Das zweite Wachstum
Wachstumskritik ist ja sehr beliebt in unseren Kreisen. Und das sicherlich zu Recht. Es ist unzweifelhaft so, dass unendliches exponentielles Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht funktioniert und dass das in inzwischen sehr absehbarer Zeit in eine Katastrophe führen wird. Es mag zwar unendliche Ressourcen im Asteroidengürtel geben, aber niemand – außer vielleicht einer bestimmten Sorte von sehr reichen Verbrechern mit Silicon Valley Hintergrund – kommt auf die Idee das könnte unser Problem rechtzeitig lösen. Und zu Recht.
Also weg mit dem Wachstum. Problem gelöst.
Ganz so einfach ist es halt nicht. Und warum das nicht so einfach ist, erkläre ich euch jetzt:
Neben dem rein monetär gemessenen Wachstum des BIP gibt es nämlich auch ein stoffliches. Das ist ja genau der Grund weswegen wir überhaupt ein Problem haben. Wenn es nur um Geld ginge, hätten wir kein Problem, weil Geld nur eine Fiktion ist. Es wird Zeug produziert. Immer mehr Zeug. Und das Zeug (oder zumindest große Teile davon) wird halt schon gebraucht. Leute wollen Essen, nen Dach überm Kopf und im Winter nicht erfrieren (bzw in Zukunft immer wichtiger: Im Sommer nicht an Hitzschlag sterben). Dafür brauchen sie Zeugs. Und da wir nach neueren Prognosen noch einige Jahrzehnte lang mehr werden, werden wir auch weiterhin mehr Zeugs brauchen. Also: Wachstum. Eben das zweite Wachstum, wie ich es im Titel genannt habe. Und da ist die nötige Lebensstandardsteigerung für die Armen nicht mal mit eingerechnet.
Nun gibt es zum Glück zwei Aspekte am kapitalistischen Wachstum, die niemand braucht, die aber trotzdem Ressourcen verbrauchen: Müll und reiche Arschlöcher. Wir können also unser Wachstum im Prinzip vergrößern in dem wir weniger Müll produzieren und weniger reichen Arschlöchern den Hintern pudern. Ich bin ja sehr dafür, das Leute selber bestimmen können, was ihre Bedürfnisse sind, aber es gibt Dinge, die braucht niemand.
Es gibt aber trotzdem ein Problem, weil man halt beides also Müll und Überschussluxus für reiche Arschlöcher nur maximal auf null reduzieren kann. Die große Frage, die dann bleibt: Reicht das? Und das hängt leider tatsächlich an der Bevölkerungsentwicklung auch wenn ich jetzt vermutlich hier als Neomalthussianer oder sowas beschimpft werde. (Übrigens kleine Anekdote am Rande: Der Grund, weswegen Malthus mit seinen Vorhersagen nicht recht hatte, war ja die beginnende Industrialisierung, also genau das, was uns jetzt viele unserer Probleme bereitet).
Die Bevölkerungsentwicklung reagiert halt träge auf Veränderungen. So lange die Geburtenrate über ca. 2,1 ist steigt die Bevölkerung exponentiell. Das bedeutet in dieser Zeit brauchen wir auch exponentiell mehr Zeugs, also Wachstum. Aktuelle Prognosen variieren naturgemäß gewaltig und gehen von ca. ein bis zwei Generationen weiteren Bevölkerungswachstums aus, bis ein Maximum erreicht wird. In diesen Transformationsgenerationen müssten wir also Müll und Überschussluxus auf Null oder sehr nahe an Null bringen um so lange wie möglich noch das zweite Wachstum produzieren zu können. Alles andere bedeutet Massensterben. Und zwar ganz unabhängig von Klimakatastrophe oder Artensterben. Das kommt noch oben drauf. Wir brauchen also zusätzliches Zeugs um diese Probleme auch noch bewältigen zu können.
Das ist jetzt alles keine quantitative Analyse natürlich, das können andere besser. Also an welchem Punkt genau wir dann endgültig am Arsch sind kann ich euch nicht ausrechnen. Nur soviel sagen: Mit jedem Jahr business as usual wird die Situation schlimmer. Weil wir dann das kostbare zweite Wachstum auch ein weiteres Jahr nicht maximieren konnten sondern es für noch mehr Müll und Luxus raus geschmissen haben.
Man könnte es vielleicht auch so formulieren: Die Menschheit ist abhängig geworden vom Wachstum und muss langsam entwöhnt werden. Leider sind wir wahrscheinlich über den Punkt schon lange raus und wir gehen gerade in den kalten Entzug. Ich wünsche uns viel Glück.
Was sich aber angesichts dieser Perspektive offensichtlich komplett verbietet sind lokalistisch-ökoprimitivistische Utopievorstellungen. Ich würde sogar sagen die sind schlicht reaktionär und lebensgefährlich. Wir brauchen mehr Produktivität (im Sinne von menschlicher Tätigkeit, die menschliche Bedürfnisse erfüllt, nicht im kapitalistischen Sinn, also eben im Sinne des zweiten Wachstums) und auch mehr globale Zusammenarbeit und nicht weniger angesichts der größten Krise, vor der die Menschheit je stand.
Die gute Nachricht: So bald wir mal raus gefunden haben, wie wir das zweite Wachstum maximieren können und die Bevölkerung nicht mehr wächst, geht alles weitere Produktivitätswachstum direkt in mehr Bedürfnisbefriedigung, mehr Muße, mehr Wissen, mehr Leben. Also selbst in der Zeit nach der planetaren Krise gibt es keinen Grund vom zweiten Wachstum zu lassen. Im Gegenteil. Und dann können wir auch irgendwann zu den Sternen.
