Mögliche und unmögliche Zukunftsperspektiven – Vorüberlegungen
Ich werde im Folgenden in einer losen Serie mögliche Perspektiven für die Zukunft der Gesellschaft darstellen und diskutieren. Dazu gehören positiv-utopische Perspektiven (die ich für zumindest nicht völlig unrealistisch und für mehr oder weniger wünschenswert halten würde), negativ-dystopische Perspektiven (die ich für möglich, aber nicht wünschenswert halte) und „Nicht-Perspektiven“ (die ich für unmöglich oder von der heutigen Gesellschaft aus nicht erreichbar halte). Der Übergang zwischen diesen verschiedenen Einordnungen kann dabei durchaus fließend sein. Manche Perspektiven mögen utopische und dystopische Elemente mischen; manche mögen nicht völlig unmöglich, aber aus heutiger Sicht doch eher schwer erreichbar sein.
Gesellschaft und Produktionsweise
Relevant für die Debatte um mögliche Zukünfte ist die Unterscheidung zwischen Produktionsweise und Gesellschaft. Marx’ Kapital beginnt bekanntlich mit den Worten „Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ‚ungeheure Warensammlung‘“ (MEW 23, 49). Marx unterscheidet hier zwischen der „kapitalistischen Produktionsweise“ und den Gesellschaften, in denen diese Produktionsweise „herrscht“, also vorherrscht oder dominiert. Der Ausdruck „Kapitalismus“ ist also nur eine Abkürzung für „eine Gesellschaft, in der die kapitalistische Produktionsweise vorherrscht“.
Eine Produktionsweise ist die Art und Weise, wie produziert wird, wie also die zum Leben der Menschen und zur Aufrechterhaltung der Gesellschaft benötigten oder gewünschten Güter aller Art (egal ob materiell, immateriell oder Praxis/„Dienstleistung“) hergestellt und verteilt werden. Jede Gesellschaft ist aber ein komplexer Zusammenhang, in der nahezu immer unterschiedliche Produktionsweisen parallel zueinander existieren dürften – die kapitalistische Produktionsweise herrschte schon zu Marx’ Zeiten in Europa und Nordamerika vor und heute fast weltweit, aber sie war und ist nicht die einzige in diesen Gesellschaften praktizierte Produktionsweise.
Im engen Sinne umfasst die kapitalistische Produktionsweise eine Vielzahl von profitorientierten Unternehmen, die Menschen („Arbeitskräfte“) gegen Bezahlung anstellen und die in Konkurrenz zu anderen Unternehmen Waren herstellen, die sie verkaufen. In allen kapitalistisch dominierten Gesellschaften gibt es aber daneben noch andere Produktionsweisen, von denen mindestens zwei – die Subsistenzproduktion in privaten Haushalten und im Familienkreis sowie die staatliche Produktion – für den Weiterbestand der Gesellschaft unentbehrlich sind. Rechtslibertäre („Anarchokapitalistinnen“) übersehen die familiäre Subsistenzproduktion meist komplett und träumen von einer Gesellschaft, in der der Staat und alle seine Organe komplett durch kapitalistische, in Konkurrenz zueinander stehende Unternehmen ersetzt wurden. Tatsächlich wird der Staat für das Funktionieren der kapitalistisch dominierten Gesellschaften, die wir heute kennen, aber gerade deshalb benötigt, weil er kein privatwirtschaftliches, profitmaximierendes Unternehmen ist, sondern stattdessen einen Rahmen aufziehen kann, in dem sich all diese Unternehmen und die von ihnen beschäftigten oder auch nicht beschäftigen Menschen bewegen (müssen).
Ohne hier zu diskutieren, ob eine kompletter Verzicht auf den Staat als selbst nicht profitmaximierenden Akteur im Rahmen kapitalistisch dominierter Gesellschaften möglich wäre, möchte ich hier nur darauf hinweisen, dass es eine derart organisierte Gesellschaft bislang nie gab. Noch weniger vorstellbar ist ein Wegfall von privaten Haushalten und der nicht profitorientierten Subsistenzproduktion unter Familienmitgliedern und Freundinnen, da die kapitalistische Produktionsweise eine ihrer unabdingbaren Voraussetzungen – Arbeitskräfte – nicht aus eigener Kraft hervorbringen kann.
In real existierenden kapitalistisch dominierten Gesellschaften gibt es neben diesen drei für ihren Fortbestand unabdingbaren Produktionsweisen – kapitalistisch, staatlich und Subsistenz – immer noch weitere Akteure, die zur Produktion beitragen, ohne sich einem dieser Modelle zuordnen zu lassen. Etwa Handwerkerinnen und Selbständige, die sich durch in erster Linie eigene Arbeit den Lebensunterhalt sichern, ohne systematisch Profit machen zu können oder zu wollen, und nicht-profitorientierte nichtstaatliche Vereine und Organisationen.
Auch für die Zukunft gilt es diesen Unterschied zwischen Produktionsweise und Gesellschaft im Auge zu behalten. Auch jede künftige Gesellschaft dürfte ein komplexer Zusammenhang sein, in der unterschiedliche Produktionsweisen nebeneinander anzutreffen sein werden. Bei der Diskussion möglicher Produktionsweisen gilt es somit darauf zu achten, wie weit ihr Potenzial reicht und inwiefern es neben ihnen noch andere Produktionsweisen geben könnte oder sogar geben muss, um von der einen Produktionsweise hinterlassene Lücken zu füllen oder punktuell bessere Lösungen anzubieten. Die Vorstellung, dass eines Tages ein und dieselbe Produktionsweise alle Gesellschaftsbereiche umfassen könnte, dürfte fast immer zu kurz greifen.
Mutierte Kapitalismen, Postkapitalismen und Postpostkapitalismen
Dass die kapitalistische Produktionsweise die Gesellschaft eines Tages hoffentlich nicht mehr dominieren wird, heißt deshalb auch nicht zwangsläufig, dass sie vollständig verschwinden würde. Stattdessen könnte sie sich durchaus in einzelne Nischen zurückziehen – zumindest theoretisch. Unabhängig davon, ob der kapitalistischen Produktionsweise noch Nischen blieben oder sie vollständig verschwände, kann man eine nicht mehr von ihn dominierte Gesellschaft als „Postkapitalismus“ bezeichnen, sofern sie direkt aus der kapitalistisch dominierten Gesellschaft hervorgehen kann. Der Begriff „Postkapitalismus“ bezieht sich dabei nur auf diese zeitliche Abfolge, er hat keinen spezifischen eigenen Inhalt, da aus heutiger Sicht ganz unterschiedliche Postkapitalismen vorstellbar sind.
Davon zu unterscheiden ist ein „mutierter Kapitalismus“ – eine Gesellschaft, in der die kapitalistische Produktionsweise zwar noch dominiert, sich die gesellschaftlichen Strukturen und das Verhältnis der gesellschaftlich relevanten Produktionsweisen im Vergleich zum heutigen (europäisch/nordamerikanischen) Modell aber stark gewandelt haben. Die Frage, wie sich der Kapitalismus im Lauf der nächsten Jahrzehnte weiterentwickeln dürfte, ist relevant, wenn man nicht fest davon überzeugt ist, dass bereit in ein paar Jahren zwangsläufig ein Postkapitalismus der einen oder anderen Art ausbrechen wird. Denn jede spätere postkapitalistische Perspektive wird dann ja zwangsläufig aus einem mutierten oder weiterentwickelten Kapitalismus hervorgehen müssen. Deshalb kann von der Frage, wie es mit dem Kapitalismus weitergehen dürfte, auch dann nicht abgesehen werden, wenn man eigentlich an Postkapitalismen interessiert ist.
Drittens sind auch Zukunftsszenarien denkbar, die zwar grundsätzlich – wenn die Voraussetzungen richtig sind – möglich erscheinen, für die aber keine aus heutiger Sicht plausibel erscheinende Variante des Kapitalismus die nötigen Voraussetzungen schaffen dürfte. Da sie somit den Kapitalismus nicht direkt ablösen können, sind sie keine postkapitalistischen Szenarien im engen Sinne. Wenn solch ein Szenario jedoch aus einer postkapitalistischen Zukunft heraus real werden könnte, handelt es sich um einen „Postpostkapitalismus“ – einen Postkapitalismus zweiter Ordnung, für dessen Entstehung erst ein Postkapitalismus die nötigen Voraussetzungen schaffen müsste. Im an Marx orientierten Diskurs wird eine Gesellschaft, die Voraussetzungen für eine andere schafft, gerne als „Übergangsgesellschaft“ bezeichnet. Dieser Begriff ist allerdings fragwürdig, da er ignoriert, dass Gesellschaften in aller Regel ein gewisses Beharrungsvermögen besitzen und sich als langlebiger erweisen, als den Diskutierenden vielleicht vorschwebt. Ob die „Übergangsgesellschaft“ wirklich nur ein Übergangsphänomen von begrenzter Dauer bleiben würde, ist in solchen Fällen somit kritisch zu prüfen.
Warum über Zukünfte nachdenken?
Doch was ist überhaupt der Zweck einer derartigen Debatte um mögliche Zukünfte? Sinnvoll ist sie nur unter drei Annahmen:
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Die Zukunft ist offen – sie gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie es kommen könnte, und welche davon sich durchsetzen wird, steht heute noch nicht fest. Dies heißt nicht, dass „alles möglich“ ist, sondern jede mögliche Zukunft wird sich sich Rahmen bestimmter, durch Gegenwart und Vergangenheit bereits festgelegter Bedingungen bewegen. Zu den Rahmenbedingungen gehört etwa, dass die Menschheit auf der Erde lebt und bis auf Weiteres mit den hier vorhandenen, endlichen Ressourcen wird auskommen müssen, und dass der menschengemachte Klimawandel zu gravierenden Verwerfungen der irdischen Ökosysteme führen wird, mit denen jede mögliche Zukunft irgendwie wird umgehen müssen.
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Zumindest einige der möglichen Zukünfte lassen sich aus heutiger Sicht bereits erahnen. Natürlich nicht in allen Details (wenn ich die Lottozahlen der nächster Woche voraussehen könnte, wäre ich reich, und wenn irgendjemand das könnte, wären Lotterien schon lange in der Versenkung verschwunden), aber doch zumindest in groben, schemenhaften Umrissen.
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Heute geführte Debatten haben zumindest eine minimale Chance, Einfluss darauf zu nehmen, welche der möglichen Zukünfte tatsächlich Realität wird.
Ich halte all diese Annahmen für plausibel, wobei mir klar ist, dass sie mit aufsteigender Nummerierung spekulativer werden und dass insbesondere die Annahme, auch hier auf keimform.de geführte Debatten könnten möglicherweise Einfluss auf die Zukunft haben, geradezu vermessen ist. Jedoch haben Debatten darum, was möglich, wünschenswert und „richtig“ ist, in der Vergangenheit jeden gesellschaftlichen Wandel begleitet und ein Stück weit sicherlich auch geprägt – die die Entstehung und Durchsetzung des Kapitalismus begleitenden Debatten werden etwa in A Trumpet of Sedition von Ellen Meiksins Wood und Neal Wood (New York: New York University Press, 1997) nachgezeichnet. Wer das Nachdenken und Debattieren über mögliche und wünschenswerte Zukünfte nur anderen überlässt, muss sich auch nicht wundern, wenn sich dann womöglich deren Ideen durchsetzen und nicht die eigenen (nicht artikulierten).
[Fortsetzung: Zukunftsperspektive: Neoliberaler Kapitalismus]
Es ist ja toll hier zu erfahren, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft der Staat nicht kapitalistisch sei, weil er keine Privatwirtschaft betreibe – auch wenn er natürlich nur durch die höchst mögliche gesellschaftliche Privatform, nämlich Geld und Kapital existiert, das er durch Steuern und Sozialabgaben eintreibt. Es mag der Mensch vielleicht etwas verrückt sein, den das an Lenin oder auch einen deutschen Führer erinnert, der den Staat als die natürliche Gesellschaft schlechthin verstanden hat, und dies deshalb auch Nationalsozialismus bezeichnet hatte. Mann und Frau hören das hier nicht so gerne, denn diese Geschichte ist ja Vergangenheit – und da soll man nicht so übertreiben. Solange man hier genug Volltexten kann, ist man doch frei davon!
Aber eigentlich ist doch hier etwas ganz gehörig verrückt geworden, wo es ursprünglich um ein Jenseits von Markt und Staat gegangen war! Na denn mal ein Prosit über solche „Zukunft“, die anscheinend ohne jegliche Gegenwart, vor allem ohne deren Analyse auskommen kann. Man kann sie ja immerhin wünschen. Und: Bald ist Weihnacht! Heissa!
Wolfram, ich glaube es geht Christian mehr darum darauf hinzuweisen, dass es bisher keine komplexe und arbeitsteilige Gesellschaft gab die ohne zentrale Institutionen bzw. Gewaltmonopol auskam. Einen von dir unterstellten Naturalismus bezüglich des Staates sehe ich darin nicht.
Zwar gibt es allerlei Überlegungen und Entwürfe postkapitalistischer Vergesellschaftung die ohne Staat auskommen sollen (in deiner Skizze zu deiner „Internationalen Kommunalwirtschaft“ beispielsweise), jedoch ist völlig unklar ob es praktisch hinhauen würde. Denn vieles was auf dem Blatt Papier gut und logisch klingt muss in der Wirklichkeit keinesfalls aufgehen.
Richtig ist aber, dass der derzeitige Staat ein integraler Bestandteil der kapitalistischen Vergesellschaftung ist und er nicht einfach im Sinne einer Emanzipationsbewegung übernommen werden kann. Dafür haben sich die Institutionen immer wieder als zu „klebrig“ und absorbierend herausgestellt.
Es wäre halt die Frage ob es eine andere Form von Staat geben kann. Eine Form, die tendenziell dazu übergeht im geschichtlichen Verlauf eine „Pfadabhängigkeit“ zu entwickeln, welche darauf hinausläuft ihn Stück für Stück in die Gesellschaft zurückzunehmen.
Ich gehe jedenfalls soweit mit beizupflichten, dass die Städte und Gemeinden Ausgangslage dieses Prozesses sein könnten.
Inwieweit die Kommunen dann aber ohne Gewaltmonopol auskommen können, oder dieses notwendig ist um überhaupt einen rechtlichen Rahmen durchzusetzen (und einen Rückfall in Kleinstaaterei zu vermeiden), daran scheiden sich ja die Geister.
@Perikles:
Ich denke, dass eine gesellschaftliche Entwicklung immer nur aus den Notwendigkeiten der Gegenwart und ihrer begrifflichen Analyse geschehen kann. Man sollte mit Begriffen zur Zukunft nicht ohne deren Analyse aus der Gegenwart umgehen. Wenn hierfür die Überwindung des Privateigentums als notwendig begriffen ist, so kann es nicht mehr um einen Staat gehen, der immer nur dessen Verwirklichung betreiben kann, denn er bleibt immer ein aus der wirklichen Gesellschaft herausgesetzter Zustand von Dafürhaltungen einer politischen Klasse.Ich habe in meinem Lexikon dazu folgendes ausgeführt:
„Der Staat (lat. von status als Form, Stand, Zustand, Stellung) beschreibt die Verfassungsform einer Zentralmacht, welche den Einfluss der herrschenden Instanzen und Institutionen regelt und sich durch eine rechtliche, politische und wirtschaftliche Einheit aller Staatsbürger legitimiert wissen will. Der „profane Mensch“, der als Staatsbürger identifiziert wird, indem er darin „das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt“ (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 354 bis 355).. Er kann sich zum Zustand dieser Form nur über eine Meinung dafür oder dagegen verhalten, sich in seinem Dafürhalten repräsntieren lassen, ohne seine sinnliche Lebenswelt darin verwirklicht und allgemein dargestellt erkennen zu können. Er bleibt dem Zustand einer gesellschaftlichen Allgemeinform unterworfen, die sich unabhängig von seinen konkreten Bedürfnissen und seiner Arbeitswelt für ihre hiervon abstrahierten Allgemeininteressen vermittelst eines Verhältnisses von Repräsentanzen für sich einer politischen Repräsentantenklasse fortbestimmen (siehe auch repräsentative Demokratie). Von daher kann der Staat nur die allgemeine politischen Form von Meinungen sein, also die Allgemeinheit des Meinens, des jeweils Meinigen, des Privateigentums sein. Der sozialistische Staat hat dies durch seine Parteiendiktatur zusammengenommen, inderm er sich schon selbst sich als Partei eigentümlich gemacht hat, also im Staat sich als das Eigentum einer als Partei herrschenden Klasse, als Diktat der Arbeiterklasse bestimmt hat.“
Was deine Überlegung zum Gewaltmonopol betrifft, so sehe ich auch das nicht unabhängig von den jeweiligen Gegebenheiten in der wirklichen Geschichte und dem jeweiligen Fortschritt der regionalen Verhältnisse und deren politische wie wirtschaftliche Beziehungen nach außen. Es ist für mich auch fraglich, ob es das Monopol einer Gewalt geben muss, weil sich der Durchsatz von Notwendigkeiten der allgemeinen Entwicklungsverhältnisse gegen einzelne Schädigungen oder Angriffe nicht monopolistisch zentralisieren sollte, weil er ebenso immer auch über politische oder wirtschaftlichen Restriktionen aus der Macht der bisherigen Geschichte heraus bestimmt sein kann. Das hat sich übrigens auch in der derzeitigen Politik als wesentlich „erfolgreicher“ gezeigt.
Wolfram, der von dir beschriebene herausgesetzte Zustand sei Ergebnis des Privateigentums an Produktionsmitteln. Ist dieses aufgehoben, bedürfe es dieses Zustands nicht mehr. Soweit so gut. Jedenfalls wenn man dieser Definition folgt. Andere würden dem womöglich nicht zustimmen. Es erweist sich als Problem, das ich öfters erlebe, wenn man in Diskussionen über den Staat spricht, was diesen ausmacht etc.
Wenn ich von Gewaltmonopol spreche, meine ich damit andererseits die Allgemeinverbindlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit von Regeln. De-facto waren das geschichtlich immer Gesetze. Hierzu bedarf es neben einer gesellschaftlichen Übereinkunft auch entsprechende Einrichtungen um bei eventuellen Übertritten dieser Gesetze – notfalls mit Gewalt – einschreiten zu können. Auch ein Netzwerk der Kommunen müsste eine Übereinkunft treffen wer dazu das ausschließliche Recht hat.
Selbst wenn es keines „Zustand einer gesellschaftlichen Allgemeinform“ mehr bedarf, weil ein Verbund der Kommunen einzig als Ableitung des Zusammenfindens der kommunalen und ökonomischen Interessen zu verstehen sei, finde ich die Frage nach der Vermittlung von Allgemeinem und Konkreten nur abstrakt zufriedenstellend beantwortet.
Wird es konkreter, verweist du dabei auf die Strukturierung dieser interkommunalen Kooperation in Form einer sich subsidiär verhaltenden Rätedemokratie. Das wirft jedoch allerlei Fragen auf, die schwierig zu beantworten sind. Zum Beispiel die Vermittlung von Repräsentation.
Da nicht alle Kommune-Einwohner miteinander sprechen können, bedarf es der Delegation. Soll diese aber nicht nur Partikularinteressen vortragen, sondern zu einer Synergie kommen, muss den Delegierten eine gewisse Freiheit der Deliberation und Beschlussfassung eingeräumt werden.
Dabei ist problematisch, dass die Delegierten dabei zur gesetzgebenden und ausführenden Gewalt zugleich werden. Als Entgegnung wird auf eine Kontrolle „von unten“ und die jederzeitige Absetzbarkeit der Delegierten verwiesen. Jedoch bedarf eine Absetzbarkeit einer gewissen „Unterschriftenhürde“, damit die Deliberation nicht bei jeder Kleinigkeit verworfen werden kann.
Darin liegt aber bereits die Crux: Für eine Absetzung finden sich selten die entsprechenden Mehrheiten und gemeinhin neigen auch Delegationssysteme nach einer gewissen Zeit und Professionalisierung dazu sich zu einem parlamentarischen Repräsentationssystem zu entwickeln. Allein schon wenn es eine Weile „gut läuft“ und die Bevölkerung zunehmend meint „Die machen das schon“.
Hinzu kommt die aus dem Kinderpiel „Stille Post“ bekannte Informationsverzerrung, wenn die jeweils höhere Ebene die nächsthöhere ernennt.
Insgesamt finde ich die Aufhebung der horizontalen Gewaltenteilung – nach dem bisherigen Stand der Debatte – nicht überzeugend. Denn auch aus der Verwaltung von Dingen kann sich Macht verselbstständigen und Herrschaft herausbilden. Man könnte sogar sagen, die Verwaltung von Dingen war oft genug herrschaftsbildend.
Außerdem finde ich die Frage nach der institutionell rechtmäßigen „Durchsetzungsgewalt“ durch den Verweis auf eine staatenlose Rätedemokratie nicht zufriedenstellend beantwortet.
@Perikles:
Hast du dir schon mal meinen Vorschlag von einer qualifizierten Delegation angesehen?
@Perikles #4:
Die politische Idee einer internationalen Kommunalwirtschaft geht davon
aus, dass die Geschichte der menschlichen Gesellschaft sich
substanziell aus einer Bildung von Lebensreichtum, den Vorzügen
einer wirtschaftlichen Ergänzung ergibt, wie sie sich kulturell
auch sinnvoll erweist. Die politische Ökonomie, die auf dem bloßen
Privatrecht beruht, wird sich dadurch aufheben, dass sie in einer
wirtschaftlichen Politik für ihre Regionen und Länder auch ihren gesellschaftlichen Antrieb wirklich erfährt, nach hiesigem Sprachgebrauch „unterpersonell“ wahrnehmbar wird. Eine solche Wirtschaftsform hat Herrschaft und Reaktion nicht nötig, weil solches nur kontraproduktiv
gegen eine gemeinschaftliche Projekte sein könnte, eben weil sie
als eine vertragsgemäße Konföderation für alle eingerichtet ist,
die sowohl raumgreifende Interessen mit der Produktion und
Reproduktion der regionalen Selbsterhaltung vermitteln kann.
Was bisher der Staat als Lebensraum der Politik (=Nation, EU, USA) fertig brachte, war der Zentralismus einer abstrakten Gesellschaft, aus dem er seine
Macht bezog. Kehrt man das zu seiner organischen Form, zu
einem Verbund von Lebensräumen um, der über
ihre verschiedenen Netzknoten sich nicht nur horizontal,
sondern auch vertikal entwickelt, also auch für abgestufte Projekte je nach
Ausdehnung kooperiert. Wenn hierzu parlamentarisch verwaltete Brücken
entwickelt werden, die von der Gemeinde, zur Kommune und von
dort auf die Ebene von Regionen oder Bezirke und schließlich auch
der Länder bis zu den Kontinenten föderative zeitlich
begrenzte Verträge abgeschlossen werden, so ist es doch nur noch
die Frage der Aufwände und einer darin vereinbarten entsprechenden
Entschädigungen, die durch ein Rechengeld vermittelt werden, durch
seine Reziproke Geldentwertung den Entwicklungsausgleich an
Produktivkraft zu aller Vorteil betreibt. Was bisher dem Staat als
politische Macht überlassen war, wird hierdurch zu einem
organischen Verhältnis verantwortlicher Menschen, die ohne Umstände als Vertreter eines bestimmten Entscheidungsrechts und dessen räumlichen Umfang zu benennen sind.
Das bedarf nach wie vor einer Planung mit Menschen und Material
und Vorschüssen, an der jedes Projekt nur vorteilhaft entstehen
kann, wenn alle davon – oder zumindest eine substanzielle Mehrheit
– etwas haben. Und wenn die gemeinschaflichen Interessen richtig
erkannt, formuliert und entschieden und wissenschaftlich mediatiert werden, so vergrößert sich mit dem Wirtschaftswachstum auch der politische
Lebenbereich, die Ausdehnung der wirtschaflichen
Verbundenheiten, in denen man notwendig kooperieren muss, um seine eigene Lebenswelt weiter zu bringen. Dabei spielt die Entwicklung der Produktivkräfte, besonders deren Technologie eine tragende Rolle, weil sie endlich ihren Doppelcharakter mit den Formbestimmungen des Kapitalismus verloren haben werden.
Das ändert wesentlich die Verhältnisse des Wirtschaftswachstum, das dann ohne Wertwachstum auskommen kann, das also dem Sinn des Wirtschaftens entspricht, mit heringsmöglichem Aufwand bestmöglichen Fortschritt zu schaffen. Ein Staat des Kapitalismus muss z.B. anwachsende Arbeitslosigkeit und hohe Sozialkosten fürchten, wenn eine sinnvolle Entwicklung die
Abschaffung des Benzinmotors verlangt. Dies hat eine hochentwickelte
organisch begründete Technologie nicht. Auch wenn ein
Trassenprojekt der Stromleitungen der Bayern über ganz Deutschland
verliefe, so wäre das Vertragswerk eben auch die zentrale Form
de Politik für alle, wenn und weil sie sich mit den
Interssender anderen ergämzt. Daran wird sich nur ändern, dass
wirtschaftliche Konkurrenz abgebaut wird. Alle brauchen die
Bundesbahn, die Schiffe, die immer besseren selbstfahrenden Busse
und Taxis usw.Weil man sich in den übergreifenden Projekten immer
wieder treffen und austauschen muss, lässt das eigentlich keine
Kleinstaaterei oder Machtnischen zu. Die dementsprechend planenden
und überwachenden Gremien werden sich bewähren müssen, und dafür
auch viel Anschluss und Beziehung finden.
Es muss in diesem Verlauf aber immer wieder über das Verhältnis
der Reproduktioninteressen, der Reprodukzionsindustrie im Verhältnis
zu den der Reichtumsbildung und Akkumulation entschieden
werden. Aber es wäre auf jeden Fall ein großer Fortschritt in der
Lebensproduktio, wenn die Geschichte der Kommunen auch sich in denen
der Regionen, Länder und Kontinenten analog verhält und sich daran
bemisst was nötig und gewollt ist, Reichtum der aus dem wirklichen
Lebensprozess hervorgeht und sich „sehen lassen kann“.
