Commons als Grundlage einer neuen Produktionsweise
Das ist der Titel meines Vortrags bei der COM’ON-Tagung am 10.12.2011 in der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Da die Audio-Aufzeichnung vor Ort misslang, habe ich den Text neu eingesprochen, um daraus den folgenden Slidecast (Folien + Ton) zu erzeugen.
Einige Bilder von der Veranstaltung gibt’s in der Zukunftswerkstatt Jena.
Ich erlaube mir mal eine formale Anmerkung (über den super-komprimierten Inhalt haben wir ja in den letzten Jahren schon reichlich hin- und hergemailt): Mir gefällt Dein neues Layout. Es lebe das Schlichte!
(PS. nur warum es nötig ist, die zweite „Fortschrittsstufe“ von Marx zu zitieren, verstehe ich nicht so recht. Ich erinnere mich an das Fortschrittsmodell, mit dem ich aufgewachsen bin. Es geht spiralförmig immer nach oben. Da ist mir die Keimformthese viel lieber. Es braucht 15 % bis zum Kipppunkt.)
Schön, dass dir das Layout gefällt, es war ein Experiment. Könnte mehr draus werden.
Unabhängig von der Bewertung: Die zweite Stufe, der Kapitalismus, existiert ja nun mal, den konnte Marx wohl kaum auslassen und wir doch auch nicht. Die Keimform-These steht da auch nicht im Gegensatz zu Marx, sondern befasst sich mit der Frage, wie man von zwei nach drei kommt. Oder warum meinst du sollte man die zweite Stufe „auslassen“?
Was hat es mit den 15% bis zum Kipppunkt auf sich?
Deine Charakterisierung der Ware finde ich falsch.
Erstens: Ware zu fassen als eine Form, uns und unsere Lebensbedingungen herzustellen, ist verkehrt. Sondern: Ware ist die Weise, wie die Macht über unsere Lebensbedingungen in private Hand einiger gelegt ist und so unsere Lebensbedingungen dem privaten Nutzen einiger weniger dienstbar gemacht werden.
Zweitens: Waren werden nicht in dem Sinne vermittelt, dass ein Abgleich mit Bedürfnissen statt fände. Bedürfnisse zählen von sich aus gar nichts, sondern kommen erst dann in Betracht, sofern sie über Geld verfügen. Also geht es auch nicht um Bedürfnisse und also auch nicht um ein Abgleich mit diesen. Sondern es geht drum, sich Geld anzueignen. Und dafür werden die Bedürfnisse des Käufers, die qua Gewalt des Privateigentums vom Produkt ihrer Befriedigung getrennt sind, ausgenutzt als Schwachpunkt des potentiellen Käufers und damit als Mittel des Verkäufers, dem Käufer zum Rausrücken seines Geldes zu erpressen.
Drittens: Der Punkt am Markt ist deshalb auch nicht, dass bloß indirekt vermittelt wird. Das Geld ist nicht das indirekte Mittel zum Bedürfnisabgleich. Sondern am Markt wird ganz direkt das erledigt, worum’s geht: Das Verwandeln der produzierten Ware in Geld und damit in Privat-Macht über die Lebensbedingungen der Gesellschaft.
Viertens: Es stimmt nicht, dass bei der Herstellung der Ware sie als Produkt und bloß bei der Verteilung sie als Wertding zählt. Sondern sowohl bei der Herstellung als auch bei der „Verteilung“ (die es, genau genommen, gar nicht gibt: Waren werden nicht „verteilt“, sondern verkauft!) zählt die Ware als Wertding – ihre Produkteigenschaft ist jeweils bloße Voraussetzung, bloßes Mittel dafür. Die ganze Produktion, also die ganze Herstellung ist darauf ausgerichtet, sie zu einem Wertding zu machen: Automatisierung, Intensivierung und Extensivierung der Arbeit usw. – das alles gilt der Ware als Wertding und nicht der Ware als Produkt.
@anmerkung: Danke für deine Kritik, zu der ich das folgende anmerken möchte:
Zu 1) Dein „sondern“ ist kein Widerspruch, sondern eine Bewertung der Art und Weise, unsere Lebensbedingungen so, also in Warenform, herzustellen. Die Bewertung selbst finde ich einseitig, weil du diejenigen vergisst, die ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen müssen, weil sie nur so ihre Existenz sichern können. Ohne diese Warenbesitzer läuft jedoch gar nichts.
Zu 2) Obwohl du mir widersprichst, widersprichst du mir nicht. Unterm Strich kommt ein Abgleich mit Bedürfnissen heraus. Anders würde Kapitalismus nicht funktionieren. Dabei ist weder gesagt, dass alle Bedürfnisse befriedigt werden, noch, welche Bedürfnisse das sind oder gar, dass das Ziel des Kapitalismus die Bedürfnisbefriedigung wäre. Das Ziel ist die Geldvermehrung, das ist doch klar. Und dass es sich um sachliche Abhängigkeitsverhältnisse handelt, wusste schon Marx (zitiert).
Zu 3) Die Vermittlung der Bedürfnisse über den Markt ist eine Indirektion, ein Umweg. Das war die Aussage. Dass die Wertverwertung auf dem Markt direkt erledigt wird, ist eine andere Sicht, eben die der Verwertung. Meine Perspektive war die der Gesellschaft.
Zu 4) Verteilung ist ein anderes Wort für Distribution. Verteilung ist im Kapitalismus gleichbedeutend mit Verkauf. Dass die Produktion auf die Verwertung ausgerichtet ist, liegt auf der Hand. Doch bei der konkreten Herstellung ist die Ware sinnliches Ding, zählen die physischen, haptischen, optischen usw. Eigenschaften. Verkauf klappt eben nur, wenn es auch einen Gebrauchswert gibt oder zumindest einer versprochen wird, denn die Käufer_in interessiert genau das.
@Stefan:
Zu 1) Nein, das „Sondern“ ist keine Bewertung, sondern ein sachliches Urteil, mit dem ich Deinem sachlichen Urteil widerspreche. Der Widerspruch ist der: Es stimmt zwar, dass bei der warenfoermigen Produktion am Ende manchmal auch eine Produktion der Lebensbedingungen rauskommt, aber darum geht es bei der warenfoermigen Produktion nicht. Und oft genug ist es gerade die warenfoermige Produktion, die Lebensbedingungen zerstoert, statt sie herzustellen. Insofern bestimmst Du die Ware mit etwas (Herstellung von Lebensbedingungen), das nicht das ist, was die Ware ausmacht.
Inwiefern ich die Arbeiter vergesse, ist mir nicht klar.
Zu 2) Wo ist denn der Abgleich mit Beduerfnissen, wenn Obdachlose nicht in, sondern draussen vor lehrstehenden Wohnungen schlafen. Oder ihr Essen nicht im Supermarkt in den ueberquellenden Regalen, sondern davor im Muelleimer suchen? Und auch bei den Leuten, die im Laden rumlaufen: Die gleichen nicht ihre Beduerfnisse mit den Waren ab, sondern die gleichen den Preis der benoetigten Waren mit ihrem Geld ab und am Ende kommt raus, dass lauter Beduerfnisse, zu denen die passenden Waren auch im Regal stehen, unbefriedigt bleiben (und die Waren im Regal). Am Ende werden sogar auch noch Beduerfnisse befriedigt mit Waren, ja, aber darum ging es eben bei dem ganzen Verkaufen und Kaufen ueberhaupt nicht.
Jetzt sagst Du: „Das Ziel ist die Geldvermehrung, das ist doch klar.“ In Deinem Vortrag ging’s allerdings darum nicht, sondern da hast Du gesagt, dass (auch) bei warenfoermiger Produktion Arbeit getan wuerde um Produkte herzustellen, die dann mit Beduerfnissen vermittelt wuerden. Und das klingt sehr wohl nach Beduerfnisbefriedigung als das, worum’s im Kapitalismus geht.