Also drei Sachen fielen mir noch ein, wie man das Wachstum stark optimieren könnte (bleibt natürlich reine Theorie, weil das so schnell leider vermutlich gar nicht möglich ist):
1. Man könnte geplante Obsoleszenz sofort verbieten und Vorgaben machen, wie lange etwas halten muss. Wenn ein Großteil von dem ganzen „Zeug“ nämlich länger hält, dann könnte das Wachstum gleich bleiben (oder sogar geringer werden), und es würde dann trotzdem genug für die Menschen da sein, die dazukommen.
2. Man könnte es zur Pflicht machen, dass so gut wie alles reparierbar sein muss. Beispiel: Wieso muss man eine Aquarium LED Beleuchtung im Ganzen wegschmeißen, wenn die Birnchen kaputt gehen? Wieso kann man nicht einfach die LED Birnchen austauschen? Geht doch z.B., soweit ich weiß, bei Weihnachtsbaumbeleuchtung (welche im Übrigen genauso komplett überflüssig ist wie Weihnachtsbäume). Wenn der Großteil von dem ganzen „Zeug“ reparierbar wäre, würde das auch eine riesige Menge einsparen. Sollte das technisch nicht möglich sein, müsste man eben zur Pflicht machen, dass nach technischen Lösungen gesucht wird, um es möglich zu machen.
3. Man könnte komplett überflüssiges „Zeugs“ verbieten. Überflüssiges Zeug gibt es nämlich nicht nur im Luxus Sektor (siehe Weihnachtsbäume + Beleuchtung + Deko). Aber das ist etwas, was wohl erst besser werden wird, wenn es mal irgendwann kein Geld mehr gibt. Weil sich dann, so hoffe ich, die Menschen in der Produktion mehr Gedanken darüber machen, was sie da produzieren. Sie sind dann nicht mehr auf das Geld angewiesen, was sie dafür bekommen, und die Firmeneigner können eh keinen Profit mehr machen. Somit würden die dann vielleicht lieber etwas Sinnvolles machen als irgendwelchen Billigkitsch, Weihnachtsbaumdeko, etc. herzustellen. Und die Weihnachtsbaumplantagenbesitzer werden vielleicht dann lieber auf Bäume umsteigen, die unsere Wälder für die Klimakrise resistenter machen.
Das sind jetzt nur wenige Beispiele, aber mir würden noch seitenweise mehr einfallen.
Alles nur noch lokal zu machen, halte ich auch nicht für sinnvoll, und auch gar nicht für möglich, wenn wir nicht auf Steinzeitniveau zurückwollen. Dennoch finde ich es im kleinen Rahmen gut, lokal ein wenig gegen den Kapitalismus anzustinken, soweit es halt möglich und sinnvoll ist. Als winziges Beispiel: Ich verschenke jede Woche ca. 20-30 Zimmerpflanzen, die ich selbst vermehrt habe. Sicher, das verhindert nicht, dass in Südamerika Böden und Menschen durch den Zimmerpflanzenanbau vergiftet werden. Aber immerhin ist dadurch auch ein kleiner Verschenkemarkt bei uns im Hochhaus entstanden. Leute werfen weniger weg und legen es stattdessen zum Verschenken auf die Bank im Hausflur, seien es Bücher, DVDs, Kinderspielzeug, Klamotten, uvam. Und das finde ich doch sehr erfreulich 🙂 🙂 🙂
Bei dir scheinen die Bedürfnisse konstant zu sein, und es scheint auch nur sinnlich-vitale Bedürfnisse (Konsum) zu geben, keine produktiven Verfügungsbedürfnisse. Nur so kannst du folgern, dass aus Bevölkerungswachstum das zweite Wachstum resultiert. Das ist aber nicht so, sondern die Bedürfnisse ändern sich historisch. Da die Menschen im Kapitalismus jedoch nur via Kauf einen Teil ihrer sinnlich-vitalen Bedürfnisse befriedigen können, werden sie dabei stets einen anderen Teil beschädigen. Erst wenn die Menschheit über ihre Re/Produktion wirklich verfügt, kann dieser zweite, vom Kapitalismus beschädigte Teil der sinnlich-vitalen Bedürfnisse Bestandteil der Reproduktion werden. Dann befriedigt es sinnlich-vitale Bedürfnisse, Zeugs nicht zu produzieren.
Sicher kann nicht auf alles verzichtet werden (aka „Grundbedürfnisse“), doch das Grundlevel ist megaweit von dem entfernt, was heute Kapitalismus an Zeug produziert – und das total unterschiedlich verteilt nach monetärem Reichtum. Guck dir dazu die von Annette kürzlich gepostete Grafik an: https://philosophenstuebchen.files.wordpress.com/2022/07/oxfam-changed.png (am Beispiel von CO2, aber das lässt sich vermutlich auf den Ressourcenverbrauch insgesamt übertragen). Die „Grundbedürfnisse“ findest du in den unteren 50% der Weltbevölkerung. Es geht also aus meiner Sicht nicht um „mehr Produktivität“ als solcher (auch im Kapitalismus werden ja nicht nur Profite produziert, sondern ebenso Bedürfnisse befriedigt), sondern um mehr Realisierung produktiver Bedürfnisse, also der Verfügung darüber, wo wir mehr Produktivität einsetzen wollen und wo weniger. Auch notgedrungen weniger, weil etwa die Art der „landwirtschaftlichen Produktivität“ nur durch Einsatz fossiler Energien möglich ist/war, was enden wird.
