Zweimal gab es in den letzten Jahren große Kongresse der radikalen Linken. Beide Male waren das eher ernüchternde Veranstaltungen, beide Male gab es aber auch im Umfeld dieser Kongresse zwei kleine Büchlein zu bewundern, die man nicht nur als genialen Kommentare zu diesen Veranstaltungen lesen kann, sondern die beide Male auch um ein vielfaches gehaltvoller als die ganzen gelehrten Podien waren. Beide Bücher sind von Bini Adamczak, von der ich hoffentlich in den nächsten Jahren noch viel mehr lesen werde.
Autor: Benni Bärmann
Eigentumsdiskussion
War jemand bei dieser Veranstaltung zum Thema Eigentum mit Sabine Nuss und Christian Schmidt und kann berichten? Es gibt ein langes und ausführliches Protokoll sowie einen Mitschnitt bei Daniel Kulla. Klingt sehr spannend.
Kinderrepubliken
Schon etwas älter ist eine Dissertation zum Thema Selbstregierung von Kindern in Kinderrepubliken von Johannes-Martin Kamp. Neu ist allerdings dass dieses Werk, dass auch eine enorme Faktensammlung über historische Kinderrepubliken ist, im Netz als pdf erhältlich ist. Aber Vorsicht: Das Buch hat über 700 Seiten!
Pay what you want
Unter diesem Motto hat ein Restaurant in Frankfurt ein von der Universität Frankfurt begleitetes Experiment gewagt. Es gab keine festen Preise fürs Mittagessen mehr, sondern jeder konnte zahlen was er wollte (Im Zweifel auch nichts). Das Experiment war so erfolgreich, dass es jetzt weitergeführt wird, obwohl es eigentlich nur auf zwei Wochen begrenzt werden sollte. Es ist wohl vor allem eine prima Werbung. So gabs dann auch heute einen großen Aufmacher im Lokalteil der Frankfurter Rundschau (leider nur begrenzte Zeit online zu lesen) dazu. Clever.
Arbeit: Geißel der Menschheit
Wer Kloß & Spinne noch nicht kennt, sollte sich mal bei YouTube die Videos von VolkerStruebing angucken (die auch noch viele andere nette Kleinigkeiten enthalten). Und hier eines der Highlights:
André Gorz aus dem Nachlass
André Gorz, zu dessen kürzlichen Tod Stefan ja schon einen Beitrag schrieb, hatte einen langjährigen Briefwechsel mit Franz Schandel und Andreas Exner von den Streifzügen. Diese haben jetzt Auszüge daraus veröffentlicht. Die sind sehr interessant und einige Passagen sind inbesondere für unsere Keimformproblematik interessant. Diese gebe ich hier mal als Auszüge der Auszüge wieder:
Geld her!
Ich geb Dir 100 Millionen Dollar! Wer kann dazu schon Nein sagen? Wikipedia kann. Sie sind inzwischen eine Webseite, die Millionen und Abermillionen mit Werbung machen könnte. Sie tun es nicht, obwohl sie längst in einer Liga mit den großen dot-coms angekommen sind. Die Gründe beschreibt Erik Möller sehr gut in einem Blogbeitrag zum aktuellen Fundraiser:
„Above all, our reliance on support by the public also means equity: Your donation is an explicit decision to support us. But if you feel we are going down the wrong path, you can also choose not to donate.“
und vor allem:
„…it is almost certain that a large number of people would stop authoring content if Wikipedia started to run ads.“
Mit anderen Worten: Es ist rational, die Werbeeinnahmen nicht zu nehmen. Es ist rational der Verwertungslogik zu entsagen. So sehen Keimformen aus!
Tier werden, Schwarz werden, Frau werden.
So lautet der Titel eines Buches von Gabriel Kuhn. Der Untertitel lautet „Eine Einführung in die politische Philosophie des Poststrukturalismus“. „Post was?“ Wer so reagiert sollte vielleicht dieses Buch lesen. Ebenso kann man es allen empfehlen, die ihre Vorurteile – oder meinetwegen auch lange gepflegte Urteile – mal hinterfragen wollen. Meiner Meinung nach kann es nämlich keine halbwegs zeitgemäße Theorie geben, die die wesentlichen Erkenntnisse des Poststrukturalismus ignoriert. Man muß sie vielleicht nicht teilen, aber sollte dann zumindestens gut begründen können, warum man diesen Weg der Philosophie nicht teilt. Viele von den landläufig kursierenden Einschätzungen („Beliebigkeit“, „wirr“, …) halten dieser kompakten Einführung jedenfalls nicht stand.
Der Universalgütersong
Jetzt der Song zur Universalgüterthese (via classless):
Unterirdischer Jungle
Ich lese ja seit Jahren regelmäßig die Jungle World, und weiß sie durchaus zu schätzen. Leider ist das halt nunmal die einzige linke Wochenzeitung, die nicht so extrem staubtrocken ist und wo man auch mal was zu lachen hat (vor allem natürlich wegen den super Comics). In all den Jahren hab ich mich auch eigentlich nun wirklich an ihr ärgerliches, rituelles und meist ebenso uninspiriertes wie uninformiertes Bewegungsbashing gewöhnt und nehme es als lästige Randerscheinung hin. Aber diese Woche schießen sie mal wieder den Vogel ab. Sie schreiben über Freie Software. Der Artikel wimmelt nur so von haarsträubenden Fehlern („Red Hat war die erste Firma, die mit dem Verkauf freier Software Geld verdiente.“). Auch generell wird überhaupt nicht das Phänomen Freie Software als Produktionsweise untersucht sondern nur anhand der Äußerungen von Teilen der Bewegung, dass sie keinen Kommunismus wollten, darauf geschlossen, dass das wohl dann auch nix mit Emanzipation zu tun haben kann. Ganz clever. Und dann wird sogar behauptet, die Freie Software Bewegung sei anti-amerikanisch. Die wiki(kalifornische Ideologie) ist also anti-amerikanisch, brilliant.
Aufhänger des Artikels waren die aktuellen Entwicklungen rund um den Mail-Client Thunderbird. Was mich sehr wundert, ist, dass es vom selben Autor (Carsten Schnober) einen durchaus sachlichen und interessanten Artikel zum selben Thema im Linux-Magazin gibt. Dort wird tatsächlich zumindestens ansatzweise das schwierige Verhältnis zwischen Kommerz und Community beleuchtet, was ja eine wichtige Sache ist. Nur wieso ist das im Jungle nicht auch möglich? Hat da jetzt die Redaktion reingepfuscht oder ist dem Autor angesichts des linken Publikums der Gaul durchgegangen?