Zu 3) Okay, Deine Perspektive ist die der Gesellschaft. Dann solltest Du aber sagen, dass eben das NICHT die Perspektive im Kapitalismus ist. Da ist der Wert die „Perspektive“ und alles andere wird dem untergeordnet und unter die Bedingung gesetzt, dass es dafuer nuetzlich ist. Lebensbedingungen werden je machdem, wie es fuer den Wert nuetzlich ist, hergestellt oder auch zerstoert (z.B. wenn beim Oelfoerdern Landstriche versaeucht werden, wenn bei der Elektro-Muellentsorgung in Afrika Menschen vergiftet werden usw usf.) Und eben dieser Gegensatz kommt bei Deinem Vortrag ueberhaupt nicht raus. Sondern bei Dir kommt raus: Auch Kapitalismus ist eine Form, wie man Lebensbedingungen herstellt.
4) „Verteilung ist im Kapitalismus gleichbedeutend mit Verkauf.“ Nein, Verteilung ist was anderes als Verkauf. Verteilung unterstellt, dass es irgendwie drum geht, dass die Produkte zu ihren Beduerfnissen kommen. Darum geht’s beim Verkauf aber nicht. Und wenn zwar Beduerfnisse, aber kein Geld, vorhanden sind, dann verhindert der Wert der Ware die Verteilung. Wenn dann jemand die Verteilung in die Hand nehmen wuerde, wuerde er mit Gewalt an der Verteilung gehindert.
„Doch bei der konkreten Herstellung ist die Ware sinnliches Ding, zählen die physischen, haptischen, optischen usw. Eigenschaften.“
Aber WIE zaehlen die denn? Doch eben nur als Voraussetzung fuer den Wert. Wenn der Kapitalist sich bei der Produktion keinen Wert verspricht, dann unterbleibt die Produktion dieses bestimmten Produkts doch. Die haptischen usw. Eigenschaften zaehlen fuer sich also gar nichts. Sondern auch bei der Produktion ist das bestimmende, nach dem sich alles zu richten hat, der Wert.
Uebrigens: Genauso, wie Du sagst, dass bei der Produktion die haptischen usw. Eigenschaften zaehlen, koenntest Du auch sagen, dass die beim Verkauf zaehlen. Insofern stimmt Deine Aufspaltung: Produktion – Produkt, „Verteilung“ – Wert so oder so nicht.
@anmerkung: Also wenn ich unsere Differenz richtig verstehe, dann ist es die Frage, worum es »bei der Warenproduktion geht«. Diese Formulierung verstehst du im Sinne einer Intention, einer Absicht, eines Ziel. Richtig? Folglich sagst du, die Warenproduktion habe nicht die Produktion der Lebensbedingungen zum Ziel. So kann ich das verstehen.
Mir geht es jedoch bei der Frage, worum es »bei der Warenproduktion geht« zunächst darum, was sie ist, und zwar ganz allgemein. Und meine Antwort lautet: Sie ist eine historisch-spezifische (entstandene und vergehende) Form, die Lebensbedingungen zu produzieren — wie alle Gesellschaftsformen vor ihr (und nach ihr). Und als Gesellschaftsform leistet sie das auch, sonst würden wir hier nicht diskutieren können. Gesellschaft und Lebensbedingungen produzieren sind aus meiner Sicht identische Ausdrücke. Gesellschaft endet dann, wenn keine Lebensbedingungen mehr produziert werden, weil dann auch keine Menschen mehr da sind. Dies ist unabhängig von der Form der Gesellschaft, unabhängig davon, wie gut sie das tut, ob das ihr intrinsisches Ziel ist usw. Keine der historischen Gesellschaftsformen bisher hatte die Produktion der Lebensbedingungen in der Weise zu Ziel, dass alle Menschen ihre Bedürfnisse maximal befriedigen können. Eine solche Gesellschaftsform wäre erst noch zu schaffen.
Wenn du nun danach fragst, »was die Ware ausmacht«, dann ist die Tatsache des Lebensbedingungen-produzieren nicht ihre Besonderheit, sondern ihre Allgemeinheit, die sie mit anderen Formen gemein hat (auch mit Commons). Dito die Verteilung, die über den Markt geschieht (Kauf und Verkauf).
Nun noch zu einzelnen Punkten:
Du hast die Arbeitskraftverkäufer nicht als Warenverkäufer genannt. Ohne die angewandte Ware Arbeitskraft geht jedoch keine Verwertung.
Ja.
Ja. Ohne Bedürfnisbefriedigung keine Verwertung. Auch wenn das nur ein Beiprodukt sein mag: Es ist zwingend erforderlich.
Ja. Siehe oben.
Ja. Also zählen sie. Ohne Gebrauchswert geht’s nicht.
Ich gewinne den Eindruck, dass du mir vorwirfst, dass ich den Kapitalismus nicht genug bashe. Ok, hier: bash, bash, bash. Bash. Vor lauter Bashing sollten wir ihn aber auch nicht dämonisieren, denn er ist am Ende nur eine historische und damit vergehende Form, die Lebensbedingungen herzustellen. Eine Form, die wir machen, also auch aufheben können. Wir können wesentlich bessere schaffen.
Stefan:
15 % … das ist so eine Zahl in meinem Kopf (welcher Theorie sie zuzuordnen ist weiss ich nicht. Weiss das jemand?). Sie macht deutlich, dass wir keine absolute Mehrheit brauchen, bis sich was verändert. Wenn viele kleine Systeme kippen (z.B. 15 %), dann kippt automatisch das Große. Deswegen ist es ja so wichtig, Freiräume und Experimente und Projekte aller Couleur zu fördern.
Hier noch ein Lesetipp:
http://www.sein.de/gesellschaft/zusammenleben/2011/kritische-masse-10-prozent-fuer-ein-neues-paradigma.html
Zum Kapitalismus: Eben nicht „unabhängig von der Bewertung“ – Marx hat das als Fortschritt begriffen und das kann man auch mal kritisieren. Ich denke, dem Thema würde es gut tun, es nicht so unkommentiert einzuordnen als passe alles ganz genau in das Marx’sche Denken, als bewegten wir uns tatsächlich von Entwicklungsstufe zu Entwicklungstufe immer nach oben (in die bessere Welt). Historisch determiniert.
Aber ich habe dann gedacht: Ist auch unwichtig. Man passt Vorträge ja dem Publikum an und auf dieser Tagung war das sicher angemessen.
@Stefan:
Ja, bzw., was sie ist.
Mal eine Analogie: Ein Auto, wie auch ein Haus oder ein Zelt, ist ein Gegenstand, aus dem man rausschauen kann. Dass man rausschauen kann, ist notwendig und Autos leisten dies auch tatsächlich. Auto, Haus und Zelt sind verschiedene besondere Formen der Allgemeinheit von Gegenständen, aus denen man rausschauen kann. Unterscheiden tun sich die Besonderheiten in der Größe und im Material ihrer Fenster.
Wärest Du mit so einer Bestimmung von „Auto“ einverstanden? Ist mit „man kann rausschauen“ das Allgemeine am Auto getroffen?
Wohl eher nicht. Denn die Fenster sind zwar ein notwendiges Moment, aber eben nicht das, worum es beim Auto (oder beim Haus) wesentlich geht. Zu sagen, „hat Fenster“ sei die allgemeine Bestimmung von Auto, Haus und Zelt (immerhin haben die alle Fenster) ist daher auch eine falsche Verallgemeinerung. Und genauso wenig trifft „stellt Lebensbedingungen her“ eben die Warenproduktion, auch wenn die Herstellung von (bestimmten!) Lebensbedingungen ein notwendiges Moment der Warenproduktion ist und auch, wenn sie dies sogar mit Commons gemein hat.