Will sagen: Wenn du die Argumente von Sophia einbeziehst (den ich zustimme), und wenn du eine Gesellschaft annimmst, in der wir über die gesellschaftliche Reproduktion verfügen und damit entscheiden können, welche Bedürfnisse wir wie befriedigen wollen, dann schrumpft das von dir postulierte zweite Wachstum oder verschwindet sogar völlig. So gesehen hat deine Argumentationen tatsächlich eine neomalthussianische Schlagseite.
@Sofia: 1. und 2. fallen unter mein „Müll“ und 3. unter mein „Luxus“. Das ändert alles nichts am grundsätzlichen Problem dass man das nicht weiter als unter Null senken kann, auf der anderen Seite der Gleichung aber exponentielles Wachstum steht.
Schöne Geschichte mit dem Hochhaus-Verschenkemarkt! Klar, von sowas brauchen wir mehr. Weiter so 🙂
@stefan: Wie genau soll denn „notgedrungen weniger Landwirtschaftliche Produktivität“ die wachsende Weltbevölkerung ernähren? Klar es gibt auch in dem Bereich viel Müll und Luxus, aber es ändert nichts am Problem dass wir den nicht weiter als auf Null senken können während gleichzeitig die Bevölkerung weiter wächst und mehr essen will. Und das wenn vermutlich Große Teile der Anbauflächen in absehbarer Zeit eh wegen Klima nix mehr produzieren.
Deine Argumentation mit den Bedürfnissen ist natürlich korrekt. Die sind nicht statisch. Das ist im Grunde das, was bei mir unter „Luxus“ firmiert. Aber sie sind eben auch nicht beliebig senkbar. Und vor allem sind sie auch nicht beliebig von heute auf morgen änderbar. Das Bedürfnissystem ist mindestens so träge wie das Klimasystem. In der Utopiediskussion spielt das natürlich keine Rolle, weil man da irgendwann tatsächlich ein Gleichgewicht finden kann, aber eben in der Dynamik im Rest dieses Jahrhunderts nicht.
Alles was ich sage: Das kapitalistische Wachstum ist exponentiell. Und damit wächst auch der notwendige Teil davon exponentiell. Die Einsparpotentiale bei Müll und Luxus sind gigantisch. Aber eben nicht exponentiell. Auf der Bedürfnissseite wird es aber bis auf weiteres exponentielles Wachstum geben. Wegen der Bevölkerung aber auch wegen den Schäden am Ökosystem.
Was bei der Oxfam-Grafik übrigens ein Problem ist: „Konsumprinzip“ bedeutet ja, dass Industrieproduktion in China in wesentlichen Teilen auf das Konto des Westens geht, zB. Aber ohne diese Produktion würden sie in China halt wieder hungern. Deswegen kann man nicht einfach sagen alles easy, die hören halt einfach alle auf damit. Und deswegen kann man aus dieser Grafik auch nicht schließen, dass wir eigentlich fast kein Zeug brauchen.
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Vielleicht noch eine Anmerkung zu Malthus: In der Linken scheint die Idee vorzuherrschen, dass sobald man über Bevölkerungsentwicklung nachdenkt man Malthussianer ist und man die einfach ignorieren sollte. Aber das ist halt nun mal Teil der materiellen Bedingungen und deswegen sollte es auch kein Tabu sein, darüber zu reden.
@Benni: Das Bevölkerungswachstum wächst den Schätzungen zufolge nicht mehr lange exponentiell. Was ich sage ist, dass es reichen könnte, dass wir ohne Kapitalismus so viel weglassen können (aka „Luxus“ und „Schrott“), dass alle bis zum Scheitelpunkt und erst recht danach durchschnittlich gut versorgt sein können. Die Einsparpotenziale bekommst du allerdings nur ohne Kapitalismus realisiert. Mit Kapitalismus gibt es da keine Chance, das liegt aber nicht am zweiten Wachstum der Bevölkerung, sondern am ersten Wachstum der zwanghaften Verwertungslogik.
Du fragst: „Wie genau soll denn „notgedrungen weniger Landwirtschaftliche Produktivität“ die wachsende Weltbevölkerung ernähren?“ – Neben den möglichen Einsparungen (Verschwendung) mit mehr manuellem Einsatz. Anders wird es nicht gehen.
Klar ist die Bevölkerungsentwicklung ein wichtiger Faktor, über den nachzudenken ist. Malthussianische Schlagseite bekommt eine Argumentation erst dann, wenn die Prämissen den Kapitalismus ausblenden. Das übliche ist, den Kapitalismus als Naturform des Wirtschaftens zu setzen, so dass alle Probleme von woanders herkommen müssen (Dummheit, Egoismus, Gier – oder eben Bevölkerungswachstum). Bei dir bezweifele die Prämisse „Auf der Bedürfnissseite wird es aber bis auf weiteres exponentielles Wachstum geben. Wegen der Bevölkerung aber auch wegen den Schäden am Ökosystem“. Dass die Bedürfnisse der Bevölkerung zunehmen, ist jetzt im Kapitalismus so, nicht generell (siehe meine Ausführungen oben). Den Zusammenhang von Bedürfnissen und Ökosystemschäden verstehe ich zudem gar nicht.
@stefan:
„Das Bevölkerungswachstum wächst den Schätzungen zufolge nicht mehr lange exponentiell. Was ich sage ist, dass es reichen könnte, dass wir ohne Kapitalismus so viel weglassen können (aka „Luxus“ und „Schrott“), dass alle bis zum Scheitelpunkt und erst recht danach durchschnittlich gut versorgt sein können. Die Einsparpotenziale bekommst du allerdings nur ohne Kapitalismus realisiert“
Hab ich denn was anderes behauptet? Verstehe nicht wo ich den Kapitalismus jetzt gefeiert haben soll.
