Die Welt der Commons
Die Commons sind ein Buch. Ein Buch? Drei, sagt Silke Helfrich, und legt nun das zweite in der Reihe vor — zusammen mit David Bollier und der Böll-Stiftung: Die Welt der Commons — Muster gemeinsamen Handelns. Aus der Ankündigung:
Die Logik des Kapitalismus heißt teilen. Nur teilen darin nicht die Menschen, sondern sie werden geteilt. Es ist daher problematisch, Commons in kapitalistischen Kategorien zu erklären. Wer die Welt der Commons betritt, begegnet einer anderen Logik, einer anderen Sprache und anderen Kategorien. Nach »Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat« (2012) erkunden in diesem Band Autorinnen und Autoren aller Kontinente die anthropologischen Grundlagen der Commons und stellen sie zugleich als konkrete Utopien vor. Sie machen nachvollziehbar, dass alles Commons sein oder werden kann: durch Prozesse geteilter Verantwortung, in Laboratorien für Selbstorganisation und durch Freiheit in Verbundenheit. Commoners realisieren, was schon heute machbar ist und morgen selbstverständlich sein wird. Das zeigen über 40 Beispiele aus aller Welt. Dieses Buch erweitert unseren Möglichkeitssinn für die Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft.
Der letzte Satz…, naja, das Buch soll ja auch verkauft werden. Diesmal ist nichts Creative Commons? Alle Artikel werden auch online unter einer Creative Commons Copyleft-Lizenz erscheinen!
[Update] Am Donnerstag, 19. November 2015, 19:00 – 21:00 Uhr, wird das Buch in der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt.
In einen kurzen Interview stellt Silke das Buch vor:
Warum ein Buch zu diesem Thema?
Weil es ein Zukunftsthema ist: Was tun, wenn die Tragik des Marktes so offenbar wird wie die Hilflosigkeit des Staates in deren Angesicht? Meist fehlen dann praktische Ideen und theoretische Konzepte. Dieses Buch bietet beides an.
Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen gesellschaftlichen Debatten zu?
Die Bedeutung eines Schlüssels: zur konzeptionellen Verbindung von realer und digitaler Welt, von Markt- und Staatskritik, von Entwicklungsskepsis und sozialem Denken. Auf Neudeutsch wird hier ›out of the box‹ gedacht. In jedem Falle aber jenseits von Entweder-Oder.
Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Neue Visionen für unkonventionelle Lösungen in großem Maßstab! Nehmen wir den aktuellen VW-Skandal um die systematische Manipulation der Abgaswerte: Da gibt es die Möglichkeit, mehr staatliche Kontrollen zu fordern. Diese Logik ist uns vertraut. Commoners hingegen würden sagen: ›Wir brauchen einfach Open Source unter der Motorhaube‹. Das schafft Transparenz und schlägt nebenbei der Wettbewerbslogik ein Schnippchen. Dies ist nur eines von unzähligen Beispielen dafür wie die Perspektive der Commons die Sicht auf die Welt verändert.
Welche besonderen Aspekte kann die wissenschaftliche Betrachtung in die öffentliche Diskussion einbringen?
Das Ziel ist eher, die Commons aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm herauszuholen. Darum bemühen wir uns, indem wir Top-Wissenschaftler/-innen mit Praktiker/-innen aus aller Welt in einem Band miteinander verbinden.
Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit meinen Enkeln, die noch nicht geboren sind. Und dem Gespräch würde ich zuversichtlich entgegen sehen.
Ihr Buch in einem Satz:
In einem Wort: Paradigmenwechsel.
„Der letzte Satz…, naja, das Buch soll ja auch verkauft werden.“
Diese Verbindung bleibt Dein Geheimnis.
„Diesmal ist nichts Creative Commons?“
Doch alles, laut Vertrag: CC BY SA, ich muss mal gucken, ob da im pdf ein Hinweis verloren gegangen ist.
Das Buch habe ich noch nicht, gucke dann aber auch gleich nach.
