Endliche Ressourcen als Gemeingut
Was wäre wenn … wir über die Nutzung von Bodenschätzen global, gemeinsam und gleichberechtigt entschieden? Einige konkrete Überlegungen wie ein Commoning rund um endliche Ressourcen aussehen könnte. Der Artikel findet sich auch im lesenswerten Büchlein “Herrschaftsfrei Wirtschaften”. Zur emanzipatorischen Technikkritik jenseits der Ressourcen-Problematik sei das Heft „Technik. Für ein gutes Leben oder für den Profit?“ empfohlen.
Definition
Bodenschätze, also alle endlichen Ressourcen dieses Planeten, sind prädestiniert dafür, als Gemeingut zu gelten. Ob, wie und wofür diese gewonnen und genutzt werden, sollte von der gesamten Menschheit kollektiv in einem gleichberechtigten Prozess ausgehandelt werden.
Denn die regionale Verteilung dieser Stoffe ist zufällig, ungleich und ihre Vorkommen begrenzt. Es wäre daher absurd, nur denen eine Nutzung zu ermöglichen, die zufällig in dieser Region leben. Denn das Bedürfnis zur Nutzung dieser Ressourcen ist global. Diese Kombination aus breitem Interesse und Begrenztheit lässt Interessenkonflikte wahrscheinlich werden und verlangt deshalb umso mehr nach einer kooperativen und gleichberechtigten Aushandlung.
Diese Begrenztheit verlangt ebenfalls, dass die Ressourcen zwar genutzt werden können, aber so verarbeitet werden sollten, dass sie nicht verbraucht, sondern trotz der temporären Verwendung, langfristig (d.h. möglichst unverändert) und unkompliziert (d.h. ohne großen energetischen oder technischen Aufwand) wieder zurückgewonnen werden können.
Eine Möglichkeit zur Lösung der Mengenfrage wäre, die Nutzungsrechte der zur Zeit nutzbaren endlichen Ressourcen anteilig und gleichmäßig auf alle Menschen aufzuteilen. Damit hätten dann einzelne Menschen individuell und ihre Gemeinschaften kollektiv ein Budget an Ressourcen, das sie nutzen „dürfen“. Wofür und für wen sie diese nutzen wollen oder ob sie ihre Anteile zusammenlegen oder anderen zur Verfügung stellen wollen, könnte dann auf kleinerer Ebene entschieden werden.
Auch ist anzumerken, dass der Abbau endlicher Ressourcen erhebliche Verwüstungen ganzer Landstriche in der betroffenen Region verursacht und damit extreme ökologische und soziale Schäden anrichtet. Die Leidtragenden sind hier zuallererst die dortigen Ökosysteme und die darin lebenden Menschen. Für sie geht es nicht einfach „nur“ um Teilhabe an der Nutzung der Ressource, sondern um die existenzielle Beeinträchtigung ihrer Lebensgrundlage und Lebensumwelt durch Abbau und Begleitprozesse.
Erarbeitung von Vorschlägen für diesen globale Aushandlungs-Prozess
Für diesen globalen Aushandlungsprozess müssen Menschen individuell und kollektiv in ihren Gemeinschaften grundsätzliche Fragen klären: Wie und mit welcher Technik möchte ich meine Bedürfnisse und die dafür nötige Produktion organisieren? Wie viele endliche Ressourcen benötigen ich oder wir dafür? Wie erreichen wir optimale Möglichkeiten zur Wiederverwertung? Und vorausgesetzt, es gibt ein globales Interesse an der Nutzung der aus den Ressourcen produzierten Gütern: Ist deren Produktion bzw. der daraus erwachsende Nutzen verallgemeinerbar? Wenn nein: Wie bekommen wir ein ähnlich zufriedenstellendes Resultat mit geringerem Ressourcen-Bedarf?
Gibt es demnach Ideen und Interesse zur Nutzung bestimmter Ressourcen, müssen weitere Fragen geklärt werden. Wer organisiert den Produktionsprozess von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt? Wie kann diese Produktion (insbesondere der Abbau) mit möglichst wenig Schaden organisiert werden? Sinnvoll wäre es, bereits zu diesem Zeitpunkt zu überlegen, woher mensch die benötigten Stoffe bekommt, um im Vorhinein Vereinbarungen und Absprachen zu den Details des Abbaus mit den Bewohner_Innen der betroffenen Regionen zu finden.