Was den manuellen Einsatz angeht: Wir werden massiv weniger landwirtschaftlich nutzbare Fläche haben. Ohne Einsatz von Maschinen und Kunstdünger wird der Ertrag auf diesen verbleibenden Flächen massiv runter gehen. Dazu kommt dann noch ein über mindestens Jahrzehnte noch steigender Bedarf. Das Ergebnis ist schlicht Massensterben. Das kannst Du nicht auf irgendeiner abstrakten Kapitalismuskritik-Ebene weg handwedeln.
Zusammenhang zwischen Bedürfnissen und Schäden: Wenn Ökosysteme kaputt gehen entstehen dadurch neue Bedürfnisse, diese wieder zu reparieren. Und nicht zuletzt werden die zunehmenden menschengemachten „Natur“katastrophen enormen Reparaturaufwand erfordern alleine nur um überhaupt den erreichten Standard zu halten. Alleine um zu verhindern, das Brandenburg schlicht zur Wüste wird, werden enorme Infrastruktur- und Landschaftsanpassungen nötig sein. Und das sind noch die vergleichsweise harmlosen Auswirkungen hierzulande. Soll dass dann auch alles mit „manuellem Einsatz“ passieren?
Das alles sind unabweisbare Grundbedürfnisse die erfüllt werden müssen. Das ist nur mit „mehr manuellem Einsatz“ einfach nicht zu schaffen.
Ich nehme es gerade so wahr, dass Du Deine gewohnten Argumente gegen den Kapitalismus abspulst (warum auch immer Du mir unterstellst ich würde die vertreten) ohne zu realisieren dass wir einfach ganz unabhängig vom Kapitalismus bestimmte Probleme für die nächsten Generationen erben werden.
Alles was ich sage: Es ist deswegen eben keine Lösung auf stoffliches Wachstum, stoffliche Produktivitätssteigerung und globale Lieferketten zu verzichten, wenn man Massensterben vermeiden will. Dachte eigentlich das ist eher ein No-Brainer und wundere mich über die Opposition.
Hallo Benni,
du definierst ein sog. zweites Wachstum, weil die Bevölkerung eben auch wächst. Du schreibst:
Da das Wachsen der Weltbevölkerung nicht nur exponentiell sondern auch begrenzt ist (das nennt man logistisch), wird die Wachstumsrate für den zusätzlichen Bevölkerungsanteil glücklicherweise weiterhin fallen, bis die Grenze erreicht ist, von der man allerdings nicht weiß, wo sie liegt. Diese Grenze wäre das Maximum. Dazu zitierst du den Guardian: „The world’s population will peak at 9.7 billion in 2064.“ (Die Vereinten Nationen gehen wohl von einem höheren Maximum aus, das dann auch zeitlich später liegen würde.)
Das ist in ein bis zwei Transformationsgenerationen. Zzt. beträgt das „zweite Wachstum“ = Bevölkerungswachstum genau 1 %. Die Wachstumsrate von 1% (in 2021) wird errechnet aus der Geburtenrate („Geburten pro 1.000 Einwohner*innen“) von 1,8% minus Sterblichkeitsrate von 0,8%. (An einer Stelle führst du die Fertilitätsrate von 2,1 an. Das ist allerdings die Rate, die angibt, wie viele Kinder derzeit im Weltdurchschnitt von einer Frau geboren werden und hat mit der Sache nur indirekt zu tun).
Ich glaube, dass es noch aus einem anderen Grund wichtig ist. Bevölkerungsentwicklung ist träge, d.h. auch nach dem Peak wird die Wachstumsrate zunächst weiter fallen. Dann ergeben sich überall Überkapazitäten, nicht nur bei Müll und Luxus, sondern auch durch die dann zurückgehende Bevölkerung. Nebenbei weist du daraufhin, dass beim zweiten Wachstum „die nötige Lebensstandardsteigerung für die Armen nicht mal mit eingerechnet“ ist. Die Reichtumsverteilung ist aber doch jetzt bereits ein Hauptproblem (zwischen 1. und 3. Welt, innerhalb unserer Gesellschaft).
Deine Einschätzung der Situation teile ich. Ich verstehe jedoch nicht, was es bedeutet, dass wir (wer ist wir?) das zweite Wachstum nicht maximieren (?) könnten. Ich stehe da auf dem Schlauch. Kannst du das genauer erklären?
Zum logistischen Wachstum der Weltbevölkerung:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl/#professional
Zur momentanen (2021) Entwicklung der Weltbevölkerung:
https://www.westermann.de/anlage/4642249/DSW-Datenreport-2021-Soziale-und-demografische-Daten-weltweit
@Benni: Ich schreibe nicht, dass du den Kapitalismus gefeiert hast. Wozu fragst du das? Ich versuchte auszudrücken, dass du im entscheidenden Argumentationsmoment vom Kapitalismus abstrahierst und natural argumentierst. Du lädst mich ein, die gewohnten Argumente der Analyse der Kapitalismus abzuspulen, weil ich sie bei dir vermisse. Es ist trivial unstrittig, dass „wir einfach ganz unabhängig vom Kapitalismus bestimmte Probleme für die nächsten Generationen erben werden“. Die Differenz scheint mir „nur“ in der Einschätzung zu liegen, was ohne Kapitalismus an Versorgung der Weltbevölkerung möglich wäre. Deine Aussage „Es ist deswegen eben keine Lösung auf stoffliches Wachstum, stoffliche Produktivitätssteigerung und globale Lieferketten zu verzichten, wenn man Massensterben vermeiden will“ gilt nur bei Weiterexistenz des Kapitalismus. Ohne diesen können wir in großem Ausmaß bis (hypothetisch, ich kann es nicht beweisen) komplett auf stoffliches Wachstum in den meisten Bereichen (nicht allen), stoffliche Produktivitätssteigerung auf fossiler, nicht regenerativer Basis (sonst dringend wichtig) und an vielen Stellen auch auf idiotische Arbeitsteilungen, aka globale Lieferketten (aber keineswegs auf alle: bei Chips wäre es idiotisch, die im Hinterhof produzieren zu wollen – das war schon für die DDR zu groß), verzichten.
