Das Experiment einer schrittweisen Entgeldung in Villach/Österreich

Wie kann der Übergang von einer auf Geldwachstum verpflichteten Gesellschaft in eine Gemeinschaft gelingen, in der die Menschen bereits über die Deckung ihres Bedarfs an Lebensmitteln verbunden sind? Vorstellung eines in diesem Sinne gemeinschaftlichen Experiments zur Entgeldung lebenswichtiger Bereiche noch innerhalb der kapitalistischen Geldlogik.

Ich bin Robert Kravanja und arbeite in Villach zusammen mit Verantwortung Erde, einer Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat bedingungslos für die Interessen unseres Planeten einzutreten. Wir sitzen im Stadt- und Gemeinderat und 3000 Menschen (12%) haben uns bei der letzten Wahl gewählt. Wir verstehen uns als Teil der Transitionsbewegung.

Seit nunmehr 5 Jahren erproben wir in der Praxis einzelne Wandelskills und -tools, die wir entweder selbst entwickelt oder von anderen Bewegungen übernommen haben. Diese einzelnen Tools sind jedes für sich unabdingbar für ein nachhaltiges Leben im Einklang mit der Natur. Und so klein jedes für sich erscheinen mag, so wichtig sind sie für das gesamte Gelingen einer Transition. Zusammengesetzt sollten sie also ein großes Ganzes ergeben, das ein Leben in Fülle und Wohlstand ohne Gewalt und Zerstörung gegenüber unserer Mitwelt garantiert. Wir konnten dies bisher allerdings immer nur ausschnittsweise in die Praxis bringen, da wir derzeit noch zu wenige Menschen sind, die ihr Leben einem Wandel verschreiben haben können. Viele andere Menschen in Villach würden sich uns gerne anschließen, sind aber dem ausbeuterischen Wirtschaftssystem mit Haut und Haaren ausgeliefert. Diese Abhängigkeit halten wir an dieser Stelle einmal als eines der größten Probleme der Wandelbewegung fest, nämlich, dass Menschen mit struktureller Gewalt und unter Androhung der Zerstörung ihrer Existenz im Lohnarbeitssystem gehalten werden. Ich werde später noch darauf eingehen, wie dieses Problem möglicherweise zu lösen ist. Es soll uns aber nicht daran hindern heuer im Herbst ein sozial-ökonomisches Projekt zu starten, für das wir bis zu 2000 Menschen einladen wollen sich daran zu beteiligen. Auch dazu später mehr.

Welche Transition wollen wir?

Zunächst steht uns noch eine nicht ganz unwichtige Frage im Weg, nämlich: Was soll sich eigentlich in was wandeln, wenn wir von Transition reden? Wir brauchen eine eindeutige Definition einer solchen Transition. Und egal, wo wir derzeit hinschauen oder hinhören, wir sehen und hören die Menschen immer öfter vom Wandel sprechen. Alle scheinen zu wissen, dass es einen Wandel braucht, und die Ideen sind zahllos, die diesen Wechsel begleiten sollen. Da steigen wir vom Verbrennungsmotor auf E- oder Wasserstoff-Mobilität um, da kaufen wir uns unser Essen beim Bauern ums Eck, da rüsten wir unsere Häuser auf erneuerbare Energie um, da pflanzen wir irgendwo ein paar Blumenwiesen und verwenden recyceltes Papier. Jede/r feilt ein bisschen hier und da und wie es ihm/ihr richtig erscheint. Und alle meinen: Würden nur genug Menschen so leben, wie sie selbst es jetzt ohnehin schon tun, dann wäre die Welt gewandelt in ein Paradies und die Probleme gelöst. Und so arbeitet und lebt jede/r von uns vor sich hin, und komischerweise ergibt sich auch nach einem Jahrzehnt in dem ich das genau beobachte, nicht einmal das kleinste Zeichen eines bevorstehenden Wandels. Manchmal ergibt sich sogar das Gegenteil. Es wird immer schlimmer. Es erscheint mir daher unumgänglich, dass wir zunächst, bevor wir darüber reden, wie sich diese Transition ergeben soll, zu klären, was denn diese Transition eigentlich ist und was ihre Kennzeichen sind. Die große Frage, die sich stellt, ist also, an welcher Schraube wir drehen, was wir verändern müssen, damit wir sicher sein können, dass ein Wandel tatsächlich eintritt und sich unsere Probleme lösen können.