Es wird auch wie das letzte Mal komplett online gehen.
Gruß
Silke
Ah, danke für die Info zu Creative Commons. Im PDF habe ich nur das (c) gefunden.
Der letzte Satz: Zuerst ist von anderen Kategorien die Rede, die nötig seien, und dann werden doch wieder die alten benutzt. Jenseits vom Markt die Wirtschaft gestalten? Das ist einfach ein Widerspruch, und der letzte Satz versöhnt nach meinem Eindruck die paradigmatische Kritik im ersten Teil mit jenen potenziellen Leser/Käufer*innen, denen die grundsätzliche Kritik zu weit geht. Alte Geschichte 🙂
ja, die oikonomia, sozusagen. Ich habe schon mit Benni eine Debatte darüber auf twitter, weil wir „Tausch-Commons“ schreiben. Tja, wie wäre das, ein Tausch-Commons. Da müssen wir halt weiter drüber nachdenken. Menschen werden ja nicht aufhören, Dinge zu tauschen. Nur muss es kein Warentausch-Commons sein oder kein Äquivalententausch-Commons.
Ich würde mir da etwas mehr Offenheit wünschen, dass das Wort Tausch nicht nur als marxistischer Begriff verstanden werden muss.
Aber was Anderes: Hier der Copyrighthinweis:
„1. Auflage: transcript Verlag, Bielefeld 2015
Dieses Werk erscheint unter der Creative-Commons-Lizenz „BY SA 3.0
unported“: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/“
Das mit dem pdf lasse ich prüfen.
Ich würde mir da etwas mehr Offenheit wünschen, dass das Wort Tausch nicht nur als marxistischer Begriff verstanden werden muss.
Das „Tausch“ ein marxistischer Begriff sein könnte, ist mir noch gar nie eingefallen, und jetzt wo ich das lese, frage ich mich ganz generell, was ein marxistischer „Begriff“ sein könnte.
Sind Wörter, die K. Marx verwendet hat, marxistische Begriffe?
Guter Einwand von Rolf, Tausch ist kein marxistischer Terminus, eher schon Äquivalententausch. Kern des Tausches ist die Kopplung von Geben und Nehmen (auch nicht-äquivalent). Ein Tausch-Commons ist ein Widerspruch in sich. Beitragen statt Tauschen zeichnet Commons aus. Davon unabhängig ist die Frage wie sich Gaben und Entnahmen im Mittel die Balance halten ohne eine Kopplung von beidem einzufordern. Wenn es keinen Kopplungszwnag gibt, werden Menschen ganz schnell aufhören zu tauschen – wäre meine Gegenthese, Silke.
Die Herkunft des Wortes ist übrigens auch maximal unschön: »Das neuhochdeutsche Verb tauschen geht zurück auf das mittelhochdeutsche tuschen in der Bedeutung von unwahr reden, lügnerisch versichern, anführen«, sagt Wikipedia. Das passt schon.
@RolfTodesco „Das „Tausch“ ein marxistischer Begriff sein könnte, ist mir noch gar nie eingefallen“
… deswegen habe ich ja geschrieben, „verstanden werden muss“.
Meine Wahrnehmung ist, dass das Verständnis „Tausch = Äquivalententausch = Warentausch“ hier als einzige Bedeutung diskutiert wird und das führt dann zumindest zu mangelnder Phantasie.
@Stefan ich kenne das Argument.
Aber mir reicht es nicht zu sagen: „entkoppeln“, schon gar nicht mitten im Kapitalismus (schließlich diskutieren wir, gerade in dem Kapitel, Hybride…): Wir müssen beschreiben, wie die Beziehung dann gestaltet ist, nach welchen Prinzipien, nach welcher Logik und – sorry – es ist nie nur eine Beitragens-Beziehung. Ich bin zwar keine Anthropologin oder Wirtschaftshistorikerin, aber um Reziprozität kommen wir nicht herum, wie mir scheint.
https://www.youtube.com/watch?v=db7li_TMJ0M
Tausch-Commons, heißt erstmal nichts anderes als das da Leute versuchen, ihre Austauschbeziehungen nach anderen Prinzipien zu gestalten und damit Erfahrungen machen. Ich jedenfalls maße mir nicht an, den Leuten in Mombasa (das ist ein Beispiel aus dem Buch/ Bangla-Pesa) zu sagen: So, wie Ihr versucht, die Kontrolle über Eure TauschBEZIEHUNGEN in die eigenen Hände zu nehmen, ist es nicht richtig.