Also zumindest die Warenproduktion hat nicht nur keine maximale Bedürfnisbefriedigung zum Ziel, sondern sie hat dieses Ziel überhaupt nicht. Sie hat das Ziel, Privatreichtum zu akkumulieren. Dafür beutet sie Lohnabhängige aus und stellt diese her, stellt also unweigerlich auch irgendwelche Lebensbedingungen her. Aber eben bloß als Mittel zum Zweck, wie auch Fenster im Auto bloß Mittel zum Zweck sind und nicht das, was am Auto das bestimmende ist.
Stimmt, aber trotzdem sehe ich nicht, inwiefern das meiner Bestimmung von Warenproduktion widerspricht oder sie einseitig oder unvollstädnig macht.
Vieles ist bei vielem zwingend erforderlich, ohne dass diese Erfordernisse die Bestimmung der Sache sind. Siehe die Fenster beim Auto.
Dein Fehler ist, dass Du Voraussetzungen („ohne x nicht y“) oder Bedingungen mit Identität verwechselst und dann verkehrte Verallgemeinerungen machst. Eine Sache ist aber nicht identisch mit ihrer Voraussetzung oder ihren notwendigen Erfordernissen. Und wenn zwei Sachen eine dritte Sache gemein haben, dann ist die dritte Sache noch lange nicht die allgemeine Identität der beiden Sachen.
Nein. Ich sage, dass Du den Kapitalismus sachlich nicht korrekt bestimmst. Tatsache ist allerdings, dass wenn man den Kapitalismus sachlich korrekt bestimmt, er wesentlich mehr gebasht ist, als wenn man ihn so (mangelhaft) bestimmst, wie Du es tust.
Bei Deiner Bestimmung des Kapitalismus weiß ich tatsächlich nicht, warum Du ihn überhaupt überwinden (statt z.B. konstruktiv verbessern) willst. Immerhin stellt er (angeblich) Lebensbedingungen her, stellt Produkte her und verteilt sie und gleicht sie mit Bedürfnissen ab. Klingt ziemlich brauchbar.
@Silke#8: Bei 15% kippt auch das Große? — Kommt drauf an, was das Große ist. Wenn es die Produktionsweise ist, dann fürchte ich, gehört noch mehr dazu.
Es ist interessant, dass auch du die Marxschen drei Stufen als „historische Determination“ liest. Determination wodurch? In den drei Stufen ist das durchgehende Moment das Maß an Freiheit, und das kommt nicht einfach über uns, sondern muss von den Menschen durchgesetzt werden. Ist das jetzt eine Determination? Ich würde sagen: Den Drang nach Freiheit gibt’s tatsächlich, und Commons sind ein Ausdruck davon. Doch sie durchzusetzen nimmt uns kein historischer Prozess ab.
@anmerkung#9: Du redest an mir vorbei und nimmst Argumente nicht auf. Ich habe gerade keine neue Idee, das zu ändern. Lassen wir es also einfach stehen.
@Stefan:
Bisschen billig, oder?
Wenn Du keine Lust hast zu argumentieren oder Dir Deine Meinung heilig ist und Du nicht bereit bist, sie zu aendern – okay. Aber dass ich Deine Argumente nicht aufgenommen haette, stimmt nicht.
Dein Argument war im wesentlichen: Warenproduktion stellt Lebensbedingungen her, also IST Warenproduktion, ganz allgemein, die Herstellung von Lebensbedingungen.
Das habe ich aufgenommen und dem entgegengesetzt: Ein Auto hat Fenster, also IST ein Auto, ganz allgemein, dass es Fenster hat.
Und auch nochmal den allgemeinen Fehler erklaert.
Du gibst ja sogar zu, dass es gar nicht das intrinsische Ziel der Warenproduktion ist, Lebensbedingungen herzustellen oder Beduerfnisse zu befriedigen. Trotzdem haelst Du ausgerechnet diesen Aspekt hoch und sagst: DAS ist Warenproduktion.
Genausogut koennte ich irgendeinen x-beliebigen anderen Aspekt von Warenproduktion hochhalten und sagen: DAS ist Warenproduktion.
Eine korrekte Bestimmung ist das nicht.
Vielleicht noch ein Argument von Dir war, dass Lebensbedingungen herstellen eben das ALLGEMEINE an der Warenproduktion ist, das sie mit anderen Gesellschaftsformen gemein hat. Aber auch hier: Bloss weil eine Sache was mit einer anderen gemein hat, sind die beiden Sachen nicht dadurch bestimmt, auch nicht allgemein, dass sie dieses dritte sind. Nur weil Auto und Haus Fenster haben, ist nicht Fenster die allgemeine Bestimmung von Auto und Haus.
So, bitte, wo habe ich Deine Argumente nicht aufgenommen?
@anmerkung: Du hast mein zentrales Argument, dass jede Gesellschaft die Lebensbedingungen herstellt, nicht aufgenommen (bis zu deinem letzten Kommentar). Da du also von Nicht-Gesellschaften sprichst, ich aber von Gesellschaften, fehlt die gemeinsame Grundlage einer weiteren Diskussion.
Auch mit dem letzten Kommentar weist du diese allgemeine Bestimmung jeder Gesellschaft zurück. Du verwendest dafür eine Analogie. Analogien erklären jedoch nichts, sie illustrieren nur bereits Erklärtes. Ich könnte mir also ebenso eine Analogie für meine Position ausdenken, die aber meinen Standpunkt ebenso wenig erklärt, sondern nur veranschaulicht.
Also nochmal zusammenfassend mein Standpunkt: In jeder Gesellschaft werden die Lebensbedingungen durch die Menschen hergestellt. Dies tun sie in einer bestimmten sozialen Form. Die soziale Form ist die Art und Weise wie Produktion und Bedürfnisse vermittelt werden, manchmal auch Vergesellschaftung genannt. Diese Bestimmung gilt voll umfänglich auch für die Warenproduktion, denn dabei handelt es sich um eine mögliche Produktionsweise. Damit ist nichts über ihre bestimmenden Momente ausgesagt, auch nichts darüber, wie gut oder schlecht die Vermittlung gelingt, wieviel Menschen tatsächlich ihre Bedürfnisse befriedigen etc.
Auf dieser Grundlage kann man nun bestimmende Momente der jeweiligen Produktionsweisen und Gesellschaftsformen bestimmen. Das hat etwa Marx in dem von mir verwendeten Zitat getan: »persönliche Abhängigkeit« für vorkapitalistische Gesellschaften, »sachliche Abhängigkeit« für den Kapitalismus, »freie Individualität« für die freie Gesellschaft. Dem schließe ich mich an, auch wenn diese Kennzeichen noch sehr allgemein sind und der Aufführung bedürfen.
Dazu habe ich in meinem zeitlich sehr begrenzten Vortrag (15 Min) ein paar Ausführungen gemacht: getrennte Privatproduktion, Marktvermittlung, Geldvermehrung als Zweck, Verwertung der Ware Arbeitskraft, Entfremdung, Exklusionslogik etc.
Es ist richtig, du hast meine Argumente nicht gar nicht aufgenommen, bist aber über den zentralen Punkt hinweggegangen. Da du die allgemeine Grundlage von Gesellschaften nicht erfassen kannst, muss auch deine Bestimmung der Warenproduktion unangemessen sein — aus meiner Sicht (gilt für alle Aussagen). Worüber sollen wir also weiter reden?
@Stefan
Du schiebst mir einen anderen Standpunkt unter als den, den ich offenkundig vertrete. Ich zitiere mich mal selbst: „[Die Warenproduktion] stellt also unweigerlich auch irgendwelche Lebensbedingungen her.“ Ich habe auch geschrieben, dass „Lebensbedingungen herstellen“ ein Aspekt von Warenproduktion ist und sogar praeziser, dass es auf eine bestimmte Art das Mittel fuer den Zweck der Warenproduktion ist.