Denn so sympathisch uns die solidarökonomische Landwirtschaft oder das nicht mehr schmutzende und stinkende Auto auch sein mögen, sie werden unsere Probleme nicht lösen können. Einerseits bleibt die solidarisch-ökologische Landwirtschaft durch ihre Teilnehmer/innen mit dem Weltmarkt verbunden, weil ja der/die Produzent/in immer angewiesen ist auf Produkte und Hilfsmittel, deren Preise dem Weltmarkt unterliegen, weshalb selbst die bestgemeinte solidarische Landwirtschaft keine stabilen Preise für ihre Produkte halten wird können, und andererseits muss der Bauer auch seinen Lohn mit der Inflation korrelieren. Alle bleiben also im Markt verhaftet und haben nur ihre Positionen am Markt ein klein wenig verändert. Bei den Autos dasselbe: Die neuen Autos wiederum lösen unsere Probleme in Bezug auf Umwelttauglichkeit nicht, da wir mit ihnen den Ressourcen- und Energieverbrauch weiter ins Unermessliche treiben werden und damit die Zerstörung des Planeten sogar noch beschleunigen.

Ich habe diese zwei Beispiele nur zufällig herausgegriffen, und sie stehen nur stellvertretend für eine Unzahl von Vorschlägen für Lösungen unserer alten Probleme, welche durch ihre Umsetzung nur neue, noch größere Probleme schaffen werden. Was also kann es sein und vor allem, gibt es dieses eine überhaupt, dass wir verändern können, um einen Wandel herbeizuführen? In letzter Zeit wird es immer moderner, das Wirtschaftswachstum als Antwort auf diese Frage zu nennen. Dieses Wachstum, welches den Wirtschaftsforscher/innen die wichtigste Zahl ist und somit zum Allerheiligsten des kapitalistischen Systems zählt, wäre schuld an unserer Misere. Und ja, sie haben damit recht. Doch es geht auch immer noch um den Satz aus den 1970ern, der besagt: Auf einem endlichen Planeten ist kein grenzenloses Wachstum möglich. Und obwohl der Satz bei vielen von uns ins Bewusstsein eingedrungen ist, hat sich in den letzten 50 Jahren die Situation der Welt dramatisch entwickelt und immer mehr verschlechtert. Sind wir Menschen also nicht lernfähig, oder ist es tatsächlich die Gier, die uns ja transhistorisch innewohnen soll, wonach wir es bis zum heutigen Tage nicht lassen können, zu wachsen und immer weiter zu wachsen?

Die Logik des Geldes

Oder gibt es dafür einen anderen Grund, dass wir vom Wachstum nicht ablassen können? Und den gibt es. Es ist das Geld selbst, das uns diese Probleme bereitet. Wenn wir von Wirtschaftswachstum sprechen, dann reden wir eigentlich vom Wachstum der Geldmenge. Wachstum wird in Geld gemessen. D. h. es muss uns in der Marktwirtschaft gelingen, aus Geld immer mehr Geld zu erzeugen. Dafür braucht es reale Waren und unsere Bereitschaft zur Lohnarbeit, aber auch zum Konsum. Fordern wir also einen Stopp dieses Wachstums, so verlangen wir mehr oder weniger einen Stopp der Geldwirtschaft und damit der Marktwirtschaft. Es gibt nämlich keine geldvermittelte Wirtschaft, die ohne Wachstum denkbar ist. Und zwar ohne Wachstum des Geldes. Das bedeutet, Wachstum und Geld sind untrennbar miteinander verbunden. Eske Bockelmann hat in seiner neusten Veröffentlichung „Das Geld. Was es ist, das uns beherrscht“ eindrucksvoll nachgewiesen, dass es das Geld ist, welches das Wachstum erzwingt, ja, es zwingt uns sogar dazu, unsere hergestellten Produkte auf eine bestimmte Art und Weise zu tauschen. Nämlich im Äquivalent. Daraus folgt, und das will ich hier in aller Deutlichkeit festhalten: Wenn wir überhaupt in so etwas wie eine Transition oder einen Wandel kommen wollen, so müssen zunächst das Geld und die daraus entstandene Art etwas zu tauschen überwunden werden.