Eine andere Frage bleibt die Form der Akkumulation der
Reichtumsbildung bei unterschiedlichem Wachstum und
der allgemeinen Vorsorge. Gegen die Abhebung einzelner
Selbstermächtungen (z.B. Verwaltung) hilft immer die vereinbarte
Regelung, die dann auch getroffen werden muss, will sie ihren
Arbeitanteil nicht verlieren.. Und natürlich gibt es auch
unterschiedliche Graduierungen in der Verantwortlichkeit von
Verfügungen. Aber dies nicht durch Direktiven von oben,
sondern durch Auseinandersetzungen und Vermittlungen von
unten im Rahmen wissenschaftlicher Mediation.
Wolfram, in deinem Lexikoneintrag zu einer „Qualifizierten Delegation“ schreibst du:
„Es sollten hiernach aus den bestimmten Bereichen der gesellschaftlichen Wirtschaft und Bildung (z.B. Arbeit, Wohnen, Lebensmittel, Wissenschaft, Kultur, Technologie Presse, Verkehr, Kommunikation und Unterhaltung) bestimmte
Wählergruppen in der Bedeutung ihrer Stimme pro thematisiertes
Sachgebiet gewichtet und auf deren entsprechende Vertreter und ihrem
Stimmanteil in den parlamentarischen Auseinandersetzungen angewendet
werden. (…) Es geht
hierbei also um eine „gegenseitige Qualifizierung“ einerseits innerhalb
der jeweiligen Bereiche, wie auch der Bereiche zu ihrem
Gesamtzusammenhang in der Lebenspraxis, der letztlich über die
Bevölkerung anerkannt oder abgewiesen wird.“
Es sollen also jene beraten die von einer Angelegenheit regional wie inhaltlich betroffen sind und sich entsprechend in Räten/Kommissionen/Ausschüssen zusammenfinden. Da gehe ich mit. Wie die Stimmen pro thematisiertes Sachgebiet aber gewichtet werden sollen, erschließt sich mir nicht.
Für mich klingt es bisher so, als sollten jene die über ein Thema „Ahnung haben“ bzw. das nötige Wissen mitbringen (sofern sie inhaltlich und lokal betroffen sind), darüber beraten und es dann der Bevölkerung zur Wahl vorlegen.
Es stellt sich die Frage ob der Begriff „Rätedemokratie“ für dieses Modell dann überhaupt angemessen ist, weil es von den bisherigen Vorschlägen und Praktiken der Rätedemokratie doch ziemlich abweicht. Ich finde deinen Vorschlag aber durchdachter als das was sonst so von der Linken
so kommt.
Ich halte es aber für problematisch, dass jene die ein direktes Partikularinteresse an einer Sache haben die Entwürfe ausarbeiten oder gar Entscheidungsbefugnisse bekommen. Schließlich sind Leute dahingehend oft genug befangen. Dieses Risiko besteht m.E. auch in einer kooperativ wirtschaftenden Gesellschaft.
Du schreibst in deiner erweiterten Ausführung : „Und wenn die gemeinschaflichen Interessen richtig erkannt, formuliert und entschieden und wissenschaftlich mediatiert
werden, so vergrößert sich mit dem Wirtschaftswachstum auch
der politische Lebenbereich, die Ausdehnung der wirtschaflichen Verbundenheiten, in denen man notwendig kooperieren muss, um seine eigene Lebenswelt weiter zu bringen.“
Gerade wenn es darum geit die „gemeinschaftlichen Interessen richtig zu erkennen“, sollte die Entscheidung vermutlich nicht aus einer Verhandlung von Delegierten der gesellschaftlichen „Sektoren“ getroffen werden. Denn dass die „wirtschaftlichen Verbundenheiten“ dazu führen, dass alle „notwendig kooperieren müssen“ sehe ich nicht unbedingt gegeben, sollte sich z.B. ein Patt der Partikularinteressen ergeben.
Ich bin jedenfalls skeptisch, dass regionale Gefälle aus dem vernünftigen Verweis auf die Verbundenheit aller Regionen notwendig Seperatismen vorbeugen sollte, wenn es keine Zentralgewalt gibt – und sei es nur eine welche sich die Kommunen selbst gegeben haben. Zumindest sind die geschichtlichen Beispiele dünn gesät. Sollte ich hier falsch liegen, korrigiert mich bitte.
Überdies hebelt die Qualizierte Delegation einige der genannten Kritikpunkte an der Rätedemokratie vermutlich nicht aus (z.B. Entwicklung zur parlamentarischen „Expertokratie“ bei zunehmender Professionalisierung + die genannte Informationsverzerrung). Natürlich kann ich auch hier falsch liegen und meine Skepsis mag unbegründet sein.
Ich hielte es für sinnvoller die Delegierten aus den jeweiligen „Sektoren“ und Kommunen zu den jeweiligen Themengebieten nur als Berater in Form eines Hearings zuzulassen, deren Anregungen von einem aus allen Bürgern statistisch repräsentativ ausgelosten „Bürgerparlament“ angehört werden. Ähnlich wie es bei heutigen Verfahren der Bürgerjurys/Bürgergutachten der Fall ist. Mit dem Unterschied, dass das Bürgerparlament Entscheidungsbefugnis hätte.
Das Bürgerparlament könnte je nach vertikaler „Höhe“ der Entscheidungsnotwendigkeit, also je nachdem wie groß der „Einzugsraum“ des zu behandelnden Problem ist, stets neu zusammengesetzt werden ohne dauerhafte Abgeordnete herausbilden zu müssen.
Siehe das entsprechende Konzept der „Offenen Demokratie“: https://www.prediki.com/meta/en/B%C3%BCrgerparlament/
Oder den von Terrill G Bouricius ausgearbeiteten Vorschlag: http://www.publicdeliberation.net/cgi/viewcontent.cgi?article=1220&context=jpd
Außerdem schreibst du: „Ein Staat des Kapitalismus muss z.B. anwachsende Arbeitslosigkeit und
hohe Sozialkosten fürchten, wenn eine sinnvolle Entwicklung die Abschaffung des Benzinmotors verlangt. Dies hat eine hochentwickelte organisch begründete Technologie nicht.“
Welche „hoch entwickelte organisch begründete Technologie“ soll das sein? Wie würde eine Konföderation der Kommunen vorgehen, was die Sozialkosten anbelangt? Der Verweis auf dein vertrags- und zeitlich gebundenes Rechengeld ist mir noch nicht ganz klar und wie es sich zum Verhältnis der Finanzierung der Reproduktion verhält.
Christian,
Please forgive the English, but you left out the huge criminal sector in your outline of modes of production (and expropriation).
In case of economic collapse, as in the Soviet Union, they will become even more prominent. They of course overlap with the capitalist and government sectors, but have some of their own methods and rules.
@Perikles:
Danke für den Link (dem englischsprachigen bin ich aus Zeitgründen nicht
nachgegangen). Die für ein „Bürgerparlament“ statistische
ermittelte Repräsentanz, die selbst nochmal ausgelost wird, halte
ich für das Konstrukt eines politischen Pragmatismus, dem ich nichts
abgewinnen kann.Ich denke, dass Politik nicht so leidenschaftslos
funktionieren kann. Irgendjemand soll da mal das Sagen haben zu
irgendein Thema? Nein danke. Ich denke, dass Politik nur aus einer
ganz bestimmten Geschichte heraus und in dieser Bestimmtheit
funktionieren kann, dass also auch Probleme nicht aus einem
„Prognosepool“, sondern aus den Inhalten im Streit um den besten
Weg darin aufgehoben werden sollten. Jede rein repräsentative
Darstellung erzeugt eine Passivität der Entscheidung, die weit
schlechter für einen guten Weg sind als die Risiken, die du bebannt
hast und die es immer geben wird, wo Menschen Geschichte machen.
Das Problem einer Expertokratie sehe ich nicht gegeben, wo doch der
Streit erstens unter den Experten ebenso verläuft wie unter der
Bevölkerung und zugleich die Experten nur mit einer inhaltlich
beratenden Wissenschaft auftreten können, die durch ein „Bürgerveto“
leicht abzuwehren ist.
Der Gedanke meines Vorschlags gründet auf meinen Erfahrungen zur Notwendigkeit einer Form für eine geschichtliche Auseinandersetzung, bei der auch ein Patt möglich ist, das einerseits den Fortgang schlicht und einfach stoppen kann, andernfalls aber die Seite der Wissenschaft als eine erkentnistheoretisch fundierte Prognose mit den Alltagsnotwendigkeiten konfrontiert und ebenso umgekehrt sich selbst auch aus den zunächst unauflösbar scheinenden Probleme der Bevölkerung fortbildet, also Geschichte als einen gegenseitigen Prozess von „Kopf und Hand“, von Bewusstsein und Tätigkeit realisieren könnte.
@Wolfram #1:
Was in aller Welt ist denn in dich gefahren, dass du in solch einen Tonfall verfällst??? In Zukunft behalte ich mir vor, derartige Kommentare komplett zu löschen, Nazivergleiche und Pöbeleien müssen nun wirklich nicht sein und ruinieren das Gesprächsklima.
Zum Inhaltlichen: Selbstverständlich (wie Perikles schon erkannt hat) behaupte ich nicht, dass der Staat ein universelles Element jeglicher Gesellschaft ist. Staatenlose Gesellschaften gab es reichlich, keine Frage. Umgekehrt halte ich aber Vorstellungen für falsch, die den Staat zu einer genuin neuen Erfindung der kapitalistischen Produktionsweise erklären. Natürlich unterschieden sich alte „Reiche“ (wie das Römische, Chinesische, Japanische), mittelalterliche Fürstentümer und Stadtstaaten etc. von den modernen steuerfinanzierten Staaten, die sich im Kontext der kapitalistischen Produktionsweise entwickelt haben. Gleichzeitig gibt es aber Gemeinsamkeiten — wie die Oberhoheit über eine bestimmte Region und die dort lebenden Menschen — die IMHO einen einheitlichen Begriff („Staat“) rechtfertigen.
@Perikles und Wolfram #2–7+9: Bitte achtet künftig darauf, ob eure Kommentare etwas mit dem Artikel, unter dem sie stehen, zu tun haben! Sicherlich ist die Frage, ob es in Wolframs „Kommunalwirtschaft“ Staatlichkeit gibt, interessant — aber eben für die Debatte um die Kommunalwirtschaft, entsprechend sollte sie auch dort, auf Wolframs Website, geführt werden. Da ich nirgendwo behaupte, dass Staatlichkeit ein universelles Feature jeder Gesellschaft ist, ist die Debatte HIER hingegen vollkommen fehl an Platz.
Auch hier gilt: Ich plädiere an euch (und ebenso an alle anderen Kommentator_innen) zunächst VOR Verfassen bzw. Absenden eines Kommentars darüber nachzudenken, ob er sich wirklich inhaltlich auf den Artikel bezieht, unter dem er erscheinen soll. Wenn nicht, hat er dort auch nichts verloren (auch wenn er womöglich ANDERSWO genau richtig sein kann). Sollte das in Zukunft weiterhin so schlecht klappen wie leider oft in der Vergangenheit, behalte ich mir die Löschung von Off-topic-Kommentaren vor.
@Bob #8:
I’m not discussing sectors, I’m discussing modes of production — and I didn’t claim completeness regarding the modes that exist in current society. But is there a genuine „criminal mode of production“? I don’t think so. What’s commonly called „organized crime“ seems to be just a specific „flavor“ of the capitalistic mode of production. There are corporate entities that aim to make a profit by exploiting business opportunities that others have to forgo because they are illegal; because of the higher (legal) risk they will only do this when profit expectations are considerably higher than in legal sectors.
Other, „non-organized“ criminals such as „self-employed“ pickpockets might be considered a specific flavor of the self-employed or artisanal mode of production (which historically is older than the capitalist one), and government corruption is a flavor of state production. So I’d consider these as specific flavors, or variations, of the various modes of production, but not as distinct modes of production in their own right.
Richtig und wichtig, festzuhalten.
Jede historisch vorherrschende Gesellschaftsform, auch Kapitalismus kann natürlich vom Standpunkt einer späteren Vergesellschaftngsweise auf Grundlage einer anderen Weise der Entwicklung und des Einsatzes der menschlichen und von Menschen bewegten Produktiivkräfte als eine Übergangsgesellschaft bezeichnet werden. Und es gibt sehr gewichtige Gründe anzunehmen, dass Kapitalismus tatsächlich nicht das Ende der menschlichen Formationsgeschichte sein kann. Die Frage, auf die hier wohl angesprochen wird (und der heiße Brei, um die herum es dabei wohl geht) ist die Frage nach Sozialismus als eine längere Phase, in der der Übergang zu kommunistisch (öko- bzw. weltkommunistisch) bestimmten Interaktionsbedingungen die weltweit vorherrschend Entwicklungsrichtung ist.
Eine rationale Erörterung setzte wohl voraus, nach der (historischen wie logischen) Notwendigkeit, Möglichkeit und Vertretbarkeit (den polit-kulturellen Mindeststandards) einer solchen Übergangsperiode zu fragen. Und diese Fragen immer wieder neu zu stellen.
Postkapitalistische Perspektiven können meines Erachtens aber nur gewonnen werden, wenn sie sich im Rahmen der anstehenden (öko-kapitalistischen) Kapitalismusvarierungen stark machen für Mittel und Wege, einen Gutteil der „gravierenden Verwerfungen der irdischen Ökosysteme“ zu verhindern.
Wolfgang:
Aber das hat Christian doch gar nicht gesagt. Dass ein kapitalistscher Staat nicht vorherrschen ein kapitalistisches Unternehmen ist sondern Rahenbedingungen setzt (zu setzen hat) heißt doch nicht, dass er kein kapitaistscher Staat ist.
@Hans-Hermann Hirschelmann
Es gibt keinen Staat, der in irgendeiner Weise wie ein Gemeinwesen funktionieren und also auch kein „Rahmen“ für eine Gesellschaftsveränderung bieten kann. Ich verstehe diesen Staat als ein durch und durch kapitalistisches Unternehmen, das sehr wohl und sehr intensiv auf nationale und internationale Profite aus ist und auch betriebswirtschaftlich von seinen und von fremden Banken betreut wird. Sein Kapital ist vor allem sein Renten- und Kreditsystem (einschließlich Staatsverschuldung, Verpflichtungen zum ESM usw.). Die „aktive Handelsbilanz“ durch die Regierungspolitik wie auch die „schwarze Null“ zeigen höchstes Interesse an der Akkumulation vo Kapital zur Absicherung des deutschen „Industriestandorts“. Sein Profit ergeht auch aus Mehrwert- und Einkommenssteuern aus den Welthandelsprofite, die allein im Jahr 2016 Waren im Preis von 1.193 Milliarden Euro aus der BRD ausgeführt und Waren zum Preis von 942 Milliarden Euro eingeführt (BpB). Das alleine ist schon ein Handelsprofit von 251 Milliarden Euro – eine große Geldmenge im Vergleich zum Bundeshaushalt von 316,9 Milliarden Euro.
Christian hat behauptet, dass für die Reflektieren über eine gesellschaftliche Veränderung der Staat durchaus nötig wäre, weil es diese noch nie ohne ihn gegeben hätte, so wie auch auf die häusliche Subsistenzarbeit noch nie zu verzichten war. Alleine diese Analogie zeigt doch schon die Weisheit solcher „Argumentation“, die immer nach rechts rutschen muss, wenn man sie ernst nimmt und darauf setzt. Und so entstehen Argumente, die eigentlich nicht diskutiert werden müssten, weil – na ja, weil sie selbstverständlich sind oder sein wollen.
Christian:
(Haupttext normal formatiert, Zusätze und Nebenbemerkungen kursiv.)
Das Wort „Produktionsweise“ (PW) kann zwar nach Bedarf neudefiniert werden. Es hat aber bereits eine gewisse Anwendung (unter Marx-Lesern), und da sind Zusammenhänge angesprochen, die man bei eventuellen Neu-Definiionen vielleicht nicht ganz vernachlässigen sollte (vor allem eine Hypothese der Art, dass „gesellschaftlich-arbeitsteilige Reproduktion auf gegebnem Stand der Produktivkräfte an die Produktionsverhältnisse Anforderungen stellt bzw. der Freiheit zu ihrer Gestaltung Schranken setzt“):
Die gegenwärtige PW zeichnet sich aus durch eine hoch-entwickelte unspezifische Produktivität, sowie durch die dafür nötige extrem komplexe und ausdifferenzierte Technologie und global-gesellschaftliche Arbeitsteilung. So gut wie alle Teile der Welt-Bevölkerung sind existenziell, also in ihrem Überleben, ihrer Reproduktion, als auch in ihrer Weiterentwicklung, von allen anderen Teilen abhängig.
(Auch die von Christian genannten „anderen“ PWen sind nicht für sich existenzfähig, sondern stehen weitgehend in einem Austauschverhältnis mit dem global-kapitalistisch organisierten industriellen Reproduktions- und Fortschrittsprozess; von „Subsistenz“ kann da keine Rede sein. Der moderne bürgerliche Staat wiederum „produziert“ eigentlich nicht, sondern kauft, mit Steuermitteln und auf (Staats)Kredit. vgl. #14)
Das ist einer der Gründe, warum radikallinke Konzepte traditionell einen weltweit überall halbwegs gleichzeitig einsetzenden Transformationsprozess denken mussten, solange sie eine vergleichbare materielle Basis zum Ausgangspunkt nahmen. Das genügt aber nicht. Denn die Kritik an der etablierten PW läuft darauf hinaus, die in den marktwirtschaftlichen (oder noch primitiveren) Erfolgsparametern (abstrakter Reichtum, abstrakte „(Stück)Kostensenkung“) einzig darstellbare, gegen Mensch-, Natur- und Vergesellschaftungs-Interessen gleichgültige unspezifische Produktivitäts-Steigerung im Konsens geplant Anforderungen zu unterwerfen (und insofern: auf Zwecke zu beziehen): Arbeitsleid-, Kontrollierbarkeits-, Risiko-, Fortschritts-, Rohstoff-, Energie-, Natur(nicht)verbrauchs- und noch mancherlei andre „Effizienz“ (wie man das nennen könnte). Wenn die Konsequenz radikallinker Kapitalismus-Kritik in diese Richtung geht, stellen sich mir (ähnlich wie im erwähnten „traditionell-radikallinken“ Fall) die Fragen:
A. Ob arbeitsteilige Zusammenhänge dann soweit wieder abgebaut werden sollen oder gar müssen, dass voneinander komplett un- oder nur wenig abhängige Reproduktionszonen/gemeinschaften entstehen (wie immer organisiert), die jeweils autark sind? oder
B. ob, bei gleicher reproduktiver Basis, ein „Mix“ aus Produktionsverhältnissen (die Gruppen von Beteiligten; ev. mit Mehrfach-Zugehörigkeits-Option) denkbar ist; oder
C. welche Bedeutung der Ausdruck „verschiedene ‚in einer Gesellschaft“ miteinander zeitgleich koexistierende PWen“ sonst annehmen soll? (Wodurch ist ‚eine Gesellschaft‘ dann eigentlich definiert, wenn nicht durch die ’selbe‘ (eine) arbeitsteilige Reproduktion?)
Zusatz-Frage 1: Man kann mancherlei abstrakte Vergleiche mit unentwickelteren historischen Verhältnissen anzustellen, ohne die je vorausgesetzte „Produktivkräfte“-Basis in Betracht zu ziehen (es sei denn, man plant bewusst eine Rückkehr zu den dabei unterstellten Reproduktionsverfahren). Was genau kann man aus solchen Vergleichen erschliessen?
Zusatz-Fragen 2: Nicht bis ins Mittelalter, aber immerhin in die Frühzeit und Aufschwungphase der industriellen Revolution zurück reicht die Abfassung des Kommunistischen Manifests; dort wurde bekanntlich prognostiziert, dass exakt die genannte Pluralität von Produktionsweisen, genauer: die vor-industriellen, vor-modernen, vor-arbeitsteiligen Enklaven („Idyllen“) im Zuge weiterer kap.Entwicklung verschwinden bzw. durch Einbau in kapitalistisch-industrielle Verhältnisse ihren Charakter komplett ändern würden. Hat sich das nicht längst bewahrheitet? Dazu als Illustration: Landwirtschaft wird heute als quasi periphere Abteilung der Agrar(konzern)industrie verstanden. Man könnte Handwerk und Heimwerker (Baumarktangebote) ähnlich als Peripherie der Baustoff- und einschlägigen Maschinenindustrie verstehen (beides zT Unter-Branchen der Lohnabhängigen-Reproduktion (ebenso Haushaltsarbeit/entspr. Industrieartikel, Einzelhandel; haushaltsnahe Dienstleistungen, Kinder-, Kranken-, Alten-Pflege-Einrichtungen). Handwerk zT zugleich Unter-Branche des Gewerbeimmobilienbaus).
2a. Sind das nun noch „Enklaven“ anderer Produktionsweisen?
2b. Ist die an Staats-Aufträge („Staatsproduktion“?) gebundene Rüstungsindustrie eine solche?
2c. Sollte man hierfür den Ausdruck „andere Produktionsweise“ verwenden?
2d. Was genau ist in solchen Fällen anders?
In my limited experience, organized crime seems more feudal than capitalistic. They do not produce anything or exploit labor or manipulate financial instruments. But they are huge. Several of the collapsitarian analysts expect warlords to re-arise upon a collapse of a capitalist economy. Dick Cheney and others financed private militias in their wargame scenarios for „come the revolution“. E.g. the company that used to be called Blackwater.
Sorry Leute,
aber ich kann es mir nicht verkneifen:
Diese Webseite ist wirklich nur noch ein mehr oder weniger belangloser (wahrscheinlich vor allem kleinbürgerlicher) Zeitvertreib.
Bevor etwas Neues entstehen kann (falls noch etwas entsteht), muß erstmal die bisherige alte kapitalistische bzw. bürgerliche Welt weitgehend zerstört sein, was in absehbarer Zeit im Rahmen eines 3.Weltkriegs geschieht.
Oder lebt Ihr in einer völligen „Blase“, in der Ihr die wirkliche Welt kaum noch bemerkt?
Grüße
Andreas Lindner
@Wolfram #14:
Ich sage, dass der Staat einen Rahmen für die kapitalistische Produktionsweise setzt, nicht für eine Gesellschaftsveränderung über diese hinaus. Das ist ja wohl ein gravierender Unterschied, den ich zu beachten bitte.
Welche Rolle der Staat im Rahmen von Gesellschaftsveränderung eventuell spielten könnte oder auch nicht, ist im Kontext späterer Texte noch gesondert an entsprechenden Vorstellungen zu diskutieren. Da hätte ich insbesondere in Auseinandersetzung mit staatsgläubigen Kapitalismuskritikern wie Paul Mason in der Tat einige Einwände.
Du scheinst dich beim Lesen nach wie vor zu verheddern. Ich sagte (gegen die Rechtslibertären), dass es noch nie eine kapitalistisch dominierte Gesellschaft ohne Staat gegeben hätte. Nur wer den Kapitalismus selbst für universell hält (was ich ganz sicher nicht tue und du hoffentlich auch nicht), könnte daraus schließen, dass der Staat generell unverzichtbar ist.
Hier nochmal mein entsprechendes Originalzitat:
@Andreas Lindner #17
Hast Du noch die Hoffnung, dass sich daran etwas ändern könnte?
Ist dieser Halbsatz jetzt Ausdruck für Deine Hoffnung. dass wir Menschen nur noch dann eine Zukunft haben, wenn wir „die bisherige alte kapitalistische bzw. bürgerliche Welt“ endlich abschaffen (nicht zerstören)
Sonst geschieht einfach, „was in absehbarer Zeit im Rahmen eines 3.Weltkriegs geschieht“, und das ist, was eigentlich kein Mensch wollen kann!
—
Im übrigen habe ich auch schon länger diesen hier gepflegten „Echoraum“ als nicht wirklich zielführend erkannt.
Christian hatte sich ja auch schon kritisch geäußert…
Meine Fragen und Antwortversuche kreisen um das Thema (Ziel) den Kapitalismus endlich abzuschaffen!
Heiter weiter …
Wolfgang
@franziska #15:
Ich bin der Ansicht, dass ich den Begriff Produktionsweise durchaus wie Marx verwende — immerhin stammt die Unterscheidung zwischen Gesellschaft einerseits und darin (vor)herrschender Produktionsweise andererseits von ihm. Dein Einwand scheint hingegen darauf hinauszulaufen, diese Unterscheidung aufzuheben und die gesamte gesellschaftliche Totalität als eine einzige PW aufzufassen, quasi als „große Soße“, in der sich alles Mögliche mischt. Ich will die Bestandteile der Soße analysieren und verwende dafür den PW-Begriff, während du dafür plädierst, diese Gesamtmischung als einheitliche PW aufzufassen und auf tiefer gehende Analysen zu verzichten.
Ich glaube nicht, dass eine PW für sich existenzfähig sein muss; eine Gesellschaft muss logischerweise existenzfähig sein, sonst würde sie verschwinden, aber wenn man davon ausgeht, dass in Gesellschaften mehrere PWen nebeneinander existieren — dabei selbstverständlich nicht isoliert voneinander, sondern in komplexen Wechselbeziehungen zueinander stehend — ist es logisch, dass es gerade diese Mischung ist, die die Existenzfähigkeit der Gesellschaft sichert. Wären einzelne PWen entbehrlich, würden sie gesellschaftlich wohl keine oder höchstens eine ganz marginale Rolle spielen; ihr nichtmarginales Vorhandensein spricht also gerade für ihre Notwendigkeit.
Dabei ist zu beachten, dass auch früher Subsistenz zwar manchmal die dominierende, nie aber die einzige Produktionsweise war. Die Subsistenztheoretikerinnen Veronika Bennholdt-Thomsen und Maria Mies weisen selbst darauf hin, dass es in subsistenzorientierten Gesellschaft immer auch Märkte für Überschüsse und Spezialprodukte gab. Die Vorstellung einer „reinen“ Subsistenzgesellschaft ganz ohne Märkte und (bezahlten) Tausch bezeichnen sie als „reine Phantasie“ (Eine Kuh für Hillary, S. 123).
Produktion würde ich, sofern Produzent_in und Konsument_in getrennt sind, immer an ersterer festmachen. Private, profitorientierte Rüstungsunternehmen sind ebenso kapitalistisch wie Bierbrauereien, auch wenn erstere ihre Produkte an den Staat verkaufen und letztere an Privatpersonen, die, wenn sie das Bier trinken, ihren persönlichen Genuss im Sinne haben und keine kapitalistisch-profitmaximierenden Zwecke. Der Begriff „Staatsproduktion“ macht IMHO nicht für die staatliche Auftragsvergabe an Privatfirmen Sinn, wohl aber für Institutionen, die der Staat (oder Länder, Kommunen) direkt selbst betreibt, wie die meisten Schulen, Universitäten, Polizei, Armee, Gerichte, Bürgerämter etc.
