Kategorie: Reichtum & Knappheit

Märkte jenseits des Kapitalismus? – Vorüberlegungen

Bazar von Athen (Ausschnitt), Gemälde von Edward Dodwell (1821, gemeinfrei)

In der linken Kapitalismuskritik ist es üblich (und auch ich habe das lange so gemacht), Märkte und Kapitalismus weitgehend gleichzusetzen und jede Kapitalismuskritik gleichzeitig als Kritik an Märkten als gesellschaftlichen Vermittlungsinstrument aufzufassen. Üblich ist dieselbe Gleichsetzung – nur nicht kritisch gesehen – aber auch in der Mainstream-Ökonomie (Neoklassische Synthese, auch kürzer und etwas ungenau „Neoklassik“ genannt). In letzterer wird der Begriff „Kapitalismus“ zwar oft vermieden und stattdessen von „Marktwirtschaft“ gesprochen (in Mankiw (2014) fällt der Begriff „market economy/economies“ viele Dutzend Male, während von „capitalism“ nur in ein paar Zitaten die Rede ist) – damit ist aber genau die von ihren Kritikerinnen „Kapitalismus“ genannte Produktionsweise gemeint, andere Spielarten von marktbasierten Ökonomien existieren vermeintlich nicht.

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42 Thesen zu Geschichte, Weltraum und Kommunismus

Elementarformen

  1. Seit der Kritischen Theorie und der Erfahrung des Faschismus gibt es eine Angst der Linken vor der Geschichtsphilosophie. Deswegen vorneweg: Geschichtsphilosophie ist unverzichtbar. Auch wenn man keine hat, hat man eine. Es ist wie mit jeder Theorie: Wenn man sie ignoriert, hat man die der anderen.  Im folgenden werde ich deshalb einige Thesen aufstellen, von denen die ein- oder andere durchaus steil ist. Gegen Ende werden es dann aber eher Fragen als Thesen.
  2. Gesellschaften entwickeln sich weiter. Dabei unterliegen sie einem Evolutionsprozess von Mutation und Selektion. Das macht den Vorgang nicht zu einem biologischen, aber dennoch hat in der gesamten Menschheitsgeschichte ein Prozess stattgefunden, der manche Gesellschaften anderen gegenüber bevorteilt hat. Es gab Situationen in denen Gesellschaften nicht mehr überlebt haben (was nicht gleichbedeutend sein muss mit dem Tod der Individuen) und sich deswegen ihre Prinzipien nicht halten konnten oder an den Rand gedrückt wurden. Um so einen Prozess über einen Zeitraum von Jahrtausenden wirksam zu machen reicht es auch völlig aus, dass er im statistischen Mittel wirkt. Es wird also auch immer Gegenbeispiele geben.
  3. Die Erfahrung des Faschismus und die Kritische Theorie haben uns aber dennoch gelehrt: Es gibt keine Automatismen, der Fortschritt ist nicht automatisch auf unserer Seite. Dennoch folgt daraus nicht, dass es keinen Fortschritt gibt oder dass wir nicht bestimmen könnten welche Art von Fortschritt auf unserer Seite ist. Tatsächlich ist das Bewusstsein darüber zentral für jeden Kommunismus. Es ist sehr wichtig, dass man das Kind des Kommunismus nicht mit dem Bad von Determinismus und Teleologie ausschüttet.
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Zukunftsperspektive: Neoliberaler Kapitalismus

Friedrich August von Hayek, einer der wichtigsten Vordenker des Neoliberalismus (Foto der LSE Library, gemeinfrei)Anschließend an die Vorüberlegungen möchte ich in diesem Artikel zunächst kurz eine Reihe möglicher Zukünfte benennen, die ich für die mittelfristige Zukunft für besonders relevant halte – entweder weil sie eine relativ hohe Chance haben, Realität zu werden, oder weil in heutigen Debatten eine größere Rolle spielen. Ohne irgendeine (klarerweise unmögliche) Vollständigkeit anzustreben, scheinen mir hier zunächst sechs Zukunftsszenarien bedeutsam:

  1. Neoliberaler Kapitalismus

  2. Autoritär-chauvinistischer Kapitalismus

  3. Autoritär-kooperative Gesellschaften

  4. Egalitär-kooperative Gesellschaften

  5. Vollautomatische Post-Scarcity-Gesellschaft

  6. Zerfall in unzählige parallel existierende Mikrogesellschaften

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Geld im Mittelalter

Mittelalterliche Münze aus dem Reich Karls des Großen – Foto der Classical Numismatic Group, Lizenz: CC-BY/GFDLErgänzend zu meinem Artikel zum Geldgebrauch vor dem Kapitalismus hier noch einige Notizen zur Situation im europäischen Mittelalter, basierend auf dem Buch Geld im Mittelalter (2011, Originalausgabe von 2010) des französischen Historikers Jacques Le Goff. Le Goff bezieht sich dabei vor allem auf die Situation vom 13. bis zum 16. Jahrhundert.

