Diskursfigur 2: Jenseits der Knappheit

Das ist Teil 2 einer Serie wöchentlich erscheinender Artikel, deren englische Fassung im Journal of Peer Production erscheinen soll. In den Artikeln versuche ich zehn Diskursfiguren zu beschreiben, wie sie im Oekonux-Projekt in über zehn Jahren der Analyse Freier Software und commons-basierter Peer-Produktion entwickelt wurden. Mehr zum Hintergrund im einleitenden Teil. Bisher erschienene Teile: 1.

Diskursfigur 2: Jenseits der Knappheit

[English]

Es ist eine übliche Fehlannahme, dass materielle Dinge knapp seien und immaterielle nicht. Es scheint gerechtfertigt zu sein, materielle Dinge als Waren zu behandeln, während immaterielle Güter frei sein können. Diese Annahme verkehrt jedoch eine soziale in eine natürliche Eigenschaft der Dinge. Kein hergestelltes Gut ist von Natur aus knapp. Knappheit ist das Ergebnis der Produktion von Gütern als Waren. Knappheit ist der soziale Aspekt einer Ware, die für den Markt hergestellt wird. Im digitalen Zeitalter liegt das für immaterielle Güter auf der Hand, da die Verknappungsmaßnahmen offensichtlich sind. Dazu gehören Gesetze (basierend auf dem sogenannten »geistigen Eigentum«) und technische Hürden, die den freien Zugriff auf das Gut verhindern sollen. Für materielle Güter scheint das weniger klar zu sein, da wir an die Unzugänglichkeit materieller Güter – solange wir nicht für sie gezahlt haben – viel eher gewöhnt sind. Aber die Maßnahmen sind die gleichen: Gesetze und technische Hürden, begleitet von der andauernden Zerstörung von Gütern, die die Waren knapp genug machen sollen, um einen entsprechenden Preis auf den Märkten zu erzielen.

Weiterhin scheint es offensichtlich zu sein, dass wir alle von materiellen Gütern abhängen, deren Verfügbarkeit begrenzt sein kann. Aber auch immaterielle Güter hängen von einer materiellen Infrastruktur ab. Im Falle des Wissens brauchen wir wenigstens unsere Gehirne, die mit Nährstoffen versorgt sein wollen. Das hat aber nichts mit »natürlicher Knappheit« zu tun. Da alle Güter, die wir brauchen, hergestellt werden müssen, ist die einzige Frage, wie wir das auf gesellschaftliche Weise tun. Die Warenform ist eine Möglichkeit, die Commonsform ist eine andere. Waren müssen in knapper Form produziert werden, damit sie ihren Preis auf dem Markt erzielen können. Commons-Güter können nach den Bedürfnissen der Menschen und gegebenen produktiven Möglichkeiten hergestellt werden. Dabei mag es aktuelle Begrenzungen geben, aber Grenzen waren stets Aufgaben für menschliche Kreativität, um sie zu überwinden.

Manche Begrenzungen mögen niemals überwunden werden, aber dies ist kein Grund Güter künstlich zu verknappen. In solchen seltenen Fällen können soziale Verabredungen getroffen werden, um den verantwortlichen Umgang mit der begrenzten Ressource (oder Gut) zu organisieren. Die Commons-Bewegung hat gelernt, dass sowohl rivale wie nicht-rivale Güter als Commons hergestellt werden können, aber sie benötigen unterschiedliche soziale Umgangsweisen. Während nicht-rivale Güter verabredungsgemäß für alle frei verfügbar sein können, um ihre Unternutzung zu verhindern, ist es sinnvoll, die Übernutzung rivaler Güter durch geeignete Regeln und Maßnahmen zu verhindern – entweder durch eine limitierte nachhaltige Nutzung oder durch Ausdehnung der kollektiven Produktion und damit Verfügbarkeit des rivalen Gutes.

Knappheit ist ein soziales Phänomen, dass unvermeidbar auftritt, wenn Güter als Waren hergestellt werden. Häufig wird Knappheit mit Begrenzungen verwechselt, die durch menschliche Anstrengungen und Kreativität überwunden werden können.

Diskursfigur 3: Jenseits der Ware

Literatur

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