Wir haben das sowohl in allen theoretisch relevanten Texten, Artikeln und Arbeiten bestätigt gefunden, wie auch durch unsere fünfjährige Praxis in der Schenkwirtschaft überprüfen können. Wir gehen von der Annahme aus, dass durch das alleinige Wegfallen des Geldes sich unsere existentiellen Probleme in Nichts auflösen würden. Es gibt sie einfach nicht mehr. Es mag ein paar andere geben, aber keine, die uns in unserer Existenz bedrohen.

Du kannst das rasch selbst überprüfen, indem du einfach versuchst dir eine Welt vorzustellen, in der nichts mehr gekauft und bezahlt wird. Absolut nichts. Die meisten Tätigkeiten, die wir heute als Arbeit bezeichnen, würden schlicht und ergreifend mangels Geld nicht mehr durchführbar sein, und diese sogenannte Arbeit, oder besser gesagt unser gesamtes Lohnarbeitsstraflagersystem, würde sich selbst demaskieren als die größte Absurdität der Menschheitsgeschichte, und deren absolute Nutzlosigkeit würde schlagartig sichtbar werden.

Experiment Entgeldung

Betrachten wir quasi als Gegenblick dazu die Perspektive, wie sich Geldlosigkeit auf den Einzelnen auswirken würde. Ich müsste mir die Frage stellen: Würde ich meine Tätigkeit weiter ausführen (können), wenn ich dafür kein Geld bekäme? Wir machen also das Geld als den Grund fest, weshalb es Wachstum gibt und wir als Menschheit uns scheinbar nicht vom Wachstumsgedanken trennen können. Das macht uns unsere Sache in der Praxis aber nicht leichter, obwohl wir genau wissen, was wir zu tun haben, nämlich unsere Welt zu entgelden. Im Gegenteil, wann immer diese Gedanken, dass es das Geld sei, welches unsere Welt zerstört, geäußert werden, hat man aufgrund der Reaktionen des Gegenübers das Gefühl, man lehnt sich gegen die größte und all umfassendste je existierende Religion auf und will Gott selbst töten. Und selbst der ärmste Schlucker, der nicht einmal 100 Euro besitzt, wird ausrücken und gegen diese Ungeheuerlichkeit, kein Geld mehr verwenden zu sollen, auf das schärfste protestieren und dich für verrückt halten. Damit sind wir beim wahrscheinlich wichtigsten Punkt, wenn wir die Liste unserer Experimentsabteilungen durchgehen, der zu lösen ist, bevor überhaupt eine Umsetzung in der Praxis möglich ist. Es geht um unser aller Bewusstsein. Und um Bewusstseinsbildung.

Ich stelle also nochmals fest: Ohne auf das Geld zu verzichten, das für uns als Fixpunkt erscheint, auf den wir uns ständig und bei allen Gedanken und Handlungen beziehen, ist eine Transition oder ein Wandel in unseren Augen überhaupt nicht zu haben. Wir müssen uns strikt vom Geld trennen. Und daraus folgend auch vom Äquivalententausch. Ich weiß, das ist viel auf einmal. Und wie sollen wir das je ins Bewusstsein aller Menschen bringen. Wenn es geht, auch noch schnell. Und das angesichts der Erkenntnis, wie sehr uns das Geld in Form seiner Logik durchdringt, wie Eske Bockelmann in seinem ersten Werk „Im Takt des Geldes – Zur Genese modernen Denkens“ eindrucksvoll aufzeigt. Auch das haben wir überprüft, indem wir hunderte Gespräche geführt haben und Menschen von den Vorteilen eines Lebens ohne Geld überzeugen wollten. Das Herz hat es manchmal sogar verstanden, aber die durchkapitalisierte Vernunft zu wissen, dass das, was wir vorhaben, nicht geht, nicht gehen kann und nicht gehen darf, hat sich in allen Fällen durchgesetzt. Manchmal bis zur Hysterie gesteigert. Die Menschen können sich eine Welt ohne Geld nicht vorstellen, weil sie 100% vom Geld und seiner Logik, wie es Eske Bockelmann beschrieben hat, durchdrungen sind.

