André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus
Kurz vor seinem Freitod hat André Gorz ein Buch zusammengestellt, das kürzlich erschienen ist und als eine Botschaft an die Nachwelt gelesen werden kann. Das Buch enthält die beiden Linien, die für André Gorz immer wichtiger wurden: Ökologie und Wissen. In klarer Sprache zeigt er auf, dass sich der Kapitalismus seine eigene Basis — die Verwertung von Arbeit — unterm Hintern wegrationalisiert. Gleichzeitig zerstört der kapitalistische Wachstumszwang seine stofflichen Grundlagen. Als Ausweg sieht André Gorz einen Wissenskommunismus, dessen erste Anzeichen er in der Freien Software beobachtet.
Die taz hat eine lesbare Rezension des neuen Buches veröffentlicht, und in der 3SAT-Sendung »Kulturzeit« ist ein längerer Beitrag gesendet worden (siehe unten). Dort allerdings kommt eine Passage vor, die André Gorz nicht zugeschrieben werden kann: Regionales Geld sei ein Ausweg, weil es den Zins überwinde. Tatsächlich schreibt André Gorz von einer »Ökonomie der Unentgeltlichkeit«, die eigentlich eine »Antiökonomie« sei, und von der Freien Software als deren »Keimform«. Wie hieraus eine Zinskritik nach Gesellscher Manier abgeleitet werden kann, bleibt das Geheimnis der Autor_innen des Beitrags.
Hab Hunger und muss von Hartz 4 leben. Wo ist die Antiökonomie und Ökonomie der Unentgeldlichkeit? Brauche Lebensmittel zum Essen. Und die Miete muss bezahlt werden. Linux kann ich nicht essen! Möchte mitmachen. Regionales Geld kenn ich, die machen was, das ist konkret. Wo ist etwas, wovon Leute leben können (mit Essen und Miete)?
@Sozial-is-Muss: Geld kann man nicht essen und es baut kein Haus. Im Kapitalismus kann man aber mit Geld auf Lebensmittel zugreifen, die andere geschaffen haben. Eine geldlose (Anti-)Ökonomie lässt diesen Umweg sein, sondern produziert die notwendigen Lebensmittel in direkter gesellschaftlicher Kooperation und Kommunikation. Dass dies innerhalb des Kapitalismus vorerst nur im Bereich nicht-stofflicher Güter ansatzweise funktioniert, liegt auf der Hand: Sie können ohne großen Aufwand kopiert werden. Für stoffliche Güter ist das komplizierter — ein wichtiges Thema hier im Keimform-Blog.
Was jetzt tun? Zurück zur Geldökonomie, zu all dem Umweg über Geld, Markt und Staat? Weiter systematisch die ganzen Katastrophen produzieren, die ein Zwangs-Expansionssystem erzeugt, in dem Geld ein Selbstzweck ist? Ich sage mit André Gorz: Nee, es reicht. Andre sagen anderes.
Btw: Regionales Geld ist wie jedes Geld abstrakt. Dass es dir konkret vorkommt — wie jedes Geld, das man in der Tasche hat — ist Teil des gesellschaftlichen Fetischs: Solange alle dran glauben (aka „Vertrauen“), ist alles ok. Aber wehe wenn nicht. Wir kommen wohl nicht daran vorbei, den Kapitalismus wegen erwiesener Unfähigkeit zu ersetzen.