Fragen wie die nach einem Rückbau der Arbeitsteiligkeit stelle ich mal zurück; die sind im Kontext entsprechender Zukunftserwartungen zu diskutieren.
Hallo Wolfgang Tah,
um den Kapitalismus abzuschaffen, bräuchte es eine große Mehrheit der Menschen, die heutzutage weit und breit nicht in Sicht ist.
(Stattdessen gibt es eine sehr kleine Minderheit, die auch noch untereinander zerstritten ist.)
Derweil befindet sich der Kapitalismus in seiner schwersten und auch finalen Krise seit seinem Bestehen (was spätestens 2007 mit der sich seitdem weiter verschärfenden Finanz- und Weltwirtschaftskrise offensichtlich wurde), die zwangsläufig in einem 3.Weltkrieg endet.
(Der zudem bereits längst vor allem von den USA, aber auch Russland und China, vorbereitet wird.)
Vernünftig wäre:
1. Eine klare Analyse, wo wir heute stehen.
2. Sich einigen, was wir wollen.
3. Sich organisieren.
Alles andere führt zu Nichts.
Grüße
Andreas Lindner
@Andreas Lindner
Du meinst hier wohl genauer, dass die erforderliche „große Mehrheit der Menschen“ nicht in der Lage scheint, sich angemessen zu organisieren, ja, sich nicht in einem gemeinsamen Ziel vereinigen zu können.
Was wäre Vernünftig?
Ich fürchte, dass wir ausreichend Analysen haben!
Was essentiel fehlt ist Dein Vorschlag 2
Dazu ist aber ein aus sich heraus einigendes Ziel notwendig!
Das heißt dann nur noch, die Ausführung vollziehen, sie zu wollen.
In diesem Sinne …
Heiter weiter …
Wolfgang
Hallo Wolfgang Tah,
das beginnt schon damit, daß Du mich anscheinend mißverstanden hast.
Die „große Mehrheit“ hat sich natürlich auf Menschen bezogen, die den Kapitalismus als schädlich erkannt haben und deshalb abschaffen wollen.
Und diese Mehrheit gibt es weit und breit nicht.
Trotz allem gelegentlichen Gemeckere halten die allermeisten heutigen Menschen die kapitalistische Marktwirtschaft für das einzig machbare.
Und falls diese sich radikalisieren, dann meist in die völlig falsche Richtung, z.B. nach „rechts“ bzw. in anderen Weltgegenden religiös usw.
D.h., das Problem ist weniger, daß diese zu blöd` sind sich zu organisieren, sondern schlichtweg etwas anderes wollen und sich eine andere Welt als die heutige gar nicht vorstellen können.
(Deshalb gehen die meisten z.B. auch weiterhin wählen und verhalten sich auch ansonsten wie normale Staatsbürger usw.)
Zudem ist gar nicht klar, wo wir heute stehen.
Viele hierzulande meinen, solange ihr eigener Kühlschrank noch voll ist und auch sonst noch einiges läuft, gäbe es keine Finanz- und Weltwirtschaftskrise.
(Während es bekanntlich in zunehmend größeren Teilen Europas, siehe z.B. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien usw. bereits anders aussieht und etliche Menschen sich aus Mülltonnen ernähren – von anderen Weltgegenden ganz zu schweigen.)
Und selbst diejenigen, die wissen, daß der Kapitalismus seit 2007 nur noch „künstlich“ aufgrund billionenschwerer Interventitionen der Zentralbanken, mit staatlichen sog. Rettungsschirmen usw. aufrechterhalten wird, streiten sich, ob das nun eine früher oder später wieder vorübergehende oder die finale Krise des Kapitalismus ist.
Während andere wiederum von einer „Transformation“ träumen oder z.B., daß die 3-Drucker die Welt retten könnten usw.
Da ist gar nichts klar.
Grüße
Andreas Lindner
Noch ergänzend:
Während die meisten von den bereits längst stattfindenden Kriegsvorbereitungen kaum etwas mitbekommen, da sich vor allem „Linke“ für militärische Angelegenheiten meist nur wenig interessieren.
Und die bürgerlichen Medien das nicht an die „große Glocke“ hängen bzw. vieles gar nicht berichten.
Grüße
Andreas Lindner
PS: Ganz zu schweigen davon, daß die allermeisten heutigen Menschen vom Inhalt des Lebenswerks „Das Kapital“ von Karl Marx entweder nichts wissen bzw. dieses gründlich mißverstanden haben.
(Siehe z.B. die damaligen sog. Realsozialisten in der Sowjetunion, DDR usw.)
Und nicht einmal z.B. einen Tauschwert von einem Gebrauchswert einer Ware unterscheiden können bzw. bei „Wertgesetz“ nur „Bahnhof“ verstehen.
Während sich nur aus der Kritik der bisherigen kapitalistischen eine neue Ökonomie entwickeln lassen würde.
(Ansonsten bringt das Nichts und führt meist sogar noch zu einer Verschlechterung.)
Grüße
Andreas Lindner
@Christian +18
Ganz praktisch gesprochen geht es doch einfach nur um die Frage, welchen Sinn Veränderungen innerhalb der bestehenden politischen Formaten haben können. Lässt sich die bestehende Gesellschaft substanziell außerhalb oder innerhalb derselben verändern? – außerparlamentarisch oder durch die Parlamente hindurch, auf dem „langen Marsch durch die Institutionen“ (Dutschke), innerhalb der Rechtsformen oder gegen sie? Und ich denke, dass sich da in der bisherigen Geschichte schon hinreichend gezeigt hat, dass alles, was in diesen Formen der Existenz entsteht nur Wirkung hat, wenn es sich wirklich gegen sie wendet, als Widerstandskultur die herrschenden Formen zu sprengen vermag, Menschen wieder hieran interessieren kann und sie mitnimmt, den Klassengegensatz der politischen Ökonomie im Widerstand gegen die politische Kultur bewusst macht.
Es ist ja nicht so, dass irgendjemand hier glauben würde, dass man „einfach aussteigen“ könnte oder sollte. Jeder braucht Geld, um zu leben, und wählt wahrscheinlich auch eine politische Partei, die sich in der öffentlichen Meinungsbildung austobt. Doch worum geht es dabei dann wirklich? Worauf soll das rauslaufen? Privateigentum ist nicht eine Eigenschaft von Eigentum, kapitalistische Produktion ist auch nicht einfach eine Eigenschaft von Produktion, sondern existiert wesentlich im Widerspruch von Form und Inhalt des Eigentums und der Produktion. Die Frage ist eben, was ein Leben in solchen Widersprüchen bewirken kann. Und für mich hat sich auch gezeigt, dass das nicht über die Form gehen kann, nicht als Alternativbetrieb, nicht als Alternativpartei usw. Es geht um die Nutzung der herrschenden Formen (z.B. auch Partei, Geld und Kapital), um sie aufzulösen (z.B. Kapital umzuleiten zur Bildung von kommunalem Eigentum, die Linke zu wählen, um Positionen zu setzen, die Grenzen überschreiten und um ihre Basis gegen ihre Repräsentanten zu aktivieren, außerparlamentarischen Widerstand zu bestärken usw.).
@Christian: Die Frage ist für mich, und sie wird mich während meiner Lektüre der angekündigten Überlegungen nicht loslassen: Gibt es überhaupt ein Produktions- oder gesellschaftliche Verhältnisse im weiteren Sinn, mit dem und denen sich die moderne (Re)Produktion und ihr Fortschrittspfad hinsichtlich wünschenswerter Ziele optimieren, kontrollieren, gestalten, planen lässt? Das sind bis auf weiteres die Produktivkräfte, mit deren derzeit „entwickeltem Stand“ wir (alle) zurechtkommen sollen. Die bürgerliche Vergesellschaftung (Markt, Staat, Zivilgesellschaft; Medien, Institutionen, Normen/Diskurse; Moral) scheint langsam der Aufgabe nicht mehr gewachsen zu sein – daher zunehmende Dauer-„Krise“. Aber diese scheiternde Vergesellschaftung ist nicht irgendwo „da draussen“, es ist „unsre“ – wir sind ein WIR derzeit nur auf ihrer Grundlage. Und es ist die einzige derzeit verfügbare. (Für die mit ihr bestrittene moderne Produktionsweise gilt dasselbe). Und wenn das scheitert, haben wir erstmal… nichts.
Das moderne „Wir“ ist derzeit ausserstand, sich gegen den Kriegs-Terror einer verglichen mit der Bevölkerung winzig kleinen westlichen Neolibcon-„Elite“ zur Wehr zu setzen. Eine vergleichsweise einfach zu lösende Aufgabe. (Nebenbei, das Internet ist voll von akribischen Berichten (und Forendiskussionen) von allem, was diese Leute sagen und (heimlich oder offen) weltweit anrichten. Daran liegts gewiss nicht, wenn nichts geschieht.)
Das nichtstaatssozialistische „Wir“ wiederum ist derzeit ausserstand, seine theoretischen Kontroversen auch nur anzugehen. Was gewiss AUCH damit zusammenhängt, dass die beteiligten „Analysen“ keineswegs durchgearbeitet und aufeinander beziehbar gemacht sind. Und auch das ist eine – verglichen mit allem, was sonst noch so ansteht – relativ überschaubare Herausforderung. (Irgendwie mickrig, geradezu kleinbürgerlich…)
Ansonsten gilt natürlich, was Andreas Lindner und Wolfgang Tah sagen: Wir müssten nur. Wir sollten endlich.
Dem kann man kaum widersprechen.
Hallo franziska,
schön wär`s, wenn es nur eine „winzig kleine westliche Neolibcon-Elite“ wäre, die hinter allem steht.
(Das wäre bereits längst beendet.)
Vielmehr haben wir es (heutzutage weitgehend global) mit einem polit-ökonomischen Wirtschaftssystem zu tun, das seit Karl Marx den Namen Kapitalismus hat.
Und das die allerwenigsten heutigen Menschen wirklich verstehen bzw. begreifen.
(Auch nicht dessen MacherInnen aus Politik und Wirtschaft.
Ansonsten gäbe es z.B. keine Finanz- und Weltwirtschaftskrise.)
Grüße
Andreas Lindner
PS: Deinen Ausführungen nach müßtest Du eigentlich in einer Kommune (d.h. Gemeinschaft) bzw. zumindest in einer Wohngemeinschaft leben.
(Auch jenseits von bürgerlicher Ehe und Zweierbeziehung.)
Das wäre doch schon ´mal etwas.
Hallo Andreas, ich sagte: winzig relativ zur Restbevölkerung. Was das Kapitalismus-Verständnis und die Verständigung darüber angeht, haben ja selbst wir noch gewisse Probleme. Ich bin immer noch auf der Suche nach einem Format, wo man das ausdiskutieren kann. Auf meiner Seite (klick den Nick>Startseite>Impressum) gibts für theoretische und andre Privatanfragen und -themen eine Kontakt-Mailadresse, dort gehe ich gern auf alles ein (falls gewünscht, auch im beiderseitigen Einverständnis nachträglich veröffentlicht).
Der thread hier sollte vielleicht nicht weiter für Privat-Konversationen genutzt werden.
PS: Ja, genau das tue ich, und noch einiges mehr.
Hallo franziska,
klar ist alles relativ.
Allerdings ändert das nichts an meiner Aussage, daß das Problem weniger eine (mehr oder weniger) kleine „Elite“, sondern vielmehr das (von den allermeisten heutigen Menschen weitgehend unverstandene bzw. unbegriffene) kapitalistische Wirtschaftssystem als solches ist.
Zumal sich der Kapitalismus (im Rahmen eines 3.Weltkriegs) letztlich selbst zerstört.
Fraglich ist allerdings, ob sich die übriggebliebenen Menschen davon noch einmal erholen werden.
Oder ob wir (die sich bekanntlich „die Menschen“ nennen, obwohl wir in Wirklichkeit nur eine Menschenart, d.h. der „homo sapiens“, sind) ähnlich wie bereits unsere Vorgänger (z.B. „homo erectus“, Neandertaler usw.) das Ende der evolutionären „Stufenleiter“ erreicht haben.
Aus heutiger Sicht sieht es nach letzterem aus.
Grüße
Andreas Lindner
Übrigens:
Das mit den „Commons“ funktioniert nur, solange diese der Selbstversorgung dienen, d.h. im relativ „kleinen Rahmen“.
Sobald diese für den Markt (d.h. Tausch) produzieren, unterliegen diese wie alle anderen auch den marktwirtschaftlichen bzw. kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten, siehe das Wertgesetz.
(Ähnlich wie die Genossenschaften, die entweder „normale“ Betriebe werden oder vom Markt wieder verschwinden.)
Deshalb führt kein Weg an einer gesamtgesellschaftlichen Planung vorbei, d.h. ohne Waren- und Tausch bzw. Geldbeziehungen.
(Und stattdessen eine Produktion für die Bedürfnisse, die im Kapitalismus bekanntlich nicht der Zweck, sondern nur das Mittel zur Vermehrung des Kapitals sind.)
Grüße
Andreas Lindner
@Bob #16:
A partial collapse of the current order, where states become powerless and rackets may to some degree take their place is one of the scenarios I plan to discuss. I think it would be quite wrong to understand such a scenario as a „return to feudalism“, though there may indeed be some feudal elements. But that’s a point for the later discussion.
@Andreas #17 ff:
Du greifst hier einigem vor, was erst in späteren Texten ernsthaft diskutiert werden kann — hier geht es ja nur um „Vorüberlegungen“, konkrete Szenarien gibt es dann demnächst. Die Idee einer demokratischen Zentralplanungswirtschaft (à la Parecon?), die du zu favorisieren scheinst, werde ich allerdings als „Nicht-Perspektive“ behandeln. So kann es meiner Ansicht nach nicht kommen, aber das ist natürlich noch genauer zu begründen und zu erörtern. Du scheinst da allerdings ja selbst skeptisch zu sein.
So ganz allgemein ist die Aussage „Das Alte muss zerstört werden (bzw. sich selbst zerstören), bevor das Neue entstehen kann“ nicht haltbar. Historisch betrachtet trifft sie wohl auf den Übergang vom zerfallenden Römischen Reich zu frühen feudalistischen Formen zu, nicht aber auf die Entstehung des Kapitalismus — da war der Feudalismus noch recht stark und lebensfähig, als er von letzterem verdrängt wurde.
Eine Zunahme kriegerischer Auseinandersetzungen bis hin zu Atomkriegen mit entsprechend katastrophischen Auswirkungen gehört zu den Szenarien, die ich diskutieren werde. Einen Weltkrieg mit China auf der einen und den USA auf der anderen Seite halte ich allerdings für nahezu ausgeschlossen, dazu ist die Weltwirtschaft heute viel zu eng verzahnt. Unter den Eliten in den beteiligten Ländern gäbe es da fast nur Verlierer und sehr wenige Gewinner, weshalb eine gezielte Herbeiführung eines solchen Krieges extrem unwahrscheinlich ist. Sollte es dennoch dazu kommen, dann eher als versehentliche Eskalation einer Situation, die den Beteiligten entgleitet.
Die Idee bei den Commons ist ja auch eine Produktion für die Bedürfnisse der Beteiligten, nicht für den Verkauf/Tausch. Auch dabei sehe ich allerdings Schwierigkeiten, die ich u.a. hier kurz dargestellt habe. Dort kritisiere ich aber auch die von dir favorisierte Idee einer „gesamtgesellschaftlichen Planung“. Alles nicht so einfach.
Hallo Christian,
was bei allem nicht vergessen werden sollte:
Wir befinden uns in einer spätestens 2007 offensichtlich gewordenen und sich seitdem weiter verschärfenden finalen Finanz- und Weltwirtschaftskrise, aus der es innerhalb der bestehenden Verhältnisse keinen Ausweg mehr gibt.
(Das zu erklären, würde allerdings den Rahmen eines Kommentars bei weitem überschreiten.)
Würden wir in einer rationalen, d.h. vernünftigen, Welt leben, würde ich Deiner Einschätzung hinsichtlich eines 3.Weltkriegs zustimmen.
(Der übrigens zwangsläufig nicht nur ein Krieg zwischen den USA und China, sondern vor allem zwischen den USA bzw. der NATO und Russland sowie China mit deren jeweiligen Alliierten ist.)
Allerdings leben wir nicht in einer rationalen, sondern höchst irrationalen Welt.
(Ansonsten gäbe es z.B. bereits längst keinen Kapitalismus mit weltweit zunehmender Armut, Not und Elend bis hin zu Weltkriegen mehr.)
Bekanntlich führte bereits die vorherige (und weitaus weniger umfangreiche als heutzutage in einem weitgehend globalisierten Kapitalismus) Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren in den 2.Weltkrieg, während Trumps Ankündigung „Make America great again!“ bzw. „America first!“ eine klare Ansage ist, was „friedlich“ gar nicht zu machen ist.
Zudem geht es bei den letzten Fragen von „Krieg und Frieden“ nicht mehr darum, ob sich das wirtschaftlich lohnt, sondern vielmehr um eine staatliche Selbstbehauptung, wo die ansonsten üblichen Rechnereien kaum noch zählen.
Wer mehr wissen möchte, dem empfehle ich den Vortrag „Krise, Krisenkonkurrenz, Gewaltkonkonkurrenz, Krieg“ von Peter Decker (z.B. auf „you tube“), in dem die Zusammenhänge und Übergänge zwischen einer kapitalistischen Krise und Krieg treffend erklärt werden.
Zum Thema „Planwirtschaft“ (die keineswegs nur zentral, sondern auch de-zentral sein könnte – je nachdem, um welches Vorhaben es geht) wäre folgendes mitzuteilen.
Deren relativ schlechter Ruf verdankt sich vor allem den bisherigen Versuchen z.B. im damaligen sog. Realsozialismus wie in der Sowjetunion, DDR usw.
Allerdings hatten diese keine vernünfige Planwirtschaft, da weiterhin mit Geld, Warenwert usw. gerechnet wurde, was jeden Plan be- und oftmals sogar verhindert hat.
Doch das wäre wiederum ein längeres Thema.
Desweiteren beinhaltet eine Planwirtschaft nicht zwangsläufig eine „Gleichmacherei“.
So wäre z.B. denkbar, die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu erfassen (was nicht sonderlich schwierig wäre), während Jede(r) selbst entscheiden könnte, wie weit er bzw. sie sich daran beteiligt bzw. einbringt.
(Entweder nur eine solide Grundversorgung, was weniger Arbeitszeit erfordert, oder einen erweiterten Kreis von Bedürfnissen, die eine etwas höhere Arbeitszeit erfordern.)
In diesem Sinne erstmal mit
Grüßen
Andreas Lindner
PS: Und vergiß das mit der „Dunbar-Hürde“, die wirklich ein Unsinn ist.
Entscheidend in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist nicht, ob sich alle persönlich kennen, sondern was für jeden Beteiligten und dessen Leben dabei herauskommt.
Schließlich sollte eine kluge Ökonomie kein (mehr oder weniger moralisches) Verzichtsprogramm (möglichst viel Arbeit bei für die meisten Werktätigen relativ geringem Ertrag wie im Kapialismus), sondern eine wesentliche Verbesserung nicht nur für die Gesellschaft, sondern natürlich auch für jeden Einzelnen sein.
PS2: Daß die frühere Planwirtschaft im „Realsozialismus“ alles andere als rational bzw. vernünftig war, zeigt sich z.B. daran, daß diese allen Ernstes versucht haben, den Geldwert der hergestellten Waren bzw. Dienstleistungen zu berechen.
Was gar nicht geht, da sich dieser bekanntlich in einer Marktwirtschaft bzw. im Kapitalismus aus der Konkurrenz der Unternehmen ergibt und deshalb nicht berechenbar ist usw.
Andreas, deine Ausführungen klingen schon ziemlich nach Parecon. Auch dort ist von einer dezentralen Planwirtschaft ohne Geld(-wert) die Rede. Im Endeffekt muss es aber auf eine zentrale Bedürfniserfassung hinauslaufen, wenn eine geldlose Planwirtschaft möglich sein soll.
Ob auf Basis einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaft eine rationale Wirtschaftsrechnung ohne Geld und/oder Preise jedoch möglich ist, das wurde und kann weiterhin skeptisch gesehen werden. Mehr zur bisherigen historischen Debatte siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftsrechnung_im_Sozialismus
Ähnliche Punkte wurden bereits zu Christians vorausgehende Artikel diskutiert.
Es wäre jedenfalls ratsam abzuwarten wie Christians weiterführende Artikel ausfallen werden und weshalb er eine Planwirtschaft im großen Maßstab für eine „Nicht-Perspektive“ hält und welche Alternative(n) er dahingehend für realistischer befindet.
Vielleicht noch ein ergänzender Hinweis zum Thema einer Ökonomie jenseits von Marktwirtschaft bzw. Kapitalismus:
(Auch aufgrund des Einwands von „Perikles“.)
Egal, wie nun im Einzelnen eine zukünftige Ökonomie aussehen könnte.
Das Wichtigste von allem wäre, daß es keinen Tausch von Waren und Dienstleistungen mehr braucht.
(Was nur im Rahmen einer gesellschaftlichen Planung möglich ist, wobei es keinen Grund gibt, warum das nicht funktionieren sollte.
Zumindest gab es das bislang noch nirgends, auch nicht im damaligen „Realsozialismus“, die etwas anderes machten.
Herausgekommen ist bei denen ein „3.Weg“, der weder eine richtige Marktwirtschaft noch eine vernünftige Planwirtschaft war.)
Der Grund ist schlichtweg, da es bei einem Tausch letztlich auch wieder ein sog. Tauschmittel, d.h. Geld, bräuchte.
(Während z.B. Christian bereits in diese Richtung zu denken scheint.)
Obwohl aus einem Tausch selbst (d.h. in der Zirkulationsspäre) noch kein Kapitalismus entsteht (dafür bräuchte er erstmal Kapital, was nur mittels menschlicher Arbeit zu gewinnen ist, was Marx bekanntlich Ausbeutung nannte), wäre damit der weitere Weg bereits weitgehend programmiert.
Ist erstmal wieder Geld unterwegs, würde dieses zwangsläufig zunehmend an Bedeutung gewinnen (als Zugriffsmittel auf den materiellen Reichtum) und sich zuletzt wieder alles darum drehen.
Damit wäre der Weg zum Kapitalismus geebnet.
Und eine „alternative Ökonomie“, die dann letztlich doch wieder beim früheren Alten landet, braucht es wirklich nicht mehr.
Jedenfalls wäre aus den Fehlern der damaligen „Realsozialisten“ einiges zu lernen.
Ansonsten erstmal Danke für Euere obigen Antworten.
Grüße
Andreas Linder
PS: Was übrigens nichts z.B. mit „menschlicher Gier“ oder ähnlichem zu tun hat, sondern sich aus der Funktion des Geldes weitgehend von selbst ergibt.
(Je mehr Geld, d.h. abstrakten Reichtum, bekanntlich läßt sich Geld nicht essen usw., desto größer ist der Zugriff auf den gesellschaftlichen Reichtum.
Nicht umsonst ist Geld Macht, vor allem auch über andere Menschen.)
Noch zum besseren Verständnis:
Der Tausch- bzw. Geldwert einer Ware bzw. Dienstleistung und deren Gebrauchswert sind Gegensätze und lassen sich nicht vereinen.
Entweder geht es um den Tausch- bzw. Geldwert (dann ist das der Sinn und Zweck einer Ökonomie wie z.B. im Kapitalismus) oder um den Gebrauchswert, d.h. die Befriedigung von Bedürfnissen.
(Deshalb bleiben in einer Marktwirtschaft bzw. im Kapitalismus bekanntlich auch viele Bedürfnisse unbefriedigt, da es den meisten Leuten am nötigen Geld mangelt, ohne das gar nichts geht.
Obwohl alles reichlich vorhanden wäre.)
Grüße
Andreas Lindner
PS: Genau an diesem Widerspruch ist auch der damalige „Realsozialismus“ letztlich gescheitert bzw. wurde von dessen MacherInnen aufgegeben.
Einerseits sollte zwar für die Bedürfnisse geplant, aber andererseits weiterhin in Geld- bzw. Tauschwerten gerechnet werden.
Beides zusammen ist ein Widerspruch in sich selbst, weshalb die Ergebnisse von deren Ökonomie auch nicht deren ursprünglichen Erwartungen entsprachen und zu dauernder Unzufriedenheit führten.
Last not least:
Wobei sich in der Marktwirtschaft bzw. im Kapitalismus die allermeisten Menschen täuschen und allen Ernstes meinen, daß es letztlich doch um die Versorgung der Menschen mit nützlichen Waren bzw. Dienstleistungen ginge.
Während in Wirklichkeit die Gebrauchswerte nur das Mittel zum Zweck, d.h. der Vermehrung des Kapitals, sind.
Was das genaue Gegenteil einer Versorgung der Menschen mit nützlichen Gütern bzw. Dienstleistungen ist.
(Was in einer Marktwirtschaft bzw. im Kapitalismus nur ein „Abfallprodukt“ ist – und auch nur dann, wenn die Kundschaft entsprechend zahlungsfähig ist, aber ansonsten kein Unternehmen wirklich interessiert.)
Da sollte besser nichts beschönigt werden.
(Auch wenn die marktwirtschaftliche bzw. kapitalistische Wirklichkeit meist alles andere als angenehm ist.
Obwohl einige davon profitieren, der Mehrheit allerdings der Schaden bleibt.)
Und noch etwas:
(Falls das nicht bereits bekannt sein sollte.)
Sobald in einer Ökonomie der Tausch- bzw. Geldwert zählt, ist der Maßstab des Reichtums die in Geld gemessene durchschnittlich notwendige Arbeitszeit, die in einer Ware bzw. Dienstleistung enthalten ist.
(Nicht zu verwechseln mit dem Preis einer Ware, der zudem noch z.B. Zinsen für das aufgebrachte Kapital, Steuern usw. enthält.)
Was wiederum ein absurder Irrsinn ist, da das heißt, daß eine Gesellschaft umso reicher ist, je mehr gearbeitet wird.
(Anstatt zu arbeiten, um zu leben, leben vor allem die meisten Lohnabhängigen um zu arbeiten – Tendenz weiter steigend.)