Eine rein theoretische Erklärung unseres Problems, z. B. in Vorträgen oder auf Youtube etc, fällt also flach, darf aber bitte auf keinen Fall vernachlässigt werden. Und muss stattfinden. Die Masse der Menschen werden wir damit nicht erreichen. Was uns hier als Verkünder des neuen Wortes aber entgegenkommt, ist die zunehmende Krisenhaftigkeit sowohl der Wirtschaft wie auch des Klimas. Beide Krisen sind schon zur Katastrophe mutiert. Und beide sind untrennbar miteinander verbunden. In der allgemeinen Kakophonie der Vorschläge, was denn jetzt zu tun sei, um diesen Krisen zu begegnen, müssen wir uns mit unserem noch dünnen Stimmchen erst noch bewähren. Aber wir haben ein gutes Argument. Wir kennen eine Lösung, von der wir zwar nicht wissen, wohin sie uns führen wird, doch wir können einen Vorschlag anbieten. Wir müssen die Menschen mit ihren derzeitigen existentiellen Ängsten dort abholen, wo wir sie am ehesten erreichen können. Dies scheint mir in dieser Frage gut zusammengefasst zu sein: „Wie geht es mit dir, mit uns und allgemein weiter?“

Spielen wir die zur Verfügung stehenden Szenarien total verkürzt und abstrahiert einmal kurz durch. Die Menschheit befindet sich in zwei Megakatastrophen. Das erste Szenario ist die bereits stattfindende Klimakatastrophe. Und das zweite ist die Weltwirtschaftskrise durch die Coronapandemie. Beide sind von ungekannten Ausmaßen für uns Menschen. So. Wie gehen wir nun mit diesen Problemen in der Logik des Geldes um? Konzentrieren wir uns darauf, die Wirtschaftskrise zu lösen, wird es mit den angepeilten Klimazielen nichts werden. Denn selbst, wenn uns diese aufholende Entwicklung gelingen würde, müssten wir unseren Ressourcenverbrauch und natürlich auch den Konsum weiter steigern und immer weiter steigern. Das würde dem Klima wiederum nicht gut tun. Aber auch der Klimakatastrophe zu begegnen, indem wir von zukünftigen Produkten so weitgehend wie möglich verlangen, dass sie grün und immer grüner sein müssen, führt letztendlich zu immer höherem Ressourcenverbrauch und damit zu noch größeren Zerstörungen unseres planetaren Biotops. So führt auch das Greenwashing der Unternehmen, das von den Regierungen als Feigenblatt erkannt wird, zu keinen wirklichen Lösungen der zwei Krisen. Wir stecken also fest und kommen nicht mehr vor oder zurück. Wir dürfen aber auch aus unserem neuen Denken heraus nicht das Drücken der Stopptaste von einem Tag zum anderen fordern. Das würde die Menschheit in ein noch nie dagewesenes Chaos stürzen. Wir müssen versuchen, Schritt für Schritt aus dem Geldsystem auszusteigen. Zunächst einzelne Bereiche und dann immer weiter. Das sollten wir mit den Menschen diskutieren und praktizieren.

Erste Abteilung: die Akademie

Ein weiteres Phänomen des Bewusstseins ist in unserem Zusammenhang nicht weniger komplex. Hier stehen wir vor der Aufgabe, die Menschen mit der Tatsache zu konfrontieren, dass jede/r Einzelne von uns an der Zerstörung der Erde mitarbeitet. Da es ein menschliches Phänomen zu sein scheint, seine eigenen Handlungen in ganz anderem Licht zu sehen, als die Handlungen der Anderen, stehen wir selbst immer auf der Seite des Guten. Mangels fehlender Zusammenhänge und Kenntnissen der Materie und als reine Schutzbehauptung wird immer gesagt, dass das Bisschen, welches ich zum Ganzen beitrage, doch gar nicht ins Gewicht falle. Und zur Sicherheit wird noch schnell nachgeschoben, das selbiges bei die Chinesen niemanden kümmert. An dieser Stelle ist festzuhalten: Die globale Zerstörung des Planeten ist die unendliche Anzahl an einzelnen und kleinen zerstörerischen Handlungen in unserem derzeitigen Wirtschaftssystem aufsummiert zur globalen Katastrophe. Es gibt also die Zerstörung der Erde nicht als ein Ganzes. Und keiner allein wird diese Zerstörung aufheben können. Das bedeutet: Der Wandel beginnt mit uns und in uns selbst. Sonst gibt es ihn nicht. Jede/r, der zu ihm beitragen will, beginnt also mit der Überprüfung ihrer/seiner eigenen täglichen Handlungen. Und zwar jeder einzelnen. Da hat dann jede/r zu tun und braucht nicht auf die anderen zu schauen. Der/die Einzelne ist zwar für das ganze Ausmaß der Zerstörung nicht verantwortlich zu machen, ist aber sehr wohl für sein/ihr Handeln verantwortlich. Diese Bewusstseinsbildung funktioniert, und darauf weise ich extra hin, in beide Richtungen: nämlich sowohl vom theoretischen in eine bessere Praxis als auch von einer korrigierten Praxis zur Theoriebildung. Das bisher Gesagte bildet die Grundlage für die erste Abteilung unserer Experimentsanordnung: die Akademie. Diese Bewusstseinsarbeit begleitet im Rahmen der Akademie unser Experiment von Anfang an und endet nie.

