Mit der Abschaffung des Eigentums fielen auch viele ehemalige Internetmonopole in die Hände von Commoners, die es kaum abwarten konnten, die öffentlichen Daten zu befreien, die persönlichen Daten zu schützen und globale Informationstransparenz bei den Reproduktionsdaten herzustellen. Nun ergab auch der Slogan von der Informationsgesellschaft erstmals wirklich Sinn.
Bedürfnisse statt Geld
Mit der Befreiung der Reproduktionsdaten wurde es möglich, eine alte Frage neu zu beantworten, die der Ökonom Friedrich von Hayek das „Wissensproblem“ nannte: Wie können lokal Handelnde global kohärente Handlungen zustande bringen, wenn sie doch nur über lokales, begrenztes und kontextabhängiges Wissen verfügen? Seine Antwort war damals bestechend einfach, aber am Ende zu einfach: Reduziere alles Wissen auf eine handhabbare Dimension und bringe sie in einen Prozess der Selbstvermittlung. Ersteres war das Geld beziehungsweise der Preis und letzteres der Markt. Diese Art der Selbstvermittlung hat funktioniert, doch da das, was sich da selbst vermittelte, das Geld war – es musste immer mehr werden –, kam alles unter die Räder, was nicht zur Geldvermehrung taugte, sondern nur Kosten darstellte: Menschen und Natur. Eine Zeit lang wurde auch sein simples Gegenstück ausprobiert, die Zentralplanung. Auch hier eine gute Idee: Wenn eine zentrale Instanz über alles Wissen verfügt, kann sie die gesamte Gesellschaft rational einrichten. Doch erstens wurden dafür auch die dümmsten Wissenseinheiten benutzt, die damals Gang und Gäbe waren, eben das Geld, und zweitens kollabierten die Monsterpläne an der Komplexität, die sie zu bewältigen suchten. Die Lösung – im Nachhinein haben wir gut reden – war wiederum recht einfach: Setze die Bedürfnisse an die Stelle des Geldes, und lass die Menschen die Wege zu ihrer Bedürfnisbefriedigung selbst organisieren. Soziale Selbstorganisation statt sachlicher Selbstvermittlung. Die Konsequenzen waren enorm. Viele Institutionen wurden aufgegeben, deren Sinn aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar ist: Geld, Tausch, Markt, Staat, Eigentum.i An ihre Stellen traten Bedürfnisse, Freiwilligkeit, Kooperation, Konfliktmediation und kollektive Verfügung.ii Im Nachhinein wurde klar, dass das Geld das Wissensproblem doch nicht löst, weil es von den Bedürfnissen abgetrennt ist und als eindimensionale Größe nur größer/kleiner (z.B. teurer/billiger) kennt.
Prioritäten setzen und Bedürfnisse abgleichen
Also wurde nach einen Komplettausfall des Geldsystems umgestellt auf mehrdimensionale Größen als Entscheidungsmarker, die qualitative Ziele viel besser abbilden können und von den Menschen direkt priorisierbar waren. Das sind etwa sichere Krankenversorgung, stabile Kinderbetreuung, nachhaltige Landwirtschaft, Minimierung von CO2-Emissonen, Minimierung von Ressourcennutzungen, gute Arbeitsbedingungen. Solche Ziele lassen sich problemlos soweit herunterkonkretisieren, bis für jedes Commons und am Ende auch jede:n Einzelnen die Aufgaben klar sind. Diese Ziele lassen sich über das Internet problemlos kommunizieren und verhandeln – die Bandbreite ist da. Und wie wichtig bestimmte Ziele sind, bleibt den Menschen überlassen, denn nicht immer kann alles gleichzeitig angegangen werden. Aber nur das zu tun, was am besten das Geld vermehrt, das man bekanntlich nicht essen kann, war gegenüber einem Bedürfnisabgleich eine sehr stumpfe und dumme Weise gesellschaftlicher Koordination. Wie gut, dass wir sie überwunden haben. Dass solche Abgleiche von Prioritäten manchmal nicht konfliktfrei verlaufen, liegt auf der Hand. Doch dafür haben wir eine schier unübersehbare Menge an Sozialtools entwickelt, die Entscheidungsfindung und Konfliktmediation unterstützen. Doch in einem hatte Friedrich von Hayek recht: Vorschreiben bringt gar nichts, sondern Selbstorganisation ist der Weg der gesellschaftlichen Vermittlung. Im Medium allerdings irrte er: Bedürfnisse zu vermitteln bringt bessere Ergebnisse für alle als die Vermittlung dem sachlichen Automatismus des Geldes zu überlassen.