Dass Lebensbedingungen hergestellt werden und wir ueber Gesellschaften reden ist also unstrittig und das wird auch klar aus dem, was ich geschrieben habe.
Die Differenz dreht sich lediglich um die Frage, ob es wahr ist, dass alle Gesellschaften, insb. die Warenproduktion, besondere Formen derselben allgemeinen Bestimmung sind, dass da Lebensbedingungen hergestellt und Produkte mit Beduerfnissen vermittelt werden usw.; dass diese Produkt/Gebrauchswert/Beduerfnis-Perspektive also das allgemein bestimmende an allen Gesellschaften ist und z.B. die besonderen Formen der Warenproduktion Besonderheiten dieser allgemeinen Bestimmung sind.
Da sagst Du ja (bzw. bist etwas widerspruechlich, siehe unten) und ich nein. Das ist alles und das koennte man diskutieren.
Stattdessen speist Du mich ab mit „Keine Diskussionsgrundlage“ und begruendest das mit falschen Unterstellungen darueber, was ich angeblich vertrete.
Nochmal kurz Deine widerspruechliche Argumentation:
Einerseits redest Du von dem Herstellen von Lebensbedingungen als eine
und sagst
und
Mit dem letzten Zitat machst Du auch noch mal deutlich, dass Du Beduerfnisbefriedigung fuer das allgemein bestimmende auch der Warenproduktion haelst. Denn wenn Du umgekehrt sagen wuerdest, dass es um Beduerfnisbefriedigung ueberhaupt nicht geht, dann waere es unagemessen darueber zu reden, wie gut das gelingt. „Gelingen“ (mehr oder weniger gut) unterstellt immerhin den Zweck, der da gelingen soll.
Auf der anderen Seite schreibst Du z.B., dass Du nicht meinst,
Wenn aber Beduerfnisbefriedigung bzw. Lebensbedingungen herstellen NICHT das Ziel des Kapitalismus ist, dann stimmt es auch nicht, dass Beduerfnisbefriedigung usw. das allgemein bestimmende von Warenproduktion, Commons-Production usw. ist, wovon die nur besondere Formen sind.
Danke! So was ist wirklich auch noch am abend super anzusehen, fast angenehmer als die Textform.
@anmerkung#15: Meine Argumentation erscheint dir nur deshalb widersprüchlich, weil du »allgemeine Bestimmung« und »das Bestimmende« zusammenmischst. Bei fast gleichen Worten geht es jedoch um geradezu gegensätzliche Bedeutungen: Eine »allgemeine Bestimmung« kennzeichnet das Allgemeine, nicht das Besondere; »das Bestimmende« meint jedoch das Besondere, das Wesentliche, nicht das Allgemeine. Ein »allgemein bestimmende(s)« gibt es nicht, jedenfalls nicht in dem Kontext.
Also nochmal der Absatz ohne Verwendung des Wortes »bestimmt« o.ä., ich hebe die neuen Worte hervor:
In jeder Gesellschaft werden die Lebensbedingungen durch die Menschen hergestellt. Dies tun sie in einer historisch besonderen sozialen Form. Die soziale Form ist die Art und Weise wie Produktion und Bedürfnisse vermittelt werden, manchmal auch Vergesellschaftung genannt. Diese Kennzeichnung gilt voll umfänglich auch für die Warenproduktion, denn dabei handelt es sich um eine mögliche Produktionsweise. Damit ist nichts über ihre wesentlichen Momente ausgesagt, auch nichts darüber, wie gut oder schlecht die Vermittlung gelingt, wieviel Menschen tatsächlich ihre Bedürfnisse befriedigen etc.
Besser verständlich?
Das hatten wir übrigens schon mal so ähnlich (»worum es bei der Warenproduktion geht«), siehe Kommentar #7.
Vielleicht reden wir ja doch beide über Gesellschaften. Ich hatte deine Aussage »Ware zu fassen als eine Form, uns und unsere Lebensbedingungen herzustellen, ist verkehrt« jedoch nicht so interpretieren können. Würdest du das immer noch so formulieren?
@Stefan
Das ist ein falscher Gegensatz, wuerde ich sagen. Eine Sache hat allgemeine und besondere Bestimmungen und da ist nicht das eine wesentlicher als das andere. Das Allgemeine ist nicht irgendein x-beliebiger unwesentlicher Aspekt, den die Sache zufaellig mit irgendwas anderem gemein hat und, auf der anderen Seite, das Besondere dann was mglw. ganz anderes, was die Sache wirklich ausmacht. Sondern: Das Besondere ist eine Besonderheit des Allgemeinen.
Dafuer stand meine Analogie. Man kann sagen, dass das Auto mit dem Haus das Allgemeine hat, dass es Fenster hat. Aber zu sagen: Ein Auto sei, allgemein, dass es Fenster hat, ist doch eine falsche (allgemeine) Bestimmung von Auto. Richtig waere sowas: Ein Auto ist ein Fortbewegungsmittel. DAS waere eine korrekte allgemeine Bestimmung, von der dann die Besonderheiten (im Gegensatz zu Zug, Bus, Flugzeug etc.) eben besondere Ausfuehrungen waeren.
Zur Warenproduktion: Natuerlich, wie gesagt, kann man sagen, dass auch im Kap. irgendwelche Beduerfnisse befriedigt und Lebensbedingungen hergestellt werden und dass er dieses mit allen Gesellschaftsformen gemein hat. (Genau wie mit dem Fenster beim Auto.)
Es zeigt sich aber, dass bei der Warenproduktion Beduerfnisbefriedigung oder „Lebensbedingungen herstellen“ nirgendwo als Ziel auftaucht. Die Besonderheiten der Ware sind gar keine besonderen Ausfuehrungen von Produktion zum Zweck der Beduerfnisbefriedigung usw. Es geht schlicht um was anderes.
Das meinte ich mit: „Ware zu fassen als eine Form, uns und unsere Lebensbedingungen herzustellen, ist verkehrt.“
Der Wert der Ware und der darauf basierende Tausch ist z.B. keine besondere Art und Weise, wie man den Gebrauchswert zu den Beduerfnissen bekommt. Ganz im Gegenteil: Der Wert und darauf basierende Tausch setzen voraus, dass die Beduerfnisse von den Produkten systematisch (und sogar mit Gewalt durchgesetzt) getrennt sind. Getauscht (und Beduerfnisse befriedigt) wird dann nur, sofern auf der einen Seite Geld vorhanden ist, ansonsten eben nicht bis hin dazu, dass Menschen vor vollen Regalen hungern. Und diese, mit Gewalt durchgesetzte, Trennung soll Teil einer (historisch) besonderen Form sein, wie man Produkte und Beduerfnisse vermittelt?
Leider sind wir immer noch im kapitalistischen Denkstrukturen gefangen.
In einer peer economy gibt es den Begriff der Ware nicht sondern nur Ressource.
Ressourcen begründen sich auf einem lebensnotwendigen Bedürfnis
Waren begründen sich aber auf suggerierten Bedürfnissen (Werbung)
Waren werden demnach erfunden und es wird jedem ein Verlangen danach suggeriert.
Diese Waren dürfen sogar in der peer economy überleben um einen Anreiz zu schaffen – sie wandeln sich in Ressourcen um.
Die Produktion wie sie sich heute darstellt, läuft auf ein immer größeres – mehr und mehr – hinaus um den größt möglichen Profit zu erzielen, ohne Rücksicht auf Natur, Umwelt und den Menschen (Gesellschaft).
Als negatives Beispiel „Kokain“. Ein sehr beliebtes Produkt – sogar ohne Werbung – höchster Profit, aber Kriege, Tote, Umweltzerstörung.