Was in der kapitalistischen bzw. bürgerlichen Gesellschaft bekanntlich zur Folge hat, daß trotz enormer Produktivitätssteigerungen aufgrund des Einsatzes von Wissenschaft und modernster Technik die Arbeit niemals weniger wird.
Und vielmehr genau das Gegenteil geschieht, was heutzutage bestens zu beobachten ist.
Anstatt ein zunehmend besseres Leben für die Menschen (zu dem vor allem auch eine Verkürzung der Arbeitszeiten zählen würde), verarmen bzw. verelenden – zumal weltweit – zunehmend mehr, d.h. während die einen gar keine Arbeit und damit auch kein Einkommen mehr haben, müssen die noch gebrauchten Arbeitskräfte immer mehr arbeiten, heutzutage oftmals sogar bei gleichen bzw. sinkenden Löhnen.
Während andererseits bereits etliche, inzwischen auch große, Unternehmen und Banken ohne staatliche „Rettung“ pleite gehen würden und ganze Staaten vom einem Staatsbankrott bedroht sind usw.
Der Grund ist schlichtweg, daß mit einer zunehmenden Reduzierung der in einer Ware bzw. Dienstleistung enthaltenen menschlichen Arbeit aufgrund von sog. Rationalisierungen usw. auch deren Geldwert sinkt, d.h. die Unternehmen müssen immer mehr verkaufen, um ihren Gewinn zu erhalten bzw. gar noch zu steigern.
Was allerdings aufgrund der beschränkten Kaufkraft bzw. zahlungsfähigen Nachfrage an Grenzen stößt, was wiederum die Konkurrenz weiter verschärft.
Der richtige Maßstab des Reichtums wäre dagegen die Produktivität der Arbeit und nicht die menschliche Arbeit.
Auch deshalb sollte nicht in Geld gerechnet werden.
Grüße
Andreas Lindner
@ Andreas #38:
Das ist der springende Punkt. Doch der ist nicht einfach durch eine Abschaffung von Geld möglich. Er kann nur in einem geschichtlichen Prozess ablaufen, in einem Prozess, den ich reziproke Geldentwertung nenne. Es ist ein Prozess der gesellschaftlichen Beziehungen in einer Ergänzungswirtschaft, die mit zunehmender Beziehung von Arbeit und Bedürfnis das Geldverhältnis auflösen muss, weil das in ihm schon angelegt ist. Dieser Prozess setzt allerdings eine Kommunal- bzw. Regionalwirtschaft voraus, die sich über ein Rechengeld gesellschaftlich auf ihre Produkte bezieht und an diesen ihre Bedürfnisse entwickelt. Bedürfnisse sind der Inhalt der Arbeit, aus dem ein Bedürfnis der Arbeit entsteht, die sich nicht aus einem Verwertungsprozess bestimmen lässt. Das hiervon Isolierte Bedürfnis hat keinen Sinn und die darauf bezogene Arbeit keinen wirklichen Nutzen.
Hallo Wolfram,
obwohl sich das meiste demnächst im Rahmen eines (innerhalb der bestehenden Verhältnisse unausweichlichen bzw. zwangsläufigen) 3.Weltkriegs weitgehend von selbst erübrigt (so wird es z.B. anschließend kaum noch Kapital geben, während die bisherigen Nationalstaaten aufgrund mangelnder Mittel zur Finanzierung des Staatsapparats mehr oder weniger zerfallen werden usw.), möchte ich auf Deine Antwort folgendes erwidern:
Klar ist, daß heutzutage das Geld nicht adhoc abgeschafft werden könnte und es eine geregelte Periode des Übergangs bräuchte.
(Ansonsten würde die bisherige marktwirtschaftliche bzw. kapitalistische Ökonomie erstmal weitgehend zusammenbrechen, was zu Hungersnöten und anderen Katastrophen führen würde.)
Allerdings würde ich das Geld nicht als den „springenden Punkt“ schlechthin bezeichnen, da dieses nur der Ausdruck privateigentümlicher Verhältnisse (vor allem an den Produktionsmitteln) ist.
Sobald diese entfallen, braucht es auch kein Geld mehr.
Und wäre sogar hinderlich.
Da auch eine Art Ersatzgeld – wie von Dir vorgeschlagen, das zwar kein richtiges Geld mehr wäre, aber weiterhin eine Verrechnungseinheit bliebe, eine vernünftige Planung be- und letztlich sogar verhindern würde.
(Ähnlich wie im damaligen „Realsozialismus“, deren Geld auch eine andere Funktion hatte – bekanntlich waren die meisten Preise im Unterschied zu einer richtigen Marktwirtschaft „politische“ bzw. staatlich verordnete Preise, was allerdings dennoch eine bedarfsgerechte Planung beinahe unmöglich machte.)
Zu der von Dir genannten „Kommunal- bzw. Regionalwirtschaft“ möchte ich folgendes anmerken.
Obwohl viele Angelegenheit auf kommunaler bzw. regionaler Ebene geplant und ausgeführt werden können (z.B. Müllabfuhr, Instandhaltung der Wohnungen und Häuser, Wärmeversorgung usw.), braucht es für überregionale Vorhaben (wie z.B. eine Infrastruktur) natürlich auch eine überregionale Planung.
Zumal es sich auch in einer vernünftigen Ökonomie nicht lohnen würde, daß z.B. jede Kommune bzw. Stadt einen eigenen Maschinenbau usw. betreibt, für den die örtlichen Ressourcen meist nicht reichen.
(Nicht umsonst werden z.B. Microchips und Computer in den Staaten mit großen Wirtschaftsräumen entwickelt – vor allem den USA, aber auch der damaligen Sowjetunion und dem heutigen China – und nicht in Kleinstaaten wie z.B. Lichtenstein, Schweiz usw., während selbst Deutschland für einen aufwendigen Flugzeugbau zu klein wäre und AIRBUS deshalb bekanntlich ein europäisches Unternehmen ist usw.)
Um tatsächlich reichlich materiellen Wohlstand für alle Menschen schaffen zu können, braucht es möglichst große Wirtschaftsräume.
Vor allem auch in einem Sozialismus bzw. gar Kommunismus.
(Mit „Tante-Emma-Läden“ und einigen Klein- bzw. Mittelbetrieben ist das schlichtweg nicht zu machen.)
Grüße
Andreas Lindner
Noch am Rande, nachdem ich mich auf Deiner Webseite ein wenig umgesehen habe:
Sog. Klassenkämpfe (auch in ihrer radikalsten Form) sind stets systemimmanente Verteilungskämpfe und führen nicht zur Abschaffung kapitalistischer Verhältnisse.
Was sowohl in der damaligen Sowjetunion als auch in der Arbeiterselbstverwaltung im früheren Jugoslawien zu beobachten war.
Obwohl es bei denen keine Kapitalisten bzw. Reiche und Vermögende mehr gegeben hat, gab es weiterhin eine Gewinn- und Verlustrechnung, Banken und Geld, Ware und Tauschwert, Lohnarbeit usw., d.h. der kapitalistische Rahmen wurde nicht verlassen.
Deshalb sind Deine Zweifel, warum ausgerechnet die „Arbeiterklasse“ von sich aus den Kapitalismus beenden sollte, durchaus berechtigt.
(Ein Fehler, den Marx in späteren Jahren anscheinend erkannt hat.)
Jedenfalls ist eine Erklärung und Kritik des Kapitalismus im „Das Kapital“ etwas anderes als eine „klassenkämpferische“ Umverteilung.
Und weitaus radikaler.
Noch zum besseren Verständnis:
Versuche z.B. nur ´mal zur Preisbestimmung zu errechnen, wieviel menschliche Arbeit in einer Jeans enthalten ist.
(Angefangen vom Anbau der Baumwolle, über die Weiterverabeitung bis zum Nähen, den Transport usw.)
Daran sind bereits ganze Planungsstäbe im damaligen „Realsozialismus“ gescheitert.
Grüße
Andreas Lindner
PS: Natürlich inkl. des Reißverschlusses bzw. der Knöpfe, des zum Nähen benötigten Fadens und der Maschinen und alles was erforderlich ist, bevor eine Jeans fertig ist.
I have no personal experience, but I worked with an ex-Soviet planner for a couple of years in 1995 or so. He said the plans worked fairly well for awhile, but got screwed up when the managers of the state-owned companies started more and more to treat them as their private competitive businesses and started to cheat on the plans and lie to the planners.
That could all have been self-serving apologetics, but I’ve heard similar stories from people who were workers and consumers. And the book „Red Plenty“ tells a similar story.
Anybody got any real and relevant experience?
Hello Bob,
I don`t speak very well english.
But what you wrote, was in the time of „Perestroika“ and the beginning of privatisation.
This was wanted by the government, special in the „Jelzin-Time“.
Grüße
Andreas Lindner
Hello Andreas, thanks for responding. Perestroika might have been the time my ex-Soviet planner colleague was talking about. I’d need to re-read Red Plenty, but from memory, those stories were earlier, more in Khrushchev’s era.
But do you have any knowledge of whether the plans had a period of working fairly well?
Sorry Bob,
but my english isn`t good enough to explain this.
Maybe another can answer you.
Grüße
Andreas Lindner
@Andreas Lindner.
Sollte es zu einem Dritten Weltkrieg kommen, den du für unausweichlich hältst, dürften sich die meisten Überlegungen über komplexe Planwirtschaften ohnehin erledigt haben. Jedenfalls insofern dann zwar eine postkapitalistische Gesellschaft möglich wäre, diese aber kaum eine emanzipatorischen Gehalt haben dürfte.
Ich stimme dir zu, dass der Realsozialismus eine Art Hybrid-Ökonomie darstellte, die spätestens bei zunehmender Komplexität der Arbeits- und Planungsorganisation ab Mitte der 1960er Jahre ins Schlingern kam und schließlich scheiterte.
Andererseits besteht die Frage ob eine Ökonomie ohne Verrechnung möglich ist. Die Planwirtschafts-Kritiker meinen Nein. Das Ergebnis wäre eine höchst ineffizient arbeitende Planung die obendrein ökologischen Gesichtspunkten nicht gerecht werden könnte.
Beziehungsweise wäre nur eine sehr begrenzte Produktpalette denkbar, deren Verrechnung nach einer Art „Tonnenberechnung“ ablaufen würde, ähnlich wie im Kriegskommunismus.
Aber gut, womöglich ließe sich die Reproduktion derart regeln. Auf die Mehrproduktion bezogen ist fraglich wie Innovation entstehen soll wenn alles einer gesamtgesellschaftlichen Vorab-Planung unterliegt.
Die einzig bekannte Alternativen hierzu wären wohl nur Märkte oder (genossenschaftliche) Subsistenz. Allerdings, und darauf hat Christian bereits hingewiesen, gibt es „den Markt“ ja nicht und Märkte können unterschiedliche Formen annehmen. Beispielsweise ließen sich „sozialisierte Märkte“ (Diane Elson) denken, die keineswegs zwangsläufig eine kapitalistische Logik entfalten müssen. Wolframs Entwurf einer, wie er es nennt, Vertragswirtschaft geht ja ebenfalls in diese Richtung.
Kurzum: Was die Reproduktion anbelangt mag Planwirtschaft machbar sein, was das Mehrprodukt, also das Entwicklungspotenzial der Gesellschaft anbelangt, wohl nicht. Denn auch daran ist der Realsozialismus gescheitert: Mangelnde Innovation durch Verplanung des Mehrprodukts.
Sicherlich bedarf es überregionaler Planung. Worum es Wolfram geht ist einen Unterschied zwischen Reproduktion und Mehrprodukt zu ziehen, auf Basis dessen eine Restrukturierung der Ökonomie im Sinne gesellschaftlicher Kontrolle überhaupt funktionieren kann ohne verselbstständigte Herrschaftshierarchien herauszubilden.
Hierbei bilden die Städte, Gemeinden und (Metropol-)Regionen die Grundlage welche überhaupt die nötige Überschaubarkeit gewährleistet um Produzenten wie Konsumenten in Bezug auf ihre konkreten Lebensverhältnisse zusammenzubringen damit diese koordiniert ihre Reproduktion planen können. Hier käme vermutlich wiederum das Konzept des sozialisierten Marktes zum tragen.
Das Motto hierbei lautet „So regional wie möglich, so global wie nötig“. Denn wenn der menschengemachte Klimawandel gestoppt oder zumindest reduziert werden soll, spricht viel dafür die Transportwege zu reduzieren.
Überhaupt ist der heutige fossile Schiffs-, Automobil-, und Flugverkehr ökologisch nicht tragbar und müsste um bis zu 90 Prozent reduziert werden.
Die Kommunen bilden auch den einzigen Hintergrund vor dem eine Rätedemokratie als Basis der Aushandlung von Großprojekten möglich ist ohne verselbstständigte Machtverhältnisse zu schaffen. Hier gibt es ja bereits heute Gemeindeverbände und interkommunale Kooperation.
Es kann und wird hier also weiterhin Aushandlungen und Verträge darüber geben wo Großprojekte zum Nutzen aller Kommunen angesiedelt werden. Schließlich bilden die Kommunen ein gemeinsames Netzwerk bzw. eine (Kon-)Föderation. Siehe hierzu für den europäischen Kontext die Vorstellungen bezüglich einer „Föderativen Republik Europa“: http://www.denknetz-online.ch/sites/default/files/herzog.pdf
Weiterhin besteht die Frage, wie beispielsweise von der Kritischen Theorie aufgeworfen, ob die Entwicklung der Produktivkräfte unkritisch gesehen werden sollte bzw. ob Technologie neutral ist. Es darf bezweifelt werden.
Insofern ist unklar welche Großtechnologien von einer befreiten Gesellschaft überhaupt verwendet werden können, wenn sie ökologischen Gesichtspunkten und mit einer selbstorganisierten und nicht-entfremdeten Arbeit in Einklang gebracht werden sollen. Womöglich ist das gesamte Fabriksystem damit unvereinbar.
Ein neuer Sozialismus könnte also nicht zum Ziel haben produktiver als der Kapitalismus zu sein bzw. wird sich vermutlich damit begnügen müssen „unproduktiver“ zu sein und seinen Schwerpunkt auf Lebensqualität statt Lebensstandard legen zu müssen. Allein schon um nicht die ökologischen Grenzen zu sprengen. Das Niveau an Güterausstoß läge vermutlich bei dem Mitte der 1960er Jahre.
@Perikles:
Gut, dass du dieses Thema angesprochen hast. Ob die „Entwicklung
der Produktivkräfte unkritisch gesehen werden sollte“ ist
eigentlich die Frage, ob die Produktivkräfte überhaupt unabhängig
von ihrem historischen Zusammenhang verstanden werden können. Das
Problem ist ja seinerzeit besonders auch mit den AKWs in den
Vordergrund gerückt, wonach diese Technologie pers se als
vernichtend kritisiert wurde. Tatsächlich ist sie das, aber nicht
durch ihre Technologie, sondern über deren Grund und seinen Folgen
und besonders über die politische Verfügung über ihre
Realisierung. Es gab schon damals deutlich ausgesprochen die
Positionen, wonach sich ein AKW niemals „rentieren“ könne, wenn
man alle Kosten incl. der „Renaturierung“ zusammennehmen würde,
dass diese Technologie auf unserem Planeten zwangsweise unnatürlich
ist – und deshalb nicht schadlos für die lebende und zukünftige
Menschheit zu realisieren ist, also unabdingbar verboten sein muss.
Die Verwechslung einer Diskussion um die natürlichen (bzw.
organischen) Inhalte einer Technik mit der Form der Zusammenhänge,
in denen sie existiert und produziert wird (Marx versteht unter
produktiver Arbeit z.B. nicht die nützliche Arbeit, sondern
eindeutig die Mehrwert bildende Arbeit), ist ein Verhängnis, in dem
die Linke spätestens seit Adorno und seiner „Negativen Dialektik“,
also mit seiner Art von Kulturkritik rumwabert.
Es betrifft ein mächtiges Dilemma der linken Positionen, die besonders
mit der Kritischen Theorie oder analog zu ihr begründet ist. Es handelt sich
m.E. um einen Widersinn, der dadurch entstanden ist, dass eine im Grunde psychologische Argumentation mit einer wirklichen vertauscht wurde, dass die Dialektik des historischen Materialismus – besonders im „Kapital“
von Karl Marx nicht als eine Dialektik von Form und Inhalt, bzw. aus
der Verkehrung der Inhalte durch ihre Formbestimmungen begriffen
wurde. Ich denke nicht, dass die Frage, was Produktivität in Zukunft
sein wird, als solche nicht eindeutig zu beurteilen ist – besonders
auch, wenn man hinzunimmt, dass ein großer Teil der herrschenden
Produkivität eigentlich für das Leben der Menschen völlig
unproduktiv ist. Alleine das Vermögen an Gütern, die z.B. auf den
Weltmeeren in rießigen Containerschiffen über längere Zeit nur
deshalb verschoben werden, um die Preise für die Future-Bonds im
Derivatenhandel hochzutreiben. Dito für Weizen, der z.B. 2012 von
der Deutschen Bank eingezogen wurde, wodurch sie in einem Sommer 4
Milliarden Dollar „erwirtschaft“ hatte während 4 Milionen
Afrikaner verhungert sind, weil sie den Weizen, den sie angebaut
hatten, nicht bezahlen konnten.
Wolfram, dass bei einigen linken „Technikkritikern“ Form und Inhalt in einen Topf geschmissen werden, also die „Form“ Kapitalismus schlichtweg mit „Industrialismus“ gleichgesetzt wird, das stimmt. Eine derart undialektische Position sollte kritisiert werden.
Dennoch klingt es bei dir so an, als wenn AKWs in einer befreiten Gesellschaft durchaus genutzt werden könnten, wenn der kapitalistische Mantel erstmal abgeworfen wäre.
Ich glaube hingegen, dass allerlei Technologie auch in einer nachkapitalistischen Gesellschaft nicht auf ökologisch nachhaltige Weise betrieben werden könnten, allein weil der Ressourcen- und Energieverbrauch dieser immer zu hoch ausfallen dürfte.
Richtig ist aber, dass ein enormer Anteil an Ressourcenverbrauch, Transport und „Globalisierung“ Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist.
Wir sollten die Technologie-, sowie Kapitalismus-/Industrialismus-Debatte aber womöglich woanders führen, weil sie zunehmend Offtopic wird und wir hier ja bereits (abermals) an der Plan vs. Markt-Debatte knabbern.
Was ja nicht falsch ist, da diese für mögliche Antworten für die Frage der Machbarkeit postkapitalistischer Produktionsweise elementar ist.
@Andreas #36:
Die Frage, wie eine künftige Ökonomie aussehen könnte, lässt sich nicht mal so nebenbei in ein paar Kommentaren ausdiskutieren. Wenn du eine aus deiner Sicht gelungene Darstellung einer geldfreien Planwirtschaft kennst, ob als Buch, Website o.ä., dann freue ich mich über einen Hinweis. Würde ich mir definitiv (früher oder später) anschauen, aber wie gesagt: Nötig wäre eine solide ausgearbeitete Darstellung, mit kurzen Floskeln zum Thema ist es nicht getan.
Ansonsten brauchen wir hier kein kleines Einmaleins der Kapitalismuskritik, das ist uns alles schon bekannt.
@Perikles: Danke für die Offtopic-Erinnerung — ja bitte bleibt beim Thema das Artikels und diskutiert damit bestenfalls lose zusammenhängende Fragen an geeigneterer Stelle.
Dass Produktivkäfte, egal ob die mittels Industrieanlagen, Autobahnen, Internet, Art der gesellschaftlichen Organisation oder geistige (wissenschaftliche philosophische usw.) Potenzen wirksam sind, mit Berufung auf Marx UNKRITISCH, also ohne wertendes Ansehen der mit ihnen einhergehenden oder darin historisch wie logisch angelegte Schäden, Gefahren, Fragwürdigkeit ihes Nutzens deren Klassencharakkter oder Kommunismuspotenzial usw. gesehen werden könnten, also auf solch einen Schmarren muss man auch erst einmal kommen.
Marx sah, meines Erachtens richtig, dass epochale Umwälzungen bisher stets Ergebnis gewachsener Widersprüche zwischen Produktivkraftentwicklung und Produktionsverhältnissen waren und dass das wohl auch in Zukunft so sein wird.
Historische Notwendigkeit wie Möglichkeit der Einleitung einer Periode des Übergangs zu (welt-) komunistisch bestimmten Produktionsbedingungen setzt nach Marx ein ausreichend hohes Maß der Entwicklung moderner Produktivkräfte und eines entsprechendes Weltverkehrs (Grad der Globalisierung) voraus, auf deren Grundlage die (Welt-) Gesellschaft sich ausdifferenzieren, eine Welt der Bildung ausbildet und die Individien ihre geistigen und sinnlichen Potenzen auch Genussfähigkeit entwickeln können, die sie letztlich im Widerspruch zu Lohnabhängigkeit, Selbstbereicherungszwang und Konkurrenz um die Fähigkeit der Her- und Bereitstellung möglichst anstrengungslos zu erwerbender Mittel der privaten (also hinsichtlich ihrer gesamtgesellschaftlich bzw. ökologischen Vernunft nicht notwendig reflektierter) Bedürfnisbefriedigung, weil die entwickelten Fähigkeiten uner diesen Bedinguungen (mit dieser Produktionsweise) nur Schaden anrichtet.
Ich dachte,, das wäre kleines Einmaleins.
Siehe: https://oekohumanismus.wordpress.com/damit-die-entfremdung-eine-unertragliche-macht-wird/
@Christian und alle anderen:
Da wir ja bereits ausführlicher über die geschichtliche Entwicklung von Märkten und Geld sowie deren Funktionsweise jenseits der „traditionsmarxistischen“ Annahmen beschäftigen, und die Plandebatte insofern schon ziemlich fortgeschritten ist, hier der Verweis auf den von Diane Elson im Jahr 1990 verfassten Artikel zur Fragestellung „Markt-Sozialismus oder Sozialisierung des Markts?“ (ab Seite 60):
http://www.prokla.de/wp/wp-content/uploads/1990/Prokla78.pdf
„Zusammenfassung: Sozialistische Marktwirtschaft und eine demokratisch selbstverwaltete Planwirtschaft werden weiterhin als alternative Formen sozialistischer Ökonomie gehandelt. Beide Formen werden einer tiefgreifenden und analytisch fundierten Kritik entzogen. Im Zentrum steht der Entwurf einer sozialistischen Gesellschaft, in der die Bürger nicht lediglich als Repräsentanten von Waren existieren. Der Weg in eine solche feministische, marktorientierte und dezentrale Ökonomie ist die Vergesellschaftung von Kauf- und Verkaufakten und des Preisbildungsprozesses.“
Dabei werden allerlei blinde Flecken der Planungsdebatte sowie neoklassische Annahmen kritisiert, die in der marxistischen Markt- und Planungsdebatte ebenfalls unhinterfragt als state of the art gesetzt werden und emanzipatorisch-postkapitalistische Alternativen entsprechend begrenzt ausfallen lassen.
Elson geht dabei explizit auf die bisher ausführlichste Planungsdebatte, nämlich jene der 1930er und 40er Jahre zwischen Sozialisten und der Österreichischen Schule ein, und legt schließlich ihren eigenen Alternativentwurf einer sozialistischen Ökonomie vor, der relativ ins Detail geht.
Teil-Themen des Artikels:
I. Noves-Markt-Sozialismus und Mandels sozialistische Planung (ab Seite 62)
– Noves Duale Ökonomie
– Ein unrealistisches Modell
– Die Vernachlässigung der Märkte als Institutionen und Prozesse
– Kritiken des Marktes
– Entscheidungsfindung und Märkte
– Der Prozeß der Anpassung und die Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft
– Mikro-Fundierung der Makro-Probleme
– Die Keynessche Lösung: Intervention auf den Märkten
– „Es gibt keinen dritten Weg“
– Mandels Dritter Weg
– Eine Ökonomie der Wiederholung
II. Die Sozialisierung des Marktes (ab Seite 86)
– Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft
– Öffentliche Unternehmen mit Belegschaftsmanagement
– Sozialisierte Märkte
– Der Arbeitsmarkt
– Der Markt für Produktionsgüter
– Der Konsumgütermarkt
– Koordination und bewußte Kontrolle
Hallo Perikles,
mit dem 3.Weltkrieg stimme ich Dir zu.
Danach wäre zwar eine post-kapitalistische Gesellschaft möglich, allerdings wahrscheinlich keine emanzipatorische.
(Zumal es keine nennenswerte „linke“ Bewegung gibt, die das „Ruder in die Hand“ nehmen könnte.)
Meine Kritik am damaligen „Realsozialismus“ hingegen war eine andere.
Es wurde eben nicht vernünftig geplant (und zwar nicht erst später, sondern bereits von Anfang an), sondern weiterhin am kapitalistischen Rahmen festgehalten, wenn auch in etwas modifizierter Form.
(Bekanntlich gab es im „Realsozialismus“ mit Ausnahme der Börsen alles, was es auch im kapitalistischen Original gibt wie z.B. Gewinn- und Verlustrechnung, Banken und Kredit, Ware und Tauschwert, Lohnarbeit und Geld usw.)
Was eine bedarfsgerechte Planung be- und oftmals sogar verhinderte.
Was sollen eigentlich die ganzen Geldrechnungen, in welcher Form auch immer?
Damit kommt z.B. kein einziges Stück Käse auf den Teller, kein Handy in die Welt usw., während ein Mangel mit Sicherheit nicht durch eine Geldrechnung zu beseitigen ist.
(Mehr im Gegenteil.
Im damaligen „Realsozialismus“ ist ein Mangel oftmals erst aufgrund der Geldrechnungen entstanden, obwohl die benötigten Güter reichlich vorhanden waren.
Da sich das allerdings nicht rechnete – und nur deshalb!, verfaulte manche Ernte, während andererseits die vorhandenen Lokomotiven und Güterwägen zum Abtransport der Ernte zur Weiterverarbeitung an anderer Stelle verrosteten usw.)
Eines garantiere ich.
Der einzige Ausweg aus der zunehmenden kapitalistischen Misere wäre eine vernünftige Planwirtschaft ohne Ware bzw. Tauschwert und Geld (was es nur in einer Ökonomie braucht, in der die Produktionsmittel Privateigentum sind), deren einziger Sinn und Zweck die Befriedigung der persönlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse ist.
Während alles andere früher oder später wieder im Kapitalismus enden würde.
(Sowas braucht es wirklich nicht noch einmal.)