Selbstorganisation über ein commonistisches Internet
Zusammenfassend können wir also festhalten: Die commonistische Gesellschaft ähnelt in ihrer Selbstorganisationsfähigkeit der alten Marktwirtschaft, in ihrer Vorsorgeorientierung dem alten Sozialstaat und in ihrer Planungsfähigkeit und Bedürfnisorientierung dem (nie realisierten) Kommunismus. Entscheidend war, die gesellschaftliche Zielsetzung der Entwicklung von sachlichen Zwängen, wie sie im Geld und im Eigentum verkörpert waren, zu befreien und sie direkt in die Hände der Menschen zu legen. All das wäre niemals möglich gewesen ohne ein befreites, ohne ein commonistisches Internet.
i Heute erscheint vieles geradezu trivial: Nimmst du Geld als Medium der Selbstorganisation, dann kommt auch nur Geldvermehrung heraus; nimmst du Tausch als Interaktionsform, dann kommt Konkurrenz heraus; nimmst du Markt als Koordinationsinstanz, dann wird alles nicht Marktfähige wie Abfall behandelt; nimmst du den Staat als Bereinigungsinstanz, dann bedeutet TEAM nur „Toll, ein anderer macht‘s!“; nimmst du das Eigentum als Ausschlussmittel, dann wirst auch du irgendwo ausgeschlossen.
ii https://keimform.de/2021/the-commoning-system-goes-global/
„Die Ware war der Kern des Ganzen, sie war allgegenwärtig, ohne Geld aber unerreichbar. Dafür sorgte das Eigentum, das alle anderen von der Verfügung ausschließt. Diese Struktur des Ausschlusses und der Getrenntheit erzeugte die Logik der Exklusion.“
Ist das Eigentum wirklich ein Kernproblem?
Ich meine, der Charakter des Eigentums würde sich in einer nicht-kapitalistischen, also “wertfreien” Zukunft, stark verändern. Anstatt sich in Verteilungskämpfen um Löhne und Eigentum aufzureiben, müssten Linke jetzt fordern, dass die globale Wirtschaft nach einem vernünftigen Plan heruntergefahren wird.
Laut Moishe Postone in Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft, S. 245ff. begründete Karl Marx in den Pariser Manuskripten von 1844, “daß nämlich das Privateigentum nicht die gesellschaftliche Ursache, sondern die Konsequenz entfremdeter Arbeit ist und deshalb die Aufhebung des Kapitalismus nicht nur die Abschaffung des Privateigentums, sondern auch die Abschaffung dieser spezifischen Form der Arbeit verlangt. (MEW 40, 530ff.) Er begründet diesen Standpunkt in den späteren Schriften mit der Analyse des spezifisch kapitalistischen Charakters dieser Arbeit. Allerdings kommt es dabei zu einer Modifizierung seines früheren Entfremdungsbegriffes. Denn jetzt wird die Entfremdung nicht auf ein Fremd-Werden im Sinne einer Entwendung des einstigen Eigentums der Arbeiter (das deshalb von ihnen zurück gefordert werden sollte) bezogen, sondern sie wird als Prozeß der historischen Konstitution einer gesellschaftlichen Macht und eines gesellschaftlichen Wissens verstanden, die sich nicht auf die unmittelbaren Potenzen und Fertigkeiten des Proletariats zurückführen lassen.”
