Tier werden, Schwarz werden, Frau werden.
So lautet der Titel eines Buches von Gabriel Kuhn. Der Untertitel lautet „Eine Einführung in die politische Philosophie des Poststrukturalismus“. „Post was?“ Wer so reagiert sollte vielleicht dieses Buch lesen. Ebenso kann man es allen empfehlen, die ihre Vorurteile – oder meinetwegen auch lange gepflegte Urteile – mal hinterfragen wollen. Meiner Meinung nach kann es nämlich keine halbwegs zeitgemäße Theorie geben, die die wesentlichen Erkenntnisse des Poststrukturalismus ignoriert. Man muß sie vielleicht nicht teilen, aber sollte dann zumindestens gut begründen können, warum man diesen Weg der Philosophie nicht teilt. Viele von den landläufig kursierenden Einschätzungen („Beliebigkeit“, „wirr“, …) halten dieser kompakten Einführung jedenfalls nicht stand.
Das Buch ist auch formal sehr interessant, weil es eine Art Theorie-Remix ist. Es besteht aus ca. 70% Zitaten und ist dennoch erstaunlich gut und flüssig lesbar. Dabei werden durchaus Zitate unterschiedlicher Autoren wild gemischt. Da passt Form und Inhalt ziemlich gut zusammen.
Trotzdem halte ich auch nix von der Anti-Dialektischen Haltung, die im Poststrukturalismus gepflegt wird, auch wenn die Dialektik-Kritik nicht ganz falsch ist, wie ich glaube. Ich bin statt dessen schon seit Jahren mit meinen bescheidenen Fähigkeiten und Ressourcen im Laboratorium auf der Suche nach dem NAND-Prinzip. Dazu möchte ich anlässlich dieser Mini-Rezension dann auch mal wieder einladen. So wie dieses Buch durch seine Montagetechnik auf seine Art Form und Inhalt in eine interessante Wechselwirkung bringt, strebe ich das auch mit dem Laboratorium an. Ich halte ein Wiki heute für die angemessene Form, solche Theorien weiterzuentwickeln. Für Rhizomatische Theorie sollte man auch eine rhizomatische Darstellungsformen suchen.
wenn jetzt „form und inhalt gut zusammen“ passen, dann klingt das für mich, als wäre das ganze eine unverständliche zusammenfassung von andeutungen und wortspielereien. wäre dem so, könnte ich auf eine lektüre gut verzichten, weil mir das ohnehin in aller regel zu hoch ist.
aber falls sich das tatsächlich auch verstehen lässt, wäre ich wohl durchaus zum kauf geneigt…
Wie ich schon schrieb: „dennoch erstaunlich gut und flüssig lesbar.“ damit meine ich natürlich auch verständlich. Aber ebenso natürlich ist es bei so einer Eindampfung auch, dass man an vielen Stellen, wenn man das näher verstehen will nicht drumrumkommen wird, sich die Originale anzutun.
Der Poststrukturalismus als solcher ist ja meist nicht besonders schwer verständlich. Focault z.B. ist doch gut zu lesen. Deleuze/Guattari haben halt einen gewöhnungsbedürftigen Stil und entwickeln sehr eigenwillige Begriffe, zugegeben. Ich finde aber auch hier erleichtert das Buch den Zugang, weil es die Kernbegriffe herausoperiert.
Ich würde mal tippen, dass man nach Lektüre dieses Buches zumindestens weiss, welche Fragen noch offen sind.
@Benni: Foucault (von dem ich auch sehr viel halte) ist in der Tat gut zu lesen, aber auch wenn er manchmal als Poststrukturalist bezeichnet wird und diese Denkrichtung auch zweifellos geprägt hat, hat er sich selbst gegen diese Einsortierung gewehrt. (Die engl. Wikipedia schreibt dazu: “Sometimes described as postmodernist or post-structuralist, in the 1960s he was more often associated with the structuralist movement. Foucault later distanced himself from structuralism and always rejected the post-structuralist and postmodernist labels.”)
@Christian: Ja, kann sein. Ich würde auch immer (fast) jedes Label ablehnen, dass mir einer aufbappen will. Das ist ja aber eigentlich uninteressant. Interessant ist doch, ob dahinter sowas wie eine gemeinsame Denkrichtung steht oder nicht. Und da gehört Focault eindeutig dazu. Ich wäre eher bei Derrida skeptisch, den ich für sehr überschätzt halte, der kommt im Buch aber auch nur an einer Stelle vor 😉
@foucault
naja, ich weiß nich… die empirischen passagen sicherlich. aber die theoretischen finde ich schon sehr verschwurbelt, widersprüchlich und unklar. etwa in der „archäologie des wissens“, aber auch in neueren schriften, in denen er versucht, das verhältnis etwa von „wissen“, „macht“, „subjekt“ und was-auch-immer zu bestimmen. aber wenn du sagst, das buch wäre tatsächlich lesbar, dann werd ich da wohl mal reinkucken…