Reduziert sich unsere Differenz also darauf, dass ich dir Unterschätzung der Formeffekte und du mir Überschätzung derselben vorwirfst? So kommt es mir vor.
Was den manuellen Einsatz angeht: Der Einsatz von Maschinen und Kunstdünger zerstört ja genau die Produktionsbedingungen, die Böden, die wir brauchen – es ist nicht nur abstrakt „das Klima“. Um die Ernährung zu sichern, muss die landwirtschaftliche Produktionsweise umgestellt werden, was am Ende mehr manuellen Einsatz bedeutet, allem GPS- und sonstigem Hightech-Einsatz (KI!) zum Trotz. Da kommen wir gar nicht drum herum – gerade um ein Massensterben zu verhindern. Fachlich besser ausargumentiert bei Annette, vgl. dort.
All die Schäden zu beseitigen etc. sind sicher nicht alleine mit mehr manuellem Einsatz zu schaffen, aber auch nicht ohne. Mit Kapitalismus gibt es dafür eine temporäre Lösung ohne mehr Einsatz: Wir exportieren das Problem in den globalen Süden und machen (noch eine Weile) fröhlich weiter (sprich: übernutzen weiter stoffliche Ressourcen und blasen weiter jenseits jeglichen Budgets CO2 in die Luft).
Mich interessiert: Mal unabhängig davon, ob deine (oder meine) These stimmt, wofür ist sie dir wichtig?
Man kann diese Fragen nur mit „naturaler“ Argumentation klären. Genauso wie ich Klimawissenschaft nur „natural“ machen kann. Ich würde es ja eher „materialistisch“ nennen als „natural“, aber naja.
Maschinen und Kunstdünger zerstören nicht automatisch den Boden. Das hängt schon davon ab wie man das macht. Ja, natürlich muss die landwirtschaftliche Produktionsweise umgestellt werden, aber alles was ich sage ist, dass man dabei nicht den Ertrag pro qm und pro eingesetzter Arbeitsstunde vernachlässigen kann, weil es sonst zur Katastrophe kommt. Beziehungsweise die sowieso schon laufende Katastrophe noch massiv verschlimmert wird.
Aber ja, vielleicht läuft es auf unterschiedliche Abschätzungen raus. Ich finde zB auch die Vorstellung man könnte die globalen Lieferketten einfach mal so nur auf einige wenige „globale“ Güter beschränken und alles andere wird lokal produziert sehr weltfremd. Globale Lieferketten sind nicht einfach nur Schiffe oder Flugzeuge, die von A nach B fahren sondern das sind doch komplexe und sehr anfällige Systeme. Globale Produktion ist nur möglich weil es diese Systeme gibt. Das ist ein bisschen ganz oder gar nicht. Also klar kann man Schwerpunkte verschieben, aber die Vorstellung ich soll meine Nägel wieder beim lokalen Schmied beziehen aber meinen Computer aus China, das funktioniert doch einfach nicht. Die Lieferketten sind eben auch Arbeitsteilungsketten. Und sie funktionieren nur wegen extremer Spezialisierung. Extreme Spezialisierung aber funktioniert nur in einem Umfeld in dem viele extrem spezialisiert sind.
Naja, keine Ahnung. Ich red mir wahrscheinlich eh nur wieder den Mund fusselig, weil für Dich solche „naturalen“ Überlegungen am Ende immer unter Formverdacht fallen.
Zu Deiner letzten Frage: Der Artikel ist aus der Diskussion unter dem Commons-Verbünde-Artikel entstanden, weil da halt diese naive These vertreten wurde, man könnte im wesentlichen alles lokal organisieren.
Interessieren tut es mich einfach weil ich die aktuellen Entwicklungen (zB die Lieferkettenprobleme) unter diesem Blickwinkel betrachte, weil ich versuche zu verstehen unter welchen Bedingungen wir in den nächsten Jahrzehnten leben werden, und darauf Deine Wertformanalyse keine Antwort gibt und zwar komplett unabhängig davon ob es ne Revolution gibt oder nicht. Und weil es sich viele Ökos und Linke halt mit der Forderung nach mehr Lokalisierung zu einfach machen. Das führt meiner Meinung nach direkt noch weiter in den Untergang. Wir brauchen mehr Globalität nicht weniger. Man sieht doch aktuell schon daran was nur der beginnende Zerfall der globalen Ökonomie in zwei Blöcke für Schockwellen aussendet. Und das sind eben keine in erster Linie kapitalistische Schockwellen sondern auch stoffliche. Die hören nicht davon auf, dass man keinen Kapitalismus mehr hat. Jetzt stell Dir das mal tausend vor unter den Bedingungen verschärfter Klimakatastrophe. Das ist die Worst-Case-Zukunft und kein kommunistisches Utopia.