PS: ich gestehe, ich bin etwas genervt: Gestern habe ich die Einladung rumgeschickt. Sekunden später kriege ich von Benni gleich ein „Tausch-Commons :-(“ auf twitter (es hätte ja auch ein: „Oh Rosa Luxemburg ist auch dabei“ sein können) und von Stefan (DANKE natürlich für die schnelle Veröffentlichung!) ein „Wirtschaft“ … „na ja, da Buch soll verkauft werden“.
Nur der Vollständigkeit halber. Das Buch wird komplett online gehen, wie das letzte auch: Es wird sogar gegen meinen Willen, für Null-Euro als E-book verfügbar sein (ich war dagegen, weil Commons eben nicht heißt „kostenlos“ und weil ich einen symbolischen Beitrag gut gefunden hätte). Soviel zur konkreten Praxis, die die Dinge aus dem Markt zu nehmen und Geben und Nehmen zu entkoppeln. Ich finde es großartig, dass transcript das macht.
Mir ging das einfach zu schnell, zu reflexartig. Und damit gut jetzt, ich kenne die Debatte und die Argumente. Wir haben zwar um jeden (Unter-)Titel gerungen, aber ich kann in der Breite, wie wir die Diskussion abbilden und „zusammenbinden“ gut dazu stehen, dass wir diskutierbare Termini in die Welt werfen.
Und gewiß gibt’s bei anderen Ansätzen/Vorschlägen aus dem Buch mehr Einigkeit.
@Silke: Ok, dann beschreibst du die Realität und gut ist. Aber das erzeugt keine neuen Erkenntnisse und außerdem habt ihr einen paradigmatischen Anspruch formuliert. Und drittens gilt doch der Satz, dass das ein Commons ist, was wir dazu machen. Wenn du das ernst nimmst, dann _musst_ du klare Kriterien entwickeln, und Beitragen statt Tauschen ist so eines. Mit diesen Kriterien guckst du dir die Praxis an (idealerweise deine eigene) und stellst fest: Wir erfüllen das Kriterium in dieser oder jener Hinsicht, in dieser oder jener Hinsicht aber eben nicht. Das festzustellen ist doch nicht verwerflich, sondern unbedingt erforderlich, um zu lernen. Deswegen kann man sehr wohl sagen, wenn ihr eure Tauschbeziehungen in die eigenen Hände nehmen wollt, dann ist das ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber der Schritt verbleibt im Tauschparadigma. In solidarischen Beziehungen sollte doch so eine Kritik möglich sein? Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern um kollektives Lernen.
Den Tausch in die Commons begrifflich einzugemeinden gäbe ihre Qualität auf.
Und am Rande: Um Reziprozität kommt niemand irgendwo rum. Diese Aussage ist als solche ist leer. Die Frage ist doch, wie die Reziprozität bestimmt ist, ob positiv (wie beim Beitragen) oder negativ (wie beim Tausch).
ähhh … ich wollte nicht stören, ich habe keine Ahnung von Commons, ich werde nur immer hellhörig, wenn von K. Marx und seiner „Theorie“ die Rede ist.
Ich kann mich gerade nicht erinnern,, dass K. Marx (wobei ich eigentliche nur das Kapital meine), etwas gegen das Tauschen geschrieben hat. Wirklich problematisch ist nur der Tausch gegen Lohn, was Kapitalismus ausmacht. Das Kapital lese ich als Kritik, nicht als Utopie. Über Commons habe ich dort vielleicht deshalb nichts gelesen?