Durch die Beantwortung dieser sicherlich nicht erschöpfenden Fragen können dann konkrete Vorschläge und Ideen ausgearbeitet werden, die dann in Kooperation mit anderen Menschen umgesetzt werden können
Ablauf des Aushandlungs-Prozesses
Hat eine Projektgruppe dann alles für ihre Unternehmung zusammen, ist es notwendig, dass das Vorhaben global transparent gemacht wird. Diese Beschreibung sollte enthalten, inwiefern das Produkt die oben genannten Kritierien (Notwendigkeit zur Bedürfnisbefriedigung, weitgehende Reduzierung des Ressourcenverbrauchs / Verallgemeinerbarkeit, Recycelbarkeit, Langlebigkeit und Reparierbarkeit) erfüllt. Des Weiteren sollte ersichtlich sein, dass die benötigten Stoffe noch im oben genannten „Ressourcen-Budget“ der Beteiligten und Nutzer_Innen „drin sind“. Dies würde die globale Klasse der „Hochindustrialisierten“ erstmals ausschließen, bis diese ihren Verbrauch drastisch reduziert haben.
Dieses Vorgehen ermöglicht einen offenen Prozess, in dem andere Interessierte oder Betroffene Verbesserungen, Vorschläge, Kritik oder andere Anmerkungen einbringen könnten. Sicher werden einige Vorschläge Kontroversen und direkte Interventionen erzeugen. Die Ergebnisse wären aus heutiger Perspektive nicht vorhersehbar. Sicher scheint, dass durch diesen Prozess die Ressourcennutzung gründlich umgekrempelt würde. Nicht zuletzt weil darin die Bedürfnisse der regionalen Gemeinschaften in den Abbaugebieten besonders berücksichtigt würden. Dieses von Initiative und Intervention geprägte System bliebe dynamisch genug, um die menschliche Kreativität nicht unnötig zu hemmen. Die Produktion organisieren jene, die ein Interesse an den Produkten haben.
Spätestens jetzt stellt sich allerdings bei diesem Prozess, wie bei vielen anderen globalen Problemen, die Frage, wie und wo dieser Aushandlungsprozess und die Bekanntgabe der Vorschläge denn vonstattengehen sollen. Das Internet könnte hier vielleicht die nötige Transparenz und in geringerem Umfang die nötige Kommunikation schaffen. Allerdings müsste dafür zuallererst die globale IT-Infrastruktur und deren endlicher Ressourcen-Verbrauch an sich verhandelt werden.
Für alle konkreteren Schritte der Umsetzung bleiben wahrscheinlich weiterhin andere, direktere Kommunktionsformen (von Telefon, Radio bis physischen Treffen von Interessierten oder Betroffenen ist alles denkbar) nötig, deren Nutzung sehr wahrscheinlich mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, um die Fülle an Informationen auszutauschen. Ob und wie die Beschaffenheit dieses Aushandlungsprozesses die Nutzung der Ressourcen und die daraus entwickelte Technik verändert, bleibt abzuwarten.
Es bleibt zu hoffen, dass alle Beteiligten in diesen komplexen Prozess mit ausreichend Selbstreflexion und Selbstorganisationsvermögen einsteigen.
Fazit und praktische Konsequenzen für die Selbstorganisation im Hier und Jetzt
Wenn wir darüber nachdenken, eine schenkökonomische Produktion zu organisieren, kommen wir um die Frage der endlichen Ressourcen nicht herum. Konsequent wäre es eigentlich, mit der Organisierung dieses Ursprungs jeglicher Produktion zu beginnen. Erst in diesem Prozess könnte sich dann das technische Niveau einer selbstorganisierten Produktion abzeichnen. Zum Beispiel ob und in welcher Form die sogenannten „erneuerbaren Energien“ (die ja in Produktion und Leitungsnetzen auch auf endlichen Ressouren basieren) eine Rolle spielen. Alles andere bleibt Spekulation.
Die Diskussion zeigt allerdings auch die Notwendigkeit von Technik, die komplett auf erneuerbaren Ressourcen basiert. Weitere Kriterien für eine emanzipatorische Technikentwicklung könnten die einfache Recycelbarkeit und eine möglichst lange Lebensdauer aller Produkte sein. Entscheidet man sich für die vereinfachte Version, in der allen Menschen ein fairer Teil der globalen Ressourcen zugeteilt wird, ist absehbar, dass sich zum Beispiel der bundesdeutsche Ressourcenverbrauch auf 1/10 des jetzigen Niveaus absenken müsste.