Grüße
Andreas Lindner
An Christian:
Auf der Webseite gibt es doch unter „BLOGROLL“ bereits einen „Link“, wie eine „Bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft“ aussehen könnte.
Obwohl an dem Konzept sicherlich das eine oder andere zu diskutieren wäre, stimmt zumindest die Richtung.
@HHH #50:
Marx hat gezeigt, dass diese Widersprüche eben keine Zukunft haben, weil sie sich in einer Verkehrung, einer Perversion entwickeln. Deshalb kann man auch nicht die „Produktivkräfte unabhängig von ihrem historischen Zusammenhang“ verstehen, wie ich geschrieben habe. Ausdruck dieser Perversion sind z.B. die AKWs, die gerade nicht für die Zukunft taugen – nicht, weil die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Techniken, die sich darin umsetzen, falsch wären, sondern weil der Grund ihrer Herstellung, die Verwertungslogik der Energiegewinnung pervers ist. Perversionen können nicht aufgehoben werden, indem man ihre Inhalte verewigt, sondern nur, indem man ihre Gründe aufhebt. Das hat Marx ja zur genüge dargestellt.
P.S.: ich kann nicht nachvollziehen, was an einer solchen Diskussion zum Thema über mögliche bzw. unmögliche Zukunftsperspektiven „offtopic“ sein soll.
Noch eine Ergänzung zu meinem obigen Kommentar und ein Beispiel, warum es in einer vernünftig geplanten Ökonomie (d.h. ohne bornierte Geldrechnungen) keine großen Planungsstellen braucht:
Ist z.B. eine Produktion eingerichtet, werden die hergestellten Produkte an sog. Verteilungszentren (welche den heutigen Supermärkten bzw. Einkaufszentren entsprechen) geliefert.
Wichtig ist nunmehr, daß der Verbrauch erfaßt wird, damit die Produzenten wissen, wieviel von einem Produkt hergestellt werden soll.
(Dabei wäre es sinnvoll, stets ca. 10-20% mehr herzustellen als voraussichtlich verbraucht wird, um Nachfrageschwankungen auszugleichen.)
Zudem ist einfach erkennbar, ob ein Produkt gewünscht oder ein anderes bevorzugt wird, d.h. die Produktion kann rechtzeitig an den Bedürfnissen angepaßt werden, ohne daß Engpässe usw. entstehen.
Das funktioniert, ohne daß eine Planungsstelle zwischengeschaltet ist, die ständig rechnet und sich meist verrechnet.
Während das ganze aufwendige Theater (mit riesigen Planungsbehörden usw.) im damaligen „Realsozialismus“ nur deshalb entstanden ist, da nicht vernünftig geplant, sondern weiterhin in Geldgrößen gerechnet wurde.
Grüße
Andreas Lindner
PS: Es gab übrigens eine Zeit, in der es die damaligen „Realsozialisten“ richtig machten.
Allerdings nicht aus Einsicht, sondern aus purer Not.
Das war während des 2.Weltkriegs, als die deutsche „Wehrmacht“ bereits kurz vor Moskau stand.
Da wurden alle bisherigen Geldrechnungen weitgehend verworfen und nur noch für den Bedarf geplant.
Während in relativ kurzer Zeit alles vorhanden war, was gebraucht wurde.
(Angefangen von der militärischen Ausrüstung bis hin zur Versorgung der Soldaten und Bevölkerung usw.)
Doch daraus gelernt wurde anscheinend nichts.
Jedenfalls sind diese nach dem 2.Weltkrieg wieder in ihre alte frühere geldrechnende Planung zurückgefallen.
Andreas, Albert Fresins Modell einer „Bedürnisorientierten Versorgungswirtschaft“ ist mir, und ich vermute anderen ebenfalls, schon eine Weile bekannt.
Ich finde seinen Entwurf sympathisch und kann mir vorstellen, dass er in (einigen) Bereichen der Reproduktion funktioniert. Was die Mehrproduktion und Innovation der Gesellschaft anbelangt, habe ich da meine starken Zweifel.
Hierzu hat Wolfram bereits einiges geschrieben weshalb eine gesamtgesellschaftliche Planung des Mehrprodukts höchst problematisch ist.
Bei näherer Betrachtung verhält es sich mit einer Bedarfserfassung ohne Verrechnungseinheiten und Kosten nicht so einfach wie gedacht. Es gelten diesbezüglich weiterhin die bereits im frühen 20. Jahrhundert in der Debatte zur Wirtschaftsrechnung im Sozialismus vorgebrachten Kritiken gegenüber Planung und zentraler Bedarfserfassung.
Ohne Kostenrechnung dürfte es obendrein schwer sein effizient zu wirtschaften und die vorhandenen Ressourcen nicht einfach zu verschwenden.
Eine „Überflussgesellschaft“ in der jegliche Beachtung von Kosten und Effizienz unnötig wäre, dürfte bereits vor dem Hintergrund der erreichten „Öko-Grenze“ ein unerreichbarer, quasi-mythischer Zustand sein.
Hinzu kommt die Kritik gegenüber der mangelnden Wahlfreiheit in einem solchen Bedarfs-Erfassungs- und Zentralplanungs-System. Denn letztlich wird irgendein Gremium die angemeldeten Bedürfnisse aller Bürger erfassen müssen.
Michael Alberts Überlegungen zu einer geldlosen Planwirtschaft in Form einer „partizipatorischen Ökonomie“ (Parecon) erkennen dabei wenigstens, dass es zu einer ressourcen-effizienten Allokation mehrere „Iterationsrunden“ bedarf in welcher Produzenten und Konsumenten ihre Bedürfnisse aufeinander anpassen müssen.
Ergebnis dessen wäre jedoch der „gläserne Bürger“ und eine horrende Bürokratie welche die abermillarden von Bedürfnisse in einen Gesamtplan fassen muss. Für Entwicklungen jenseits des Plans, und somit Innovation, ist auch hier kein Spielraum. Allein schon, dass jedes Inviduum im Voraus wissen und den Plankomitees gegenüber angeben müsste was es konsumieren möchte, damit der Plan aufgeht, wie David Schweickart überzeugend aufgezeigt hat.
Wie gesagt, ich kann mir durchaus vorstellen, dass es im Bereich der reproduktiven Dienstleistungen und Grundgüter planwirtschaftliche Verfahren geben kann. Dass aber die gesamte Ökonomie nach diesem Muster verfahren könnte bzw. ob dies wünschenswert wäre, ist sehr fraglich. Vor allem wenn es nicht nur darum geht standardisierte Panzer und Gewehre zu produzieren (was obendrein in der Sowjetunion mit einem horrenden Materialverschleiß einherging).
Es ist also verquer die Rüstungsplanung der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg (oder oftmals ebenfalls beliebt: Der Verweis auf das Weltraumprogramm der UdSSR) als Beispiel einer funktionsfähigen Planwirtschaft vorzubringen, wobei dieses Beispiel dann nur auf die heutige Zivilproduktion übertragen werden müsste.
Dass Tausch, Märkte und Geld nach einer Weile quasi „eigenlogisch“, also zwangsläufig zum Kapitalismus führen müssten, ist eine geschichtsdeterministische Behauptung. Wie Christian auf Basis von Meiksins-Wood und Le Goff gezeigt hat, war diese Entwicklung keineswegs zwangsläufig. Es hätte geschichtlich anders kommen können. Ebenso wie es ja keine Garantie dafür gibt, dass der Sozialismus/Kommunismus kommt.
Es sind auch in Zukunft – zumindest theoretisch – Produktionsweisen denkbar, die uns heute, und der marxistischen Betrachtungsweise, noch unbekannt sind.
Es bedurfte jedenfalls bestimmter (politischer und eigentumsrechtlicher) Eckpunkte, wie sie Polanyi in „The Great Transformation“ darlegt, dass aus den „Wirtschaften mit Märkten“ im 17./18. Jahrhundert volle Marktwirtschaften und schließlich der Kapitalismus entstanden. Jegliche vorausgehende Entwicklung als „Frühkapitalismus“ darzustellen ist unhaltbare Geschichtsteleologie – von der auch Marx und Engels und ihre späteren Jünger nicht ganz frei waren.
Hallo Perikles,
Sorry, aber an einem derartigen Unsinn möchte ich mich nicht mehr beteiligen.
Deshalb verabschiede ich mich lieber.
Grüße
Andreas Lindner
Noch am Rande zu dem von Dir genannten „gläseren Bürger“.
Weißt Du eigentlich, daß Bürger nur der personifizierte Ausdruck kapitalistischer Verhältnisse sind?
(Vorher hat es keine Bürger gegeben.
Entstanden sind diese erst im späteren Mittelalter mit dem damals entstehenden Kapitalismus – übrigens nachzulesen in jedem besseren Geschichtsbuch.)
Deshalb ist mit Bürgern (und auch den meisten Kleinbürgern, die schließlich von der kapitalistischen Ausbeutung profitieren, wenn auch im weitaus bescheideneren Maße als die wirklichen Kapitalisten bzw. Reichen und Vermögenden) eine vernünftige Planwirtschaft (von der vor allem die Produzenten des materiellen Reichtums etwas hätten) sowieso nicht zu machen.
(Was auch der Grund ist, warum diese sich unzählige Gründe ausdenken, warum das angeblich nicht funktioniert.
Obwohl es in Wirklichkeit das einfachste von allem wäre.)
@Andreas
Dass der Begriff des Bürgers nicht überhistorisch ist weiß ich, und seine Entstehungsgeschichte ist mir ebenfalls bekannt. Ich nutze ihn in diesem Fall im Zusammenhang des alltäglichen Sprachgebrauchs. Von mir aus sprechen wir halt vom „gläsernen Menschen“.
Dass eine geldfreie (Zentral-)Planwirtschaft der Theorie nach „das Einfachste“ wäre, mag sein. Ich war lange Zeit ebenso dieser Ansicht. In der Praxis sieht es, wenn man die Meta-Ebene verlässt, anders aus. Dazu haben andere und meine Wenigkeit versucht Argumente vorzubringen. Diese wollte ich übrigens im Sinne eines solidarischen Miteinander-Diskutierens und kein „Das ist alles utopischer Quatsch“ verstanden wissen.
Aber gut, wenn du keine validen Kritikpunkte siehst und jeglichen Einwand für Unsinn hältst auf den man nicht eingehen müsse, dann ist wohl deinerseits alles gesagt.
@Andreas Lindner #49
Ich bitte Dich, dass nicht zu tun, denn Du bist erfrischend Hellsichtig!!!
Heiter weiter …
Wolfgang
Nachsatz an Andreas: Dass die Bürger, d.h die Stadtbewohner des Spätmittelalters „der personifizierte Ausdruck des entstehenden Kapitalismus“ gewesen seien, ist eben jener von mir kritisierte Geschichtsdeterminsmus die damaligen Verhältnisse bereits als „Frühkapitalismus“ oder notwendiges und unabänderliches Durchgangsstadium zum Kapitalismus auszuweisen. Ich kann hier nur abermals auf Christians Ausführungen, Meiksins-Wood und Polanyi sowie Kropotkin hinweisen, um diese Behauptung als beliebte altmarxistische Fehldeutung zu widerlegen.
Hallo Perikles;
vielleicht ´mal andersherum:
Ein blöderes Wirtschaftssystem wie der Kapitalismus, in dem die Menschen bekanntlich nicht miteinander kooperieren, sondern gegenander konkurrieren (schließlich versucht jeder, die Anstrengungen des anderen zunichte zu machen, um in der Konkurrenz zu gewinnen, was Marx als einen mehr oder weniger verborgenen „Kampf aller gegen alle“ bezeichnet hat), ist kaum vorstellbar.
(Was übrigens gesamtwirtschaftlich auch eine enorme Verschwendung von menschlicher Arbeit und Ressourcen beinhaltet – trotz bzw. wegen aller Geldrechnungen!)
Während die damaligen „Realsozialisten“ das Wertgesetz (immerhin der Dreh- und Angelpunkt der kapitalistischen Ökonomie) nicht abschaffen bzw. außer Kraft setzen wollten, sondern stattdessen sogar zu einem Naturgesetz verklärten und versucht haben, dieses bewußt anzuwenden.
Was gar nicht geht.
(Obwohl Marx bereits im Titel seines Lebenswerks „Das Kapital“ ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß es sich um eine Kritik handelt, haben diese das anscheinend als eine Art kapitalistischen Verbesserungsvorschlag mißverstanden.)
Und das alles soll gegen eine vernünftige Planwirtschaft sprechen, die es bislang noch gar nicht gegeben hat?
Dagegen wäre eine solche wirklich einfach zu machen.
Grüße
Andreas Lindner
Nur ´mal ein Beispiel, wie laufend neue Schein-Probleme erfunden werden:
Angeblich soll es derart schwierig sein, die menschlichen bzw. gesellschaftlichen Bedürfnisse zu erfassen.
Obwohl in Wirklichkeit bereits heute ein Anruf bei einigen Großhändlern genügen würde, die relativ genau wissen, was täglich im Durchschnitt nachgefragt bzw. verkauft wird usw.
Und Danke an Wolfgang Tah für Deine Unterstützung.
@Andreas: Ich hab deine letzten Multi-Kommentare mit schon zigmal geäußerter Standard-Kapitalismuskritik gelöscht. Niemand hier hat den Kapitalismus verteidigt, insofern brauchen wir das nicht. Bitte denk künftig VOR dem Abschicken (besser noch: vor dem Schreiben) eines Kommentars darüber nach, ob er die Debatte inhaltlich voranbringt oder nicht.
Auch das zigfache Wiederholen derselben Argumente nach dem Motto „Ich hab das zwar schon sieben Mal gesagt, aber beim achten Mal werden sie’s endlich kapieren!“ bringt niemandem etwas — und es funktioniert erfahrungsgemäß auch nicht.
Inhaltlich: Das Traurige ist ja, dass du (und viele andere) nach wie vor zu denken scheinen, es gäbe nur Kapitalismus ODER Zentralplanungswirtschaft, aber keinerlei andere Möglichkeiten. Das ignoriert total die Vielfalt der wirklichen Welt und die Perspektiven, die sie eröffnet (oder eröffnen könnte).
Die gut- weil bösgemeinten Argumente von Andreas führen einmal mehr die fundamentalen Schwächen der derzeitigen radikallinken Kapitalismus-Analysen vor Augen: Die Mängel im Begreifen des „Abzuschaffenden“ (im Kern: was ist Geld? was ist Kapital?), spiegeln sich präzise in der Unfähigkeit, das Kritikwürdige daran zu benennen (jenseits der Ausbeutung) und die Alternative daraus theoretisch nachvollziehbar abzuleiten.
Andreas reagiert nicht auf die Vorhaltungen von Perikles:
1. die „leichte“ Planbarkeit wird demonstriert an der Vorstellung eines festzuschreibenden Status quo (Anrufen bei Grosshändlern), der ergänzt wird um die Idee einer Korrektur von Produktionsmängeln, wie geplante Obsoleszenz, anderswo auch Naturschädigung. Das war es dann auch.
2. Das dynamische Element kommt hinzu unter dem wohlklingenden Titel „Bedürfnis“: Die Konsumenten melden es an; die Produzenten setzen es um, basta. Vergessen ist: Es sind (spätestens „dann“) dieselben Leute, die produzieren und konsumieren. Ihren Konsum dürfen sie bestimmen, vorzugsweise in expansiver Richtung; über ihre Arbeit verfügen sie leider nicht, Dass die Schinderei für den gemeinsamen Wohlstand vielleicht allererst kompensatorische „Bedürfnisse“ erzeugt, ist vergessen; ebenso, dass die meiste Lebenszeit produzierenderweise verbracht wird, und DORT vielleicht die meisten Gestaltungswünsche angesiedelt sein könnten – vergessen. Dass die Arbeitsplätze aller mit denen aller reproduktiv verbunden sind, und darum Gestaltungswünsche der einen mit denen der andern ins Gehege kommen könnten, oder mit den nach wie vor bestehenden Anforderungen ans Gelingen von Reproduktion und „Befriedigung“ – verschwiegen; es ist der Grund, warum in dieser Art Utopie vom Arbeitsleben nicht geredet wird, stattdessen gern von üppigem Reichtum und erfülltem Bedürfnis. (Und das ist meist das EIGNE. Fragen wir doch mal, wer noch alles mit durchgefüttert oder sogar reich bedacht werden soll, der nicht produziert, weil er nicht kann oder nicht will oder nicht wollen kann… die Betreuungsfälle. Dazu zählen mittlerweile die weltweit vom Imperialismus hinterlassenen Katastrophenregionen, die zu sanieren sind. Angefangen beim Klima, nur da hörts noch lang nicht auf.).
3. Aber das ist erst der Anfang. Was (auch im Räsonnieren über vormodernes und entschärftes Geld) in grotesker Weise vergessen wird, ist die Verwaltung der Produktionsmittel jenseits absolut starrer und statischer Verhältnisse, sie heissen dann „Produktionskapazitäten“, und die erste Frage ist schon, wieviel davon man vorhält für Eventualitäten (um sie hoch- und runterzufahren), wieviel „Redundanz“ man einbaut, wieviel Arbeits- und sonstige Sicherheit. Wieviel Risiko-Vorbeugung. Wieviel Reserven. Da reden wir schnell über Aufwandsunterschiede im Ausmass von Grössenordnungen. Ökologische Rücksichten wurden dann noch garnicht genommen (da muss man auch allerhand wissen, um überhaupt Stellung nehmen zu können, das kostet Forschung und Entwicklung – nur für den ökologischen Umbau des Status quo.). Ähnliches würde gelten für die Berücksichtigung von Produzenten-Wünschen. Angefangen beim Gesundheitssystem: Natürlich alles nur vom feinsten. Das Sozialprodukt ist dann schnell X-mal überbucht.
Ich sagte ja: Grössenordnungen.
4, Der Status quo ist keiner mehr, wenn er auch nur annähernd gehalten werden soll. Aber will man stagnieren (selbst wenn man könnte)? Nein, man will doch noch ein bisschen Fortschritt, Forschung, Entwicklung – in welche Richtung aber? Auch die, nebenbei, kosten; sie zehren und zerren weiter am ohnehin schon überzogenen Sozialprodukt, und wenn man es genau nimmt, mehr als alles andre. Die Überbuchung vervielfacht sich.
5. Nun müssen wir also Prioritäten setzen. Aber wer ist „wir“? Wir, die arbeiten müssen und keine Zeit haben, unsre Produktion auch nur grob zu überblicken, und Optionen auch nur grob zu kennen? Oder die Planer, die das schon für „uns“ entscheiden? Selbstverständlich in „unserem“ Interesse. Die Frage ist dabei noch nicht mal, ob sie es auch gut mit uns meinen und unsre Interessen korrekt erraten (mir fällt da immer das Schenken zu Weihnachten und Geburtstagen ein, mit all den Überraschungen und Enttäuschungen…). Sondern, ob SIE denn wneigstens das Grosseganze, das sich da in 1.-4. eben andeutete, überblicken. Ob wenigstens SIE mit ganz viel Rechenkapazität die globale Riesenwirtschaft mit all den Kapazitäten und Optionen und Anforderungen ordentlich modelliert haben, und auch die fortlaufenden Änderungen (soll ja, muss ja, dynamisch sein!) immer schön „einpflegen“. Die Daten müssen freilich – möglichst in Echtzeit – korrekt gemeldet bzw erhoben werden. Ich fürchte… das vervielfacht den Aufwand NOCHMAL. Und die Antwort ist am Ende womöglich: 42.
Kapitalismus und bürgerlicher Staat können das natürlich nicht besser. Das ist die gute, antikapitalistische Nachricht. Ok. Und jetzt… wie weiter? Stigmergie? Gutes (zB Schwund-)Geld? Ich bin gespannt… (auf etwas, das endlich nicht mehr „total die Vielfalt der wirklichen Welt ignoriert“ (Christian, oben)).
6. Dies alles für den Fall, dass weltweit alle wenigstens guten Willens sind. Aber wie, wenn es erstmal „in einem Lande“ oder Länderblock startet? Wie, wenn DANN auch noch Konflikte, mehr oder weniger bewaffnete, dazukommen? Hat eigentlich irgendjemand DAVON schon gesprochen?
Hallo Christian,
sei doch ´mal ehrlich:
(Nachdem ich nach einer vorherigen Zensur meiner letzten Beiträge Deinen Kommentar bereits beinahe erwartet habe.)
Als eine Art „Ober-Guru“ der sog. Commons-Szene fürchtest Du wahrscheinlich, daß ich Deine „Autorität“ untergraben könnte, da ich den einen oder anderen Unsinn offensichtlich mache.
Zumal Du auch noch mehr oder weniger davon zu leben scheinst, d.h. wirtschaftliche Interessen hast.
Unter solchen Voraussetzungen lohnt sich eine Diskussion, bei der es letztlich gar nicht um die wirtschaftliche (d.h. kapitalistische) bzw. gesellschaftliche (d.h. bürgerliche) Wirklichkeit bzw. Wahrheit geht, wirklich nicht.
Deshalb bin ich endgültig tschüss und weg.
Grüße
Andreas Lindner
PS: Wer mit solch´ kleinbürgerlichen Vorstellungen unterwegs ist, schafft mit Sicherheit keine Neue bzw. bessere Welt.
(Allenfalls ist das der „alte Wein in neuen Schläuchen“.)
@Christian Siefkes
Was bitte, Christian, ist daran Traurig?
Du selbst rufst hier ein Thema unter dem Titel auf:
Mögliche und unmögliche Zukunftsperspektiven – Vorüberlegungen
Dein einleitender Text lautet:
Eine „lose Serie“ also!
Und ab wann möchtest Du den Diskutanten hier gestatten, sich zu möglichen Zukünften zu äußern?
Dein Konzept, Beiträge von Dir, aufgeteilt in eine unbekannte Anzahl von weiteren Beiträgen zu veröffentlichen, versagt hier völlig!
Heiter weiter …
Wolfgang
Hallo Wolgang Tah,
vielleicht noch folgendes zu Deiner Antwort.
Das wirklich Trostlose ist, daß das meist enttäuschte „Alt-Linke“ sind, die nach der Selbstauflösung des damaligen „Realsozialismus“ (anstatt aus deren Fehlern etwas zu lernen – die übrigens ihren Ursprung in einer mangelhaften Kapitalismus-Kritik hatten) und einem zunehmend wüster werdenden Kapitalismus einen „3.Weg“ suchen.
Den auch die „Rechten“ bzw. (etwas modernisierten) neuen Faschisten offerieren, die bekanntlich auch eine Kapitalismus-Kritik haben.
Nur was für eine, d.h. eine völlig falsche.
Während sich eine Neue Welt nur aus einer möglichst richtigen (d.h. der Wirklichkeit entsprechenden) Kritik der bisherigen alten (kapitalistischen bzw. bürgerlichen) Welt entwickeln ließe.
(Zumal diese sowieso kaum noch eine Zukunft hat.)
Doch davon wollen diese meist nichts wissen.
Grüße
Andreas Lindner
PS: So hat z.B. Christian in keinster Weise meine Kritik am damaligen „Realsozialismus“ verstanden (oder auch gar nicht richtig gelesen).
Ansonsten käme er in seiner Antwort nicht mit dem „Schreckgespenst“ einer „Zentralplanungswirtschaft“, obwohl ich etwas ganz anderes geschrieben habe.
PS2: Zudem spielen noch die eigenen wirtschaftlichen (meist kleinbürgerlichen) Interessen eine Rolle (die den Verstand oftmals vernebeln), da das Kleinbürgertum zwischen dem Kapital (das dieses zunehmend überflüssig macht) und den Werktätigen steht.
Deshalb sind diese zwar einerseits meist gegen Konzerne usw., möchten aber andererseits auch mit den ArbeiterInnen möglichst wenig zu tun haben.
Zuletzt noch eine Ironie zum Begriff einer „Zentralplanungswirtschaft“:
Mehr Zentralisation als in einem entwickelten Kapitalismus geht kaum noch.
Inzwischen sind es bekanntlich nur noch relativ weinige Konzerne, die beinahe den gesamten Weltmarkt beherrschen.
(Während die angebliche Vielfalt in Wirklichkeit eine weitgehende Einfalt ist.
Es gibt zwar weiterhin scheinbar viele Zeitungen, Fernsehsender, Handys, Autos, Lebensmittel usw.
Doch wer ´mal ein wenig hinter die Kulissen blickt, könnte relativ schnell bemerken, daß das zunehmend weniger Unternehmen sind, welche die Waren – heutzutage oftmals in sog. Billiglohnländern – produzieren lassen.
Oder Medien- bzw. Agrarkonzerne, an deren Berechnungen sich letztlich entscheidet, was die Leute angeboten bekommen oder auch nicht.)
Grüße
Andreas Lindner
Andreas, jetzt kommst du mit den Plattitüden vom kleinbürgerlichen Bewusstsein und meinst obendrein wir, vor allem Christian, würden, eben weil wir so verblendet sind (und dies ließe sich aus einem kleinbürgerlich-wirtschaftlichen Eigeninteresse und Prestige-Streben erklären), die Segnungen deiner ach so unbekannten Kapitalismuskritik nicht verstehen.
Du machst hier wiederholt einen auf Erklärmeister und denkst scheinbar alle außer du haben hier einen an der Waffel, wenn man die Einfachheit und Richtigkeit deiner Ansichten nicht einfach kritiklos übernimmt.
Obwohl entsprechende kritische Argumente gegenüber Vorstellungen einer umfassenden Planwirtschaft vorgebracht wurden, gehst du auf keines davon ein. Aber klar, das ist vermutlich alles kleinbürgerliches Gedöns, das einfach ein falsches Bewusstsein von der Sache hegt, weshalb man sich damit inhaltlich gar nicht beschäftigen braucht.
Das ist genau jene Diskussionskultur die mich, und viele andere, an genug „Löffel-mit-Weisheit-gefressen“-Linken gehörig abnervt.
Es bleibt dabei: Geh auf die Argumente ein, oder lass es bleiben, denn deine Position ist uns nun bekannt.
PS: Meintest du nicht Beitrag 63 wäre dein letzter? Was’n nun?
@Perikles #67
Da muß ich einfach mal eingreifen, Perikles!
Machst Du hier einen auf Obererklärmeister …?
Denkst Du wirklich, ich z.B., hätte einen an der Waffel?
Heiter weiter …
Wolfgang
This is clearly degenerating into a pretend-leftist mutual shitthrowing contest, including accusations of PB. It’s all commodity competition: the same old capitalist ideology in disguise . Please try some self-criticism?