Jetzt zum Experiment direkt: Unser Ziel ist es, eine geldfreie Welt zu erschaffen, in der die Wirtschaft ausschließlich zur Bedürfnisbefriedigung betrieben wird, und die Rücksicht auf alles andere Leben auf diesem Planeten nimmt. Dies bieten wir nur für die Menschen an, die es wollen. Niemand wird gezwungen teilzunehmen oder wird durch unser Experiment gestört. Es soll sich eine zweite Sphäre in der marktförmigen Gesellschaft bilden, die als sich selbst versorgende Gemeinschaft vollkommen in ersterer eingebettet ist. D.h.: Wir laden Menschen dazu ein, ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen, sich ihrer tatsächlichen Bedürfnisse bewusst zu werden, die Produktion der benötigten Lebensmittel und Konsumgüter sowie deren Produktionsketten in die eigene Hand zu nehmen und dann solidarisch miteinander zu teilen, was da ist.

Um dieses Vorhaben zu beschreiben, haben wir sechs Begriffe oder Eigenschaften erarbeitet, die das anzustrebende Ziel vorgeben. Es ist jedoch völlig klar, dass sich diese Vorgaben nicht verordnen lassen. Und schon gar nicht lassen sie sich von einem Moment zum anderen zu 100% einhalten. Das spielt dabei aber keine Rolle. Wichtig ist nur, dass man sich ihnen so gut es eben jede/r Einzelne kann, annähert. Der Rest kommt durch Übung und Praxis von selbst.

Die Vorgaben, an denen wir unser Handeln messen, lauten: geldfrei, regional, solidarisch, pflanzlich, ökologisch und eigenverantwortlich.

An diesen sechs Vorgaben kann nun jede/r Einzelne ihre/seine täglichen Handlungen überprüfen und sich so weit es geht dem Ideal annähern. Das kann jede/r machen, also auch Menschen, die im kapitalistischen System fest verwurzelt sind. Damit ist sichergestellt, dass tatsächlich jede/r an unserem Experiment teilnehmen kann, die/der ernsthaft etwas zum Wandel beitragen will. Wie überhaupt das Experiment sowie auch die geldfreie Welt immer für alle denkt, solidarisch eben. Allerdings kann niemand beitreten oder Mitglied werden. Wer da ist und etwas tut, ist dabei. Das hat aber auch den Vorteil, dass man nicht ausgeschlossen werden kann.

Und genauso, wie wir unsere Vorgaben nicht von Anfang an zu 100% erreichen können, können wir auch nicht damit beginnen, sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft zur gleichen Zeit zu entgelden. Daher konzentrieren wir uns zu Beginn darauf, die Ernährung und viele Konsumgüter vom Geld zu befreien und in eine Schenkwirtschaft umzuwandeln.

Zweite Abteilung: die Stiftung

Um unsere Lebensmittel selbst herstellen zu können, brauchen wir natürlich Grund und Boden und Betriebsmittel, sowie Menschen die Ahnung haben, wie Landwirtschaft richtig geht. Wir werden versuchen, das auf mehrere unterschiedliche Weisen zu erreichen. Einerseits über den Ankauf von Flächen durch Geld, das uns aus unserer politischen Arbeit zur Verfügung steht, sowie einen „Wir kaufen uns Villach frei“-Fonds, den wir mit Experimentstart gründen und in den jede/r einzahlen kann. Dieser Fonds ist nur zum Freikaufen von Flächen, Immobilien und Betriebsmittel da. Er wird in einer Bundesstiftung installiert.