OPder Waffen, noch mehr Profit, noch mehr Tote, …
Lebensmittel – „lebensnotwendig“ – alle Skandale sind vergessen und der Raubbau an unserer Umwelt geht weiter (Überfischung).
Wir können alle einen anderen Weg gehen – nur wir müssen wollen.
Nicht 1% hat das sagen, sondern wir 7 Mrd.
@anmerkung#18:
Genau. Die Warenproduktion (Besonderes) ist eine Form, die Lebensbedingungen herzustellen (Allgemeines).
Deine Analogie hinkt: Die Frage ist immer der Bezug, also die Frage »allgemein« bezüglich was? Ist der Bezug »Anwendung von Fensterglas« (Allgemeines), dann sind Haus und Auto mögliche Anwendungen (Besondere). Ein Auto »als solches« kannst du nicht »allgemein« bestimmen. Implizit unterstellst du den Zweck des Autos (Fortbewegung) und erzeugst eine Karikatur, wenn du bzgl. dieses Zwecks auf das Fenster verweist. — Aber ich sagte schon: Analogien erklären nichts und widerlegen auch nichts. Es sind illustrative Konstruktionen.
Ok, du kannst dich also durchringen, anzuerkennen, dass im Kapitalismus Bedürfnisse befriedigt werden (irgendwelche) und Lebensbedingungen hergestellt werden. Ein Zweck oder Ziel zu unterstellen ist für diese Anerkenntnis nicht erforderlich. Folglich kannst du die glatt gegenteilige Aussage, nämlich, dass die Ware keine Form sei, die Lebensbedingungen herzustellen, nicht länger aufrechterhalten.
Den einen Satz verstehe ich allerdings nicht:
Keine »besondere«, sondern eine »allgemeine«? Bezüglich was? — Ist aber für den Kern des Disputs nicht so wichtig…
@Stefan:
Nein.
Wenn sich jemand fragt, was ein Auto ist (allgemein) und dann auf die Antwort kommt: Ein Auto ist eine Anwendung von Fensterglas. Dann spinnt der.
Doch.
Was auch vernünftig ist, wenn man eine Sache bestimmen will. Der (allgemeine) Zweck bestimmt nämlich die (besonderen) Formen, die die Sache hat.
Ja. Jemand der ein Auto als Anwendung von Fenster bestimmt, ist auch bestenfalls ein Karikaturist.
Als BESTIMMUNG ist es nunmal falsch zu sagen, Kapitalismus sei die Vermittlung von Produkt und Bedürfnis etc. Das ist halt genau dieselbe Karikatur wie zu sagen: Ein Auto ist was? Eine Anwendung von Fenster.
Eine Bestimmung bezieht sich auf den Zweck der Sache. IRGENDEINENEN Aspekt X festzuhalten und zu sagen: Warenproduktion ist was? X.
Das ist lächerlich.
Und genauso, wie Warenproduktion den Aspekt hat, Produkte zu Bedürfnissen zu bringen, hat sie auch den GEGENTEILIGEN Aspekt, nämlich Produkte von Bedürfnissen zu trennen. Menschen verhungern vor vollen Lagerhallen. Ich könnte auch ganz beliebig DIESEN Aspekt nehmen und sagen: Da sieht man’s. Warenproduktion ist das Zerstören von Lebensbedingungen. Das wäre genauso beliebig wie Dein Hernehmen des Gegenteils. Und genauso falsch.
@besorgter Bürger:
Was meinst Du mit lebensnotwendig?
Vor allem muss man erstmal wissen, was genau die Gründe sind, warum die jetzige Gesellschaft so viel Schaden anrichtet. Nur dann weiß man, was man anders machen muss.
Man kommt nicht drum herum, erstmal diese kapitalistische Gesellschaft zu studieren und korrekt zu bestimmen.
Das ist zum Beispiel falsch. Du und ich haben in der jetzigen kapitalistischen Gesellschaft gar nichts zu sagen. Sondern hier und heute haben die 1% das Sagen.
@anmerkung #21:
Die Frage hat aber niemand gestellt, und die analoge Frage: „Was ist (kapitalistische) Warenproduktion (allgemein)?“ auch nicht. (Das „kapitalistische“ ist hier redundant, weil Warenproduktion immer kapitalistisch ist.) Die Frage war vielmehr: „Was haben (kapitalistische) Warenproduktion und commonsbasierte Produktion gemeinsam?“
Antwort: „Beide sind Arten, uns und unsere Lebensbedingungen herzustellen.“ (Wenn die kapitalistische Warenproduktion das nicht [mittels gewaltiger Hilfe von den 2/3 nichtwarenförmiger Produktion, die es heute schon gibt] hinkriegen würde, wären wir alle schon tot). Nur dass die Warenproduktion das mehr schlecht als recht hinkriegt, weil nicht die Bedürfnisse, sondern der Profit bestimmen, was und wie produziert wird (und tatsächlich sterben ja auch jedes Jahr Millionen von Menschen, weil sie es für sie gar nicht hinkriegt, weil an ihnen nichts zu verdienen ist). Während die Aussichten bei commonsbasierter Produktion viel besser sind, weil dort die Bedürfnisse selbst im Mittelpunkt stehen. Bingo!
Stefan hat aber eine andere Frage gestellt als die, die du stellst, deshalb ist es einleuchtend, dass er darauf auch eine andere Antwort erhalten wird. Du kannst nun sagen: „ich mag es aber nicht, dass andere andere Fragen stellen als ich sie stelle“. Aber anderen das Fragen verbieten zu wollen ist borniert.
@Christan: Danke.
@anmerkung: Christian hat’s auf den Punkt gebracht, und ich muss mich jetzt für zwei Wochen ins Offland verabschieden. Nur eins noch: Auf die Frage »…bezüglich was?« mit »Nein« zu antworten, ist eine lustige Illustration der Diskussion. Ich fand auch schon immer, dass es zu Fuß kürzer ist als über den Berg 😉
@Stefan:
Haha.
Wie kann man nur so ignorant sein und meinen, mein „Nein“ hat sich auf das „was“ bezogen? Es war eine Zurückweisung Deiner Feststellung, dass man beim „allgemein“ immer erstmal das „bezüglich was“ brauche. Nur so macht das Sinn, aber Du verstehst es natürlich lieber so – offensichtlich unsinnig -, dass Du einen Witz draus machen kannst. Genauso wie Du mir voher offensichtlich unsinnig unterstellt hast, ich würde von Nicht-Gesellschaften reden.
Du musst Dich entscheiden: Entweder diskutieren, dann aber auch den Diskussionspartner ernst nehmen, oder halt sagen, dass Du keinen Bock hast.
@Christian:
Argumente = Verbote?
Was soll denn das für eine Aussage sein, dass die Warenproduktion die Bedürfnisbefriedigung mehr schlecht als recht hinkriegt, wenn sie es gar nicht versucht, weil sie was ganz anderes (den Profit) im Blick hat?
Wenn ich mich frage, wie und auf welche Art und Weise und mit welchem Erfolg die Warenproduktion die Bedürfnisbefriedigung hinkriegt, dann unterstelle ich doch, dass es bei der Warenproduktion um Bedürfnisbefriedigung geht. Oder nicht?
Wenn ich hingegen weiß, dass es bei der Warenproduktion NICHT um Bedürfnisbefriedigung geht, dann ist es doch verquer, eine viertel Stunde lang zu erklären, wie die Warenproduktion das, was sie gar nicht anstrebt, hinkriegt.
Bedürfnisbefriedigung ist zwar nicht das Ziel der Warenproduktion, aber (Vortrag): „Bei der Warenproduktion wird erst produziert, dann werden Produkt und Bedürfnis vermittelt.“
Es ist zwar nicht das Ziel des Marktes, Produkt und Bedürfnis zu vermitteln, aber (Vortrag): „Der Markt erledigt das indirekt.“
Da wird doch konsequent an Warenproduktion und Markt vorbeigeredet.