Wolfgang, ich bin einzig der Meinung ein Diskussionsstil wie ihn Andreas vorträgt ist genau jener wieso die antikapitalistische Linke weiterhin ein marginalisiertes Dasein fristet, weil es sich dabei um alt-linke Unarten handelt:
Erklärbär-Modus als wenn wir alle keine Ahnung hätten er selbst aber die Wahrheit mit Löffeln gefressen habe, ständiges Wiederholen seiner Position und der Vorwurf, wir wären zu dumm es zu kapieren oder würden kleinbürgerliche Interessen verfolgen, sowie kein einziges Argument das auf die Sache und die vorgebrachten Gegenargumente eingeht. Da kann man sich die Diskussion klemmen.
Ich hoffe wir kommen wieder zu dem Stil zurück den es hier vorher gab und können sachlich über die Möglichkeiten, Machbarkeiten und Wünschbarkeiten von (geld- bzw. tauschfreier) Planung, Markt, Geld oder eben Nicht-Geld diskutieren und uns zumindest einer gewissen Erkenntnis nähern ohne dass jemand mit Vorwürfe oder Wiederholungen um sich schmeißt. Denn dafür halte ich das Thema für zu interessant und wichtig.
Nein Perikles,
so war das nicht.
Ich habe etliche Argumente gegen die vorgetragene Ablehnung einer rationalen bzw. vernünftigen Planwirtschaft eingebracht, von denen kein einziges widerlegt wurde.
Und auch den damaligen „Realsozialismus“ kritisiert, da das weder eine vernünftige Planwirtschaft noch eine Marktwirtschaft war, sondern etwas „Drittes“.
Was ich allerdings tatsächlich denke ist, daß einige (auch z.B. Du) den Kapitalismus nicht wirklich verstanden bzw. begriffen haben.
Ansonsten würdest Du mit Sicherheit andere Konsequenzen aus der Kritik ziehen.
(Wer z.B. meint, daß die Ausbeutung die „Wurzel allen Übels“ ist, wird die Ausbeuter bzw. Kapitalisten abschaffen wollen, aber nicht den Kapitalismus – wie z.B. die damaligen „Realsozialisten“.
Wer wiederum meint, daß es am „raffenden“ Finanzkapital – im Unterschied zum „ehrlichen, schaffenden“ Kapital – liegen würde, wird entweder „rechts“ oder sogar ein Nationalsozialist bzw. Nazi werden.
Während andere, die meinen, daß es an der Natur des Menschen liegen würde – z.B. Gier usw. – für einen starken Staat bzw. gar eine Diktatur plädieren, um die „Menschennatur“ zu zähmen usw. usw.)
Zudem denke ich schon, daß die eigenen wirtschaftlichen Interessen eine Rolle spielen und oftmals den Verstand „vernebeln“.
Jedenfalls schaffen es nach meinen bisherigen Erfahrungen die wenigsten, ´mal über den „eigenen Tellerrand“ hinauszublicken.
(Was z.B. schon den Visionen einer anderen Welt anzusehen ist.)
Grüße
Andreas Lindner
PS: Während es die von Dir oben genannten „anti-kapitalistische Linke“ bislang kaum gegeben hat.
Die „tradionellen Linken“ haben meist die Kapitalisten kritisiert („Klassenkampf“), aber weniger den Kapitalismus, der ihnen ansonsten ganz brauchbar zur Versorgung der Bevölkerung erschienen ist.
Was ein fataler Irrtum ist.
(Das nur am Rande.)
Andreas, zu deiner Kapitalismuskritik und der Darstellung des Realsozialismus als „quasi-kapitalistisch“:
Ich stimme darin überein, dass die Zentralverwaltungswirtschaften des Staatssozialismus eine Art Hybrid-Ökonomie darstellen, die notwendig stagnieren und sich in Widersprüche verfangen musste. Für Konzepte einer sozialistischen Marktwirtschaft sieht es ähnlich aus, wobei diese teils als simpler Staatskapitalismus ausgewiesen werden kann.
Du gehst jedoch von einer Kapitalismusdefinition und dessen historische Herleitung aus, die meines Erachtens zu umfassend ist.
Bei dir wird, nach altmarxistischer Manier, jede vormoderne Gesellschaft die Märkte und Geld als „protokapitalistisch“ eingestuft, als wäre die Entwicklung in Richtung Kapitalismus aus der „Eigenlogik“ dieser Märkte und des Geldes zwingend.
Ich habe entgegnet, dass ich das für eine empirisch unhaltbare und ahistorische Betrachtungsweise halte die eine Art Geschichtsdeterminismus durch die Hintertür darstellt.
Das Vorhandensein von konkreten Märkten und Geld muss nicht zwangsläufig auf einen nationalen Binnenmarkt („Marktwirtschaft“) oder gar Kapitalismus hinauslaufen. Hierzu bedarf es bestimmter darüber hinausgehender Faktoren wie sie von Polanyi benannt wurden. Außerdem können die vormodernen Märkte und das entsprechende Geld in ihrer sozialen Einbettung und Funktionsweise nicht mit den heutigen modernen Märkten und Geldsystemen als identisch gesetzt werden.
Genauso wie es ahistorisch ist beispielsweise die antiken Poleis als „Stadtstaaten“ zu bezeichnen. Derlei begriffliche Rückprojektionen sind für die bürgerliche Wissenschaft aber normal. Auch Marx und Engels waren davor nicht gefeit.
So sehr ich für Entwürfe einer postkapitalistischen Ökonomie deine Fundamentalkritik an jegliche Markt- und Geldverhältnisse begrüße, habe ich versucht Argumente vorzubringen weshalb es sich mit einer Planwirtschaft die ohne Geld bzw. Kostenrechnung auskommt nicht so einfach verhält und weshalb ich sie, jedenfalls auf Innovationen, die Entwicklung eines Mehrprodukt und der Wahlfreiheit des Konsums bezogen, bedenklich finde. Auf die Reproduktion bezogen halte ich es aber für vermutlich machbar und unproblematisch.
Hierzu möchte ich ein Zitat aus Wolframs Kulturkritischen Lexikon zum Eintrag „Planwirtschaft“ heranziehen:
„Planwirtschaft kann nur die notwendige Arbeit, die Bewirtschaftung der Selbsterhaltung betreffen, also das, was nicht nur als öffentliche Infrastruktur (z.B. Straßenbau, Kommunikationswesen und Bildung), sondern was auch die durchschnittliche Einzelexistenz zum Selbsterhalt als Bedingung jeder Reichtum schaffenden Arbeit nötig hat (z.B. Wohnung, Grundernährung, Alterssicherung, Gesundheitsfürsorge). Sozialistische Wirtschaft kann nur aus der organischen Grundsicherung des Selbsterhalts die Basis zur Produktion eines gesellschaftlichen Mehrprodukts haben. (…)
Im Unterschied hierzu ist der freie Zusammenschluss von Arbeiten nach freiem Ermessen die Basis der Möglichkeit, ein Mehrprodukt für den sogenannten freien Markt, in welchem sich die Potenzen eines Mehrprodukts entfalten konnen, zu entwickeln. So werden Menschen oder Gruppen welche sich aus dem Verhältnis der Reproduktion heraussetzen können, in allgemeinere Beziehungen begeben können, soweit dies ihren Fähigkeiten und Eigentümlichkeiten entspricht. Ihre Reproduktion müssen sie dann der Mehrproduktion entnehmen, also als Abzug vom Mehrprodukt.“
Es muss also die Möglichkeit bestehen sich mit anderen aus dem generellen Prozess der bloßen Reproduktion herauszusetzen um in der Mehrproduktion, d.h. der gesellschaftlichen Innovation zu arbeiten. Dies wird in einem vorausgeplanten Prozess nicht möglich sein. Es wäre jedoch die Frage wie dieser Markt für die Mehrproduktion aussehen könnte. Dahingehend habe ich Diane Elsons Vorschlag eines „sozialisierten Marktes“ vorgeschlagen.
Ein anderer Entwurf ist jener des griechischen Ökonomen Takis Fotopoulos, welcher Geld und Märkte durch ein Gutschein-System und „künstliche Märkte“ ersetzen möchte.
Fotopoulos schlägt Gutscheine vor, weil diese keine Geldfunktion mehr darstellen können, andererseits die Wahlfreiheit des spontanen Konsums lassen ohne die gesamte Bedürfnispalette wochen- oder monatelang vorausplanen und einer zentralen Bürokratie gegenüber angeben zu müssen.
Der „künstliche Markt“ dient der Allokation und soll sowohl die Probleme eines realen Marktes und jene der gemachten Erfahrungen der staatssozialistischen Unsinnigkeit einer „planvollen Anwendung des Wertgesetzes“ überwinden.
Fotopoulos schreibt: „Sowohl die makroökonomischen Entscheidungen als auch die Entscheidungen des einzelnen Bürgers werden in diesem Modell durch eine Kombination von demokratischer Planung und einem künstlichen „Markt“ realisiert.
Aber während bei den „Makro“-Entscheidungen der Akzent auf der Planung liegen würde, würde für die individuellen Entscheidungen das Gegenteil gelten und der Akzent statt dessen auf dem künstlichen „Markt“ liegen.
Dieses System besteht also aus zwei grundlegenden Elementen:
– einem „Markt“-Element, das die Schaffung eines künstlichen „Marktes“ vorsieht, der für eine wirkliche Wahlfreiheit sorgt, ohne zu den negativen Erscheinungen zu führen, die mit realen Märkten verbunden sind.
– einem Planungselement, das die Schaffung einer Rückkoppelung zwischen den demokratischen Planungen der Betriebsversammlungen, der Gemeindeversammlungen und der föderalen Versammlung vorsieht.
Der wesentlichste Zug dieses Modells, der es in grundlegender Weise von sozialistischen Planungsmodellen unterscheidet, ist, dass es ausdrücklich von einer Wirtschaft ohne Staat, Geld und Markt ausgeht, was der Institutionalisierung von Privilegien einiger weniger Sektoren der Gesellschaft sowie der privaten Akkumulation von Reichtum einen Riegel vorschiebt, ohne sich deshalb auf ein mythisches Stadium des Überflusses, in dem es keinen Mangel mehr gibt, berufen zu müssen.
Konzise ausgedrückt erfolgt dabei die Ressourcenallokation erstens auf Basis der kollektiven Entscheidungen der Bürger, wie sie in den Plänen der Gemeinden und der Föderation artikuliert werden, und zweitens auf Basis der individuellen Entscheidungen der Bürger, die durch ein Gutscheinsystem ihren Ausdruck finden.
Das Modell geht von folgenden Grundannahmen aus:
– die Gemeindeversammlung ist in jeder selbstversorgenden Gemeinschaft die Körperschaft, die letztlich über die einzuschlagende Politik entscheidet;
- die Gemeinden werden von regionalen und föderalen Verwaltungsräten koordiniert, die sich aus jederzeit abberufbaren Delegierten mit rotierendem und imperativem Mandat zusammensetzen (regionale Versammlungen, föderale Versammlung);
– die produktiven Ressourcen gehören jeder Gemeinde (demos) und werden den Beschäftigten der Produktionseinheiten über einen langfristigen Vertrag überlassen, und
– das Ziel der Produktion ist nicht Wachstum, sondern die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Gemeinde sowie der darüber hinausgehenden Bedürfnisse, die von den Mitgliedern der Gemeinde geäußert werden und für die sie Mehrarbeit zu leisten bereit sind.“
Zur Funktionsweise des „künstlichen Marktes“ heißt es:
„Der Markt ist bekanntlich Rationierung über den Preis und stellt damit, wie wir gesehen haben, die ungerechteste Form der Rationierung knapper Ressourcen, da dies im Endeffekt Rationierung durch den Geldbeutel bedeutet.
Ich würde statt dessen eine Umkehrung dieses Prozesses vorschlagen, so dass eine Preisbestimmung durch Rationierung stattfindet, bei der die Preise, statt – wie im Marktsystem – Ursache der Rationierung zu sein, zu deren Resultat werden.
Während die Preise im Marktsystem letztlich auf ein ungleiches Muster von Einkommen und Vermögen bezogene Knappheiten widerspiegeln und als Rationierungsmechanismus fungieren, der diese Knappheiten mit der ungleichen Verteilung in Übereinstimmung bringt, spiegeln in dem vorgeschlagenen System Preise Knappheiten in Relation zu den Wünschen der Bürger dar und fungieren als Leitlinien für eine demokratische Ressourcenallokation.
So könnten Planer, wenn sie den „Rationierungswert“ (und daher den Preis, gemessen an der Zahl von Extra-Gutscheinen) eines besonderen Produkts oder einer besonderen Dienstleistung kalkulieren, die Gesamtzahl der EGs, die im Lauf einer Zeitspanne (z.B. eines Jahres) für den „Kauf“ eines spezifischen Produkts oder einer spezifischen Dienstleistung verwendet wurden, durch den gesamten Output dieser speziellen Ware oder Dienstleistung in derselben Zeit dividieren.
Wenn etwa die Föderationsversammlung beschlossen hat, dass ein Handy kein Basisprodukt ist, lässt sich der „Preis“ des Handys ermitteln, indem man die Zahl der in den letzten 12 Monaten für den „Kauf“ von Handys verwendeten EGs (z.B. 100.000) durch die Gesamtzahl der in derselben Zeitspanne produzierten Handys (sagen wir 1000) dividiert, was einen „Preis“ von 100 EGs pro Handy ergibt.
In diesem System könnte allerdings das Problem eines Missverhältnisses zwischen der Nachfrage nach bestimmten nicht als grundlegend betrachteten Gütern bzw. Dienstleistungen und dem entsprechenden Angebot entstehen.
So könnten es etwa, um bei dem Beispiel mit den Handys zu bleiben, die Produzenten von Handys und Handyteilen vorziehen, nur eine bestimmte Zahl an Arbeitsstunden über ihre „Basis“-Stunden hinaus in diesem Bereich zu arbeiten.
Tatsächlich stünde man schon dann vor diesem Problem, sobald auch nur einige von ihnen keine Extraarbeit leisten wollen, da ihre Tätigkeit ebenso wie viele andere Tätigkeiten in der Gesellschaft von heute in Teamarbeit verrichtet wird.
In diesem Fall tritt dann der vorgeschlagene Anpassungsmechanismus mittels künstlicher „Preise“ in Aktion. Der – in EGs ausgedrückte – Preis von Handys wird steigen, was die Nachfrage nach Handys sinken und die Vergütung der Arbeit (mehr dazu im nächsten Abschnitt) steigen lassen wird, was dazu führt, dass diese Tätigkeit mehr Arbeit anzieht. Natürlich sind außer Arbeit auch andere Ressourcen nötig, und die Gemeindeversammlung muss in regelmäßigen Abständen darüber befinden, inwieweit diese Ressourcen verfügbar sind.
Dadurch entspricht die Produktion der tatsächlichen Nachfrage, und die Gemeinden sind nicht den bereits diskutierten vielfältigen Irrationalitäten der Marktwirtschaft oder der sozialistischen zentralen Planungssysteme ausgeliefert.
Die hier vorgeschlagenen künstlichen „Märkte“ bilden daher den Rahmen, der nötig ist, damit die Planung die tatsächlichen Relationen von Nachfrage und Angebot (in denen sich die realen Präferenzen von Konsumenten und Produzenten widerspiegeln) zum Ausgangspunkt machen kann statt abstrakter Vorstellungen von Bürokraten und Technokraten darüber, was die Bedürfnisse der Gesellschaft sind.
Außerdem ermöglicht dieses System, sowohl den aus der „Rationierung durch die Geldbörse“ resultierenden Despotismus des Marktes als auch den Despotismus der Planung, der eine spezifische Rationierung erzwingt (selbst wenn dies durch ein Majoritätsvotum in der Gemeindeversammlung getan wird) zu vermeiden.
Natürlich hat das hier vorgeschlagene System nichts mit einer Geldwirtschaft oder der Arbeitstheorie des Wertes zu tun. Sie werden von diesem System explizit ausgeschlossen; die Geldwirtschaft, weil man nicht verhindern kann, dass Geld und jedes andere nicht an die Person gebundene Tauschmittel zur Anhäufung von Reichtum genutzt wird, die Arbeitswerttheorie, weil sie (abgesehen von den weiter oben angesprochen Problemen) nicht für die Wahlfreiheit sorgen kann.
Denn obwohl die Arbeitstheorie des Wertes uns (partielle) Hinweise auf die Verfügbarkeit von Ressourcen liefern kann, ist sie als Mittel zur Feststellung der Präferenzen der Konsumenten untauglich.
Die Unfähigkeit der zentralen Planwirtschaften Osteuropas, die Präferenzen der Konsumenten zum Ausdruck zu bringen, und die daraus resultierenden, für das System charakteristischen Knappheiten gingen in hohem Maß auf die Tatsache zurück, dass die Planung auf einem Preissystem basierte, das von der Arbeitstheorie des Werts beeinflusst war.
Daher kann die Arbeitstheorie des Werts nicht die Grundlage eines Allokationssystems bilden, das nicht nur auf die Befriedigung der Bedürfnisse sondern auch die Sicherung der Souveränität und der Wahlfreiheit der Konsumenten abzielt.
Im Gegensatz dazu sieht das hier vorgeschlagene Modell ein System der Rationierung vor, das zum einen auf den ermittelten Präferenzen der Konsumenten und zum andern auf der Verfügbarkeit der Ressourcen beruht.“
Quelle: http://www.inclusivedemocracy.org/fotopoulos/other_languages/germ/GERMAN-ID__Kapitel6.htm
Ich halte Fotopoulos‘ Entwurf für einen der wenigen, der die meisten Kritikpunkte an den gängigen Plankonzepten beachtet und nicht in sie hineintritt. Wolframs Vorstellungen zu einer „Vertragswirtschaft“ (siehe im Kulturkritischen Lexikon) gehen m.E. in eine ähnliche Richtung.
Hallo Perikles,
das ist etwas viel auf einmal.
Allerdings reicht meine Zeit derzeit nicht, um auf alles einzugehen.
(Obwohl ich Deine Bemühungen, Deinen Standpunkt etwas näher zu erläutern, durchaus anerkenne.)
Jedenfalls habe ich das gelesen und zur Kenntnis genommen.
(Was ich nicht verstehe ist, was Du mit einem „Mehrprodukt“ bzw. „Mehrproduktion“ meinst.)
Grüße
Andreas Lindner
PS: Ich bin übrigens kein Fan einer „Zentralplanungswirtschaft“.
(Zentrale Planungen sind nur dann erforderlich, wenn es sich um überregionale Angelegenheiten wie z.B. Infrastruktur usw. handelt.
Zudem bei größeren industriellen Projekten, die eine Konzentration von Ressourcen erfordern.)
Ansonsten sollte möglichst de-zentralisiert werden, vor allem auch, um größere Machtkonzentrationen zu vermeiden.
PS2: Und von Karl Marx halte ich vor allem sein Lebenswerk „Das Kapital“ für wichtig, während die sog. Frühschriften oftmals mehr philosophischen und weniger einen wissenschaftlichen Charakter haben.
Andreas, ja, ich weiß, etwas viel. Lass dir Zeit. Ich denke, vielfach stehen uns unklare Begriffe im Weg, obwohl wir über das Gleiche reden mögen. Das ist ein Problem das sich in vielen Diskussionen zeigt. Im Verlauf sollten wir aber einiges klären können um unse Positionen abzugleichen und uns einer Minimalerkenntnis anzunähern.
Bei dem Unterschied zwischen Reproduktion und Mehrprodukt beziehe ich mich auf Wolfram. Siehe die dortigen Definitionen in seinem Kulturkritischen Lexikon Wikipool.
Weiterführend hat er die selten diskutierte Frage zur notwendigen Arbeit und der freien Entwicklung einer Gesellschaft hier erläutert: https://kulturkritik.net/erlauter/index.php?erl=beduerfnisbestimmtearbeit
Die letzten Abschnitte bringen es auf den Punkt:
„Zur Grundsicherung gehört alles, was die
Notwendigkeit des gegebenen durchschnittlichen gesellschaftlichen
Selbsterhalts erfüllt. In einer entsprechenden Beschlussfassung nach
Diskussion wissenschaftlicher Vorlagen können die bestätigt oder
abgewiesen oder neu beordert und dann umgesetzt, also auf eine
erforderliche und also gesellschaftlich verbindliche Arbeitsleistung der
arbeitsfähigen Menschen im Allgemeinen verteilt werden (nach heutigen
Schätzungen könnte diese z.B. mit 2 Stunden pro Tag und arbeitsfähigem
Menschen bewältigt werden). Aber meist waren Erfindungen, Bauvorhaben,
Kulturgüter und dergleichen nicht konkret notwendig.
Wirklichen Reichtum bildende Arbeit, also eine
Arbeit, welche die menschlichen Verhältnisse durch neue Sinnbildungen
und dergleichen anreichert, ist nicht unbedingt notwendig, oft nicht mal
nützlich. Sie stellt eine Mehrarbeit dar, die entweder einzelne
Individuen einbringen oder die auch von einer Gruppe gewollt sein kann.
Wo eine Gruppe – z.B. eine Genossenschaft – diesen Willen teilt, muss das organisiert werden. Das gibt es heute z.B. schon durch das so genannte Crowdfunding, das noch auf Geld beruht. In einer
Ergänzungswirtschaft könnte das auch vertragsmäßig mit Arbeitsversprechungen von einzelnen, von Kommunen oder Regionen machbar
sein.
So war mein Gedanke von einer „Sozialistischen Aktiengesellschaft“ entstanden. Schließlich soll es auch weiterhin große Projekte geben,
die nicht individuell bewältigt werden können und doch nicht unbedingt
notwendig – eben wirkliche Bereicherung sind.“
Fazit: Die Grundsicherung kann planwirtschaftlich organisiert werden, das Mehrprodukt nicht bzw. nur bedingt, und keinesfalls durch Anweisung einer Zentrale die alle Daten inne hat.
Hallo Perikles,
was mir aufgefallen ist:
Der grundsätzliche Fehler solcher Überlegungen (die zuletzt in einer „sozialistischen Aktiengesellschaft“ ihren vorläufigen Höhepunkt finden) ist ein völliges Mißverständnis einer Marktwirtschaft, der Eigenschaften unterstellt werden, die diese in Wirklichkeit gar nicht hat.
Der Markt ist kein Mittel zur Versorgung der Menschen.
In einer Marktwirtschaft werden nur die zahlungsfähigen Bedürfnisse bedient, während alles andere nicht zählt.
(Und ob die Leute Geld haben oder nicht, entscheiden nicht diese.
Sondern die Unternehmen nach ihren Gewinnkalulationen.)
Deshalb ist in einer Marktwirtschaft z.B. das Verhungern vor vollen Lagerhäusern keine Seltenheit.
Und falls keine zahlungsfähige Nachfrage vorhanden ist (übrigens in vielen Weltgegenden) findet eine Marktwirtschaft erst gar nicht statt.
Das sind wirklich Spinnereien.
Grüße
Andreas Lindner
PS: Auf solche Gedanken, daß eine Marktwirtschaft etwas Gutes sei, kommen übrigens vor allem Menschen in der Handvoll bislang kapitalistisch erfolgreicher Staaten (die als 1.Welt bezeichnet werden), während für die Mehrheit der Weltbevölkerung Marktwirtschaft Armut, Not und Elend heißt.
Diese spüren deren angebliche Effizienz täglich am eigenen Leib.
Noch ergänzend:
Das sind übrigens weitgehend diesselben Fehler, die bereits früher die damaligen „Realsozialisten“ machten.
Diese haben zwar an den Kapitalisten bzw. Reichen und Vermögenden kein gutes Haar gelassen (und diese oftmals sogar dämonisiert), hielten aber die Marktwirtschaft und letztlich auch den Kapitalismus für eine gelungene Veranstaltung zur Versorgung der Menschen.
(Ähnlich wie die früheren Protestanten, die zwar den Papst und die Bischöfe abschafften – und über deren Reichtum schimpften, siehe Martin Luther – aber am Glauben selbst kaum etwas zu kritisieren hatten.)
Grüße
Andreas Lindner
Noch am Rande:
Genossenschaften, Arbeiterselbstverwaltete Betriebe, sozialistische Aktiengesellschaften usw. gab es übrigens bereits alles schon.
Zuletzt z.B. im früheren Jugoslawien, aber auch hierzulande, siehe die Volksfürsorge, die als eine sozialistische Versicherungsgesellschaft für ArbeiterInnen gegründet wurde.
Aus deren Träumereien wurde alles nichts, da diese den marktwirtschaftlichen Rahmen nicht verlassen haben und entweder „normale“ kapitalistische Unternehmen wurden (wie z.B. die Raiffeisen- und Volksbanken, Baywa usw.) oder vom Markt wieder verschwunden sind.
Es ist schon erstaunlich, wie groß das Bedürfnis ist, gleich direkt einzuzsteigen in die möglichen oder unmöglichen Zukünfte. Dabei geht es doch bei diesem Beitrag erst mal nur um „Vorüberlegungen“.
Methodisch werden wir immer wieder in bestimmte Rekursionen kommen: Man könnte denken, zuerst müsse der Ist-Zustand ausanalysiert werden, ehe überhaupt etwas über Zukunft zu denken sei. Letztlich aber projiziert man Annahmen über (mindestens) eine mögliche Zukunft auch in die Analyse des Ist-Zustandes hinein. Es wäre gut, wenn man sich das bewusst macht und jeweils klärt, woraus welche Meinung oder Überzeugung kommt.
Es sollte hier doch eigentlich nur darum gehen, was diese Gesellschaft wesentlich verändert, was das Wesen ihrer Veränderung ist. Besteht es aus der Verfeinerung der sachlichen Beziehungen durch Commens, in denen sich bessere soziale Verhältnisse entwickeln können, oder aus sozialen Bewegungen, wenn sie in der Lage sind, die Rechtsform der kapitalistischen Verhältnisse aufzuheben, woraus sich die Zukunft einer freien Entwicklung der sachlichen Beziehungen entwickeln wird. Was hier behauptet wird ist, dass beides identisch sein könne. Und das halte ich für eine Täuschung mit schlimmen Konsequenzen, weil dabei übersehen wird, dass hierbei immer eine politische Macht wirksam wird, die entweder sich persönlich als „bessere Beziehung“ persönlicher Verbindlichkeiten neu etabliert oder sich wirklich gegen die Verhältnisse zur Wehr setzt, die sich ganz unpersönlich und objektiv gegen jede menschliche Geschichte behaupten müssen, solange sie auf der Verwertungslogik gründen.