Eine weitere Variante wäre, dass Bäuerinnen und Bauern, denen das Wasser ohnehin bis zum Hals steht, ihre Höfe ebenfalls in diese Stiftung einbringen und gleichzeitig auf ihrem eigenen Hof Bäuerin/Bauer bleiben können. Die Stiftung vergibt dann Nutzungsverträge für die einzelnen Anwesen und Betriebsstätten. Das ist genau geregelt, und diese Nutzungsverträge sind in unserer Welt so etwas wie das Grundbuch. Ziel ist es, so viele Flächen und Häuser wie möglich in diese Stiftung zu bringen, um unsere Ernäherungsunabhängigkeit zu garantieren und die Immobilien dem Markt zu entziehen. Diese Bundesstiftung heißt „Munusstiftung“ und ist daher die zweite Abteilung unseres Experiments.

Dritte Abteilung: die Datenbank

Das nächste Tool und das Herzstück unseres Experiments ist eine Datenbank. Diese Datenbank versteht sich als Bestandsaufnahme dessen, was unser Potential ist. In Fragebogenform tragen wir mit denjenigen, die sich bei uns melden, sämtliche Besitzungen einschließlich möglicher Nutzungszwecke genauso ein, wie auch die bevorzugten und erlernten Tätigkeiten und Fertigkeiten, die in der durchkapitalisierten Welt nicht verwertet werden könneni. Diese Datenbank bringt unsere Teilnehmer/innen direkt in Verbindung ohne dass dabei eine Zentrale notwendig wird.

Wie könnt ihr euch das vorstellen? Angenommen eine ältere Person lebt, wie gar nicht selten, völlig alleine in einem zweistöckigen Haus. Nach Beratung wird diese Person in der Datenbank vielleicht angeben, dass sie für den Garten jemanden sucht, der ihn bewirtschaften kann, dass sie bereit wäre, ein Glashaus errichten zu lassen, dass jemand Bienenstöcke aufstellen könnte, dass das Haus energieautark gemacht werden soll und dass, bei Sympathie und einer Probezeit, eine junge Familie bei ihr wohnen kann, wenn sie diese Personen im täglichen Leben ein bisschen unterstützen. So wäre es in der Datenbank eingetragen. Wenn jetzt eine andere Person eines dieser Potentiale nutzen möchte, so gibt es ein Match, und die zwei Parteien können miteinander alles vereinbaren, was einem jeden von ihnen dienlich ist. Damit ist diese Datenbank die Entgeldungsmaschine für unsere Gemeinschaft. Je mehr solcher Matches wir nämlich herstellen können, desto weniger Geld ist im Spiel. Jede einzelne Aktion, aus der das Geld als Vermittler zwischen den Menschen herausgebracht wird, ist eine Aktion, die unvermittelt zwischen Menschen stattfindet und ein weiterer Schritt in Richtung Wandel. Damit entstehen mit der Zeit sich verselbstständigende Effekte, die den Menschen vor Augen führen, wie absurd der Umgang mit Geld einmal war. So zeigt es jedenfalls unsere Erfahrung.

Für diese Datenbank suchen wir noch jemanden, der/die sie programmiert. Mit dem/derjenigen müsste die Datenbank natürlich in allen Einzelheiten besprochen werden. Denn selbstverständlich werden in diese Datenbank auch die Ergebnisse unserer Produktion eingetragen, sodass wir immer einen aktuellen Überblick über unsere verfügbaren Lebensmittel und Konsumgüter haben. Hier finden also die Verwaltung unserer Wirtschaft statt, aber auch die Übersicht und die Planung der Produktion. Damit ist die Datenbank die dritte Abteilung unserer Wirtschaft ohne Geld.

Vierte Abteilung: die Lebensmittelpunkte

Damit kommen wir zum wichtigsten Thema für uns Geldmenschen, nämlich der Distribution unserer Güter. Dafür haben wir das Tool des Lebensmittelpunktes (LMP) entwickelt. In der Zweideutigkeit seiner Bedeutung liegt auch schon die Erklärung begründet. Einerseits ist es für jede/n Teilnehmer/in ein Bezugspunkt von Lebensmitteln, zubereitetem Essen oder Konsumgütern. Anderseits soll dieser Spot aber tatsächlich für unser gesellschaftliches Leben der Mittelpunkt sein. Jeder Lebensmittelpunkt ist verbunden mit landwirtschaftlichen Betrieben und den Gärten der sich zugehörig fühlenden Menschen. Von dort beziehen sie Obst, Gemüse und Getreide etc, die nach den Kriterien der Permakultur angebaut werden. Durch Glashäuser sichert sich jeder Lebensmittelpunkt seine ganzjährige Versorgung mit tatsächlich biologischem Gemüse. Ein Teil davon wird verkocht und dient für einen Buffetbetrieb als Basis. Hier wird ganztägig Essen für alle angeboten. Im LMP können gleichzeitig frische Lebensmittel geholt oder mitgenommen werden, wenn jemand privat etwas braucht. Der Rest geht an noch einzurichtende, weiterverarbeitende Betriebe, die alles nach alten Methoden haltbar machen. Von dort werden die konservierten Lebensmittel wieder an die LMP verteilt. Nicht nach Schlüssel, sondern nach Bedarf.