All dies gilt es, in der Öffentlichkeit, aber vor allem auch in den diversen sozialen Bewegungen bewusst zu machen. Ganz konkret gilt es auch, sich mit dem Widerstand gegen den zerstörerischen Abbau von endlichen Ressourcen, vor allem auch im globale Süden, zu solidarisieren und eigene direkte Aktionen gegen die entsprechenden Akteure zu starten.
Sauguter Gedanke! Es müsste allerdings „werden“ heißen, sie sollten ja nicht nur in der Einbildung weiniger Idealisten als solche gelten 😉
So eine Rechnung im Hinterkopf kann nicht schaden, aber eine reale Grundlage kann das schon deshalb nicht sein, weil die Lebensbedingungen zu unterschiedlich sind. Hier sieht man, dass sich Utopismus meist aus Dogmen speist, die aus abstrakten Prinzipien abgeleitet sind. Zu unterschiedlich sind die Ausgangs- und Lebenslagen und zu unterschiedlich der jeweilige Bedarf. Wie man am folgenden auch sieht:
Was ja zeigt, dass besondere Lagen einen besonderen Ressourceneinsatz erfordern und utopistische „Milchbubirechnungen“ nicht unbedingt aufgehen. Endliche Ressourcen können nur zur Weltallmende werden, d.h. die Globalisierten dieser Erde nur in die Lage kommen, über deren Verwendung, Pflege, Ersatz durch andere Mittel der Bedürfnisbefriedigung usw. in gemeinsamen Abstimmungsprozessen entscheiden zu können, wenn von den gegebenen Verhältnissen, d.h. von den gegebenen Lebenslagen, von gegenwärtig oder in nächster Zukunft zu lösenden Problemen, Bedürfnissen und Fähigkeiten ausgegangen wird.
Die weltweite Vergemeinschaftung bzw. Herstellung einer als solche handlungsfähigen Menschheit kann nicht auf Grundlage moralischer Prinzipien geschehen, sie bedarf Einigungsprozesse auf Entwicklungsziele und sie macht Umbaupläne erforderlich, die zunächst auch bestehenden Institutionen abverlangt werden müssen, bevor der Bedarf nach neuen Institutionen hinreichend einsichtig werden kann.
Das bedeutet z.B., dass globale Entwicklungsziele und nationale Umbaupropgramme zu entwickeln wären. Der von Rio + 20 ausgehende Prozess zur Schaffung von Millemnium Entwiclungszielen bietet z.B. Gelegenheit, daran ansetzend in Richtung einer Allmendewerdung endlicher Ressourcen voran zu kommen – wenn man das nicht den UN überlässt.
Hallo Jan, das ist in der Tat eine Frage, über die wir dringend weiter nachdenken müssen. Herzlichen Dank für den Artikel! In der Commonsdebatte werden ja so ein paar Knackpunkte – Bodenschätze, Boden – sehr vorsichtig diskutiert, was angesichts des Sprengstoffs, der da drin steckt, nicht verwundert.
Ich habe mir gerade vorgestellt, was KollegInnen aus Mexiko oder Brasilien zu diesem Satz sagen würden (freilich, angesichts der gegenwärtigen Machtverhältnisse).
„Es wäre daher absurd, nur denen eine Nutzung zu ermöglichen, die zufällig in dieser Region leben. Denn das Bedürfnis zur Nutzung dieser Ressourcen ist global.“
Vermutlich würden sie ziemlich wütend werden und mit dem Vorwurf „neuer Kolonialismus“ kommen, wenn nicht gröberes. Hier muss also mit feinerem Besteck heran gegangen werden, Du sagst es selbst: Die Ausbeutung dieser Bodenschätze hinterlässt bei denen, die „zufällig in dieser Region leben“, i.d.R. Verwüstung und Müll.“ Nein, ein Budgetansatz scheint mir in dieser Frage nicht der konzeptionell richtige Ansatz (was jetzt das von Dir skizzierte Aushandlungsszenario gar nicht berührt). Die Frage ist aber, welche Grundprinzipien dem zu Grunde liegen und da scheint mir die Idee: „jedem kommt die gleiche Menge Koltan zu“, noch zu kurz gegriffen.
Gruß
Silke