„Hier“ geht es zunächst um die Artikel der keimform-Leute, also etwa Christians. Es mag aus Sicht der vorgebrachten Einwände angebracht erscheinen, sich anderen Themen zuzuwenden, aber keimform ist für solch generalisierte Debatten nicht das Forum. Es gibt leider auch sonst keins, die Leute mit generellem Diskussionsbedarf sind, wo immer sie sich hinwenden, mehr oder weniger zu ständigen thread-Kaperungen gezwungen. Die Tatsache, dass es obendrein keine sach-bezogene Moderation gibt, trägt nicht gerade zu einer gedeihlichen Entwickung solcher Übergriffe bei. Das Schlimmste aber scheint mir zu sein: Dass überhaupt ALLE Beteiligte auf die Langwierigkeit und ausserordentliche Schwierigkeit der theoretischen Verständigung emotional (heisst immer auch: was das dafür reservierte Zeit- und Kraft-Budget anlangt) nicht vorbereitet sind. Mit diesen wenigen Bemerkungen sind, wie mir scheint, drei gewaltige Hürden benannt, die weggeräumt sein müssten, bevor eine wirkliche Debatte unter theoretisch interessierten nicht-reformistischen und nicht-staatssozialistischen Linken beginnen kann.
Dies vorweg gesagt, stellt sich speziell mir im Rückblick das bisher in den threads der letzten Monate Geschriebene so dar:
1. ALLE bislang vorgebrachten Alternativ-Ansätze scheinen sich im Rahmen des von mir hier beschriebenen Trilemmas zu bewegen*).
(Darin steckt die „kritische“ Beurteilung meinerseits, dass alle Kompromiss-Lösungen, je klarer sie ausgearbeitet werden, die behauptete Notwendigkeit, eine der drei alternativen Anforderungen fallenzulassen, bestätigen.)
((Anm. speziell für Perikles: „Demarchische“ Planung hat bei Elson wie Fotopoulos eindeutig den Vorrang vor Geld/Markt-Elementen, so sehr Fotopoulos das Gegenteil beteuert. Wäre zu diskutieren. Die extreme Schwäche des Modells zeigt sich, wenn gegen Ende bzgl. „intermediärer“ Produkte alias Produktionsmittel/kapazitäten nur noch „Anweisungen“ vonseiten der Gremien gegeben werden; die „Nachfrage“ greift also nicht „automatisch“ auf diese Ebene durch. Eine Schwäche, die in vielen „entschärften“ Markt- und Geldkonzepten zu sehen ist und damit eine Lebenslüge der realsozialistischen Planung wiederholt.))
Ein Fortschritt in der Debatte würde stattfinden, wenn
a) man sich über diese „metatheoretische“ Struktur (oder eine andre, bessere) der ständig ausgetragenen Kontroversen verständigen könnte,
b) jeder seinen eignen und andre Standpunkte im Rahmen einer solchen, gemeinsam benutzten Begrifflichkeit einordnen könnte,
c) man sich auf Wege besinnen könnte, wie eine rationale Entscheidung zwischen den kontroversen Standpunkten begründet werden könnte.
2. Jenseits dieser Differenz wird für mich deutlich, dass für Vertreter aller bisherigen Ansätze theoretisch derzeit nicht hinreichend herausgearbeitet ist:
a) welches überhaupt die Inhalte sind, die derzeit „privat“ sind und potentiell „sozialisiert“ werden müssten/könnten („monopolisierte“ Informationen, (Investitions)Entscheidungen, lohnende Experimente, (nicht) lohnende Einsatz/Ertrags-Relationen, Risiken, Verzichte usw);
b) wieviele dieser Inhalte zu sozialisieren (für wen? geknüpft an welche Voraussetzungen?) machbar bzw wünschenswert wäre (beides nochmal zu formulieren für jeweilige Koonzepte der Transformation („Pfad-Abhängigkeit“) und des erstrebten Endzustands (der „Utopie“).
3. Nachrangig, aber nützlich wäre auch dies: Viele Differenzen starten bereits, weil die Beteiligten unterschiedliche Teile der „marxistischen“ Tradition (von der leninistischen sprechen wir hier wohl nicht mehr) selbstverständlich für sich übernehmen, oder aber (oft ebenso selbstverständlich) aufgegeben haben. Da diese immer noch der wichtigste gemeinsame theoretische Bezugspunkt, wäre es sinnvoll, wenn Debatten-Teilnehmer sich irgendwo halbwegs übersichtlich und nachlesbar „theoretisch“ verorten, was die Analyse der bestehenden Verhältnisse angeht. Kritik und Strategie für Transformation und Utopie sind zu eng mit dieser Analyse verknüpft, als dass diese Voraussetzungen für Standpunkte und Standpunkt-Differenzen vernachlässigt werden dürften.
Angesichts der eingangs benannten Hürden erscheinen mir diese Forderungen (egal ob man ihnen im einzelnen zustimmt, oder sie ergänzen, ersetzen, oder abwandeln möchte) derzeit leider unerfüllbar.
Persönlich/privat (mit ev. späterer Veröffentlichungs-Option im Konsens) würde ich gern die Debatte um Elson/Fotopoulos mit Perikles, die Vorschläge der Kulturkritik mit wem immer, und die um die theoretischen Grundlagen der keimform-Diskussionen der letzten Jahre beginnen bzw weiterführen, aber nur, wenn mir über die Kontakt-Adresse (mein Nick>Menü oben links: „Startseite“>Impressum) Interesse signalisiert wird.
Davon abgesehen, möchte ich mich ab jetzt strikter als bisher an die Vorgaben in Gestalt des je zu kommentierenden Artikels halten, und mich für die bisher gezeigte Geduld der betroffenen Keimform-Autoren angesichts meiner Ab- und Ausschweifungen bedanken.
——————————-
*) Falls das jemand nochmals liest: In diesem Text bezeichne ich meine Position als einen „Verzicht auf 3′ „, korrekt müsste es stattdessen heissen: „Verzicht auf 2“.
@Andreas #63:
Hättest du meine letzten Artikel hier gelesen, dann wüsstest du, dass ich von den Commons definitiv nicht rundherum überzeugt bin. Und nein, von Keimform und damit zusammenhängenden Aktivitäten allein kann und konnte ich nicht leben, und das war auch nie der Plan.
Auch wenn du es nicht glauben wirst: mein Grund für die Löschung von ein paar Kommentaren war nicht ihre Originalität und Kritisch-keit (wobei sie mit Commons ja im Übrigen rein gar nichts zu tun hatten), sondern vielmehr — wie gesagt — ihre Unoriginalität. Wenn ein Kommentar zu einer Debatte nichts Neues beizutragen hat, dann gibt es IMHO keinen guten Grund, ihn stehen zu lassen (auch wenn wir diesen Grundsatz bislang zugegebenermaßen noch nicht mal halbherzig umsetzen).
#75:
Ich stehe Vorstellungen einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ und Ähnlichem auch äußerst kritisch gegenüber, das wäre aber noch separat zu diskutieren. Hier geht es, wie der Artikeltitel ja schon sagt, um Vorüberlegungen, nicht um spezifische Gesellschaftsmodelle.
Wolfram #78:
Woraus schließt du das? Von Commons war bislang gar nicht die Rede.
@Christian Siefkes
Es ist sicher hilfreich und gibt Orientierung, wenn Du auf meine Fragen in #64 bitte noch eingehen würdest!
Danke!
Heiter weiter …
Wolgang
Ein weiterer Vorschlag kommt übrigens aus dem Umfeld des Marx-Forum. Mit dem „Modell der Kommune Bochum“ wird versucht den Grundriss einer geld- und marktlosen Planwirtschaft auf Basis kommunaler Selbstverwaltung darzulegen. Siehe hier: http://www.marx-forum.de/sozialismus/Mein%20Modell%20einer%20genossenschaftlichen%20Wirtschaft.html
@Perikles
Da will ich dann doch auch noch die ausgiebige Diskussion im Zusammenhang der Bochumer Kommune erwähnen, die nach meiner Auffassung das verbliebene Problem auf dem Marx-Forum ausführt, wie es auch hier mal angeklungen war unter dem Titel „Für den Bedarf wirtschaften?“
Ich möchte einen Vorschlag für eine von mir so genannte „metatheoretische
Struktur“ machen, in die man dann uU auch die „sozialisierbaren Inhalte“
(als Konkretisierung) einarbeiten könnte.
Dies tue ich nicht mit dem Anspruch, Christians angekündigten Überlegungen vorab etwas Verbindliches entgegen- oder vorauszusetzen; sondern eher um meinen WUNSCH zu illustrieren, dass unsere Kontroversen begrifflich
überschaubarer werden sollten, und um die Aufmerksamkeit auf die Frage
zu richten, wie ein Begriffssystem aussehen könnte, in dem man die
Gesamtheit der möglicherweise einnehmbaren Standpunkte darstellen kann.
Ich hoffe, dass ich damit meinen guten Vorsatz, mich „strikter an die
Artikel-Vorgaben zu halten“, nicht gleich im nächsten Schritt wieder
aufgegeben habe.
Um hier nicht zuviel Platz zu beanspruchen, poste ich (darum) den Text wieder auf meiner Seite.
@Wolfgang #64:
Was schwebt dir vor? Keimform.de ist ein Blog, kein ganz allgemeines Forum, also bei Interesse kannst du meine Beiträge abwarten und sie dann kommentierst, sofern du etwas Relevantes zu ihnen zu sagen hast. Oder wenn du kein Interesse hast, dann eben nicht. Aus dem Hut zaubern kann ich die Beiträge allerdings nicht und es geht (auch wenn das manche hier überraschen mag) auch nicht gerade schneller dadurch, dass ich hier immer wieder auf Kommentare antworten muss! 😉
Wenn du stattdessen lieber deine eigenen Perspektiven zu möglichen Zukünften entfalten möchtest, steht dir das frei — das Internet ist groß, sicher findest du dafür einen Ort, der dafür geeigneter ist als ein Kommentar zu einem Artikel, in dem es zu andere Dinge (in diesem Fall die allgemein-konzeptionellen Vorüberlegungen) geht. Wenn du denkst, dass er hier grundsätzlich gut reinpassen würde, könntest du dazu sogar einen Keimform-Artikel schreiben und uns als Kernteam bitten, ihn freizuschalten, siehe dazu unter Mitmachen. Allerdings sind wir durchaus wählerisch und schalten nicht jeden Artikel automatisch frei, sondern nur die, die zum allgemeinen Keimform-Ansatz passen, etwas Neues zu sagen haben und gut geschrieben sind.
Ansonsten hatte franziska (#79) ja schon die Anregung, ein generelles emanzipatorisch-kapitalismuskritisches Forum einzurichten, in dem unabhängig von den Themenvorlagen durch Keimform-Kern- oder Gastautor_innen jede_r beliebige Themenstränge aufmachen und diskutieren könnte. Ich finde die Idee super und kann nur anregen, dass ihr da (vielleicht gemeinsam) was aufsetzt! Ich fände ein solches Forum sehr hilfreich und würde es hier und anderswo bewerben, aber ich selber habe nicht die Kapazität, mich da auch noch drum zu kümmern — insofern liegt es an euch, ob ihr da die Initiative ergreift. (Allerdings sollte euch klar sein, dass das sicherlich viel Arbeit mit sich bringen würde!)
@franziska: Danke für die Anregung und die Erinnerung, dass Thread-Kaperungen in der Tat nicht hilfreich sind. Deinem Vorschlag aus #85 kann ich allerdings nicht so ganz folgen und natürlich habe ich meine Gründe für mein Konzept, weshalb ich das nicht so einfach umwerfen werde. Das soll dich und andere Interessierte aber nicht daran hindern, anderswo anderes auszuprobieren!
@Christian Siefkes #86
Danke Christian, Deine Antwort ist sehr hilfreich!
Jetzt kann ich meine Anregung besser adressieren.
Welche Überlegung bringt Autorinnen und Autoren bei Euch dazu, selbst kurze Beiträge in zwei oder mehr Teilbeiträgen zeitlich versetzt einzupflegen?
Ein Beispiel:
Vier Teilbeiträge in Folge von Dir zum Thema:
„Die Gesellschaft nach dem Geld“
Die Forumsbeiträge entwickelten eine je eigene Dynamik von Teilbeitrag zu Teilbeitrag.
Am Ende stehe ich vor der Aufgabe – gezwungen von Dir und den Bloggern – vier Teilbeiträge mit je eigenen Blogartikeln wieder verknüpfen zu müssen!
Warum?
Die Kraft der Einheit des Themas wird quasie verschwendet!
Statt den Beitrag vollständig, in einem Blog, mit nur einem Blogthema (Titel) zu präsentieren, zerlegst und entkräftest Du ihn!
Ein weiteres Beispiel:
„Notizen zur Veränderung der Gesellschaftsform“ von Simon Sutterlütti.
Im letzten Absatz des ersten Beitrags lesen wir, dass es einen weiteren Teilbeitrag geben soll.
Ich vermute, dass es diese Fortsetzung, wegen der Blogeinträge, wohl nicht mehr geben wird.
Ende der Beispiele.
Heiter weiter …
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
ich bin zwar nicht direkt angesprochen mit Deiner Frage nach der Aufteilung der Blogbeiträge, aber ich gehe in meinem Philosophenstuebchen auch häufig so vor.
Für mich gibt es mehrere Gründe:
Die einzelnen, in sich zusammenhängenden Kapitel können etwas entflochten von den anderen diskutiert werden (wenn sich die DiskutantInnen am Inhalt des Beitrags orientieren)
Häufig ist es auch so, dass ein erstes „Kapitel“ durchaus auch schon für sich stehen soll, bevor nach Klärung der Fragen dazu dann inhaltlich-argumentativ weiter gegangen wird.Rein praktisch schaffe ich es meist nicht, schon alle Kapitel für das Ganze (hat ja häufig einen Umfang, den andere in Bücher drucken lassen) auf einmal fertig zu haben, dann kann ich die fertigen Teile schon zur Diskussion stellen.
Ich selbst habe tatsächlich schon einige Themen dann auch nicht fertig gestellt. (Weil sich durch Termine etwa andere Themen „vorgeschummelt“ haben). Warum sollen dann aber die ersten 20-30 Din-A-4-Seiten nicht inhaltlich vorgestellt werden, nur weil einige Kapitel noch fehlen? Wenn Menschen das merken und interessiert sind, dann habe ich auch mehr Motivation, daran weiter zu arbeiten.
Häufig stelle ich fertige Beiträge am Schluss dann noch mal irgendwo als pdf online und verlinke darauf, damit sich die LeserInnen das nicht selbst zusammenklicken können.Das Problem ist, dass die Struktur eines „Blogs“ tatsächlich schlecht geeignet ist für längere Theorietexte… Aber es ist für mich auch einfacher, mit den Blogtools zu arbeiten, als wie früher HTML-zu schreiben oder nur pdfs online zu stellen.
Die Kultur, wie mit den technischen Möglichkeiten der Blogs umgegangen wird, ist eine sich wandelnde. Da das Internet grundsätzllich eigentlich theorieabgeneigt ist, muss man dann sehen, wie man mit den Möglichketien zurecht kommt.
@Annette
Ich habe hier die Praxis an zwei Beispielen auf dieser Website genannt.
Christians 4 Beiträge umfassen in der Summe gerade mal 25 DIN A4 Seiten!
In dem anderen Beispiel von Simon Sutterlütti sind es ca. 2 DIN-A Seiten, der Rest fehlt – warum?!
Auf meine konkreten Beispiele gehst Du nicht ein!
Warum zerteilt z.B Christian die vorliegende Einheit seines Beitrags in 4 Teilbeiträge und gibt damit die sinnstiftende Einheit ohne Not aus der Hand?
Heiter weiter …
Wolfgang
Ich hoffe es ist nicht zu Offtopic, aber da wir hier ja bereits die Debatte um die Preisbildung hatten, was wiederum mit der Geldfrage für eine nachkapitalistische Gesellschaft zu tun hat:@Wolfram zu deinen Ausführungen einer Internationalen Kommunalwirtschaft heißt es:
„Die Preisbildung der regionalen Landwirtschaft und Industrie, die bislang durch Marktwirtschaft und Konkurrenz bestimmt wird, muss durch lokale Märkte mit lokalen und politisch bestimmten Preisen, durch ein bloßes Rechengeld gegen die Preisbildung der Konzerne und Agenturen abgegrenzt werden.“
Du schreibst hierbei unter dem Begriff „Rechengeld“:
„Es müsste dann ein Geld werden, das sich im Sinne einer Ergänzungswirtschaft an Berechnungen des Bedarfs und der Synergie von Vermögen orientiert und daher sich nicht mehr aus der Handelsspanne zwischen Wert und Preis von Waren, zwischen Arbeitswert der Warenproduktion und Produktpreis aus der Warenzirkulation verwirklicht, sondern aus dem unmittelbaren Produktivvermögen der Beteiligten, im Verhältnis der darin gegenwärtigen Aufwände an Arbeit im reziproken Verhältnis zu ihrer Produktivität. (…)
Tauscht damit z.B. ein Land oder eine Kommune Produkte mit hohem Anteil
an menschlicher Arbeit (also geringer Produktivität) mit Produkten eines
anderen Landes mit hohem Anteil an automatischer Arbeit (also hoher
Produktivität), wird deren Wert (Arbeitsaufwand) umgekehrt proportional
zum Wert (Arbeitsaufwand) der Handarbeit verrechnet. Ebenso die
materielle Berechnung. Der Verschleiß von Produktionsmittel und Abbau
von Bodenschätzen wird umgekehrt proportional zum Vermögen der
Tauschenden verrechnet, so dass z.B. ein Land mit hohem Anteil der
Bodenschätze gegen die knapperen Bodenschätze eines anderen Landes
verrechnet wird. “
Eine politische Preisbildung gab es auch in den Staaten des „Realsozialismus“ und die ging aufgrund der Widersprüchlichkeit von Planung in Naturalien und Warenwirtschaft sowie Geld gehörig nach hinten los. Andreas hat ja mehrfach darauf hingewiesen. Außerdem müsste doch die gesamte Produktpalette in einer Art zentralen Berechnung bekannt sein?
Vielleicht kannst du, oder sonstwer, mich darüber aufklären was dein Entwurf eines „Rechengeldes“ vom verwendeten Geld im ehemaligen Staatssozialismus unterscheidet.
@Perikles:
Im Staatssozialismus sollte mit 5-Jahresplänen ein gesellschaftliches Soll von der Bürokratie einer Einheitspartei „für das ganze Volk“ und dem Sozialismus in der ganzen Welt geplant werden, dem dann die arbeitende Bevölkerung unterworfen wurde. Es gab da zwar eine relativ stabile Grundsicherung, jedoch wurde das, was die Entwicklung und Fortbildung der Gesellschaft substanziell antreibt, die Freizeit und Freiheit der Individuen, die
sich in diesem Sinne ssowohl zum gesellschaftlichen als auch zum eigenen Vorteil darin verhalten können, schlicht ausgeblendet. Weil die Menschen quasi familiär verwaltet und staatlich kontrolliert werden mussten, ist die DDR als ein Spießerstaat an sich selbst und mit eigenständiger Verödung zugrunde gegangen. Sie hat schlicht und einfach nur autoritäre Charaktere und Strukturen befördern können und ansonsten individuelle Kreativität und Freizeit ausgeblendet.
Deshalb muss die Subsistenz-Arbeit eine Gesellschaft, welche die einzelne Emanzipation mit der gesellschaftlichen darstellen können soll, auch getrennt von der reichtumsbildenden Arbeit mit einer errechenbaren Größe der Grundversorgung als Grundsicherung verteilt und erwirtschaftet werden. Und die freiwillige Mehrarbeit wird dann mit dem darauf gründenden Rechengeld in Relation zur Grundsicherung belohnt und mit der Kommune geteilt. Damit sind diese Menschen auch mit ihrem eigenen Wohlerghen an der Gesamtarbeit beteiligt und an der gesellschaftlichen Reichtumsbildung interessiert, können aber auch nicht über die Maßen reich werden, weil ihr Geld immer nur auf die aktuellen Güterumschläge berechnet sein würde. Politisch ist diese Rechengröße dadurch, dass sie in der wesentlichen Differenz der gesellschaftlichen Fortentwicklung im Verhältnis zu den Individuen bestimmt wird und dem einzelnen den durchsichtigen überdurchschnittlichen Geldwert des Mehrprodukts anteilig abtritt, der zugleich mit dem gesellschaftlichen Reichtum anwächst.
@Wolfgang: Du fragst, warum wir „selbst kurze Beiträge in Teilbeiträge“ zerlegen. Ich kann nicht für Simon sprechen, aber ich kann dem zustimmen, was Annette schrieb, und ergänzend anmerken: Was „kurz“ ist, ist ja äußerst relativ. Ich persönlich würde sagen, dass ich kurze Beiträge keineswegs in Teilbeiträge zerlege, wohl aber lange Beiträge. Wobei Länge naturgemäß relativ ist. Aber wenn du dich mal im Internet umguckst, dürfte dir auffallen, das die meisten Texte im Internet und in Blogs kürzer sind als nicht wenige unserer Beiträge. Wenn du unsere Texte mit Büchern vergleichst, sind sie kurz — aber das wäre ein reichlich sinnloser Vergleich. Für Online-Texte sind sie eher lang.
Oft genug gibt es ja auch nicht die eine „sinnstiftende Einheit“, die du gerne hättest. In der genannten Serie mit vier Beiträgen ging es um drei verschiedene, lose zusammenhängende Themen: (1) historische Rolle des Geldes vor dem Kapitalismus (2) Verteilung ohne Geld (3) Produktion ohne Geld.
Das dritte Thema habe ich wiederum in zwei Einzelbeiträge unterteilt, weil der Text sonst so lange gewesen wäre, dass ich das sinnvoll fand — zum einen können Kommentator_innen so besser auf einzelne Teilaspekte eingehen, ohne dass allzu viel durcheinander geht. Und zum anderen geht es mir so — und wahrscheinlich nicht nur mir — dass ich lange Online-Texte abschreckend finde. So länger ein Text, desto wahrscheinlich wird es, dass ich ihn nicht lese. Deshalb teile ich „sehr lange“ (relativ, wie gesagt) Texte im Zweifelsfall lieber nochmal auf.
Und natürlich, ganz wichtig: Blogs sind ja gerade ein Medium, um Gedanken zu teilen, während sie entstehen. Sehr oft sind die anderen lose geplanten Teilbeträge noch nicht fertig, wenn man die ersten davon veröffentlicht. Wenn du lieber „fertige“ Bücher lesen willst, kauf dir Bücher. Aber wenn du anderen beim Denken zusehen willst, lies ihre Blogs — und finde dich damit ab, dass da eine „sinnstiftende Einheit“ manchmal erst im Lauf der Zeit entsteht, und dass manchmal Stränge abreißen, weil zwischendurch anderes wichtiger geworden ist.
@Wolfram Pfreundschuh 91
„…weil ihr Geld immer nur auf die aktuellen Güterumschläge berechnet sein würde.“
Wie und wodurch wird denn der Zugriff auf knappe Produktionsressourcen abgebildet? Und das beginnt ja bereits mit den fürs Mehrprodukt benötigten Qualifikationen, hört dort aber noch lang nicht auf.
Die Leute können sich also im Mehrprodukt-Intershop begehrtes Zeug kaufen, das sie sich mit entsprechenden Mehrarbeits-Devisen verdient haben – nur, dass sie mit ihrer Mehrarbeitsbereitschaft auf dieselben industriellen Arbeitsmittel zugreifen wie die Grundversorgung. Dass da Kapazitäten freisind, muss also (wie? autoritär?) „geplant“ sein. Oder was heisst: „getrennt“? Eine Zweit-Produktioon NEBEN der Grundversorgungs-Produktion? Alles in Zweitausfertigug fertigen für die Mehrarbeitsbereiten?
Aber jetzt bringt erstmal noch Dynamik in das ganze: Alles, was im Kommentar 91 zu lesen ist, dreht sich um fertig eingerichtete Verhältnisse. Wie, wenn Leute in Entwicklung, Umgestaltung des Produktionssystems investieren wollen? Wie, wenn sie Forschungen angestossen sehen wollen oder selber Experimente machen wollen („Kreativität“ – ausschliesslich mit Papier und Bleistift?) Dazu gehört WEITERER Reichtum, aber nicht nur: Sondern auch Entscheidungsverfahren, wohin er gelenkt wird. Damit sind viele Fragen aufgeworfen, unter anderm auch diese:
Welche Produktivität welcher Versorgungs-Sektoren als erstes erhöht wird zB. Wieviel dafür (obwohl dich Grundversorgungs-bezogen) basis- und/oder mehr-gearbeitet werden soll. Oder wo für ökologische Rücksichten verzichtet wird. Und wer stellt die Fragen? Wer beantwortet sie? Wie sollen die Leute Stellung nehmen, solang sie (neben ihrer Arbeit) ihre monströse Riesen-Arbeitsteilung (und die Optionen zu ihren Umbau) nicht kennen? Und wie gar zu Entscheidungen kommen? Am Ende auch noch… im Konsens?
Die Antwort heute ist: Mit ihrem bisschen Geld, und ihrem bisschen Information, und ihrem verglichen mit dem weltweiten gesellschaftlich verfügbaren Reichtum immer mehr oder weniger winzigen Vermögen. Und heute ist das katastrophal. Die Frage ist halt immer: Wieso ist es „dann“ anders?
Anm. Man ahnt hinter der Produktionsmittel-Vergessenheit die gute alte Arbeitswerttheorie: Natur und Arbeit sind ja bekanntlich die Springquellen des Reichtums, ohne sie geht bekanntlich nix, aber NUR mit ihnen…? Zum Mehrprodukt gehören auch Mehr-Maschinen, Mehr-Hilfsstoffe, Mehr-Energie und Mehr-Rohstoffe (nicht zu vergessen: Mehr-Qualifizierte). Und die reproduzieren sich mit sich (zusammen mit Arbeit, und Naturgütern…), wie weit man auch zurückgeht in die letzten Jahrzehnte…
@Franziska. Wolfram geht es wohl weniger um eine Zweiteilung in „Intershop“-Güter und jene für „Grundgüterbezieher“, sondern um die Herausbildung einer sozialen und kommunalen Infrastruktur welche ersteinmal die Grundversorgung bildet vor deren Hintergrund eine Mehrproduktion überhaupt möglich ist.