Die Finanzen mittelalterlicher Städte basierten oft auf einem Freibrief (charte de franchise), in dem der offiziell über die Stadt herrschende König oder Fürst deren Bewohnerinnen von den meisten Steuern und Zollabgaben befreite (Le Goff 2011, 52). In der städtischen Ökonomie spielten Geldbeziehungen aber eine wichtige Rolle, wobei das Geld durch Gewerbe, innerstädtischen Handel und Fernhandel verdient wurde. (mehr …)

Verteilung ohne Geld?

Demonetize-Logo mit Fragezeichen(Voriger Artikel: Das Geld, eine historische Anomalie?)

[Dieser Text entstand im Rahmen des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts Die Gesellschaft nach dem Geld.]

Oft liegt Kritiken des geldbasierten Wirtschaftens die Vorstellung zugrunde, dass das, was früher möglich war, auch in Zukunft wieder funktionieren könnte. So erklärt Thomas Herzig (2011): „Zunächst einmal ist die geldlose Gesellschaft gar keine Utopie. Sie hat seit dem Erscheinen des Homo Sapiens vor ca. 160.000 Jahren die meiste Zeit nachhaltig funktioniert.“

Die Schwierigkeit einer solchen Vorstellung liegt darin, dass sie zum einen ungenau ist (wie wir gesehen haben, spielten Geld und Märkte in vielen früheren Gesellschaften zumindest eine gewisse Rolle), zum anderen von Voraussetzungen ausgeht, die sich von der heutigen Situation stark unterscheiden. Die Bevölkerungsdichte war früher sehr viel geringer. Zwar ist der Kapitalismus heute nicht in der Lage, sieben Milliarden Menschen „nachhaltig“ zu versorgen – vielen fehlt es am Nötigsten, während zugleich die Erde systematisch übernutzt wird. Jedoch brauchten frühere Gesellschaften, insbesondere die tatsächlich geldfreien Jäger-und-Sammler-Kulturen, ein Vielfaches der heute zur Verfügung stehenden Flächen pro Person. Da die sieben Milliarden nicht einfach verschwinden werden, ist ein direktes Zurück zu vorkapitalistischen Produktionsweisen schon deshalb undenkbar.

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Das Geld, eine historische Anomalie?

Über 2500 Jahre alte Münze[Dieser Text entstand im Rahmen des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts Die Gesellschaft nach dem Geld.]

Die Vorstellung einer „Gesellschaft nach dem Geld“ impliziert, dass Geld ein historisches Phänomen von begrenzter Dauer ist. Alle von Menschen verwenden Werkzeuge (in einem weiten Sinne) sind irgendwann entstanden. Grundsätzlich macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, unter welchem Umständen sie künftig wieder verschwinden können und ob dann etwas anderes an ihre Stelle treten oder aber ihre Funktion komplett überflüssig werden würde. Spekulieren ließe sich etwa über eine „Gesellschaft nach dem Auto“, in der die heute unter anderem von Automobilen erfüllte Funktion (der Transport von Personen und Dingen) vollständig von anderen Arten von Fahrzeugen übernommen wird (z.B. Bahnen, Fahrrädern und Drohnen). Dabei muss man allerdings auch begründen, warum man es für plausibel hält, dass eine solche Entwicklung eintreten wird.

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Gedanken zum politischen Elend unserer Zeit

450457Wo man hinblickt: Die Regression greift um sich, mit der Wahl Trumps als kurzzeitigem Höhepunkt. Der Nährboden dieser Entwicklung ist das Ressentiment (d.h. der Rassismus, Sexismus usw.). Die Ökonomie ist nur der Auslöser dieser Reflexe. Deshalb werden wir dem Problem mit einem Anti-Kapitalismus nur sehr begrenzt beikommen: Was die Querfronten allerorten belegen. Eine Krise würde diese Regression nur verstärken. Was wir also brauchen ist ein radikal anti-diskriminierende Politik zur Verteidigung der Offenen Gesellschaft als Grundlage für eine progressive Aufhebung des Kapitalismus.

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Kaskade

[alle Texte der Broschüre „ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück“]
Cover der Broschüre "ich tausch nicht mehr - ich will mein Leben zurück"

Eine Kaskade (von italienisch cascare „fallen“) ist … ein Wasserfall, … der über mehrere Stufen fällt.“ (Wikipedia)

Alle geben ihre Überschüsse in eine gemeinsame Schale, alle können sich bei Bedarf aus der Schale nehmen. Was dann noch übrig bleibt, fließt in die nächste Schale. Aus dieser werden dann Projekte aus dem direkten Kaskaden-Umfeld unterstützt. Auch von hier kann Geld in die nächste Schale für Projekte in weiterer Entfernung zur Kaskade fließen.

Das Ziel ist die Absicherung der Menschen,
die in nichtkommerziellen Projekten aktiv sind

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