@Benni: Ich habe, den Eindruck, dass wir uns im wesentlichen einig sind. Ein paar Einschätzungen sind vielleicht unterschiedlich, die dann hochskaliert zu unterschiedlichen zugespitzten Gesamtbewertungen führen. Wo ich voll bei dir bin, ist die Kritik von primitivistischen Vorstellungen aka „alles lokal organisieren“. Doch Formeln der Art „Wir brauchen mehr Globalität“ sind mir ebenso zu schlicht, v.a. wenn du sie die Form unterbewertend aus aktuellen Schockwellen ableitest. IMHO ist „natural“ <> „materialistisch“, aber das ist eine andere Diskussion.
Hi Benni,
danke für deine Gedanken! Bei der Arugmentation sehe ich es analoz zu @Stefan Meretz:
Eine Lösung im aktuellen gesamtgesellschaftlichen, also kapitalistischen Kontext zu finden, ist IMO ein Kampf gegen Windmühlen. Für mich hören sich deine Argumente ein bisschen nach traditionellen Arbeiterbewegungsmarxismus an?! Also iSv: „Die arbeitende Klasse muss vor der ausbeutende Klasse geschützt werden! Denn dann wird die Umverteilung gerechter usw.“
Das Vorhaben ist ja bekanntlich schon im Realsozialismus gescheitert. Warum? Weil der Realsozialismus Staatskapitalismus war und die neoliberale Alternative im Westen einfach effizienter in der Akkumulation von (Mehr-)Wert war und der Ostblock da nicht mehr mithalten konnte. Und das Problem wirst du in einer globalistischen Welt mit in Konkurrenz stehenden Staatsmonstern immer wieder haben.
Was in deinem Text aber IMO komplett ausgeblendet wird ist die aktuelle Gesamtlage des kapitalistischen Weltsystems:
Für mich kommt aus deiner Argumentation raus, dass der Kapitalismus zumindest solange weiterprozessieren kann, wie noch irdische Ressourcen zum Verwerten vorhanden sind. Damit spielst du ja auf die äußere Schranke des Kapitals an. Die ist zwar für jeden Betrachter fassbarer, aber es sollte schon darauf verwiesen werden, dass sie „nur“ ein Ausdruck des inneren Widerspruchs der Wert-Verwertung des Kapitals ist.
Fakt ist, dass das kapitalistsche System seit dem Auslaufen des fordistischen Akkumulationsmodells und mit Beginn der dritten industriellen Revolution Ende der 70er Jahre seiner wertbildenden Substanz, nämlich der menschlichen Arbeitskraft, in einem derartigen Maß „beraubt“ wurde, dass ein „busines as usual“ (wie du es beschrieben hast), gar nicht mehr möglich war. Die systemische Antwort darauf war die Etablierung des neoliberalen Finanzkapitalismus und Produktion von fiktiven Kapital in Form von Waren 2ter Ordnung (salopp gesagt. Kreditgeld). Denn in dem Moment, wo die Zentralbanken fiktives Kapital an die Geschäftsbanken verleihen, wird ein Wirtschaftswachstum induziert, was sogar zu einer Zunahmen der gesamten Wertmasse führen kann! Somit konnte sich das Kapital also nochmal ein paar Dekaden Zeit erkaufen, aber die Akkumulation relativen Mehrwerts und das damit verbundene Abschmelzen von verwerteter Arbeits im Produktionsprozess wurde deswegen ja nicht aufegehalten – im Gegenteil: Die Produkvititätsgewinne seit den 80ern Jahren sind ja enorm! Der Kapitalismus Heute lebt also nur noch durch von der Produktion fiktiven Kapitals, nur leider haben die Waren 2ter Ordnung (Finanzprodutke, Kredite usw.) einen großen Pferdefuß:
Sie stellen eben nur fiktiven, zukünftigen aber eben keinen realten, vergangenen (also bereits „erarbeitetenden“ bzw. akkumulierten) Wert dar! Solange dieser Wert nicht erarbeitet wurde, solange ist das fiktive Kapitals ungedeckt, also im wahrsten Sinne des Wortes wert-los.
Das Problem besteht darin, dass immer mehr fiktives Kapital ausgegeben werden muss, um ein Wirtschaftswachstum in der Realwirtschaft zu induzieren. Nur bricht die Kluft zwischen realer Mehrwertproduktion und Produktion fiktiven Kapitals bzw. Waren 2ter Ordnung immer weiter auseinandern (man muss sich ja nur das Verhältnis von globalen BIP zur globalen Verschuldung anschauen: Das Verhältnis liegt mittlerweile bei 1:3 oder noch schlechter…). Und diese Verschuldungsorgie kann nicht ewig prolongiert werden und irgendwann wird auch diese gigantische Liquiditätsblase platzen. Und ich befürchte, dass wir aufgrund der aktuell vorherrschenden ökonomischen Gesamtlage auf „die große Entwertung“ eben dieser Blase zusteuern.
Die Tatsache, dass wir die stärkste Inflation seit der letzten großen kapitalistischen Krise in den 70er haben, wird unweigerlich dazu führen, dass die Zinsen der Zentralbanken immer weiter angehoben werden müssen, um die Nachfrage abzukühlen. Betrachtet man sich die Inflationstreiber kommen neben der aktuellen Energiekrise, noch die Lieferkettenprobleme, die Klimakrise (Dürren verschlechtern die Ernten, was wiederum zu Preissteigerungen führt) und die Billionen Dollar & Euro fikitiven Kapitals zur Bekämpfung der Corona-Krise hinzu. Alle diese Treiber zusammen führen zu einer künstlichen Nachfrage und zur Preisexplosion.