Während die Grundversorgung planwirtschaftlich organisiert sein kann, da sie vor dem Hintergrund bekannter und notwendiger Güter und Dienstleistungen stattfindet, ist dies, wie du ja ebenfalls schreibst, beim Mehrprodukt, welches ja Innovationen etc. hervorbringen soll, nicht der Fall. Hier bedarf es der Möglichkeit sich durch eigene „Unternehmungen“ aus der Reproduktion „heraussetzen“ zu können.
Dazu schreibt Wolfram in „Kommunalwirtschaft als bedürfnisbestimmte Arbeit?“:
„Wirklichen Reichtum bildende Arbeit, also eine Arbeit, welche die
menschlichen Verhältnisse durch neue Sinnbildungen und dergleichen
anreichert, ist nicht unbedingt notwendig, oft nicht mal nützlich. Sie
stellt eine Mehrarbeit dar, die entweder einzelne Individuen einbringen
oder die auch von einer Gruppe gewollt sein kann. Wo eine Gruppe – z.B.
eine Genossenschaft – diesen Willen teilt, muss das organisiert werden.
Das gibt es heute z.B. schon durch das so genannte Crowdfunding, das
noch auf Geld beruht. In einer Ergänzungswirtschaft könnte das auch
vertragsmäßig mit Arbeitsversprechungen von einzelnen, von Kommunen oder
Regionen machbar sein. So war mein Gedanke von einer „Sozialistischen
Aktiengesellschaft“ entstanden. Schließlich soll es auch weiterhin große
Projekte geben, die nicht individuell bewältigt werden können und doch
nicht unbedingt notwendig – eben wirkliche Bereicherung sind.“
Vereinfacht gesagt liefe die Entwicklung eines Mehrprodukts, wenn ich es richtig verstanden habe, also derart ab: Haben Leute neue Einfälle oder finden sich viele Menschen mit bereichernden Ideen, können diese entsprechenden Räten/Ausschüssen gegenüber ihre Ideen vortragen.
Wird der Unternehmens-Entwurf für O.K. befunden, bekommen die Initiatoren die entsprechenden Produktionsmittel, Räumlichkeiten oder Grundstücke dafür zur Verfügung gestellt. Sie haben nun entsprechend vertraglich zugesicherte Nutzungsrechte, Eigentümer der Mittel bleibt aber die Kommune.
Außerdem führen sie einen Teil ihrer „Einkünfte“ ebenfalls an die Gemeinde ab. Sie bilden aber keine „Intershop“-Wirtschaft neben der Reproduktion, sondern gehen im gesamten Wirtschaftskreislauf auf. Läuft die Unternehmung nicht mehr gut (sei es wegen schlechter Arbeitsorganisation oder sinkender „Nachfrage“), wird sie von der Kommune storniert und die vormals dort tätigen Menschen bekommen neue Tätigkeiten gestellt.
So habe ich es jedenfalls verstanden. Wenn ich etwas falsch wiedergegeben haben sollte, dann korrigiere mich bitte Wolfram.
In Diane Elsons Modell sieht es in etwa ähnlich aus. Auch dort sind die Unternehmen gesellschaftliches Eigentum unter Belegschaftsmanagement und entsprechende Ausschüsse die als „Regulator“ fungieren stellen Mittel zur Verfügung oder stornieren entsprechende Projekte:
„Der Regulator der öffentlichen Unternehmen würde im Namen der Gemeinschaft die Eigentumsrechte an den Unternehmen ausüben, während die Unternehmensangestellten auf Nutzerrechte beschränkt wären. Es gäbe keine Kapitalmärkte mit Übernahme und Bankrotten. Die Rekonstruktion der Unternehmen läge in der Veranwortung des Regulators. (…)
Betriebsgründungen würden ermutigt. Teams von Arbeitern könnten beim Regulator die Erlaubnis beantragen, ein neues öffentliches Unternehmen zu gründen, und sich dafür (gegen Zinsen) öffentliche Gelder zuweisen zu lassen.
In einigen Industriezweigen könnte ein System eingeführt werden, wonach Teams von Arbeitern beim Regulator beantragen könnten öffentliche Einrichtungen für einen bestimmten Zeitraum zu betreiben. Es gäbe Spielräume für eine Vielfalt von Formen öffentlicher Kontrolle und dezentraler Initiative.“
(Quelle: Diane Elson: „Markt-Sozialismus oder Sozialisierung des Markts?“ in PROKLA 78)
@Franziska:
Ja und wie, wenn du dir mal deine völlig unvermittelten Fragen selbst beantwortest, wenn du sie tatsächlich haben solltest. Es sind ja eigentlich doch nur deine „Antworten“, die du in Fragen um- und auskehrst, die einen Text auflösen sollen, der nichts von dem thematisiert, was du da einfach mal „hinterfragt“ haben willst. Überleg doch mal, was da dein „Beitrag“ dazu ist. Weder von einem Devisenhandel noch von Märkten überhaupt war hier die Rede, noch von getrennten Produktionen als „Zweitausfertigung“. Außerdem lohnt es sich auch, über das Ressourcenproblem mal grundsätzlicher nachzudenken, ob es so unverändert bleiben wird oder überhaupt so real bleibt, wenn sich die Verwertungslogik nicht mehr durchsetzen kann. Vielleicht wäre am besten zuerst auch mal die Frage zu beantworten, was du mit deiner Befragunsliturgie überhaupt willst.
Perikles, was du da paraphrasierst, hatte ich durchaus verstanden (meine ich). Hingegen habe ich offenbar Schwierigkeiten damit, euch den Punkt nahezubringen, auf dem ich immer herumreite: Dass es mit der Bereitschaft zu Mehrarbeit absolut nicht getan ist. Diese Mehrarbeit hat ja unterschiedliche mögliche Motive, egal, ob sie bei Wolfram nun vorgesehen sind oder nicht:
Produktion für Konsum über den Grundbedarf hinaus;
Verbesserung der Produktivität in bevorzugten Grundbedarfsbranchen; Produktion für überindividuelle Werte, die aber nicht von allen so geteilt werden, etwa ökologische;
Experiment, Forschung, nnovation, Entwicklung usw
Diese Ziele sind im Rahmen von Mehrarbeitsangeboten realisierbar, wenn entsprechende Produktions (incl. Rohstoff-, Hilfsmittel- usw) Kapazitäten vorgehalten werden (was kostet). Durch meinen Verweis auf die Arbeitswerttheorie wollte ich auf folgendes hinweisen: Die Aufgabe, diese Kapazität bereitzustellen, aufrechtzuerhalten und vor allem bei Verbrauch/Verschleiss zu reproduzieren, belegt WIEDER Produktionskapazitäten. Und um die konkurrieren die Anbieter der Mehrarbeit. Sie konkurrieren in gewissem Sinn sogar mit dem Grundbedarf und SEINEN Reproduktionsanforderungen.
Die Frage (auch an Elson oder, du wirst dich erinnern, Fotopoulos) ist immer: Wie greifen die individuellen (Gruppen) Wünsche auf die kollektive (Mehr)Produktionskapazität zu? Wie wird und vom wem deren Grössenordnung festgelegt?
Grundsätzlich: Stabil gleichbleibende Grundversorgung an sich zu organisieren ist leicht, schwieriger wird es, dies unter dynamischen Randbedingungen (Risiken; ökologische Anforderungen; langfristige Knappheit; Änderung der Zahlen an Beteiligten und ihren Wünschen und Bereitschaften) zu tun. Aber die Mehr-Produktions-Branchen und darauf bezügliche Wünsche sind das Volatile schlechthin. Um sie, nebenbei, dreht sich der Kapitalismus: Innovation, Expansion („Akkumulation“ ieS), Produktivitätssteigerung, Sicherung (Staat), Versicherung/Sparen usw Wie, wenn die individuelle Stellung zu diesen Themen (die Zwecksetzungen, Wünsche, Präferenzen) keine primär „gesellschaftlich orientierte“ ist („ich will soundso leben, diesunddies haben für meine Leistung usw“ vs. „so und so sollte vernünftigerweise produziert und vorgegangen werden) – wie, wenn sie keine informierte ist (alles viel zu komplex, keine Zeit dafür neben den sonstigen lebensnotwendigen Aktivitäten), wie, wenn die Ziele verschiedene sind?
MEINE Antwort ist (materiell ist das die Aufgabe der Epoche, in die wir übergehen müssen):
1. Die gesamte Menschheitsreproduktion und ihr Fortschritt muss Sache jedes einzelnen sein.
2. Die Prinzipien (Zwecke, Präferenzen) zu ihrer Regulierung müssen dieselben bei allen, und sie müssen „gesellschaftlich“ sein.
3. und wichtigstes: Sie müssen diese Produktion so organisiert haben, dass jeder Entscheider (also jeder) über die wirklich benötigten Informationen verfügt, damit diese Produktion nach den geteilten Prinzipien gesteuert werden kann.
Ansonsten kannst du die Eigentumsfreiheit vergessen. (Die ist das zur Lösung nötige weil einzig mögliche Produktionsverhältnis.)
@Perikles:
Das klingt ein wenig danach, als ob die Kommune wie ein Unternehmen auftreten könne. Und das kommt aus dem Problem der Quantifizierung von Mehrproduktion. Was die Kommune an Produktionsmittel und Ressourcen einbringt, das wird ja in der Regel dann auch tatsächlich vernutzt und muss sich ausgleichen lassen durch etwa, was von einer völlig neuen Qualität ist, also nicht quantifiziert werden kann. Ganz allgemein gesprochen wäre die Frage zu beantworten, wie sich eine Mehrproduktion überhaupt als Reichtum von einzelnen Menschen und ihrer Gesellschaft verwirklichen lässt, ohne dass hier geschichtliche Gegensätze sich in Widersprüchen entwickeln. Und das ist keine wirtschaftliche, sondern eine politische Frage, eine Frage der politischen Wirkung des Reichtums einer Mehrproduktion, die sich nur als Fortschritt im Lebensstandard der Menschen ausmachen lässt. Und damit steht die Frage, wie sich dieser „Standard“ im Leben der unterschiedlichen Menschen darstellen kann, ohne dass ein „Gemeinsinn“ als Gesinnung einer „Gemeinwirtschaft“ erzwungen werden soll. Aber das sollte man in einem anderen Zusammenhang diskutieren. Vielleicht später mehr, wenn das Offtopic-Gespenst bewältigt ist.
Nun, Wolfram die Liturgie oder Litanei zielt auf Klärung deiner (und verwandter) Vorschläge, und die Analogie mit Zugriffsrechten auf Konsumgüter aus dem Mehrprodukt, zu dem an selbst durch (entsprechende) mehrarbeit über den Arbeits-Beitrag zur Grundversorgung hinaus beigetragen hat, wie im Realsozialismus – die ist doch nur EIN Beispiel. Wieviel luxuriöser verglichen damit ist der Bedarf, den Experimentatoren und Forscher und Entwickler haben! Oder Leute, die (mithilfe ihrer Mehrleistung) dazu beitragen wollen, die Arbeit für die Grundversorgung so schnell wie möglich produktiver zu machen, oder sie in allen möglichen Hinsichten anspruchsvoller zu machen.
Wichtig in all diesne Hinsichten ist: Dass die mir bekannten Modelle nichts darüber sagen, wie die individualisiert gedachten Arbeitsbereitschaften mit ihnen entsprechenden Produktions-Mitteln zur Erreichung ihrer Ziele ausgestattet werden sollen. Das ist die liturgische Frage schlechthin, die ich hier aufwerfe. Inwiefern ist sie nicht sachgemäss, und inwiefern begründet das deine Verärgerung?
PS: Wolfram, zu deinem 97 dies: Die Widersprüche, die Leute als Einzelne und in (Gross)Gruppen gegeneinander in Stellung bringen, die sollten eben mal analysiert werden. Darin sehe ich eine der Zentral-Aufgaben einer Politischen Ökonomie des… (wie immer der eigentumsfreie Zustand dann genannt wird).
@Franziska:
Eine Geschichte, die auf Eigentumslosigkeit hinausläuft, kann nur eine Geschichte der Entfremdung sein, wie sie von einer politische Ökonomie immer weiter betrieben wird, wenn sie von den Menschen nicht zu einer wirtschaftlichen Politik emanzipiert wird, die sowohl gesellschaftliches, wie auch individuelles Eigentum erzeugt, so dass sie keine Bewirtschaftung des Privateigentums mehr zulassen muss. Es geht also um eine dem Menschen eigentümliche Produktion, um die produktive Aufhebung der Form des Privateigentums.
Um das Verhältnis von Reproduktion und Mehrproduktion zu diskutieren, müsste nach meiner Auffassung das Thema Wirtschaftswachstum diskutiert werden und auch, wie der Wachstumszwang des Wertwachstums zu Überwinden ist.
@Wolfram: Ich verstehe, dass wir im Augenblick mit sehr verschiedenen Bedeutungen von „Eigentum“ arbeiten, und das geklärt sein müsste. Freilich weiss ich grade nicht, wie das geschehen könnte ausser in einer genauen Auseinandersetzung mit den Theorien der Kulturkritik, und das sollte dann wohl auf deren Seite stattfinden. Angesichts der Fülle an Bestimmungen, die dort entwickelt sind, ist nicht zu erwarten, dass erste Antworten wie aus der Pistole geschossen kommen. Das ist nun mal die Crux allen systematischen Nachdenkens.
@ Perikles und vielleicht auch Christian: Es ist nicht verkehrt, in diesem thread, zu einem Artikel, in dem es doch erst um Ankündigung und Präliminarien geht, einige sehr grundsätzliche Zweifels- und Einwands-Richtungen anzusprechen, in die weiter geschrieben würde, wenn man in die Details geht. Und da ist fast wichtiger als mein Dauer-Thema der Abbildung der Produktionskapazitäten (speziell unter dynamischen Bedingungen): dass man die Alternative zum Kapitalismus nicht einfach auffassen sollte als eine Art Kniff, geschicktes Gewusst-wie, das dasselbe, aber viel effizienter, bequemer, kostengünstiger leistet: „…als ob die Kommune wie ein Unternehmen auftreten könne“, oder es darum ginge, eine reibungslos funktionierende „Vergesellschaftungs“-Technologie zu finden, wo die Einzelnen endlich ganz ihre Privatexistenz pflegen können, und „die Gesellschaft“ (ihr Zusammenhang mit Andern) sie nicht mehr stört.
Dagegen sagt diese Art Einwand (wenigstens von meiner Seite): Nach-kapitalistisch ist nicht nur das Produktionsverhältnis; die matgerielle Aufgabe, die sich ohne dies Verhältnis nicht lösen lässt, ist eine andre, eine neue und historisch neu hinzugekommene. Wird diese Aufgabe nicht gelöst, geht die Entwicklung, der Fortschritt, nicht weiter, die Geschichte stagniert; was schon heute zu bemerken ist, und je länger desto mehr als unerträglich empfunden werden wird. Die Aufgabe lautet: die Reproduktion und ihren Fortschritt nach von allen Beteiligten in den relevanten Hinsichten geteilten Zwecken zu gestalten (das heisst vor allem: das für alle relevante Wissen teilen). Und das unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit, und im Rahmen des Gesamts ihrer bedürfnis-gerechten Lebensführung. (Das läuft hinaus auf ein genaueres Verständnis und darauf basierende Auflösung der bekannten Widersprüche männlich/weiblich, Kopf/Hand, Stadt/Land, Zentrum/Peripherie; und, des grundlegendsten von allen: individuell/“gesellschaftlich“.)
Ich meine: In diesen dürren Formeln ist viel, wenn nicht (recht verstanden) alles ausgesprochen, was unser aller Leben vergiftet. Die Fragestellungen der Autoren, die etwa Perikles verlinkt, reichen nicht mal im Ansatz an dieses Gift heran. Heute radikal links (nicht reformistisch links, nicht staatssozialistisch) zu sein heisst, sich von dieser Tatsache einen Begriff zu verschaffen.
@Franziska #101:
Es würde vielleicht schon mal genügen, dein Kollektiv-Verständnis aus einander zu setzen. Es ist ja das Ursprungsthema der heutigen Scheiße aus der Geschichte der SPD und der SED. Wenn Gesellschaft in der Beziehung der Individuen selbst nicht kulturell begriffen wird, dann wird sich diese Scheiße verewigen. Leider haben nur sehr wenige „Marxistinnen“ und „Marxisten“ verstanden, dass das Marxsche Werk zu allererst Kulturkritik ist, die sich freilich über alle bürgerlichen Lebensverhältnisse erstreckt, Grundlage der Staatskritik von Marx war – mit der Kritik an Hegel und dem ganzen spekulativen Denken einer mythologisierten Wesenslogik begonnen hatte und mit der Kritik der politischen Ökonomie, also der Politik des Privateigentums, vervollständigt wurde.
Um die Mehrproduktion gesellschaftlich einzuschätzen, müsste m.E. das Kriterium einer Kulturgeschichte des Wirtschaftswachstums anerkannt sein. Darüber habe ich in meinem „Lexikon“ geschrieben:
„Wirtschaftswachstum ist an und für sich das Anwachsen der Reichtumsproduktion, also die Entwicklung der Produktivkraft, der Produktionsmittel und der Gesellschaftsform des Reichtums an Produkten und Mehrprodukten: Anwachsen des Lebensstandards einer Gesellschaft, Fortbildung der Eigenschaften und Fähigkeiten der Menschen, ihrer Naturmachtals soziale Macht ihrer politischen Form sowohl in ihrer individuellen Vielfalt ihrer Bedürfnisse, als auch ihrer gesellschaftlichen Sinnbildung, als ihre Kultur. Wirtschaftswachstum ist daher der Kern der gesellschaftlichen Geschichte der Menschen, die Fortbildung ihres Lebensreichtums mit und durch die Überwindung von Naturnotwendigkeiten, also Minderung des Aufwands zur Reproduktion und Fortbildung der menschlichen Arbeit und ihrer Bedürfnisse, ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten, wie sie hieraus erwachsen und wie sie auch hierfür entwickelt werden. Wirtschaftswachstum ist von daher vor allem die Freiheit ihrer Kulturgeschichte.“
Nach längerer Zeit eine grundlegende Frage meinerseits und mir scheint Christians Skepsis in eine ähnliche Richtung zu gehen und Franziskas Favorisierung einer schrittweisen Transformation die hohen Konsens erfordere scheint dazu zu passen.
In (radikal-)linken Kreisen wird häufig davon ausgegangen, sei ein theoretisch erfasster und aus dieser Ableitung heraus gewünschter Finalzustand einer sozial, kulturell, geschlechtlich etc. emanzipierten Gesellschaft (Anarchie, Kommunismus) einmal gedacht, dann müssten die Menschen „einfach“ die störenden Verhältnisse abschaffen („Negation der Negation“) und ein freiheitliches Ergebnis wäre sehr wahrscheinlich.
Ich sehe das inzwischen skeptischer.
Abgesehen davon, dass ein solcher (anarcho-)kommunistischer Finalzustand (Anmerkung: Es beginne nun erst die eigentliche Geschichte der Menschheit; alles davor sei die Vorgeschichte gewesen), der dann nur noch eine widerspruchsfreie Menschheitsentwicklung zu immer glücklicheren Zeiten meint, fragwürdig ist, bleibt stets die Frage, ob dieser (meistens in seiner konkreten Ausgestaltung unbestimmte) Finalzustand überhaupt praktisch erreichbar ist, und wenn ja, ob er nicht in sein Gegenteil umschlagen kann.
Vor allem wenn die gesellschaftlichen Strukturveränderungen als gesamtgesellschaftliche Umwälzung gedacht wird, die alle Lebensbereiche parallel transformieren soll, ist ein Zustand bei dem horrend unvorhergesehene Negativentwicklungen auftreten können, sehr wahrscheinlich. Aus diesem Grund dürften bisher beinah alle Revolutionen ihre Kinder gefressen haben, wie es heißt.
Eine umfassende Gesellschaftstransformation bei welcher der gewünschte Finalzustand herauskommen soll, würde also eine absolute Mehrheit an Zustimmung der Gesellschaftsmitglieder voraussetzen, oder nur in überschaubarem Rahmen in Form von Experimenten stattfinden können, um genug Referenzen zu sammeln, eventuell die Zustimmung zu den Strukturveränderungen zu steigern und kein unbeabsichtigtes Chaos herbeizuführen.
Der häufig vorkommende Machbarkeitsoptimismus ist mir also zu selten hinterfragt und es wird von ausgegangen, das was in der Theorie denkbar erscheint, könne in der Praxis genauso funktionieren und die Umsetzung könnte – der Theorie nach – keine ungewollten Nebeneffekte und unvorhergesehenen Fahrtwege mit sich bringen. Was bisher aber – logischerweise – immer vorkam.
Wäre nett mal wieder was von euch zu hören. Vielleicht hat ja jemand Überlegungen dazu.
Please forgive the English, but what theory predicts a final state without contradictions?
@Bob. As I said: Communism and anarchism.
@Perikles:„Der häufig vorkommende Machbarkeitsoptimismus ist mir also zu selten hinterfragt und es wird von ausgegangen, das was in der Theorie denkbar erscheint, könne in der Praxis genauso funktionieren und die Umsetzung könnte – der Theorie nach – keine ungewollten Nebeneffekte und unvorhergesehenen Fahrtwege mit sich bringen. Was bisher aber – logischerweise – immer vorkam.“
Ich denke, dass der Machbarkeitsoptimismus dem Verständnis von Theorie entspringt, dass diese überhaupt unmittelbar praktisch und in Gänze umsetzbar wäre. Aber dennoch geht sie immer „ums Ganze“, auch wenn die Teile „aus dem Ruder laufen“ können. Es kann überhaupt nur um Prozesse gehen, die als Emanzipation in einem theoretisch größeren Zusammenhang für richtig erkannt werden und durch ein Bewusstsein vermittelt werden, das sie auch theoretisch als weiterführend darstellen kann. Einzelne Schritte wie z.B. der Kampf gegen Stuttgart 21, um kürzere Arbeitszeiten, um das Wohnungseigentum, das Rechengeld usw. bleiben natürlich immer an die Verhältnisse gebunden, aus denen sie entstehen und die natürlich immer auch „Nebeneffekte“ haben, die nicht vorhersehbar sind, aber dann eben erst angegangen werden können. Oft erscheinen sie selbst als Revision. Aber das Bewusstsein ist hierbei die tragende Kraft der Verständigung, die natürlich niemals zu Ende sein wird. Die Macht eines emanzipatorischen Bewusstseins wird leicht unterschätzt, denn man kann sie nur im Verlauf der Geschichte erkennen.
@Wolfram, gibt es bisher praktische Ansätze für das von dir genannte Rechengeld?
Dahin entwickelbare Ansätze kenne ich noch nicht als Rechengeld, das ja erst im Zusammenhang einer Ergänzungswirtschaft funktionieren kann, sondern in Formen des Regionalgeldes wie z.B. dem „Chiemgauer“, der allerdings noch ganz als Geldform mit dem Negativzins belegt ist, aber ansonsten immerhin die Diskussion um ein Rechengeld anstößt und vielleicht dahin weiter entwickelt werden kann, wenn die inzwischen zahlreichen Teilnehmer am Chiemsee auch ihre Infrastrukturen ändern können. Letztlich müssen sie das tun, weil ihre ökonomische Basis sonst veröden wird. So denke ich, können Entwicklungen weitergehen, wenn der Gedanke ihrer Ziele mit den gesellschaftlichen Schwierigkeiten ausreift, die ihre Existenz mit sich bringt. Weil jede gesellschaftliche Veränderung immer auch eine Selbstveränderung der Menschen durchläuft, hatte auch Marx von einer langen Zeit gesprochen, in der sich die Menschen mit der Fortentwicklung ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit (hier noch durch Bürgerkriege usw.) ändern müssen, die eben nicht nur dem Willen des theoretischen Bewusstseins zu Folge ist:
@Wolfram.
Also gehst du von einer Entwicklungsmöglichkeit des Regionalgeldes zu einem überregionalen Rechengeld aus, wenn ich dich richtig verstanden habe. Dein Rechengeld-Entwurf erinnert mich an die „Soziale Währung“ der „Cooperativa Integral Catalana“. Deren Währung ECO wird über das computerisierte Community Exchange System (CES) abgewickelt.
Auf der Website (https://cooperativa.cat/de/wirtschaftssystem/soziale-wahrung/) heißt es:
„Die soziale Währung wird innerhalb der Kooperative als Werkzeug genutzt um den Austausch zwischen Personen transparent zu machen, um den mehrfachen gegenseitigen Austausch zu erleichtern und jenen Austausch zwischen den Leuten in einem Eco-Netzwerk oder in der CIC unmittelbar durchführen zu können. Auf praktischer Ebene handelt es sich hierbei um eine Computer-Software, dem CES (Community Exchange System), welches dafür verantwortlich ist den Austausch zu registrieren. Das System bietet auch eine Plattform an, auf der Angebote und Anfragen dargestellt werden können, ähnlich wie an einem schwarzen Brett. … Eine Einheit entspricht 1 Euro, ebenso im Vergleich zu anderen sozialen Währungen. Euros können in ECOs
umgetauscht werden, aber nicht andersherum in Euros zurückgetauscht
werden. Schulden sind begrenzt möglich (ein negativer Saldo ist also möglich). Die exakte Höhe wird in der Versammlung beschlossen.“
Für mich klingt das jedenfalls dem Rechengeldkonzept ziemlich ähnlich.
Noch eine weiterführende Anmerkung: Da in deinem Kulturkrischen Lexikon von der Idee einer „Sozialistischen Aktiengesellschaft“ die Rede ist, sehe ich gewisse Parallelen zur „Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG“: https://www.regionalwert-ag.de/detail/unsere-ziele/
Danke! Das sind gute Hinweise. Natürlich kann ein Rechengeld nur über Computersoftware funktionieren, die auch den nötigen Zeitstempel und die entsprechende Vertragsbindung erfassen und transportieren kann.
Ich werde deinen Hinweisen genauer nachgehen. Das wird aber dauern, weil ich z.Z. ziemlich beschäftigt bin.
Das britische Institut for Global Prosperity fordert einen Universal Basic Service (Bedingungslose Grundversorgung) in Form der Organisationsweise des National Health Service statt ein monetäres Universal Basic Income (Bedingungsloses Grundeinkommen): https://www.ucl.ac.uk/bartlett/igp/sites/bartlett/files/universal_basic_services_-_the_institute_for_global_prosperity_.pdf