Was soll der Sinn davon sein, eine Sache unter lauter Gesichtspunkten zu betrachten, um die es bei der Sache überhaupt nicht geht?
So: Das sind sachliche Einwände, die nicht total abwegig sind und die Ihr Euch mal überlegen könntet. Ihr könnt dann ja auch wieder was dagegen einwenden. Aber mich lächerlich machen oder zu behaupten, ich würde hier was verbieten wollen, ist einfach unangemessen.
Wenn Ihr einfach keine Lust habt, Euch mit dieser Kritik auseinanderzusetzen, könnt Ihr das auch gern sagen, dann hör ich auf. Aber bitte ohne irgendeinen sarkastischen Kommentar, das ist unnötig. Ich hab‘ hier niemanden persönlich angegriffen oder so.
„Ich denke, dem Thema würde es gut tun, es nicht so unkommentiert einzuordnen als passe alles ganz genau in das Marx’sche Denken, als bewegten wir uns tatsächlich von Entwicklungsstufe zu Entwicklungstufe immer nach oben (in die bessere Welt). Historisch determiniert.“
Von Determiniertheit sprach Marx, soweit ich weiß, nicht, sondern dass bestimmte Produktionsverhältnisse, wie es z.B. weltgemeinschaftliche wären, einen bestimmten Grad an Produktivkraftentwicklung voraussetzen, also der Möglichkeit, begehrte Zustände herzustellen.
Ich möchte die These wagen, dass wir hier die Notwendigkeit einer höheren Form der Vergesellschaftung ohne Kapitalismus nicht hätten erörtern können. Ich denke auch, dass Kapitalismus, wenn die Trennung der Produzierenden von ihren Produktionsmitteln ersteinmal vollzogen ist, mehr oder weniger wie ein Naturprozess abläuft, (der im Übrigen auch nicht determiniert ist aber unbeherrschbar), und die Möglichkeit, die weitere Entwicklung als einen kulturellen Prozess zu gestalten eine neue (ich meine: weltgemeinschaftliche) Art der Zusammenkunft von Produzierenden und Produktionsmitteln vorausetzt – die erst jetzt in den Bereich des Möglichen zu rücken scheint – aber auch des ziemlich Notwendigen. Die verschiedenen Möglichkeiten, Kipppunkte zu erreichen, verdeutlichen das ja grad.
Gruß hh
Wie möchtest du diese These begründen? Mir erscheint das sehr gewagt.
Nun, ersteinmal ist ja das Vorhandensein von ewas die logische Voraussetzung dafür, dass dessen Überwindung erörert werden kann ;-).
Zum zweiten fehlt es mir an Fantasie, mir vorzustellen, dass sich aus den zunfthandwerklichen, feudadistischen oder kleinbäuerlichen Produktions- Aneignungs- bzw.Entwicklungsbeziehungen heraus kommunistische Gemeinschaften hätten bilden können, die dann die Entwicklung der Produktivkräfte so weit voran gebracht hätten, dass am Ende ein Weltverkehr entsteht und sich Menschen, die ihr halbes Leben einfache Handwerker waren, via Computer und Internet über die Frage unterhalten können, ob die Transformation des ausbeuterischen Füreinanders in ein solidarisches (und ökologisch vor- bzw. rücksichtsvolles) Miteinander eine „höhere Form der Vergesellschaftung“ genannt werden dürfte.
Da finde ich z.B. Marx schon sehr weitsichtig:
http://oekohumanismus.wordpress.com/damit-die-entfremdung-eine-unertragliche-macht-wird/
http://oekohumanismus.wordpress.com/okomarx/
Gruß hh
Das ist eben ein Irrglaube, der Anti-Kapitalismus um so mehr den Biss nimmt bzw. der notwendigen Überzeugungskraft beraubt, je lauter er bellt, sprich: so moralistisch entrüsteter er die kapitalistische Bedürfnisvergessenheit anklagt. Das Profitmotiv nötigt doch grad zur Befriedigung (und gar zur Schaffung!) immer neuer und mehr Bedürfnisse.
„Die Bedürfnisbefriedigung“ gibt es ebenso weinig wie „die Bedürfnisse“, und sollten wir je in die Lage kommen, die (Re-)Produktion unserer Lebensbedingungen als eine wirkliche Weltgemeinschaft zu gestalten, werden wir gewiss nicht blind „die Bedürfnisbefriedigung“ verwirklichen sondern uns bemühen, die unterschiedlichen Bedürfnisse ins Benehmen mit den sozialen bzw. ökologischen Kosten (oder Rsiken) ihrer Befriedigung zu setzen.
Gruß hh
Siehe auch: http://oekohumanismus.wordpress.com/fetischbegriff-bedarf/
@ 29
Der Kommunismus ist aber nicht die Überwindung des Kapitalismus, sondern der Beginn der Geschichte.
Ein „solidarisches (und ökologisch vor- bzw. rücksichtsvolles) Miteinander“ könnten die Menschen auch schon in der Antike oder im Mittelalter begonnen haben, bzw. haben sie das in anderen Epchen vermutlich sogar stärker praktiziert als wir kapitalistisch vergesellschaftetetn Menschen. Eigentlich müsste der Sprung zur Geschichte noch einfacher gewesen sein, sie hätte als anders begonnen, als sie hoffentlich nach dem Kapitalismus beginnen wird.
Ich meine wir sollten dem Kapialismus nicht allzu dankbar sein.
Erstens weiss ich nicht, was Du mit „unterschiedlich“ sagen willst. Ein Grossteil der Beduerfnisse (genug gesundes Essen, ausreichend guter Wohnraum, Bildung, gute Kleidung, Mobilitaet, Wasser, …) hat erstmal so gut wie jeder. Unterschiede gehen los bei sowas wie: Spiel ich lieber Klavier oder Fussball. Nur auch diese unterschiedlichen Beduerfnisse kommen sich ja gar nicht in die Quere, stellen also in keiner Weise irgendein Problem dar, das man loesen muesste.
Zweitens: Eine intakte Umwelt ist doch selber ein Beduerfnis. Lauftverschmutzung macht krank, Chemieabfaelle machen krank usw. Ich weiss also nicht, inwiefern Beduerfnisbefriedigung zu kaputter Umwelt fuehren soll. Ganz im Gegenteil.
Und das mit dem „sozial“ verstehe ich ueberhaupt nicht. Was sollen denn soziale Risiken sein in einer Gesellschaft, in der es um Beduerfnisbefriedigung ihrer Mitglieder geht? Die „soziale Frage“ gibt’s da nicht mehr. Die gibt es im Kapitalismus, weil es da NICHT um Beduerfnisbefriedigung geht.
@ Martin Kommentar 31
Hmm, klingt irgendwie rätselhaft. Magst du näher erläutern, wie du das meinst?
Ja, beginnen kann man natürlich viel, wenn der antike Tag lang ist. Zum Beipiel beginnen, etwas netter zu den Sklaven zu sein.
So? Im 30-jährigen Krieg jedenfalls nicht. Außdem ist bei mir nicht vom „solidarischen und ökologisch rücksichtsvollen Miteinanander“ im Kapitalismus die Rede sondern von einer Transformation des kapitalistischen (weltweiten) Füreinanders ins weltkommunistische Miteinander.
Das habe ich nicht verstanden. Was für ein „Sprung der Geschichte“ meinst du?
Das kann jeder halten wie ein Dachdecker finde ich. Ist jedenfalls wurscht. Kapitalismus war jedenfalls notwendig, um die Produktivkräfte auf das Niveau zu puschen, das uns erlaubt, uns hier darüber öffentlich zu streiten.