In den 80ern wurden in den USA die Leitzinsen zwischenzeitlich auf über 20% angehoben (Volcker-Schock), was natürlich massiv ökonomische Verwerfungen mit sich gebracht hätte, wäre da nicht das fiktive Kapital der Finanzmärkte eingesprungen. Heute ist die Inflation (auf jeden Fall im EURO-Raum) fast noch schlimmer und es müssen wieder die Zinsen angehoben werden. Die Tatsache, dass das die Zentralbanken der EU und der USA allerdings so zaghaft tun, liegt vor allem an den ökonomischen Konsequenzen:
Vielen Staaten und Unternehmen konnten seit der letzten großen Verwertungskrise von 2008 nur durch „billiges Geld“, also durch die massive Produktion von Waren 2ter Ordnung am Leben gehalten werden. Unsere Wirtschaft „erstickt“ regeltrecht an ihrer eigenen Hyperproduktivität, da immer weniger Wertsubstanz (also Arbeitskraft) in den Waren enthalten ist und es uns somit immer schwerer fällt, Profite und Rendite in einem „betriebswirtschaftlich sinnvollen Zeitraum“ zu erzielen. Deswegen wurden ja bei jedem ökonomischen Husten an den Märkten die Zinsen der Leitbanken immer weiter gesenkt. Und die Munition ist jetzt verschossen. Die Zentralbanken stehen jetzt vor dem Problem, dass sie die Zinsen gleichzeitig senken und erhöhen müssten. Senken, damit sich Unternehmen und Staaten weiterhin billig verschulden und das Wirtschaftssystem weiter stabilisiert werden kann. Erhöhen, um die Inflation und die einbrechende Nachfrage abzufangen. Was heißt das für die mittelnahe Zukunft?
Da die Inflation das dringlichere Problem ist, werden die Zinsen weitersteigen, dafür werden sich oben genannte Staaten und Unternehmen aber nicht mehr verschulden können. Unternehmens- und Staatspleiten (s. Italien) stehen uns bevor. Die Folge werden massive ökonomische Verwerfungen sein, denn all die Kredite, die bei steigenden Zinsen faktisch nicht zurückgezahlt werden können, werden zur Überschuldung des Schuldners und damit zu seiner Insolvenz führen. Das ist aber aus Sicht der Märkte eine „ganz natürliche und gesunde“ Bereinigung. Am Ende werden große Massen von Menschen aus dem Verwertungsprozess ausgeschlossen sein, was sich ja wiederum auch auf die Staaten zurückkoppelt. Denn wenn in einem Staat weniger gearbeitet und akkumuliert wird, fehlen ja auch Steuern. Und das heißt wiederum, dass sich die Konkurrenz zwischen den Staatsmonstern verschärft, was man ja aktuell wunderbar in der Ukraine und Taiwan betrachten kann. Die Staaten kämpfen quasi um einen Platz in der ersten Klasse auf der Titanic. Da sich der Prozess aber blind hinter den Augen der Charaktermasken entfaltet, wird dieser aussichtlose Kampf nicht wahrgenommen.
Worauf ich mit meiner ganzen Schreiberei hinauswill:
Solange wir das kapitalistische System, also der fetischistische Zwang der Vewertung menschlicher Arbeitskraft fur Produktion von Mehrwert bzw. Profit, nicht als das Übel all unseren Leids erkennen und überwinden, solange brauchen wir uns nicht über Verteilungsfragen unterhalten. Denn die Vergangenheit zeigt und die innere Logik des Systems unterbindet es, dass Waren „verschenkt“ werden können. Lieber schütten wir Milch in den Gulli, schmeißen neuwertige Produkte weg oder verschließen Müllontainer mit frischen Lebensmitteln mit Vorhängeschlösser, als dass wir zwecks Bedürfnisbefriedigung verteilen und damit die „Preise drücken“ und somit der Profit gefährden.
@Benni und Stefan
Kann ich aus euren Ausführungen folgende Schlüsse ziehen?
1. Es muß ein globales Netz entstehen, wo alle Menschen ihren (Grund-)Bedarf und ihre Tätigkeiten, die sie der Allgemeinheit zur Verfügung stellen wollen mit Ort und Zeitdauer detailliert aufgelistet werden
2. Dieses Netzwerk ist für jeden Menschen immer und überall frei zugänglich
3. Jedes Produkt/Dienstleistung ist mit einem ökologischen Fußabdruck gekennzeichnet
4. Jeder mensch hat das gleiche Budget des ökologischen Fußabdrucks zur Verfügung
5. Wenn das Netzt steht, wird sofort das Geld abgeschafft
6. Dann geht`s ab in eine andere Gesellschaft mit besserem Verhalten der Menschheit!
Falls ich da was falsch sehe, helft mir bitte auf die Sprünge
@stefan: Wir haben globale Probleme, die nur global gelöst werden können und in diesem Sinne brauchen wir „mehr Globalität“. Zusätzlich ist jedes scheinbar lokale Problem letzten Endes auch global. Ich dachte der ganze Witz am „Commonismus“ sei, dass man die Bedürfnisse aller Menschen berücksichtigt. Wie soll das anders gehen als durch „mehr Globalität“?
@lucki: „ökologischer Fußabdruck“ ist leider auch nur eine Quantifizierung nicht quantifizierbarer Bedürfnisse, aber klar, besser als alles über Geld zu machen wäre das bestimmt. Aber so richtig praktikabel klingt das nicht. Wer berechnet den denn dann zB?