Und wenn mir jemand helfen mag, kann er mir gerne sagen, was K. Marx wo zu Commons geschrieben hat.
@Rolf: Kapital, Band 1, Kapitel 24: Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation. Es könnte auch heißen: Die Einhegung der Gemingüter (enclosure of the commons). Es geht also um die Zerstörung der Commons, nicht um eine Utopie.
@RolfTodesco: I wo, Du störst nicht. Überhaupt nicht. Deswegen habe ich ja auch mein Unbehagen und wo es herkommt gleich offengelegt. 🙂
@Stefan: wie gesagt, ich kenne die Argumente. Im framing wirst Du dann finden, dass wir nicht sagen: „alles Beispiele im Buch sind reine Commons“ und wir schreiben auch nicht unter jedes Beispiel, was wir persönlich davon halten.
Und natürlich ist Kritik nicht nur möglich, sondern auch erwünscht. Das können wir dann gern an konkreten Texten vertiefen.
@Stefan, die Angabe hilft mir nicht so recht: Ich finde weder „Allmend“ (falls das gemeint war) noch „Gemeingut“ im Sachregister und müsste deshalb das ganz Kapitel lesen, um zu finden, was gemeint sein könnte.
Meine Vermutung ist aber die Allmend und darin kann ich beim besten Willen kein Nicht-Tausch-Common erkennen. Schon gar nicht, dass da jemand etwas gibt …
Und im Sinne einer historischen Entwicklung ist die Allmend eine zerstörte Vergangenheit, die kaum wiederhergestellt werden möchte. (Aber nochmals, ich weiss nicht, was Commons sind)
@Rolf: Such mal direkt nach „Commons“. Aber klar, dort wirst du keine Erklärung der Commons finden, das war nicht Marx‘ Frage. Die musst du gewissermaßen mitbringen. Hier findest du viel dazu, darunter auch sehr grundsätzliche Texte: http://keimform.de/category/commons/
Und natürlich in den Commons-Büchern 🙂
@Stefan – vielleicht interessiere ich mich (auch dank Keimform) später auch für Commons. Im Moment aber ging es mir mehr um Marx – und da natürlich um Tauschen (weil das HIER angesprochen wurde).
Ich hab mir Deinen Link jedenfalls schon mal gemerkt 🙂
Habe ich was übersehen? Ich kann die PDF-Version nicht finden. Auf der verlinkten Verlagsseite gibt es die Links „Leseprobe“ und „PDF“. Jedoch verweisen beide auf dieselbe PDF-Leseprobe, nicht das Buch. Wer es hat und irgendwo hochladen will, möge das bitte tun. Dank CC-Lizenz ist das risikolos möglich.
@libetär: Du hast nichts übersehen. Der Verlag wird erst nach und nach die PDFs der Artikel zur Verfügung stellen (so hab ich’s verstanden).
Es wird ein pdf geben und ein e-book, beides kostenfrei, aber wohl noch nicht produziert (jedenfalls habe ich das noch nicht gesehen). Derzeit ist Buchmesse (das Buch kam wohl einen Tag vorher aus der Druckerei) und gerade habe ich erfahren, dass noch nicht mal die Rezensionsexpemplare raus sind, würde mich also noch etwas in Geduld üben.
Wann und ob Richard die Übertragung auf diese Seite schafft, wo dann auch die einzelnen pdfs stehen könnten, weiss ich nicht nicht. http://band1.dieweltdercommons.de/
Das ist ja viel Arbeit.
Am Donnerstag, 19. November 2015, 19:00 – 21:00 Uhr, wird das Buch in der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt.
Die letzten Tage wurde das Buch als .epub veröffentlicht. CC BY-SA. in der rechten Spalte unter Open Access.
Das PDF vom transcript-verlag ist noch nicht online.
Ich bin noch am werkeln. Wenn alles gut läuft
steht die Webseite Ende November für das 2. Band online. unter
http://band2.dieweltdercommons.de