Reden über Wert und Preis
Netter Dialog auf dem re:publica-Panel »Die Zukunft der Social Networks« [via]:
Tim Pritlove: “Was ist die StudiVZ-Datenbank denn jetzt wert?”
Michael Brehm: “Nichts.”
Tim: “Ich gebe Ihnen 50 Euro.”
Tja, leider könnte der Preis dennoch bei einigen Milliönchen liegen, was man allerdings nur versteht, wenn man zwischen »Wert« und »Preis« unterscheiden kann. Ich unterstelle allerdings nicht, dass Michael Brehm das kann, nur weil er zufällig mit dem Wert von Null richtig liegt. Allerdings war Tim auch ein wenig neben der Spur, so dass er den Panelisten außer »PR-Blabla« wirklich nicht viel aus der Nase ziehen konnte. Außer dem Zitat 😉
Ich verstehe auch nicht, wieso StudiVZ nichts wert sein soll, obwohl ich zwischen Wert und Preis schon unterscheiden kann (oder denke es zu können). In diesen Plattformen wird die soziale Kompetenz der Mitglieder verwertet. Wieso soll das nicht gehen? Ich sehe darin sogar eine Gegenstrategie gegen das zunehmende wertlos werden des Content. Wenn man den Content selbst nicht verwerten kann, dann verwertet man eben die Prozesse, die ihn erzeugen.
Die soziale Kompetenz ist kein Privatgut, was sich in einem Tausch bewähren und einen Wertvergleich eingehen könnte. Es wird also nicht die soziale Kompetenz »verwertet«, sondern »bepreist« — und das auch nur indirekt, nämlich über Werbung. Es geht also nicht um »Verwertungsstrategien« (auch wenn ich selbst immer so rede), sondern um »Auspreisungsstrategien« im Web 2.0. »Ausgepreist« werden fast nur Werbeflächen (vielleicht mit Ausnahme von XING), und Werbung ist Vorschuss aus Revenue (also aus dem G‘) der beworbenen Produkte.
Ich habe übrigens stark den Eindruck, dass diese »Social Network Islands« nur ein vorrübergehendes Phänomen sein werden. Der nächste Schritt wird die Kopplung, dann die Vernetzung und schließlich die Auflösung der Inseln sein. Social-ID und NoseRub könnten Abbauhilfen sein. Dann geht es auch mit der Auspreisung und dem Rententransfer wieder runter (und dann fliesst die Rente woanders hin). StudiVZ wird nicht von Dauer sein.
Es geht nicht nur um Werbung. Die Geschäftsmodelle sind ja vielfältig. Das zum einen zum anderen schlucke ich Dein „Werbung ist wertlos“ auch nicht so einfach. Das mag dann gelten, wenn Werbung nur den Marktanteil auf Kosten der Konkurrenz erhöht oder erhält. Ein anderer Fall ist es aber, wenn Bedürfnisse durch Werbung überhaupt erst geweckt werden, die vorher garnicht da waren. Dann schafft Werbung Wert. Im Einzelfall lässt sich das sicher nicht sauber trennen, es sind wohl immer beide Aspekte vertreten.
Also wenn Werbung und das ganze Imagegedöns nicht im marxschen Sinne Wert schaffen würden, dann würd ich auf die Marxsche Analyse nix mehr geben, weil dann für mich völlig unerklärlich wäre, wie so zentrale Punkte unserer Lebensweise nur indirekt mitfinanziert werden können.
Werbung immer Abzug vom Wert, der ja durch die Werbung erst realisiert werden soll. Dabei ist es unerheblich, ob das zu bewerbende Produkt auf Kosten der Konkurrenz oder durch Schaffung eines neuen Absatzfeldes am Markt durchgesetzt werden soll. Werbung gehört zu den Gemeinkosten wie Miete, Telefon, Strom etc. — und was auch immer nötig ist, um das Produkt herzustellen und abzusetzen. Die Gemeinkosten werden vom realisierten (bzw. zu realisierenden) Wert abgezogen.
Aber du hast Recht, etwas anders liegt die Sache beim »Imagegedöns«, das über die bloße Werbung hinausgeht (wobei man das nicht scharf trennen kann). Hier wird das Produkt zusätzlich mit einem »Image« versehen, das auch extra hergestellt werden muss und das der Konsument schließlich auch konsumiert. Für ihn hat das »Image« im Unterschied zur bloßen Werbung einen eigenen Gebrauchswert. Das an das Produkt gekoppelte, aber extra hergestellte »Image« repräsentiert demzufolge auch einen über den Wert des Produktes hinausgehenden zusätzlichen Wert (der größer sein kann als der des eigentlichen Produktes).
IMHO.
Ok, wir halten also fest: Werbung enthält immer einen Anteil Imageerzeugung. Imageerzeugung ist wertschaffend. Also ist Werbung wertschaffend. Also auch Web 2.0. Dann sind wir uns ja im wesentlichen einig, oder?
Nun, ich würde es lieber analytisch auseinanderhalten, aber ok. Das hat aber dennoch nicht spezifisch mit den Web-2.0-Kommerz-Apps oder sonstwelchen Werbeflächen zu tun. Die Werbeflächenbereitsteller zwacken halt ein Teil des Werts (oder Nichtwerts: der Rente) der zu vertickeneden Waren ab. Und andere Geschäftsmodelle seh ich nicht wirklich.