Hui, hier herrscht ja ein ganz schön rauher Ton. Unterschiedlich ist unerschiedlich. Verschiedene Menschen haben zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Lebenslagen verschiedene Bedürfnisse.
Beim Punkt „gutes Wasser“ mag weltweit Einigkeit bestehen. Die Meinungen darüber, was guter Wohnraum, gute Bildung, gute Kleidung, gute Mobilität ist, dürfte aber auseinander gehen. Und diese verschiedenen Vorstellungen müssen halt ins Benehmen mit den sozialen bzw. ökologischen Kosten (und Risiken) ihrer Befriedigung gebracht werden, wo man dann z.B bei den Themen ökologischer Fußabdruck, CO2-Bilanz , Entwicklungsgerechtigkeit usw. ist, also beim Thema „nachhaltige Entwicklung“.
Wie sollte deiner Meinung nach die Frage, wieviel gute Klaviere weltweit zur Verfügung stehen sollen, wieviel Fußballplätze usw. entschieden werden?
Ja, ist aber leider bei sehr vielen sehr unterentwickelt. Und das Hauptproblem ist vielleicht nicht, den heutigen Bedarf an einer intakten Umwelt zu befriedigen, sondern ihn erst richtig zu entwickeln, etwas zu unternehmen, das der Verallgemeinerung dieses Bedürfnisses dienlich sein könnte.
Sie machen aber blöderweise auch Waren billig und steigern so die Möglichkeit, Bedürfnisse nach gutem Wohnen, gutem Essen, toller Mobilität zu befriedigen.
Denke allein an den imensen Fisch- und Fleischverzehr. Oder an dem Bedürfnis nach immer mehr Automobilität.
Soziale Kosten? Dinge, deren Nutzung Bedürfnisse befriedigen, müssen erarbeitet und zum Bestimmungsort transportiert werden. Es wird Nutzenergie verbraucht, die auch wieder hergestelt werden muss. Dabei werden Schadstoffe frei. Die können bekanntlich die notwendige Klimastabilität kosten. Können sie vermieden werden, kostet das eben auch.
Wenn 2 oder 3 Milliarde Menschen das Bedürfnis nach Autofahren oder sich per Computer und Internet unterhalten verspüren, steht die Frage, welche (möglichen) Kosten sozialer bzw. ökologischer Natur bei den geegeben technischen und sozialen Gegebenheiten entstehen würden. Wenn man dahin kommt, dass die Kosten ein wenig hoch wären, muss man sich darüber unterhalten, welche Möglichkeiten es gäbe, dies sozialen Kosten und Risiken zu senken, und das müsste die Frage der Bedürfnisse natürlich einschließen.
Oh, das halte ich für eine sehr große Illusion. Könnten die kapitalistischen (privateigentümlichen) Formen des globalen Füreinanders (der gesellschaftlichen Arbeit) überwunden werden, würden die sozialen Fragen erst richtig losgehen. Das heißt, die Fragen nach den richtigen Produktionsmitteln, -methoden, -orten, -mengen oder -zwecken könnten endlich sozial, also miteinander gestellt – und beantwortet werden.
Gruß hh
PS. Zum Problem des kapitalistischen Konsumentenbewusstseins siehe „Sind wir des Warensinns“
Sorry falls Du das so empfunden hast. Ich weiss allerdings nicht genau, inwiefern mein Ton rauh war.
Ganz einfach: Es werden soviele gute Klaviere gebaut wie das Beduerfnis nach guten Klavieren angemeldet wird.
Mit den Fussballplaetzen genauso. Bei den Fussballplaetzen muessen sich (im Gegensatz zu den Klavieren) natuerlich eher Gruppen als Individuen melden und sagen, dass sie (gemeinsam) einen Platz brauchen.
Ist das so? Ich kenne z.B. niemanden, der sagt, ob sein Trinkwasser vergiftet ist sei ihm egal.
Dass die Umwelt in grossem Stil vergiftet und kaputt gemacht wird, hat, wuerde ich mal behaupten, systematische kapitalistische Gruende (Chemieabfaelle in den Fluss kippen ist billiger und besser fuer den Profit, als ihn adaequat zu entsorgen) und nicht den Grund, dass den Leuten ihre Umwelt egal ist.
Eben. Das ist also ein Problem im Kapitalismus und nicht mehr in einer Gesellschaft, die auf Beduerfnisbefriedigung ausgerichtet ist.
Hm, da fehlt mir jetzt etwas das genaue Faktenwissen. Aber zumindest bei der Automobilitaet sind das Problem ja die Abgase (die mit entsprechender Technologie reduziert oder ganz vermieden werden koennen) und nicht die Mobilitaet per se. Beim Fisch und Fleisch kenne ich mich wie gesagt zu wenig aus. Muesstest Du nochmal erlaeutern.
Da hast Du jetzt nochmal Klima und Umwelt genannt. Das wuerde ich nicht unter „sozial“ einordnen. Ich dachte bei sozialen Kosten eher an sowas wie Armut. Eben was im Kapitalismus so als „soziale Fragen“ verhandelt wird.
Okay, war ein Missverstaendnis. Dem wuerde ich ganz und gar zustimmen.
Ich weiss jetzt bloss immer noch nicht, was Du mit „sozialen Kosten“ in einer auf Beduerfnisbefriedigung gerichteten Gesellschaft meinst. Ich dachte halt, dass Du damit sowas wie Armut etc. meinst und da meinte ich halt: Probleme wie Armut etc. gibt’s dann nicht mehr. Darum braucht man sich also nicht mehr zu kuemmern.
@ Anmerkung:
Die gegebenen Bedürfnisse in Sachen Automobilität sind vielfältig und liegen nicht nur im Bereich der Mobilität im Sinne der schlichten Überwindung von Entfernungen. Autos dienen auch als Verlängerung der Wohnung, Lustspender – grad wegen ihrer Bedeutung für das Ausleben von Autonomie, als Sicherheitsbereich, verlängerter Einkaufswagen, Instrument des bequemen Kindertransportes und der Kinderbespaßung, als Statussymbol, multimedialer Genussraum oder mobiles Plauderstübchen. Alles schön und gut. Das Problem: Autos müssen in mühevoller Arbeit produziert und dafür riesige Mengen an Ressourcen gewonnen, verarbeitet und verbraucht werden. Auch der Autogebrauch bedeutet Verbrauch an wertvollen Ressourcen: Kosten und Beeinträchtigungen des Wohlgefühls durch Bodenversiegelung, Unfälle, Unfallgefahr, Abgase und Lärm. Für den Straßenbau und Instandhaltung müssen Arbeitskraft und andere Ressourcen mobilisiert werden. Solange das Autofahren das Privileg der Menschen in wenigen Wohlstandszonen unserer „Einen Welt“ war bzw. noch ist und die Privilegierten das bei der Erdölförderung, der Ausbeutung von Eisenerz oder den Folgen der Abgasemissionen (Klimawandel) entstehendes Leid (Regenwaldzerstörung, Verlust an Bodenfruchtbarkeit, Überschwemmungskatastrophen) in aller einkaufspadadiesischen Unschuld ignorieren konnten, schien (für die historisch Priviligierten) alles in schönster Ordnung. Doch in Brasilen, Indien und China ist man nun auch mehr und mehr der Lage, all die genannten Bedürfnisse zu befriedigen. Vor zehn Jahren gab es in China nur vereinzelte PKWs , heute sind dort mehr Fahrzeuge angemeldet als in den USA. Infos z.B. hier oder hier
Bekämen nun plötzlich weltweit alle Menschen neben dem Bedürfnis nach schicker Automobilität auch noch das Bedürfnis nach Entwicklungsgerechtigkeit, bäuchten wir bald nicht nur dreieinhalb sondern zehn Erden. Was wir also stattdessen bräuchten, wäre nicht ein System des globalen Miteinanders, das endlich „die Bedürfnisse“ befriedigt, sondern die Möglichkeit eröffnet, die unterschiedlichen Bedürfnisse und die sozialen bzw. ökologischen Kosten ihrer Befriedigung miteinander abzustimmen und die Produktion entsprechend planvoll zu entwickeln.