KARL MARX
[DRITTES
MANUSKRIPT]
[Privateigentum und Arbeit]
||I| ad pag. XXXVI.‘ 1 1 5 1 Das subjektive Wesen des Privateigentums, das
Privateigentum als für sich seiende Tätigkeit, als Subjekt, als Person ist die
Arbeit. Es versteht sich also, daß erst die Nationalökonomie, welche die
Arbeit als ihr Prinzip erkannte – Adam Smith -, also nicht mehr das Privat-
eigentum nur mehr als einen Zustand außer dem Menschen wußte -, daß
diese Nationalökonomie sowohl als ein Produkt der wirklichen Energie
und Bewegung des Privateigentums (sie ist die für sich im Bewußtsein ge-
wordne selbständige Bewegung des Privateigentums, die moderne Industrie
als Selbst) zu betrachten ist, als ein Produkt der modernen Industrie, wie sie
andrerseits die Energie und Entwicklung dieser Industrie beschleunigt, ver-
herrlicht, zu einer Macht des Bewußtseins gemacht hat. Als Fetischdiener,
als Katholiken erscheinen daher dieser aufgeklärten Nationalökonomie, die
das subjektive Wesen des Reichtums – innerhalb des Privateigentums – ent-
deckt hat, die Anhänger des Geld- und Merkantilsystems, welche das
Privateigentum als ein nur gegenständliches Wesen für den Menschen wissen.
Engels hat daher mit Recht Adam Smith den nationalökonomischen Luther
genannt.’1161 Wie Luther als das Wesen der äußerlichen Welt die Religion,
den Glauben erkannte und daher dem katholischen Heidentum gegenüber-
trat, wie er die äußere Religiosität aufhob, indem er die Religiosität zum
innern Wesen des Menschen machte, wie er die außer dem Laien vorhandnen
Pfaffen negierte, weil er den Pfaffen in das Herz der Laien versetzte, so wird
der außer dem Menschen befindliche und von ihm unabhängige – also nur
auf eine äußerliche Weise zu erhaltende und zu behauptende – Reichtum
aufgehoben, d. h., diese seine äußerliche gedankenlose Gegenständlichkeit wird
aufgehoben, indem sich das Privateigentum inkorporiert im Menschen
selbst und der Mensch selbst als sein Wesen erkannt – aber darum der
Mensch selbst in der Bestimmung des Privateigentums wie bei Luther der
Religion gesetzt wird. Unter dem Schein einer Anerkennung des Menschen
ist also die Nationalökonomie, deren Prinzip die Arbeit, vielmehr nur die
konsequente Durchführung der Verleugnung des Menschen, indem er selbst
nicht mehr in einer äußerlichen Spannung zu dem äußerlichen Wesen des
Privateigentums steht, sondern er selbst dies gespannte Wesen des Privat-
eigentums geworden ist.
Ich schreibe ja gar nicht, dass das Eigentum das Kernproblem ist. Es ist für die Exklusionslogik in jedem Fall unabdingbar, insbesondere, um den Ausschluss der jeweils Anderen von der Verfügung über Konsum- und Produktionsmittel sicher zu stellen. Weil es unabdingbar ist, wird eine nicht-kapitalistische Gesellschaft darauf nicht bauen können, sondern es aufheben und die Verfügung über die Mittel anders organisieren – wie, deute ich im Text an.
Ja, nur leider sieht die halbe Menschheit das (Privat-)eigentum als das Kardinalproblem an. All der Neid, all die Missgunst…
Der Text von Marx ist der Hammer, oder nicht?
Ich bin überzeugt, dass sich der Charakter des Eigentums in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft stark verändern würde. Beispiel Coca-Cola:
Wie, wenn das gesammelte produktive Wissen der Menschheit nach dem Kapitalismus frei im Internet zur Verfügung gestellt würde, anstatt wie jetzt in den Safes der Fabriken zu verkümmern? Dann würden auch die Wirtschaftsbteilungen der Geheimdienste obsolet. Warum muss das Geheimnis von Coca Cola um jeden Preis gehütet werden? Warum in Gottes Namen muss es das EIGENTUM einer einzigen Fabrik sein? Selbstverständlich sagen viele Zeitgenossen, weil Coca Cola mit seinem einzigartigen Brauserezept weiter Geld verdienen will. Ja, es geht nämlich in erster Line darum, Geld zu verdienen, und nicht etwa darum, die Menschen mit einer leckeren Brause glücklich zu machen. In einer vernünftig eingerichteten Welt würde das Rezept von Coca Cola frei zugänglich für jeden Erdenbürger. Dann könnten sich Cola-Liebhaber aus Leitungswasser, CO2 und dem Rezept überall auf der Welt leicht die Cola selbst herstellen.