@lutz: Keine Ahnung was Du gelesen hast, mein Text kann es nicht gewesen sein.
@Benni
Du schreibst:
Wenn es nur um Geld ginge, hätten wir kein Problem, weil Geld nur eine Fiktion ist
Geld ist keine Fiktion sondern im Kapitalismus die allgemeine Ware und im Kontext der Warenproduktion das Spiegelbild der Ware bzw. des der Ware „angehafteten Werts“ und somit Repräsentant der in der Waren verdinglichten „toten Arbeit“. Fiktiv ist höchstens fikitives Kapital (Waren 2ter Ordnung, zB Kreditgeld), dessen realer „(Mehr-) Wert“ zur Deckung erst noch erwirtschaftet werden muss. Wenn du aber darauf hinauswillst, dass der Kapitalismus (und alles damit verbundene) ein künstliches / onotolgisches Konstrukt, weil nicht naturgesetzlich, ist, dann bin ich bei dir.
*Dafür brauchen sie Zeugs. Und da wir nach neueren Prognosen noch einige Jahrzehnte lang mehr werden, werden wir auch weiterhin mehr Zeugs brauchen. Also: Wachstum. Eben das zweite Wachstum, (…) *
Ist das so? MÜSSEN wir weiter wachsen? Oder müssen wir nicht viel eher die bereits jetzt schon hochgradige Verstoffwechslung der Natur geschickter umgestalten, damit die Grundbedürfnisse der Weltbevölkerung (auch wenn sie noch weiter wächst) mit dem jetzt schon erreichen Niveau befriedigt werden können? Wie viele Klamottenschränke, Wasserhähne, Kühlschränke stecken z.b. in einer Yacht? Es geht also letztlich um Stoff- und Energieflüsse. Außerdem: Ein weiteres Wachstum ist in Anbetracht der manifesten Klimakatastophe nur schwer vorstellbar. Ich stelle mal die steile These auf, dass wir nicht nur effizienter sondern vor allem EFFEKTIVER werden müssen bei all den Dingen, die wir produzieren. Das würde dann automatisch auch die von dir angesprochenen Müllberge reduzieren.
Nun gibt es zum Glück zwei Aspekte am kapitalistischen Wachstum, die niemand braucht, die aber trotzdem Ressourcen verbrauchen: Müll und reiche Arschlöcher. Wir können also unser Wachstum im Prinzip vergrößern in dem wir weniger Müll produzieren und weniger reichen Arschlöchern den Hintern pudern
Das hört sich für mich verdächtig nach Umverteilung an & nicht nach Transformation bzw. Abschaffung des Kapitalismus.
Wir brauchen mehr Produktivität (im Sinne von menschlicher Tätigkeit, die menschliche Bedürfnisse erfüllt, nicht im kapitalistischen Sinn, also eben im Sinne des zweiten Wachstums) und auch mehr globale Zusammenarbeit und nicht weniger angesichts der größten Krise, vor der die Menschheit je stand.
Da bin ich wieder bei dir – wir können gar nicht effizient und produktiv genug sein! Aber nicht um noch mehr Profit und Mehrwert zu akkumulieren, sondern um möglichst umweltschonend möglichst viele menschliche Bedürfnisse zu befriedigen.
Ein Vorposter hat schon das Thema „Öko-Bilanz“ angebracht. Ich würde es noch um Stoff- und Energiebilanz. Denn „im Prinzip“ ist es auch naturwissenschaftlicher Sicht recht simpel:
Wir haben eine Erde mit einer bestimmten Menge an Ressourcen (endliche und „nachwachsende“). Die Erdbevölkerung kann sich davon nur das nehmen, was die Erde hat und nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Die Verstoffwechslung mit der Natur darf wiederum nicht auf Kosten der Umwelt gehen (Umweltschäden, Emissionen etc.), also müssen alle diese Faktoren limitiert werden. Man könnten ja zB jedem Menschen ein Ressourcenkonto zuweisen, was er frei und individuell verkonsumieren kann und wo neben den Ressourcen auch noch der „ökologische Fußabdruck“ mit einkalkuliert wird.
(…) und auch mehr globale Zusammenarbeit (…)
Ja und nein. Wenn es um Best-Practice-Erkenntnisse und um Wissenstransfer geht, da bin ich schon dabei. Wenn es aber darum geht, unnötigt Materialien / Gebrauchsgüter über den Weltball zu karren, nur um „dekadente“ Bedürfnisse zu befriedigen, dann ist das natürlich der falsche Weg. Es sei denn, die Belastung für Mensch und Natur wären vertretbar.
Vielleicht war ich in meiner ersten Antwort auch nicht klar genug, vielleicht war mir dein Text auch nur zu polemisch.
@lutz: ohne jetzt auf alles einzugehen: Wie auch immer eine Transformation aussehen wird, so wird sie doch auf jeden Fall auch Umverteilung beinhalten. Sonst bräuchte man sie ja nicht. Wieso die Erwähnung dessen jetzt automatisch bedeuten sollte, dass man nur diese Umverteilung bräuchte, das verstehe wer will.
Und noch eins: Der Anteil des „unnötig Materialien um den Weltball karren“ an unserem Problem wird masslos übertrieben. Das ist wirklich nicht unser Hauptproblem grad, auch wenn sich das gut als Geschichte macht und deswegen vermutlich viele immer vorne ran stellen in ihrer Kritik. Wenn man auf die Zahlen guckt, dann ist Güterverkehr als solches nicht das größte Problem und das allermeiste (im Sinne von Emmissionen) davon findet auch noch auf der letzten Meile statt. Containerriesenschiffe sind verdammt effizient.