Da hilft WIKIPEDIA weiter.
Ja, das sehe ich eben als typische Bewusstseinstrübung, wie sie kapitalistische Produktions- bzw. Aneignungsverhältnisse unwillkürlich (und auch bei Linksradikalen offenbar in aller einkaufspadadiesischen Unschuld!) hervorbringen. Da wird der Ausgang aus der unverschuldeten Unmündigkeit, wie sie kapitalistische Lebensverhältnisse nun einmal mit sich bringen, eben als Reise in eine Art Schlaraffenland vorgestellt. Das ist ganz normal. Bewegt sich aber m.E. innerhalb des gegebenen Warensinns.
Der Klimawandel, das heißt, die Verschiebung von Küstenlinien und Klimazonen, die Häufung von gefährlichen Extremwetterereignissen, die Gefahr der Meeresversauerung usw. ist in erster Linie ein soziales Problem – heute vor allem in wirtschaftlich weniger potenten Weltregionen und in den nächsten paar hundert Jahren (während dessen der Meeresspiegel ein paar Meter steigen dürfte) auch in den heute noch priviligierten Zonen. Selbst die heute als für die menschliche Entwicklung als unbedenklich erscheinenden Verluste an Naturreichtum dürften mit der Entwicklung menschlichen Refektions- oder auch Bewunderungsvermögens (sind ja auch Produktivkräfte) zunehmend als ein soziales Problem empfunden werden (und hoffenlich zum Aufstand aus der mehr oder minder bequemen Klassenlage aufstacheln).
Das ist doch eine gute Basis.
Soziale Emanzipation aus einer fürssorglichen Sozialarbeiterperspektive zu betrachten ist vielleicht Teil des – gemeinsam zu überwindenden – Problems, dass sich nämlich die kapitalistischen Verhältnisse der Menschen hinterrücks herstellen und wir uns die Voraussetzungen und Wirkungen unseres Tuns – das ist die Freiheit marktwirtschaftlich vergesellschafteter Menschen und Institutionen – deshalb nicht durch den Kopf gehen lassen brauchen. :-).
Gruß hh
3: Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cberfischung
“ Was wir also stattdessen bräuchten, wäre nicht ein System des globalen Miteinanders, das endlich „die Bedürfnisse“ befriedigt, sondern die Möglichkeit eröffnet, die unterschiedlichen Bedürfnisse und die sozialen bzw. ökologischen Kosten ihrer Befriedigung miteinander abzustimmen“…
Ja, danke! So kann man es formulieren. Und genau das geschieht eben auch nicht automatisch, wenn man auf Peer-Production setzt. Deswegen ist es ja wichtig, dass es Commons-Based-Peer-Production heißt und dass damit wirklich deutlich wird, dass peer-production nicht unter Rückgriff auf die Ressourcen der Anderen stattfinden kann. (Was meiner Meinung nach der Commonsbegriff impliziert.) Das ist in der Peer-to-Peer Szene m.E. überhaupt nicht klar. Wie oft erlebe ich da die Haltung: „Wenn der Laptop nicht mehr tut, kauf ich mir einen neuen … um die Welt ein bisschen demokratischer zu machen.“
@hh
Irgendwie schreibst Du an mir vorbei:
Der Ausgangspunkt war, dass Du meintest, einfach Beduerfnisbefriedigung als Zweck einer Gesellschaft sei unzureichend, man muesste das in’s Verhaeltnis setzen zu sozialen und Umwelt-Risiken. Das habe ich in Frage gestellt u.a. mit dem Argument, gute Umwelt sei doch auch ein Beduerfnis.
Jetzt sagst Du z.B.: Wenn man einfach das Beduerfnis nach Autos weltweit befriedigen wuerde, dann wuerde man in der Konsequenz die Erde zerstoeren (bzw. 10 brauchen, die man ja nicht hat).
Bloss wofuer soll das stehen?
Etwa dafuer, dass, wenn es nach Beduerfnisbefriedigung ginge, die Erde zerstoert wuerde? Also quasi Beduerfnisbefriedigung = Zerstoerung aller Lebensgrundlagen? Ich wuerde sagen, da haben wir einen Dissenz hinsichtlich Beduerfnisbefriedigung.
Insofern: Ich bestreite, dass Menschen wegen des Zwecks ihrer Beduerfnisbefriedigung die Umwelt zerstoeren.
Und zweitens: WENN die Beduerfnisstruktur der Menschen aber so gestrickt WAERE, dass dabei die Erde zerstoert WUERDE — so what?
Wenn’s das waere, was alle zufrieden stellen wuerde — nochmal eine schoene Party fuer 20 Jahre und dann ist finito — was spraeche denn dagegen?
Aber zumindest fuer mich persoenlich kann ich sagen: Ich WILL eine saubere Umwelt als Teil meiner Beduerfnisse. Und das heisst alle mal: Umwelt steht eben NICHT im Gegensatz zu Beduerfnisbefriedigung, sondern ganz im Gegenteil, ist dafuer notwendig.
Würde vermutlich für die Vernünftigkeit des Gedankens sprechen, etwas zu unternehmen, das das Bedürfnis wachsen und gedeihen ließe, Formen der Arbeitsteilung zu etablieren, unter denen die selbstzerstörerische Bedürfnisstruktur (oder besser Bedürfnisfindungs- und Befriedigngsbedingungen) kapitalistisch vergesellschafteter Menschen absterben und durch eine neue Bedürfnisstruktur ersetzen werden könnte. Das zu bewältigende Problem ist doch, dass die Bedürfnisse kapitalistisch vereinzeltzer Einzelner nicht hinreichend rückgekoppelt werden können mit den Bedürfnissen andernorts vereinzeler Einzelner, die gleichwohl lebendiger Teil gemeinsamer Handlungsketten sind, oder mit den Bedürfnissen von Menschen künftiger Generationen oder eben auch mit den Bedürfnissen, innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt.
Also ist es offenbar dein Bedürfnis, denen, die sagen würden, „20 Jahre Party und dann finito“ etwas entgegen zu setzen, und du müsstest eigentlich einsehen können, dass weder dein Bedürfnis nach einer „sauberen“ (?) Umwelt, noch das Bedürfnis, nichts davon wissen zu wollen, weil „20 Jahren Party“ auch ganz hüpsch ist, „das“ Bedürfnis oder „die“ zu erfüllende Bedürfnisse sind, sondern dass der Glaube, an die ewige Gerechtigkeit „der Bedürfnisbefriedigung“ diese zur leeren Abstraktion macht, einem Fetischbegriff, dem deshalb geradezu göttliche Gewalt zugedacht wird, weil sich die kapitalistische Vergesellschaftung „hinter dem Rücken der Akteure“ (Marx) herstellt und sich deshalb auch das Bedürfnis nach freier Vergemeinschaftung an Symbolen festmacht, die die undurchsichtigen Verhältnisse zu überstrahlen scheinen. Das funktioniert durch deren Vereinzelung. Nicht mehr das „Aus-dem-Blick-Geraten“ materieller Bedürfnisse dieser und jeder Menschen mit diesen und jenen Interessen und Erkenntnisinteressen oder auch (Un-)Möglichkeiten des Erkennens ist nun von Interesse, sondern die Hoffnung, vom geistigen Fixstern „Bedürfnisbefriedigung“ heimgeleuchtet zu werden.
Siehe auch: http://oekohumanismus.wordpress.com/fetischbegriff-bedarf/
Gruß hh