Jedem Lebensmittelpunkt sollen so um die hundert Menschen angehören, die sich einerseits um einen „Restaurant“-Betrieb kümmern und die Vorratswirtschaft betreiben, also immer darüber auf dem aktuellen Stand sind, was gebraucht wird. Mit den Lebensmitteln verhält es sich wie bei allem: Wir produzieren, das was wir können, und anfangs ist noch einiges zuzukaufen, wie wir aus unserer Erfahrung wissen. Dafür soll es im Hintergrund eine Kassa geben, woraus zum Beispiel Gewürze oder andere Spezialitäten aus anderen Ländern, auf die wir nicht verzichten wollen, gekauft werden. Hier kann einzahlen wer will, aber gerne auch die Teilnehmenden. Denn wenn ich 50 Euro pro Monat in die Kasse lege, habe ich mir ca. 250 Euro erspart und esse Lebensmittel, von denen ich die/den Produzent/innen kenne, die biologisch sind und die keine Weltreise zurückgelegt haben. Müssen wir aber mit diesem Geld Lebensmittel zukaufen, dann gilt: Wenn gekauft wird, dann so regional wie möglich usw.

Jede/r kann sich ihren/seinen Lebensmittelpunkt frei wählen, aber auch hier gilt: Je näher ich dran bin, desto sinnvoller. Dort wo ich wohne, arbeite ich auch und pflege den Hauptteil meines gemeinschaftlichen Lebens. Dadurch ergeben sich im LMP Lösungen für Probleme wie Kinderbetreuung, Krankenpflege, Nachbarschaftshilfe und tausend Dinge mehr. Ich kann aber auch nach Lust und Laune in einem anderen LMP essen und andere besuchen. Das bleibt sich für uns gleich. An ca. jeden fünften LMP soll ein Lager und „Geschäft“ für die Konsumgüter Kleidung, Bücher, Spielsachen, Technik und Möbel angeschlossen sein. Dieser Sammelstelle wiederum angegliedert sollen Reparaturteams, Mechaniker/innen, Up- und Recycler/innen sein. Damit sind die LMP die vierte Abteilung der Versuchsanordnung.

Fünfte Abteilung: die Mediation

Als letztes wirklich großes Tool unserer Wirtschaft ohne Geld gilt es eine Abteilung für Mediation zu schaffen. Da wir den schärfsten aller Richter, das Geld, nicht mehr zur Verfügung haben, es aber trotzdem zu Problemen zwischen den einzelnen Beteiligten kommen wird, ist es unabdingbar, eine Institution zu etablieren, die bei allen Fragen des Zusammenlebens zur Lösung von Problemen und Streitereien angerufen werden kann. Menschen dieser Institution beginnen auch mit einem Besuch bei jedem, der teilnahmewillig ist, um den Fragebogen für die Datenbank mit ihnen persönlich auszufüllen und zu besprechen. Alle Prozesse werden von Anfang an durch diese fünfte unserer Abteilungen begleitet.

Wer darf am Experiment teilnehmen? Es gibt niemanden, der von unserem Experiment ausgeschlossen ist. Die einzige Voraussetzung ist, dass der/die Teilnehmer/in bereit sein muss, für den Wandel einige Gewohnheiten in Frage zu stellen. Um dieses Umstellen der Gewohnheiten organisieren zu können, wird ein Jahr Vorlauf notwendig sein, in dem sich unsere Wirtschaft ohne Geld, wie ein Computerspiel, durchs Ausfüllen der Fragebögen immer mehr formt, und erst wenn unsere Produktion eine Tragfähigkeit in der Simulation erreicht, gehen wir alle zusammen den Schritt vom Computer in die Praxis. Dabei ist es für die Teilnehmer/innen keineswegs notwendig, ihre Lohnarbeit von heute auf morgen aufzugeben und sich in ein Wagnis zu stürzen. Vielmehr ist es so, dass sich jede/r soweit ins neue Modell einbringen kann, wie es die kapitalistischen Verstrickungen fürs Erste zulassen und er/sie es möchte.

Fassen wir also zusammen

Es gibt ein Gesetz und das lautet: Verwende so wenig wie möglich Geld. Nur für Dinge, die wir unabdingbar für unsere Gemeinschaft brauchen und die auf anderem Weg nicht zu haben sind, tauschen wir mit Geld. Es existiert keine andere allgemeingültige Regel.

Es bedarf der Einrichtung einer Akademie, die sowohl theoretisch, als auch praktisch den Fortgang des Wandels beobachtet. Je mehr Handlungen nicht geldvermittelt und nicht durch Äquivalententausch stattfinden, desto weiter ist die Transition fortgeschritten.

Wir haben sechs definierte Grundsätze, denen sich jede/r Einzelne von uns versucht so weit wie möglich anzunähern. Es gibt allerdings keine Kontrollen, wer welche Standards erreicht. Die Grundsätze lauten: geldfrei, regional, solidarisch, pflanzlich, ökologisch und eigenverantwortlich.

Wir versuchen so viele Grundstücke und Immobilien wie möglich in die Munusstiftung zu bringen, um sie dem Markt zu entziehen und damit zu entwerten. Entweder geschieht dies durch Stiftung des/der Eigentümer/in oder durch Freikauf. Die Munusstiftung ist eine gemeinnützige Bundesstiftung, die extra für Projekte wie unseres gegründet wurde. In ihr wird auch der Freikauffonds installiert.

Das Herzstück unseres Projektes ist eine Datenbank, die durch direkte Vermittlung geldvermittelte Handlungen in zwischenmenschliche Handlungen rückverwandelt. Die Datenbank zeigt uns nicht nur einen laufenden Bestand und eine Inventur an, in ihr organisieren wir auch die Verwaltung. Ich weise hier extra darauf hin, dass es sich bei den bestehenden Gemeindeverwaltungen bereits um eine vollständig entwickelte Verwaltung für unsere Zwecke handelt. Es bräuchte nur eine Umstellung von profitorientierten auf bedarfsgerechte Zwecke.

Wir organisieren unser Leben, indem wir es an LMP ausrichten. In einem LMP schließen sich Menschen zusammen, um ihren täglichen Bedarf und den Bedarf an Konsumgütern zu produzieren und zu teilen. Die Größe jedes LMP ist individuell.

Da wir keine Hierarchien in unseren Gruppen haben und damit auch keine/n Führer/in oder Chef/in, wird alles durch die Kompetenzen der Teilnehmer/innen geregelt. Alle offenen und strittigen Fragen sind in einem von Fall zu Fall blickenden Entscheidungsprozeß von einem Mediationsteam zu lösen. Dieses Team begleitet alle Prozesse und bietet Hilfe in jeder Situation. Bei seinen Entscheidungen gilt, solange es möglich ist, das Sowohl-als-auch-Prinzip.

Die Teilnahme ist jedem/jeder nach seinen/ihre Möglichkeiten erlaubt. Niemand muss zunächst seinen kapitalistisch angestammten Platz verlassen, und es gibt keine Mitgliedschaft.

Begleitende Maßnahmen: Inventur der Böden Villachs und Vorausberechnung, was 2000 Menschen an Lebensmittel brauchen. Sowie als weitere begleitende Maßnahme: Medienpartner finden oder eigene Zeitung gründen.

Zum Schluss möchte ich noch auf eine bemerkenswerte Tatsache hinweisen. Wir brauchen für die von uns vorgeschlagene Art und Weise, einen Wandel in die Welt zu tragen, kein Geld. Nichts von all dem, was wir vorschlagen, kostet etwas. Alles ist bereits da, es ist nur neu zu denken und neu zu benützen. Was wir brauchen sind Menschen, die das verstehen und bereit sind, neue Gewohnheiten in die Praxis zu bringen. Daher ergeht an euch noch einmal die Bitte um Unterstützung und Mitarbeit, insbesondere für die Bereiche Akademie und Datenbank.

15 Kommentare

Entdecke mehr von keimform.de

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen