42 Thesen zu Geschichte, Weltraum und Kommunismus
6. Februar 2018
Arbeit & Freiheit, Commons, Eigentumsfragen, Reichtum & Knappheit, Theorie
25 Kommentare
- Seit der Kritischen Theorie und der Erfahrung des Faschismus gibt es eine Angst der Linken vor der Geschichtsphilosophie. Deswegen vorneweg: Geschichtsphilosophie ist unverzichtbar. Auch wenn man keine hat, hat man eine. Es ist wie mit jeder Theorie: Wenn man sie ignoriert, hat man die der anderen. Im folgenden werde ich deshalb einige Thesen aufstellen, von denen die ein- oder andere durchaus steil ist. Gegen Ende werden es dann aber eher Fragen als Thesen.
- Gesellschaften entwickeln sich weiter. Dabei unterliegen sie einem Evolutionsprozess von Mutation und Selektion. Das macht den Vorgang nicht zu einem biologischen, aber dennoch hat in der gesamten Menschheitsgeschichte ein Prozess stattgefunden, der manche Gesellschaften anderen gegenüber bevorteilt hat. Es gab Situationen in denen Gesellschaften nicht mehr überlebt haben (was nicht gleichbedeutend sein muss mit dem Tod der Individuen) und sich deswegen ihre Prinzipien nicht halten konnten oder an den Rand gedrückt wurden. Um so einen Prozess über einen Zeitraum von Jahrtausenden wirksam zu machen reicht es auch völlig aus, dass er im statistischen Mittel wirkt. Es wird also auch immer Gegenbeispiele geben.
- Die Erfahrung des Faschismus und die Kritische Theorie haben uns aber dennoch gelehrt: Es gibt keine Automatismen, der Fortschritt ist nicht automatisch auf unserer Seite. Dennoch folgt daraus nicht, dass es keinen Fortschritt gibt oder dass wir nicht bestimmen könnten welche Art von Fortschritt auf unserer Seite ist. Tatsächlich ist das Bewusstsein darüber zentral für jeden Kommunismus. Es ist sehr wichtig, dass man das Kind des Kommunismus nicht mit dem Bad von Determinismus und Teleologie ausschüttet.
- Im Evolutionsprozess der Geschichte wirken im wesentlichen zwei Faktoren: Zum einen die Konkurrenz zwischen Gesellschaften. Dabei wird auf lange Sicht und im statistischen Mittel sich immer die Gesellschaft durchsetzen, die in der Lage ist größere Mengen an Menschen zu mobilisieren. Dieses Durchsetzen muss nicht durch Gewalt geschehen, hat es aber oft.
- Zum anderen wirkt Ressourcenmangel als begrenzender Faktor. Es gibt viele Beispiele von Gesellschaften, die nicht an äußerer Konkurrenz sondern an nicht nachhhaltiger Ressourcennutzung zu Grunde gegangen sind.
- Evolutionäre Prozesse – als ein solcher also auch die Geschichte der Gesellschaften, also der gesamten Menschheit – sind geprägt von Phasen vergleichsweise geringer Änderungen und Phasen rapiden Wandels. Um die langfristige Dynamik (also im Zeitraum von Jahrhunderten und Jahrtausenden) zu verstehen, interessieren insbesondere die Phasen rapiden Wandels. Diese Phasen des Wandels trennen historische Epochen voneinander.
- Der Charakter von Gesellschaften wird bestimmt durch die Art und Weise wie sie ihre Lebensbedingungen herstellen und erhalten sowohl für die Individuen als auch als Gesellschaft. Das enthält die Produktion der materiellen Produktions- und Lebensmittel ebenso wie die von symbolischen und identitären Ressourcen. Oder kurz: Ihrer Lebensweise.
- Es hat in der gesamten Geschichte der Menschheit bisher erst zwei solche Phasen rapiden Wandels gegeben in denen sich die Lebensweise der Menschen grundsätzlich verändert hat. Um den Kommunismus zu erreichen, bräuchten wir eine dritte solche Phase. Als Kommunist_innen interessiert uns also, wie solche grundsätzlichen Veränderungen passieren können und wir müssen auch verstehen, wie die beiden bisherigen Veränderungen funktioniert haben. Deswegen gucken wir uns die jetzt genauer an:
- Die erste Veränderung bezeichnet man auch als neolithische Revolution. Vor ihr lebten Menschen als Jägerinnen und Sammler in kleineren Gruppen, vermutlich durchaus auch teilweise sesshaft, aber immer in direkter Abhängigkeit von der natürlichen Umgebung. Ihre Gesellschaften waren durch Commons und Care geprägt.
- Nach der Revolution durch die Domestizierung von Pflanzen und Tieren lebten sie als Bäuerinnen oder Hirtennomaden. Dies ermöglichte ein großes Bevölkerungswachstum hatte oft aber auch unangenehme Seiteneffekte wie Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung, da die Menschen zumindest in den fruchtbaren Tälern den Gewaltsystemen nicht mehr einfach ausweichen konnten.
- Zwischen neolithischer und industrieller Revolution gab es drei verschiedene Lebensweisen, die koexistierten: Zum einen die imperial organisierten Bauern in den fruchtbaren Tälern und den neu entstandenen Städten, zum zweiten Gesellschaften am Rande dieser Imperien in vergleichsweise unzugänglichen und weniger fruchtbaren Gegenden, in denen eine größere Freiheit aber auch ein geringerer Wohlstand herrschte. Und schließlich die Hirtennomaden in den großen Steppen, die mit den Imperien in einem Wechselverhältnis von Krieg und Handel existierten. Daneben gab es ganz am Rand (und gibt es auch noch bis heute) auch weiterhin Menschen, die auf ihrer Lebensweise als Jägerinnen und Sammler beharrten, tatsächlich ging es denen wahrscheinlich im Vergleich auch lange besser als den Bauern und Hirtinnen.
- Wir wissen nicht wirklich, welche Veränderungen die neolithische Revolution überhaupt erst ermöglichten. Es gibt dazu viele Theorien, aber wenig Belege. Sicher ist aber, dass die Imperien erst durch die neolithische Revolution möglich wurden. Die Land- und Viehwirtschaft ermöglichte ein enormes Bevölkerungswachstum, weil man nicht mehr so direkt von den Naturgewalten abhängig war. Es gab erst jetzt einen dauerhaften Überschuss, der eine Klasse von Menschen mit ernähren konnte, ohne dass diese direkt an der Produktion beteiligt waren, eben die Imperatoren und ihre Krieger- und Priesterkasten. Nach These 4 hat diese Lebensweise also einen enormen evolutionären Vorteil, weswegen sie sich auch sehr breit durchgesetzt hat und die alte Lebensweise in die Peripherie verdrängt hat. Deswegen wurden die Imperien auch immer größer, bis sie schließlich weltumspannend waren. Das muss übrigens nicht heißen, dass die Lebensqualität oder auch nur die Länge der Leben der breiten Bevölkerung höher war. Es war wohl zunächst eher das Gegenteil der Fall.
- Die Imperien sind also die bestimmende Lebensweise der agrarischen Epoche. Nicht, weil sie die einzigen sind, aber weil sie diejenigen sind, die die Dynamik bestimmen. Sie sind in der Lage die größten Mengen an Menschen zu mobilisieren. Man konnte sich dem nur in der Peripherie entziehen, in Gegenden, die für die Landwirtschaft weniger gut oder gar nicht geeignet sind.
- Die Ähnlichkeit der Lebensweise in den Imperien der agrarischen Epoche kommt zustande weil sie alle durch die selbe Elementarform strukturiert sind. Die Jägerinnen und Sammler lebten genauso alle vermutlich sehr verschiedenen aber alle nach der Elementarform der direkten, kollektiven Naturentnahme. Das hat ihr Leben erhalten und deswegen waren ihre Lebensweisen trotz aller Unterschiede doch sehr ähnlich. Die Elementarform der Imperien war die von gewaltsamer privater Aneignung und hierarchischem Kommando, gipfelnd in einer Person, dem Imperator. Aus dieser Elementarform leiten sich schon sehr viele Eigenschaften ab, die alle Imperien mehr oder weniger gemeinsam haben. Diese Elementarform hat die Imperien hervorgebracht und sie war vorher nicht möglich, weil sich Menschen jederzeit einem Herrschaftsanspruch entziehen konnten.
- Elementarformen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Handlungen zwischen Individuen in einem gesellschaftlichen Rahmen sind, die wiederholt von vielen bis allen Mitgliedern einer Gesellschaft vollführt werden müssen, damit die Gesellschaft als Ganzes ihre Lebensweise erhalten kann.
- Die zweite grundsätzliche Änderung der Lebensweise ging mit der industriellen Revolution einher. Während vorher der Anteil der Bevölkerung, der nicht in der direkten Produktion tätig war, vergleichsweise gering war, hat die Industrie nun eine enorm viel höhere Produktivität ermöglicht. Die Bevölkerung wuchs erneut rapide und der Anteil der Bevölkerung, der für die direkte Produktion der Lebensmittel nötig war, sank. Die Menge an mobilisierbarer Bevölkerung wuchs erneut rapide an und die alte imperiale Lebensweise wurde an den Rand gedrückt. Erneut hat sich die Lebensqualität eines Großteils der Bevölkerung zunächst verschlechtert.
- Im Gegensatz zur ersten Revolution wissen wir hier aber, was diese Änderungen möglich gemacht hat: Es war der Kapitalismus und sein Zwang zum Profit durch Innovation basierend auf der Elementarform der Ware.
- Wahrscheinlich ist die erste Änderung der Elementarform eine Folge der neolithischen Revolution, während umgekehrt die industrielle Revolution eine Folge der Änderung der Elementarform ist. Es ist also erst der Ackerbau entstanden und dann wurde gewaltsame Aneignung zur Elementarform während die Elementarform der Warenproduktion zunächst in der Landwirtschaft entstanden ist und dann erst die industrielle Revolution ermöglicht hat.
- Die Elementarform der Warenproduktion ist die erste Elementarform in der Geschichte der Menschheit, die transpersonal ist. Menschliche Gesellschaft konstituiert sich schon immer durch sowohl inter- als auch transpersonale Beziehungen. Interpersonale Beziehungen sind solche zwischen Menschen, die sich kennen und begegnen. Transpersonale Beziehungen sind solche zwischen Menschen, die sich nicht kennen müssen. Gesellschaft war schon immer auch transpersonal vermittelt z.B. durch Sprache oder Religion, die mich mit anderen auch ohne direkten Kontakt vebinden. Aber erst mit dem Kapitalismus entsteht eine transpersonale Elementarform. Das alltägliche Kaufen und Verkaufen das Warenproduktion ermöglicht benötigt keinen direkten persönlichen Kontakt. Die Imperien mussten durch Gewalt Loyalität erzeugen, die immer direkt interpersonal vermittelt waren, wenn auch oft über viele Stufen. Der Preis einer Ware und die Akkumulation von Kapital erzeugt sich aber durch das transpersonale Zusammenwirken von vielen völlig getrennten Akteuren. Tatsächlich ist es sogar Bedingung für Warenproduktion, dass sie getrennt stattfindet uns sich erst transpersonal am Markt vermittelt.
- Wir haben jetzt also drei aufeinander folgende Elementarformen kennen gelernt. Die erste war kollektiv und interpersonal. Die zweite war immer noch interpersonal aber privat. Und die dritte, die auch diejenige ist, die unser Leben heute bestimmt, ist transpersonal und privat.
- Um den Kommunismus zu verwirklichen, also eine Gesellschaft in der es nach Bedürfnissen und Fähigkeiten geht, brauchen wir eine neue Elementarform. In den alten Elementarformen werden wir auch immer nur das alte Leben finden, das entweder von Not oder von Unfreiheit dominiert ist. Wir wissen dass mit den jeweils neuen Elementarformen ein jeweils neuer bestimmender Parameter in die Welt gekommen ist. Mit der Agrargesellschaft wurde private Aneignung möglich und mit dem Kapitalismus wurde die Elementarform transpersonal. Wir wissen noch nicht besonders viel über die neue Elementarform des Kommunismus, aber wir wissen, dass sie sich von den drei bisherigen unterscheiden muss und wir wissen, dass Kommunismus nicht mit privater Aneignung funktionieren kann. Außerdem spricht viel dafür, dass eine transpersonale Elementarform überlegen ist, weil sie mehr Menschen mobilisieren kann. In der Matrix von interpersonal/transpersonal vs. privat/kollektiv ist nur noch ein Feld frei. Die Elementarform des Kommunismus muss also transpersonal und kollektiv sein.
- Neben den dominierenden Elementarformen existieren die anderen als untergeordnete Formen immer noch weiter. Auch im Kapitalismus gibt es also noch interpersonale Formen, in der kollektiven Variante z.B. in der Form von Commons. In der privaten Variante z.B. in Form von Warlords oder Clanstrukturen. Der für die Durchsetzung des Eigentums und des Rechts für den Kapitalismus existenznotwendige Staat ist auch weiterhin interpersonal organisiert. Ohne Commons und Care könnte die Warenproduktion nicht aufrecht erhalten werden.
- Auch gibt es natürlich immer Mischformen. Das europäische Mittelalter z.B. ist eine Mischform in der kollektive, interpersonale Elemente in Form von Almenden oder Handwerkszünften durchaus weit verbreitet sind. Vermutlich war es auch deswegen oft sehr stark bedroht durch benachbarte Imperien. Und vermutlich hat diese Mischform auch dazu beigetragen, dass hier die neue Form entstehen konnte.
- Die Entwicklung muss auch nicht linear verlaufen. Sie kann auch zurück gehen. Imperien können verfallen (z.B. wegen Ressourcenproblemen) auch ohne konkurrierende Imperien.
- Um auf den Anfang zurück zu kommen: Den Faschismus kann man in diesem Bild verstehen als Reaktion auf die Zumutungen des Kapitalismus die alten Elementarformen als Ideologie wieder beleben zu wollen, dabei aber weiter faktisch an die neue Transpersonalität gebunden zu sein.
- Den Staatssozialismus (sowohl in der westlichen, sozialdemokratisch reformistischen als auch in der östlichen revolutionären Variante) war der Versuch die alten imperialen Kräfte im Staat zu mobilisieren um den Kapitalismus zu bändigen als solcher führte er also vom Kommunismus weg und nicht zu ihm hin.
- Zudem haben wir heute eine Weltgesellschaft. Der alte evolutionäre Modus ist also ausgeschaltet. (Fast) Alle nicht-kapitalistischen Gesellschaften wurden weg konkurriert, weil der Kapitalismus in seiner Fähigkeit Menschen und ihre Arbeitskraft zu mobilisieren alle anderen übertrifft.
- Das Problem, dass die Geschichtsphilosophie von Marx („Geschichte ist die Geschichte von Klassenkämpfen“) oder auch die Keimform-Theorie lösen will, also das Problem, wie denn etwas Neues in einer gesellschaftlichen Totalität in die Welt kommt, hat vor dem Sieg des Kapitalismus noch überhaupt nicht bestanden. Gesellschaftliche Totalität bedeutet ja nicht, dass es keine Veränderung gibt. Kontingente Veränderungen gab es immer und sehr selten kommt es eben auch vor, dass irgendwo mal eine sehr seltene Konstellation entsteht, die neue Elementarformen in die Welt bringt. Wenn sich diese dann in der allgegenwärtigen Konkurrenz der Gesellschaften bewährt, dann bleibt sie bestehen. Das ist eben bisher genau zweimal passiert. Und zur Erklärung dieser Ereignisse braucht man keine Keimformtheorie.
- Klassenkämpfe gab es während der gesamten Geschichte immer wieder, genauso wie Formen jenseits der etablierten Elementarformen. Nur waren sie für die bisherigen Revolutionen (die neolithische und die industrielle) nicht wichtig. Man kann aus all dem sicher viel lernen, aber eine Transformationstheorie zum Kommunismus kann nicht all zu viel daraus ableiten, weil die Menschheit heute nach einer ganz neuen Entwicklungsdynamik funktioniert. Das alte evolutionäre Modell hat ausgedient. Wir befinden uns in der Situation eines Biologen, der zwar die Evolution verstanden hat, es gibt aber unter seinem Mikroskop nur noch eine Spezies, die übrig ist.
- Die Konkurrenz der Gesellschaften wurde durch eine Konkurrenzgesellschaft ersetzt. Die Katastrophen des zwanzigsten Jahrhhunderts sind vielleicht dadurch entstanden, dass die Menschheit dachte es gäbe die alte Konkurrenz von Gesellschaften noch. So wurden dann die gewaltigen Kooperationsressourcen der Konkurrenzgesellschaft mobilisiert für einen Kampf, der noch im alten Modus statt fand, aber schon mit globalen Mitteln geführt wurde. Diese Drohung der totalen Selbstvernichtung der Menschheit schwebt seitdem über uns.
- Die Konkurrenz innerhalb der Weltgesellschaft revolutioniert unsere Lebensweise permanent, sie ist aber nicht in der Lage unsere Elementarform zu verändern, da diese ja gerade durch diese Konkurrenz erhalten wird.
- Es bleibt nur noch die Ressourcenknappheit als evolutionäres Moment. Und der Kapitalismus ist die ressourcenhungrigste Gesellschaft die es je gab. Gleichzeitig beträfe eine Ressourcenkatastrophe aber auch zum ersten Mal (fast) die gesamte Menschheit und nicht nur einen kleinen Teil.
- Gleichzeitig haben wir aber auch zum ersten Mal prinzipiell die technischen Möglichkeiten um die Ressourcen des gesamten Sonnensystems zu nutzen. Dort draußen liegt quasi alles, was bei uns knapp ist in unendlicher Fülle rum. Um diesen Schritt zu schaffen müssen aber auch neue Größenordnungen an menschlicher Arbeitskraft mobilisiert werden. Ist der Kapitalismus dazu in der Lage? Das wird sich vermutlich in den nächsten 10 bis 20 Jahren entscheiden.
- Die neue kommunistische Elementarform kann nicht mehr außerhalb entstehen oder in einer von vielen Gesellschaften, die die anderen dann nieder konkurriert. Der Kapitalismus war zu erfolgreich. Wenn es aber nur noch eine Gesellschaft gibt, also keine Konkurrenz mehr zwischen Gesellschaftssystemen, wie kann sich dann neues überhaupt noch durchsetzen? Das Problem der Totalität, dass die Keimformtheorie lösen will existiert also tatsächlich, nur helfen uns geschichtliche Analogien nicht.
- Kann das Neue als Keimform innerhalb des Kapitalismus entstehen? Gibt es bereits transpersonale, kollektive Elemente? Welche wären das? Die klassischen Commons sind es nach dieser Logik eher nicht. Die neuen Wissenscommons vielleicht teilweise?
- Ich denke es gibt genau drei Wege wie der Kommunismus noch in die Welt kommen könnte. Zum einen als Veränderung innerhalb der Weltkonkurrenzgesellschaft. Diese müsste dann aber tatsächlich eine zumindest überwiegend bewusste sein. Es müssten also tatsächlich große Teile der Gesellschaft bewusst den Schritt aus der Warenform heraus gehen. Dem stehen natürlich jede Menge Funktionalitäten auch für die Unterdrückten entgegen. Wir sind sehr tief geprägt durch die Elementarform. Ganz zu schweigen von den Machtinteressen, die dem entgegen stehen. Das dann immer noch bestehende Ressourcenproblem der Menschheit könnte der Sprung in den Weltraum dann lösen. Modell: Erst der Kommunismus dann der Weltraum.
- Ein solcher voluntaristischer Schritt in den Kommunismus ist vermutlich immer möglich aber immer sehr schwer. Es gibt also in diesem Sinn keine geschichtliche Besonderheit heute (außer dass die Weltgesellschaft es nötig macht, dass sehr viele Menschen auf der ganzen Welt diesen Schritt mit gehen). Dennoch gibt es in jeder historischen Situation zusätzliche Wege in den Kommunismus, die bestehende Tendenzen ausnutzen.
- Zum anderen ist zum zweiten der Weg denkbar, dass in einer (Ressourcen?)Krise der Elementarform (nicht zu verwechseln mit einer kapitalistischen Krise, also einer regelmäßig auftretenden Krise, die dem Kapitalismus nicht grundsätzlich gefährlich wird) die Weltgesellschaft zerfällt und der alte Entwicklungsmodus wieder funktioniert, dass dann irgendwo eine Art Kommunismus entsteht, der in der Lage ist mehr Menschen zu mobilisieren als die anderen Elendsgesellschaften. Modell: Erst das Elend, dann der Kommunismus.
- Und zum dritten ist es möglich dass der Kapitalismus den Sprung in den Weltraum schafft und dann auf anderen Planeten oder Asteroiden neue Gesellschaften entstehen, die wieder in einem Konkurrenzverhältnis stehen, weil die Entfernungen jetzt so groß sind, dass die Kohärenz der Weltgesellschaft zerfällt. Diese basiert ja wesentlich darauf, dass jede Nachricht innerhalb von Sekunden übermittelbar ist. Eine Nachricht zum Mars dauert halt auch mal eine halbe Stunde (und das ist quasi unsere direkte Nachbarschaft). Das wäre das Modell: Erst der Weltraum, dann der Kommunismus.
- Wenn der Kapitalismus einmal den Weltraum erreicht hat, wird es ihn aber zumindest hier auf der Erde auch enorm stabilisieren. Es wird unter den Bedingungen quasi unendlicher Ressourcen einen neuen Fordismus geben weil es wieder etwas zu verteilen gäbe und der Kommunismus wird für Jahrzehnte bis Jahrhunderte kein Thema mehr sein.
- Wünschenswert oder doch zumindest möglich wäre vielleicht eine Mischung aus diesen drei Formen, aber die steht unter einem eher ungünstigen Stern, weil das wirklich ein sehr kritisches Timing ist. Zunächst mal müsste der Grad der Bewusstheit so hoch sein, dass im Moment der Krise sehr schnell sehr viele Menschen weltweit mobilisierbar sind. Das muss alles dann vermutlich in einem sehr kurzen Zeitfenster passieren, weil es passieren muss dann, wenn die Macht der alten Elementarform bröckelt aber dennoch die Kohärenz der Weltgesellschaft noch besteht. Wenn tatsächlich eine Krise der Elementarform auftritt wird aber vermutlich so was zentrales wie das Internet innerhalb von Tagen nicht mehr funktionieren. Wenn man das Internet in einem revolutionären Moment übernimmt, muss man es aber auf eine Weise tun, die die alte Elementarform nicht wieder zum Leben erweckt. Man müsste also nicht nur in der Lage sein, innerhalb weniger Tage das Internet zu übernehmen, sondern müsste es gleichzeitig in sehr kurzer Zeit (sagen wir: Wochen) komplett neu gestalten und das dann als Ausgangspunkt nehmen, um von dort aus schon in der Schublade liegende neue Organisationsformen weltweit auszurollen und das alles ohne eine neue Herrschaft zu installieren. Dann müsste man als nächstes noch im Zeitraum von wenigen Jahren in der Lage sein die Ressourcen aus dem Weltraum zu beschaffen. Klingt sehr, sehr schwierig. Zeit für Experimente ist dann auf jeden Fall nicht mehr wirklich.
- Welche Lebensweise mit der neuen kommunistischen Elementarform verknüpft sein würde, ist noch ziemlich im Dunkel. Ich denke es spricht viel dafür, dass wir dann (mit mehr Recht als heute) von einer Wissensgesellschaft sprechen können. Denn Wissen will immer transpersonal und kollektiv sein, weswegen es unter den Bedingungen der kommunistischen Elementarform aufblühen würde. Und um das Überleben im Weltraum zu ermöglichen werden auch ganz neue Größenordnungen von Wissensressourcen mobilisiert werden müssen.
Update: Es gibt eine Weiterführung der Gedanken in diesem Artikel insbesondere zum Thema Elementarformen in denen ich einige der hier angeschnittenen Fragen noch mal präzisiert und teilweise auch korrigiert habe. Was sind und warum gibt es Elementarformen?
Erste Anmerkungen zu diesem Text:
1. X-THEORIE unterscheidet sich von X-PHILOSOPHIE (mit X= zB Geschichte) dadurch… (mein Vorschlag)…, dass Theorie begrifflich zu fassen versucht, was am X-bereich wichtig („wesentlich“) ist; Philosophie versucht zu zeigen, was daran in welcher Hinsicht notwendig so sein muss, damit es Sinn macht (damit wir daraus und damit Sinnvolles machen können; damit solche Versuche, aus etwas und mit etwas Sinnvolles zu machen, ihrerseits sinnvoll erscheinen).
2. Eine erste Unterscheidung der kulturellen und der biologischen Evolution: Zwar könnte man beide ein LERNEN nennen (die Gemeinsamkeit könnte irgendwo in dieser Richtung liegen); aber das kulturell Gelernte breitet sich ohne notwendige Verdrängung der Träger „zurückgebliebener“ Standpunkte aus, kann es zumindest. Weswegen ja auch so etwas wie „Meme“ für die (?) kulturell evolvierende Einheiten ausgegeben wurden. „Konkurrenz“ ist auch in der Biosphäre nicht unbedingt der wichtigste Entwicklungs-Faktor; „Rückschritte“ und Mehrfachentwicklungen gibt es auch in der biologischen Evolution (und auch dort ist es schwer, Determinismen oder Teleologie zu behaupten, obwohl es offensichtlich etwas wie „Gerichtetheit“ gibt. Für all das gibt es weder für biologische noch für kulturelle Evolution derzeit zulängliche theoretische Konzepte.)
3. Der Punkt 7 spricht im Wort Lebensweise das theoretisch wahrscheinlich unerschlossenste aller Themen im ganzen Text an; die (?) eigentlich kulturell evolvierende Einheit ist hinsichtlich ihrer relevanten Momente, geschweige denn „kategorial“ derzeit nirgendwo auch nur annähernd erfasst. Das beginnt (aber endet noch lange nicht) mit grundlegenden theoretischen Schwierigkeiten der „Philosophy of mind“ bzw Handlungstheorie. Dieser Mangel, wenn es denn einer ist, setzt sich weiter in alle Überlegungen hinein fort, die weitergehende Aussagen über dies mangelhaft verstandenen Themenfeld machen. Das gilt selbstverständlich auch für jede „Kritik“, die nicht aus sicheren Bestimmungen auf diesem Feld abgeleitet ist (also meine, jetzt, hier).
4. Ich möchte mit diesem Hintergrund einige Einwände vorbringen:
a) Ob nun die neolithische und/oder industrielle Revolution in einem einschlägigen Ranking als die grössten Umbrüche von allen angesprochen werden, ändert nichts daran, dass es noch etliche ähnlich eingreifende Übergänge (mit zunehmender Komplexität bedeutet das auch: Integrationsleistungen) gegeben hat:
Der Übergang zur organisierten Erzeugung von Mehrprodukten in „hydraulischen Gesellschaften“ (nicht in „Tälern“, sondern eher Flussebenen: geographisch privilegierte Zonen));
Staat (Verwaltung);
Integration des Kults;
Stadt/Fernhandel, Logistik, Flächenstaat (bis Ende Bronzezeit);
„Grossreich“ (Assyrer usw) und seine Verwaltung;
Schichten-übergreifende „Kultur“ in einem Gross(reichs)raum (Hellenismus);
Legitimität, Recht (Rom);
„Hochreligion“;
produktive Erschliessung nicht-privilegierter Naturräume (die „geschichtliche Tat, (dort) Gebrauchswerte zu entwickeln“) im und benachbart zum hochreligiös geprägten Grossreichs/Kulturraum (Frühmittelalter);
Aufschliessen zum und Überholen des vormals auf „privileguierten“ Grundlagen möglichen Kulturniveaus in der Fläche (Hochmittelalter); Fernhandel, Ausbildung eines Weltsystems (Renaissance usw); Entwicklung der Produktivkräfte (Aufklärung, Moderne).
(Ich setze fort:
Beziehung der kollektiv-arbeitsteiligen Produktion auf kollektive Zwecke: Bedürfnis, Biosphären- und allgemeine Naturanforderungen, Abbau kultureller Gefälle).
Anm. Besinnung auf Kriterien für eine sinnvolle Definition von „Epoche“ als (weltweit! sonst Eurozentrismus-Gefahr!) historischer „Konstante“ (notwendiges (?) Durchgangsstadium?) wäre wünschenswert.
b) Transpersonale Beziehungen existieren womöglich bereits in grösseren Stämmen; erst recht ab der Ausbildung erster antiker Staatswesen. Umgekehrt spielen interpersonale Beziehungen in „Eliten“ bis heute eine grosse Rolle; sie spielen auch vorübergehend eine Rolle in Verhältnissen, in denen bestehende kulturelle Gefälle aufzuholen sind (zB den nicht-privilegierten Naturräumen des „feudalen“ Mittelalters; in Kolonialgebieten und Territorien „nachholender Modernisierung“).
Diese sehr abstrakten Beziehungsformen sind mE nicht geeignet, um allgemeinste Epochen-Merkmale zu definieren (speziell „Produktionsverhältnisse“).
c) Das („dialektische“) Wechselverhältnis von „Produktivkräften“ und „Produktionsverhältnissen“ (prekäre zusammenwirkend in einer „Produktionsweise“) ist theoretisch, über gewisse Gemeinplätze von Marx/Engels hinaus, nicht hinlänglich geklärt; dazu kommen die sog. „Überbau“-Kategorien (wie relevant sind die?). Eine ganze Begriffs-Schicht und vor allem: eine Ebene des Erklärens historischer Zustände (ihrer Stabilität, „Totalität“) und Vorgänge (Dynamik, deren Beschleunigung und Retardierung) ist hier unaufgeklärt. (Eine weitere, neben der kategorialen „Anthropoloigie“.)
d) Die Kategorie „Elementarform“ ist verführerisch einfach; ich halte sie für extrem irreführend, und mit Bezug auf die Kpaitalanalyse für VERKEHRT. (Ich halte die Aussagen des 1.Kapitels Kapital für unsagbar unglücklich; diese Auseinandersetzung muss gewiss geführt werden, aber nicht hier; daher dies nur fürs Protokoll vermerkt.)
@franziska: Na wenn Du die Kategorie „Elementarform“ für „verkehrt“ hältst, dann macht der Artikel natürlich keinen Sinn. Deine restlichen Differenzen lassen sich auch zu großen Teilen damit erklären, dass ich eben über Elementarformen rede und Du nicht.
Das was ich mit „Elementarform“ meine ist im übrigen im Text beschrieben (wenn auch zugegeben recht knapp) und es mag sein, dass das bei Marx auch vorkommt, ist aber gar nicht mein direkter Bezug.
Das, worum es hier geht, ist kein Streit um Worte; sondern um Begriffe und ihre Zusammenhänge (für die freilich Worte geprägt werden müssen); also eigentlich darum, was wichtig (wesentlich) ist bei einem Thema oder Gegenstand(sbereich), und was nicht.
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Die Elementarform (verstanden so wie in These 15 erklärt) der derzeit „mittleren“ Phase der Geschichte („imperial“) sei „die von gewaltsamer privater Aneignung und hierarchischem Kommando“ (These 14)
(Frage: Aneignung und Kommando IST da also nicht die El.form? Sondern die El.form VON ihnen ist DIE Elementarform in dieser imperialen Lebensweise? Welche ist das dann?)
Etwas wie Marxsche Theorie kommt in bzw ab These 17 vor.
Und… dort, interessanterweise, eine Umkehr der Erklärung: die Produktivkraft-Explosion in der industriellen Revolution ist demnach eine FOLGE der fundamental veränderten Elementarform; für die neolithische Revolution wird der Zusammenhang andersherum behauptet.
Im Detail würde man da vielleicht sogar zu einer Formel finden, die das Gemeinsame der beiden „Revolutionen“ benennt. (Aber dann vielleicht auch noch mancher anderer; ich hatte ja Kandidaten aufgezählt.)
Die wichtigste Frage an deine Darstellung aber resultiert aus der Erinnerung an den Begriff „Arbeitsteilung“. Dein Begriff von „Privatheit“ bzw privater „Aneignung“ setzt ja etwas Aneigenbares voraus; wie wird dessen Produktion organisiert, derart dass sie „kollektiv arbeitsteilig“ zuverlässig funktioniert, dh so, dass sie überhaupt koordiniert und wiederholbar ist, regelmässig, regelhaft wiederholbare Praxis aller Beteiligter wird, derart dass sie sich genau dadurch (zumindest die in diese Arbeitsteilung Einbezogenen) REPRODUZIEREN? Dazu dürfen die Handlungen, die gemäss These 15 einer Elementarform genügen, nicht einfach nebeneinander herlaufen, nicht sich einfach in einer Fläche verteilen, wo sie mal mehr, mal weniger werden und einander möglichst nicht in die Quere kommen: So wie es im Idealfall nochmal gedacht wurde für Einwanderer, US-Farmer bei der Ausdehnung nach Westen. Um tatsächlich für das oder die betreffenden Kollektive reproduktiv zu sein (in den betreffenden Umgebungen), müssen die vielfältigen Elementar-Handlungen INTEGRIERT sein, zueinander passen.
Und genau dies Zueinander-Passen der kollektiv-arbeitsteilig stattfindenen elementaren (Re)Produktionshandlungen ist bereits in frühgeschichtlichen Gesellschaften durch einiges „vermittelt“, was notwendig transpersonalen Charakter hat und von auch nicht-linker Theorie durchaus genauer beschrieben wurde; die Stichworte lauten u.a.: Medien, Institutionen, Normen. Die sind durchwegs TRANSPERSONAL, und ich würde „Herrschaft“ nicht als solche bezeichnen, wenn nicht, welche Elementarformen des Handelns auch immer ihr zugrundeliegen mögen, sie so, nämlich transpersonal verfasst wäre.
Frage: Ist „Herrschaft“ (die erheblich mehr ist als „gewaltsame Aneignung“) „nötig“ oder nicht, um in frühen Gesellschaften, solchen wie den mesopotamischen Bewässerungskulturen zB., Koordination von (regelmässigen) (re)=produktiven Einzelhandlungen zu… „ermöglichen“?
Eine weitere Frage: Interpersonale Beziehungen kommen über „Stufen“ verkettet vor (These 19) – ist das nicht auch die Vermittlungsform für transpersonale Verhältnisse? Geht es überhaupt anders? Und wenn: Wie geht es denn ohne solche Stufen in der Elementarform der warenproduzierenden Gesellschaften?
Wie soll es gehen ohne zirkulär verkettete (Re)Produktionsprozesse: Ein Warenproduzent tauscht sein Produkt gegen dessen Produktionsfaktoren; die müssen sich aber ua unter Mitwirkung seines Produkts auch wirklich im Rahmen der „Gesamt(re)produktion“ zuverlässig reproduzieren lassen. Müssen sich da nicht immer wieder Produktions-Ketten, wie prekär auch immer, schliessen, damit das Ganze regelmässig wiederholt werden kann? Und bestehen diese Ketten nicht auch aus Interaktionen (Kaufverträgen, Eigentumswechsel) „die immer direkt interpersonal vermittelt waren, wenn auch oft über viele Stufen“?
Soweit erste Fragen an dich, Benni.
PS: Die Frage, was eigentlich an Bedingungen hinzukommen muss, damit Warenproduzent zu sein, einen auch tatsächlich als solchen (also auch als Handlungsfähigen, Eigentümer) reproduziert, und überhaupt die gesamte hochkomplexe Reproduktion einer ganzen womöglich globalen Riesengesellschaft sich durch diese regelmässig wiederholten, und dabei reproduktiv den einzelnen wie die Gesellschaft reproduzieren sollenden Elementarhandlungen „ermöglicht“ – die finde ich bei Marx nur implizit, und in späteren Kapiteln, wo es eben um Reproduktion (der Ware Arbeitskraft) geht, beantwortet. Sie sollte aber eigentlich viel früher gestellt werden, nämlich als nähere Bestimmung der Bedingungen, unter denen sich eine Einzelarbeit (regelmässig, wiederholbar, reproduktiv) als Teil der gesellschaftlichen (ebensolchen) Gesamtarbeit erwiesen hat, und DARUM auch als solche, die „Wert“ produziert hat.
Elementarform bei Marx – Elementarform bei Benni: Die Probleme, die ich damit habe, sind ähnliche; das sollte durch meine Bemerkung 4 d) oben angedeutet sein.
@Benni: Interessant, dass du die alte Streitfrage „Erst der Weltraum oder erst der Kommunismus?“ von Kulla und Leganovic wieder aufgreifst 🙂 Ich teile aber einige der von franziska geäußerten Bedenken und habe auch noch eigene.
Zunächst: Ich halte die Aussage „Geschichtsphilosophie ist unverzichtbar“ für genauso falsch wie es etwa „Religion ist unverzichtbar“ wäre. Natürlich ist es richtig, sich um ein Geschichtsverständnis zu bemühen, das über „das ist halt die Menge der Dinge, die passiert sind“ hinausgeht. Bei Geschichtsphilosophie sehe ich aber schon das Risiko, dass sie, um überhaupt als solche gelten zu können, notwendigerweise simplifizieren und schematisieren muss, und damit der Komplexität realer Geschichte nicht mehr gerecht werden kann.
Bei dir ist solch eine Simplifizierung auch festzustellen, wenn du etwa alle Gesellschaften zwischen neolithischer Revolution einerseits und Durchsetzung des Kapitalismus andererseits in einen Topf wirst, indem du unterstellst, dass sich „die Lebensweise der Menschen“ dazwischen nicht „grundsätzlich verändert hat“ (These 8). OK, du differenzierst da nochmal zwischen „Imperien“, „Gesellschaften am Rande dieser Imperien in … weniger fruchtbaren Gegenden“ und „Hirtennomaden“ (11), aber auch das ist noch viel zu grob — z.B. würde ich argumentieren, dass feudale Gesellschaften gerade NICHT als „imperial“ verstanden werden können. Da gab es zwar oft Könige und Kaiser, aber die hatten wenig zu melden, die eigentlichen Machtzentren lagen eher bei den einzelnen Feudalherren sowie in den unabhängigen Städten.
Später bezeichnest du das europäische Mittelalter als „Mischform“ (23), aber zwischen was? Zwischen Imperien und Hirtennomaden wohl kaum. Also zwischen Imperien und Kapitalismus, den es aber noch gar nicht gab? Das macht alles nicht viel Sinn und deutet für mich darauf hin, dass du versuchst, die gesellschaftlichen Verhältnisse in ein Schema zu pressen, das nicht wirklich passt.
Zur Frage nach der Elementarform einer Produktionsweise: Ich bin mir nicht sicher, dass diese tatsächlich viel erklärt. Ist nun die Ware, der Tausch oder die Lohnarbeit die Elementarform des Kapitalismus? (Alle diese Ansichten sind hier im Blog schon geäußert wurden, soweit ich mich erinnere.) Alle diese Formen sind für den Kapitalismus wesentlich, alle gab es aber auch schon vorher. Was hat man nun gewonnen, wenn man sich eine davon als DIE Elementarform herauspickt? Ich bezweifle, dass es sehr viel ist.
Aber nimmt man mal deine Elementarformen an, bezweifle ich wie franziska, dass deine Unterscheidung zwischen interpersonalem „hierarchischem Kommando“ (14) und transpersonaler Warenproduktion so hinhaut. Schaut mal sich die Warenproduktion an, sieht man da auch überall interpersonale Verhältnisse, ob zwischen Kolleg_innen sowie Chefs und Untergebenen im Unternehmen, zwischen den Verantwortlichen verschiedener Firmen, die Lieferverträge unterschreiben, und zwischen Verkäuferin und Käufer im Supermarkt — sogar wenn ich online bestelle, gibt es wahrscheinlich einen kurzen interpersonalen Kontakt zwischen mir und der Paketbotin. Ich bezweifle nicht, dass die Warenproduktion trotzdem transpersonal ist, weil sie Leute zusammenbringt, die sonst nichts miteinander zu tun hätten, aber das gilt ganz genauso für Kommandostrukturen etwa im Militär. Bei beiden hat man viele interpersonale Einzelbeziehungen, die aber ein transpersonales Ganzes ergeben.
Zur Frage, wie das Neue „in einer gesellschaftlichen Totalität in die Welt“ (28) kommen kann, ist für mich nicht so recht erkennbar, worin die besondere Problematik der Totalität liegen soll. Sicherlich, heute herrscht überall (außer mutmaßlich in Nordkorea) die kapitalistische Produktionsweise, während es im Mittelalter unterschiedliche Gesellschaften mit zum Teil verschiedenen Produktionsweisen gab — die übrigens gar nicht unbedingt auf die Idee kamen, gegeneinander zu konkurrieren, sondern oft eher nebeneinander her bestanden. Aber auch damals musste das Neue (Kapitalismus) sich zunächst in EINER Gesellschaft verbreiten und durchsetzen (Wood zufolge in England), bevor es von dort seinen gewaltsamen Siegeszug in alle Welt antreten konnte.
Also das Problem, das das Neue damals hatte — wie kann es sich gegen das Alte, etwa den englischen Feudalismus, der ja durchaus funktionierte, wahrscheinlich sogar krisenfreier als der Kapitalismus heute, durchsetzen? — hat das Neue heute auch. Sicherlich ein schwieriges Problem, aber die grundsätzliche Bedeutung der gesellschaftlichen Totalität (Kapitalismus, wohin man schaut) sehe ich nicht.
@franziska, Christian: Ok, ich fang mal mit den einfachen Sachen an…
1. Selbstverständlich gab es immer Transpersonaliltät. Das schrieb ich ja sogar explizit am Beispiel Sprache. Nur gab es eben keine transpersonale Elementarform.
2. Vielleicht wird es deutlicher was ich meine, wenn ich von transpersonal_isierender_ Elementarform spreche. Die Gesellschaft ist also erst seit dem Kapitalismus in ihren elementaren Handlungen so strukturiert, dass die Produktion des Lebens transpersonal wird.
3. Das erklärt vielleicht dann auch den Unterschied zwischen mehreren Schritten interpersonal oder transpersonal.
4. Zum Mittelalter und der Mischform: Ich meinte eine Mischform aus imperialer und noch älterer Form.
Soweit erst mal. Mehr vielleicht später. Bin gerade im Urlaub in Rom und hier gibt es sehr viel Anschaungsmaterial zur imperialen Form.
einer noch: wie kommst du auf den vorwurf des eurozentrismus? das gilt schon überall und wenn überhaupt ist europa ja eher die ausnahme von der regel.
Benni, deine erste Antwort lässt ahnen, dass die Transpersonalität bei dir auch weiterhin eine Ausprägung sein soll dessen, was traditionell Produktionsverhältnis heisst; nur, dass dabei, anders als in der Tradition, der SACHBEZUG der Produzenten und die daraus erwachsenen Zwänge für ihre Beziehungen unerwähnt bleibt: Die Handlungen, die unter einer Elementarform regelhaft wiederholt werden, sind (re)produktive. Selbst das Wissen der Wissensgesellschaft (mit Fragezeichen) im transpersonal-kollektiven Quadranten deiner Skizze oben zählt dazu.
Und da ist der (traditionell marxistische) Gedanke zentral: Dieser Sachbezug ist es, der transpersonal-isiert. Die Arbeit, die AUFgeteilt wird (so, dass völlig unterschiedliche „Lebensweisen“ herauskommen); das Wissen, das AUFgeteilt wird; beides führt zu ABteilungen, ABtrennungen, die gigantisch sind verglichen mit dem mickrigen Rest dessen, was GETEILT wird (selbst für allgemein-menschlich gehaltene Care-Aufgaben werden an Dienstleister, Dienstpersonal, auch entsprechende Gender abgetreten).
Historisch finden wir eine Kritik solchen Auf-Teilens zentraler Lebensbereiche, zum Zwecke ihrer (professionellen) Vervollkommnung:
Frommsein (damals, bei vielen heute noch ein wichtiger Weltbezug) ist nicht einfach an Spezialisten delegierbar.
Oder (im Grundatz): Entscheiden über die grosse Richtung, die der Staat einschlagen soll.
Oder: Bescheidwissen, Experte sein (zB Arzt), wo es in Bevormunden übergeht.
Ich hatte den Bereich schon öfter genannt, wo solches Teilen gerade eben noch tragbar erscheint: im Gebrauch technischer Verfahren und Werkzeuge, die sichtlich funktionieren, auch wenn der Bediener nicht weiss, wie.
Aber wie, wenn das zu Nutzende die Fähigkeiten (Arbeitskraft, Lebenseinrichtung) einer Person, und nicht eines Dings sind?
Wie, wenn all das im Vor- und Umfeld der Werkzeug-Nutzung Liegende, die Nebenfolgen von Fertigung, (virtuosem) Gebrauch, Entsorgung sich aus dem Funktionieren nicht erschliessen, und nur zu haben sind als (mühsam zu erwerbender) Besitz von Leuten, die eben dadurch schon andre (die andres zu tun haben) von der Verfügung ausschliessen?
These 43: (Extreme) Arbeits- und Wissensteilung ist die Quelle der spätestens modernen (Extrem)Transpersonalisierung.
Anm. Marx ist mal gestartet AUCH als Kritiker solcher Arbeitsteilung.
These 44: Ihre Verlängerung in „den Weltraum“ (Produktivkräfte-Wachstum) vertieft das Problem, statt es zu lösen.
These 45: Die wichtigste Ressource, an deren Grenzen historische Gesellschaften in Krisen stossen, ist der begrenzte Handlungs- und Aufmerksamkeits-Spielraum ihrer Mitglieder; sie scheitern am Problem unbewältigbarer KOMPLEXITÄT (hierzu, zur Einführung, erneut empfohlen: Joseph Tainter).
These 46: Das Problem entsteht auf der Sachbezug-Ebene, aka der der Produktivkräfte.
@franziska: ich kann dir ehrlich gesagt nicht wirklich folgen und ich sehe auch den zusammenhang zum text nicht mehr. „produktionsverhältnisse“ sind auf jeden fall etwas ganz anderes als „transpersonalität“. alleine schon weil letzteres eine eigenschaft von handlungen ist, ersteres aber ein gesellschaftliches verhältnis.
@christian: ich versuche mal noch ein paar sachen zu klären:
1. Wenn Du schreibst „Bei Geschichtsphilosophie sehe ich aber schon das Risiko, dass
sie, um überhaupt als solche gelten zu können, notwendigerweise
simplifizieren und schematisieren muss, und damit der Komplexität realer
Geschichte nicht mehr gerecht werden kann.“ dann ist das genau eine Geschichtsphilosophie. Wie gesagt, man hat immer eine. Sobald man sich überhaupt mit Geschichte befasst (und auch, wenn man das nicht tut) hat man eine Vorstellung davon was Geschichte ist und was ihre bestimmenden Faktoren sind. Deine Geschichtsphilosophie scheint zu sein, dass es nicht wirklich Gemeinsamkeiten gibt und Geschichte mehr oder weniger kontingent ist. Das kann man natürlich vertreten und mein kompletter Text wird dann natürlich nichtig. Ich finde halt in dieser langen Periode halt sehr viel Gemeinsamkeiten immer wieder (eben vor allem die Aneignung durch Gewalt, auch Patriarchale Hierarchie und dann auch abgeleitete Phänomene wie z.B. Erbfolgekriege). Wie erklärst Du Dir denn diese Parallelen über Jahrtausende immer wieder?
2. Das Problem mit der Totalität ist nicht so sehr, dass es jetzt nur noch den einen Kapitalismus gibt und es deswegen quantitativ schwerer ist, dass sich etwas neues durchsetzt, sondern dass die Logik wie sich überhaupt Neues durchsetzt geändert hat und wir sie noch nicht kennen und wir deswegen in komplettem Neuland sind. Es ist also z.B. auch tatsächlich nicht ausgeschlossen, dass sich nichts Neues mehr durchsetzt. Immerhin hätten wir dann eine Lösung des Fermi-Paradox gefunden 😉
3. Woods sagt doch gerade der Kapitalismus hat sich kontingent entwickelt. Politische Entscheidungen, die aus ganz anderen Gründen erfolgten haben eher als Nebenwirkung den Kapitalismus gehabt. Erst als der sich dann effektiver als alle anderen gezeigt hat, hat er sich durchgesetzt. Wenn es noch eine Konkurrenz zwischen Gesellschaften gibt, dann gibt es halt viele Möglichkeiten, wo das passieren kann, heute nur noch eine. Das macht es extrem unwahrscheinlich.
4. Zu der „einen“ Elementarform: Es gibt immer zwei Möglichkeiten der Analyse. Entweder man guckt auf Gemeinsamkeiten oder auf Unterschiede. Bei beiden wird man immer etwas finden. Mir ging es darum wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede für das Transformationsproblem zu finden. Welches wären denn für Dich wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
@Benni 8:
Ich gebe mir auch Mühe, DIR zu folgen. Darum stelle ich nochmal folgende Verständnis-Fragen (hoffentlich ist der Zusammenhang mit dem Text wenigstens jetzt zu sehen.) (kursiv= kann später, muss nicht gelesen werdem)
1. Besteht nicht jede der 4 Arten/Stufen
JagenSammeln-Agrar-Industrie-Wissensgesellschaft
ebenso wie jede der Reihe
CommonsCare-Imperien-Kapitalismus-Kommunismus
aus:
„Handlungen zwischen Individuen in einem gesellschaftlichen Rahmen…, die wiederholt von vielen bis allen Mitgliedern einer Gesellschaft vollführt werden müssen, damit die Gesellschaft als Ganzes ihre Lebensweise erhalten kann“ (These 15)
– nämlich:
zweckmässig arbeitsteiligen (re)produktiven Handlungen?
Stellen Jagen usw darum nicht auch jede eine Elementarform dar, nämlich eine „Elementarform des (Re)Produzierens“?
Und: Stellen nicht erst BEIDE Arten von Elementarformen ZUSAMMEN, nämlich die jeweilige „Elementarform des arbeitsteiligen (Re)Produzierens“ und die zugehörige „Elementarform der Kooperation und Aneignung“*), das allgemeine Muster einer historisch vorübergehend stabilen „Lebensweise“ dar?
(Ganz ähnlich, wie „Produktion auf gegebnem Stand der Produktivkräfte“ und „Produktionsverhältnis“ erst beide zusammen eine historisch vorübergehend stabile „Produktionsweise“ ergeben.)
*)zur Bewältigung der Vergesellschaftungs-Aufgaben, die die jeweilige arbeitsteilige (Re)Produktionsweise-Elementarform stellt (womöglich kommen sogar noch einige andere von dir genannte (Handlungs-leitende) Regelsysteme hinzu: symbolische, identitäre; gibts davon bzw sind das nicht auch (Teil)Elementarformen?)
Anm. 1 Ein bisschen würde dieser Begriff einer jeweiligen „Elementarform des arbeitsteiligen (Re)Produzierens“ erinnern an das, was bei Simon Sutterlütti vor einiger Zeit „wesentlicher Produktionsbereich (zB des Feudalismus)“ genannt wurde. Und natürlich ist dieser Begriff seinerseits verwandt mit den von mir immer wieder angeführten zentralen (Epochen-) „Aufgaben“, deren produktive Lösung in einer Epoche gefunden werden muss, wenn die Krisen-trächtigen Schranken, an die die Vorepoche gelangt ist, überwunden werden sollen.
Anm 2: Die grundlegendste Unterscheidung könnte dabei die sein zwischen:
weltbezogenen Elementarformen („Produktivkräfte-bezogenen“ usw: Festlegungen/Regeln, was wann überhaupt getan und geleistet werden soll); und:
verständigungs-, koordinierungs- und konsensbildungs-bezogenen (Produktionsverhältnis- oder Kooperations/Aneignungs-) bezogenen) Elementarformen (wer was macht und bekommen soll)
Anm 3: Die Erwähnung von „symbolischen“ (Teil)Elementarformen verweist auf ein weites Feld sich ausdifferenzierender Vergesellschaftungs-Praktiken, deren Entwicklung jeweils ganze Geschichtsepochen in Anspruch nahm. Es kann nicht alles gleichzeitig entwickelt werden; das Potential von historischen Gesellschaften ist beschränkt, sie können meist nur eine (Teil)Elementarform als je nächste ausbilden und ins Gesamt der Elementarformen integrieren. Das ist jedenfalls, was im „Hauptstrang“ der historischen Entwicklung stattfindet.
Anm. 4: Die Haupt-Entwickungslinie weist aus genau diesem Grund „Knicks“ auf; es geht ZUNÄCHST nicht einfach weiter mit einer Epochen-Entwicklung, diese bricht krisenhaft ab; darum, weil eben die nächst-dringend zu entwickelnde Aufgabe sich immer dramatischer als unbewältigt erweist. Das muss freilich zunächst mal als Kernkrisen-Quelle erkannt werden – meist ergibt sich die Erkentnis daraus, dass erste überzeugende Aufgabenlösungen vorliegen: an der Abhilfe wird erst endgültig sichtbar, worin das Problem bestand.
2. Wirkt dann die Industrie-gesellschaftliche und die Wissens-gesellschaftliche reproduktive Elementarform-Handlungsweise nicht auch „transpersonalisierend“ auf Beziehungen der Angehörigen dieser Gesellschaften? Speziell auf ihre „Produktionsverhältnisse“?
Allein, was vorauszusetzen ist, damit „wir“ (wer, wir?) in den Weltraum fliegen können, hat bereits weitreichende Konsequenzen für all unsre Verhältnisse. Je grösser das gesellschaftliche Wissen wird, desto grösser auch das Unwissen der Einzelnen; das Missverhältnis zwischen beidem wird immer grösser. (Die Wissens- ist insofern ebensogut eine gigantische Unwissens-Gesellschaft zu nennen.)
Es ist sehr die Frage, welche weiteren „transpersonalisierenden“ Konsequenzen durch „Kapitalismus“ da überhaupt noch hinzukommen; oder umgekehrt, welche bestehenbleiben, wenn wir versuchen, Lebensweisen auf dem Niveau von Weltraum-Nutzungsfähigkeit einer (Wissens-)Gesellschaft „kommunistisch“ zu denken.
Anm. 5: Kann es sein, dass das „Transpersonalisierungs-Problem“ der modernen Produktivkräfte (und eventuell noch einige andre) auf dem derzeitigen historischen Niveau nicht gelöst werden kann, und stattdessen einige epochale Zwischenschritte gemacht weren müssen, um mit der Produktivkraft-Entwicklung (dann womöglich ganz anders als heute) weiterzumachen? – Kann es also sein, dass wir („wir“?) darum NICHT in den Weltraum fliegen werden – nicht in den nächsten Jahrhunderten. Und, dass wieder ein Knick in der Entwicklung ansteht, wie er historsich immer wieder (vgl. Anm 4) zu beobachten war an Epochen-Übergängen: Die scheinbar „reife“ Elementarform der Vor-Epoche, die Technik-Entwicklung, wird dabei quasi fallengelassen, es wird dramatisch weniger an ihr weitergearbeitet; die Entwickungslinie wird erst sehr viel später wieder aufgenommen; das ist erst möglich, wenn zwischenzeitlich Vernachlässigtes nachgeholt wird.
Anm. 6: Wenn ich sage, die Darstellung von Benni (oder anderer) ist zu einfach, es fehlt ihr dasunddas, MUSS ich wenigstens andeuten, was das ist; da es in Bennis Darstellung nicht vorkommt, führt diese Darstellung von Bennis Text WEG. Diese Erwiderung aus formellen Gründen auszuschliessen, würde bedeuten, einen riesigen und womöglich den grössten Teil möglicher Erwiderungen überhaupt von vorneherein auszuschliessen. Es kann sehr gut sein, dass diese Erwiderungen gekontert werden können – die Anschlüsse, die in Kommentaren als „fehlend“ moniert werden, können als unproduktive Sackgassen nach- und mit Gründen zurückgewiesen werden. Da viele solche Anschluss-Vorschläge auch sonst irgendwo da draussen vorgetragen werden (zB „Öko-Sozialismus“, Inclusions- und Gendertheorien, Transformationstheorien), wäre die Debatte darüber eine klärende: Es wird mit Gründen darüber geredet, was für ein Thema/Problemstellung relevant ist, und was nicht. Eventuell wird nach solchen Gründen auch erst gesucht; oder, es wird zum Verdruss der Diskutanten festgestellt, dass sie so schnel keine gemeinsamen Kriterien (also Entscheidungsgründe) für wichtig und unwichtig finden: (un)wichtige Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
@franziska: zunächst mal sorry wenn das etwas harsch rüber kam. Ich wollte das nur transparent machen, dass ich da gerade nicht weiter wusste, wie man das weiter konstruktiv besprechen kann. aber jetzt ist auch wieder besser. Die konkreten Nachfragen und die Trennung von den allgemeineren Anmerkungen machen es einfacher für mich. Danke für die Mühe.
ad 1) Du verwendest den „Elementarform“-Begriff viel weiter als ich. Tatsächlich muss ich aber gestehen, dass das so im Text nicht steht, wie ich es meine. Da muss ich noch mal genauer drüber nachdenken, wie man das von so was wie Produktionsverhältnissen z.B. abgrenzen kann. Für mich ist der Begriff wichtig um den Zusammenhang zwischen individual- und gesellschaftsebene verstehbar zu machen. Aber wie gesagt muss ich das selber wohl erst noch mal klären, was genau ich eigentlich meine. Ich hatte den Begriff aus der Diskussion mit Stefan und Simon über ihr demnächst erscheinendes Buch übernommen. Vielleicht können die ja auch zur Klärung beitragen.
ad 2) „Je grösser das gesellschaftliche Wissen wird, desto grösser auch das Unwissen der Einzelnen“ – Ich glaube da haben wir tatsächlich einen sehr großen Dissens. Das sehe ich komplett anders. Ich habe heute das Weltwissen in der Hosentasche jederzeit zugreifbar und das gab es in der Form noch nie und das ist erst der Anfang. Klar geht auch Wissen verloren, aber das ist vergleichsweise wenig und selbst davon ist viel rekonstruierbar. Unser heutiges wissenschaftliches Verständnis der Welt spielt auch in einer ganz anderen Liga als überliefertes Wissen in der Vergangenheit, weil es systhematisch generierbar und kritisierbar ist.
Ich hab mal eine ausführlichere Antwort wegen Überlänge hierhin verschoben. Dort erkläre ich, was warum mir in Bennis Definition von „Elementarform“ sehr zusagt.
Zum Thema (Un)Wissen (als Ursache für „Transpersonalisierung“) möchte ich mich später äussern. Ich fürchte, das fällt ebenfalls umfangreicher aus, und wird darum ebenfalls anderswohin gestellt werden müssen. Ich sage dann bescheid.
Auch, wenn unsre Kontroversen uns nicht kalt lassen, wäre es wünschenswert, wenn wir insgesamt eine sach-orientierte und grundsätzlich wohlwollende Einstellung zueinander bewahren können.
„Im Handgemenge“ kann jedenfalls ich nicht mehr gut nachdenken.
Darum: Danke Benni, für deine „Entspannungs“-Geste.
@Benni #9:
Ich weiß nicht, wo aus meinen Kommentaren du das herausliest. Ich würde nur darauf pochen, dass man zeigen muss, dass es Gemeinsamkeiten gibt, statt dies nur „philosophisch“ postulierend zu behaupten. Zumal da ja nicht einfach nur „Gemeinsamkeiten“ siehst, sondern einige davon auch noch zur gemeinsamen Elementarform nahezu aller Gesellschaften erklärst. Um das tun zu können, müsste man aber zunächst erstmal befriedigend geklärt haben, was die Elementarform überhaupt ist und wie man diese erkennt (so wie ich dich und Stefan verstehe, geht ihr ja von nur einer Elementarform pro Gesellschaft aus — um so größer das Risiko, dass man zwar vielleicht reale Gemeinsamkeiten findet, dieser aber nicht elementar genug sind, um als die eine Elementarform durchzugehen).
Du räumst ja in #11 selbst ein, dass die Bedeutung des Elementarforms-Begriff erstmal geklärt werden muss, bevor man ihn sinnvoll verwenden kann — bevor das passiert ist, lässt sich eigentlich nicht weiterdiskutieren, weil gar nicht klar ist, was man diskutiert. Und das Ergebnis einer solchen Klärung könnte ja durchaus sein, dass der Begriff keinen sinnvollen Gehalt hat und fallen gelassen werden muss, wie es ja auch schon anderen theoretisch postulierten Konzepten erging („Äther“, „Phlogiston“).
Stefan hat die Klärung immerhin versucht und über „Keimform und Elementarform“ geschrieben. Dort sagt er: „Die Elementarform ist eine logische Ausgangsabstraktion, die im Verlauf der Analyse ihrer Widersprüche differenziert und konkretisiert wird, was zu neuen Begriffen führt.“
Abstrahieren kann man ja auf verschiedene Weise, insofern deutet das für mich nicht unbedingt darauf hin, dass sich jede Gesellschaft auf nur eine Elementarform reduzieren ließe. Klar, nicht jede Abstraktion wird logisch funktionieren, aber mehr als nur eine wahrscheinlich schon. Tatsächlich geht Stefan in diesem und anderen Artikeln von der Ware als der Elementarform des Kapitalismus aus, Simon hingegen vom Äquivalententausch. Da sie nun zusammen ein Buch schreiben, bin ich gespannt, wie sie sich da einigen.
Später sagt Stefan in seiner Kolumne über die Ware als kapitalistische Elementarform noch: „sie […] behält ihren elementaren, das Gesamte konstituierenden Charakter: Kein Kapitalismus ohne Ware und umgekehrt.“ Nur: das kann man über andere bereits diskutierte Elementarform-Kandidaten halt auch sagen: kein Kapitalismus ohne (Äquivalenten-)Tausch, ohne Lohnarbeit etc. (Die Umkehrung gilt streng genommen in keinem dieser Fälle, auch für die Ware nicht — Stefan räumt ein, dass es Waren schon vor dem Kapitalismus gab, redet sich aber damit heraus, „dass die Ware ohne den gesamten Vermittlungszusammenhang des Kapitalismus, in dem sie steht, nicht verständlich ist.“)
Kommt man zu dem Schluss, dass man Gesellschaften durchaus unterschiedliche Elementarformen zuordnen kann, dann ergibt sich in Bezug auf die von dir erkannten Gemeinsamkeiten
die Frage, ob diese nicht ggf. als weitere Elementarform auch des Kapitalismus gelten könnten? Denn ohne die gewaltsame Aneignung der sog. ursprünglichen Akkumulation, ohne die Hierarchien in Unternehmen, ohne Männerbünde in Unternehmen und Politik, ohne Erbrecht und Erbstreitigkeiten gab’s ja zumindest bislang auch keinen Kapitalismus.
Definiert man den Elementarform-Begriff hingegen enger und findet irgendein schlüssiges Verfahren, jede Gesellschaft auf tatsächlich nur eine Elementarform zu reduzieren, stellt sich wiederum die Frage, ob die von dir erkannten Gemeinsamkeiten wirklich die eine gemeinsame Elementarform nahezu aller früher Gesellschaften waren (wohingegen sie für den Kapitalismus nur ein weniger wichtiges zusätzliches Moment darstellen)?
Zumal die Gemeinsamkeit ja eher eine statistische ist — mit Sicherheit werden sich für jedes der von dir genannten Merkmale Gesellschaften (jenseits der Jägerinnen und Sammler und jenseits des Kapitalismus) findet, wo es nicht oder nur sehr schwach ausgeprägt zu finden ist.
Als Fazit: Bislang halte ich es nur für eine tatsächlich höchst spekulativ „philosophierende“ Behauptung, dass sich alle bisherigen Gesellschaften auf nur drei unterschiedliche Elementarformen zurückführen lassen. Mag sein, dass du recht hast, aber ich würde davon ausgehen, dass noch viel Theorie- und Empiriearbeit nötig wäre, um das wirklich plausibel zu machen.
@Christian: Etliche vermeintliche Fälle von Elementarform-„Pluralität“ könnten aufgelöst werden, wenn man (wie ich in Punkt C. meines in 12 verlinkten Textes) davon ausgeht, dass einmal entwickelte Elementarformen (in Bennis Sinn) über lange Zeit nicht verlorengehen, sondern weiterentwickelt weren, und mit nächst-hinzukommenden, in modifizierter Form, zusammenarbeiten.
Die Frage nach DER Elementarform des Kapitalismus wird darum nicht beantwortet durch Angabe der kapitalistisch entscheidend modifizierten Momente, die bereits in vorkapitalistischen Elementarformen vorkamen ((Fern)Handel und Märkte, Schuldverhältnisse usw bereits in frühantiken Gesellschaften, worauf dann Autoren wie Graeber rumreiten). Eher schon, aber kryptisch, ist die Bestimmung der kap. Elementarform im berühmten Anfangssatz des Kapital: (Tendenziell) kapitalistisch sind Gesellschaften, in denen (tendenziell) der GESAMTE (so interpretiere ich den Ausdruck: „DER“, also betont) REICHTUM dieser Gesellschaften die Form von Waren angenommen hat. (Dass nicht JEDER historische Reichtum diese Form annehmen kann, sondern dies enorme Produktivität von Landwirtschaft, Mechanisierung ua voraussetzt, ist in diesem Satz nicht erkennbar. Wird aber in der Fortsetzung allmählich entwickelt. Ich bin darum so unzufrieden gewesen mit den bisher hier unternommenen einschlägigen Versuchen, DIE kapitalistische „Elementarform“ anzugeben, weil diese viel expliziteren Bestimmungen einfach weggelassen wurden, und dann solche Puzzle-Fragen auftauchten, „wieso es dann aber schon früher Ware, Tausch usw gab“; oder, dass es nun mal so sei, dass immer viele Elementarformen nebeneinander vorkommen (und die Vereinheitlichungs-Tendenz, die Tendenz (wenigstens in der jeweiligen Epoche) zur „Dominanz“ und Subsumtion/anpassend-modifizierenden Integration aller voraufgehenden Formen bestritten wird).
Auch in diesem Text jetzt habe ich Bennis Definition von „Elementarform“ unterstellt (an der man sicher noch arbeiten kann; auch in dieser, bennis Definition von „Elementarform“ in ihrer derzeitigen Gestalt fehlt die „Dominanz“ *) und damit verbundene anpassend-modifizierende „Intergation“ bereits ausgebildeter Formen als Kriterium der Zugehörigkeit zu „Elementarform“; zugleich, dass sie sich noch in Entwicklung befindet und ausreifen muss; aber der grundsätzliche Ansatz von benni und der Begriff insgesamt, wenn die Mängel beseitigt werden, scheint mir aus meiner Warte produktiv zu sein).
*) (etwas muss notwendig für Reproduktion sein, aber nicht notwendig UND hinreichend: Reproduktion dieser Geselslchaft BESTIMMEND)
Überlegt euch vielleicht mal, was man alles „bürgerlich“ nennt; was die „Elementarform“ (im genannten benni-Sinn, mit meinen Erweiterungen) unserer Epoche ausmacht, ist nicht nur reife, globalisierte „kapitalistische Ökonomie“; sondern sie, zusammen mit allem, was (darum) an schon früher entwickelten Vergesellschaftungs-Momenten eben die ihr angepasste „bürgerliche“ Form angenommen hat: bürgerliche Lebensführungs-Praktiken/Einrichtungen und Lebensentwürfe („Berufstätigkeiten“); Klassen; bürgerlicher Staat und Weltsystem solcher Staaten, kulturelle Hegemonie; bürgerliche Werte und Ideologien/Diskurse. – Angesichts all dessen, was da alles „vor-bürgerlich“ schon da war, und lange Reifezeiten hindurch mit der immer mehr kapitalistisch werdenden (Welt)Wirtschaft ko-existierte (sich dabei immer mehr ver-bürgerlich-end) – angesichts dessen kann man sich schon fragen, was denn nun eigentlich der KERN und das wirklich Neue ist (also genau die Frage, die sich auch die andern gestellt haben, die hier seit einiger Zeit darüber gegrübelt haben). Mein Vorschlag liegt ja auf dem Tisch: Produktivitätswachstum (Technik-Optionen-Entwicklung) als Selbstzweck **). Das ist es, was dem vor-bürgerlichen (vor „unserer“ Epoche liegenden) Markt-Wirtschaften (Fernhandel, Weltsystem, Staaten, Werte usw) (wo eben gerade, mangels Produktivität, noch nicht „alles“ Ware sein konnte) seine spezifisch grenzenlos- abstrakte „Wachstums“-Orientierung verliehen hat. Die Epochen-Arbeit an der Ausreifung dieses (extrem umfangreichen) geordneten Inventars an Vergesellschaftungs- und weltbezogenen Praktiken, dieser Elementarform der bürgerlichen Epoche, dauert immer noch an. Krisen, in denen sich mörderische Mängel dieser Form abzeichnen, inclusive.
(Nebenbei: Welche?)
**) das ist, wie ich immer wieder betone, im Kern eine WELT-bezogene Praxisform; modifiziert soll sie ja in vielfältige kollektivistische commonalistische Vergesellschaftungs-Varianten als deren (dabei entscheidend modifizierter, aber nicht aufgegebener) „materielle Basis“ (welt- oder sachbezogener Praxis-Regelanteil, „Elementarform-Moment/Anteil“) übernommen werden. „Herrschaft“ (incl. Machtausübung, Hierarchien, Klassen), diese uralte und wie unendlich abgewandelt auch immer in alle bisherigen historischen Epochenformen mitgeschleppte Vergesellschaftungsweise, soll dann ja bekanntlich verschwinden. Auch das ist mit Elementarform-Anteilen möglich! Ok – denkbar zumindest ist es derzeit schon… (und es gilt sogar noch für einiges mehr als nur Herrschaft..)
@franziska:
– Die Identifikation von „bürgerlicher Gesellschaft“ und „Kapitalismus“ halte ich inzwischen für einen Fehler. Die hängen viel weniger zusammen als allgemein immer geredet. Die „bürgerliche Gesellschaft“ ist ja vor allem eine städtische. Der Kapitalismus aber ist auf dem Land entstanden. Die ersten Kapitalisten waren Landbesitzer und keine Bürger.
– Das mit der Dominanz gehört da mit in die Definition rein, stimmt.
– Produktivitätswachstum ist im Kapitalismus kein Selbstzweck sondern hat den Zweck des Profits dachte ich.
– Mir ist nicht klar, benni: Hast du mir jetzt zugestimmt, dass „bürgerlich“ das Umfassendere ist? Also das, was „kapitalistisches Wirtschaften“ einschliesst, aber (genau darum) noch sehr viel mehr und absolut reproduktions-notwendige Kultur- und Vergesellschaftungs-Praktiken (Regelsysteme) mit umfasst (die man – spätestens in entwickelten bürgerlichen Gesellschaften – nicht (mehr) als blossen „Überbau“ abtun und ausser Betracht lassen kann: Immer mehr Praxis-Dimensionen wandern im Zuge der Reifungsprozesse der bürgerlichen Epoche in die „materielle Basis“, in die reproduktionsnotwendige, dominante Elementarform ein; sie existieren bereits in vor-bürgerlichen Formen und werden allmählich verbürgerlicht).
– Auf der materiellen, der Produktivkraft-Ebene ist es genau das, was resultiert; vor allem: es ist die wichtigste und letzt-verbliebene Legitimation für Profite und Konkurrenz („der Fortschritt“ kann auf die Weise optimal, ja einzig und nur auf die Weise, organisiert werden). Technischer Fortschritt als Selbstzweck ist darin der höhere Zweck, dem „seine“ kapitalistische Form DIENT.
(Für „zurückgebliebene“, auf älteren Kultur-Niveaus stehende Bevölkerungsgruppen sind die älteren Kapitalismus-Legitimationen noch intakt: „Freiheit“ (aller Privateigentümer); Belohnug der Tüchtigen; meritokratische Auswahl der Eliten mit Berechtigung zur Verwaltung der unpersönlichen (in dieser Legitimationsweise fast schon als Commons angesehenen) Produktionsmittel und ihrer politischen Beaufsichtigung.
Anm. Solche „Ungleichzeitigkeiten“ und daraus resultierende inner-gesellschaftliche Heterogenität zu berücksichtigen, ist ein weiterer grosser Vorteil einer „Handlungs“-basierten „Elementarform-Definition“. Solche Ungleichzeitigkeit im Rahmen der domoinanten (und hochkomplexen) Elementarform ist nicht dieselbe wie Christians Elementarform-Pluralismus. Für nachholende Gesellschaften (in gewissem Sinn: imperiale Peripherie; feudale; neuzeitlich-koloniale; spät-modernisierte und an den Weltmarkt angeschlossene) kann man Christians Formel erwägen. – Ich schreibe gerade eine Fortsetzung des oben verlinkten Textes über dieses Thema.)
– Die Landwirtschaft ist notwendig die erste Sphäre gewesen, deren Produktivität „selbstzweckhaft“ gesteigert werden musste, weil sie in der Anfangsphase des Prozesses den limitierenden Produktionsfaktor schlechthin „produzierte“: Mehr-Arbeit.
Die Landwirtschaft (Fisch-, Forst-…) ist komplett den Bedürfnissen der „bürgerlichen“ globalen Industrie-Metropole subsumiert – sie ist eine Ausfaltung mit Biosphären-Berührung der Gesamt-Inidustrie; der Vorgang schreitet immer noch fort; allerdings auch ins Krisenhafte.
Der zweite Punkt im vorstehenden Beitrag 16 bezieht sich auf „technischer Fortschritt bzw Produktivitätswachstum als Selbstzweck“.
Der Satz in der Klammer: „der Fortschritt“ kann auf die Weise optimal, ja einzig und nur auf die Weise, organisiert werden, ist als in Anführungszeichen stehend zu lesen – als Wiedergabe der betreffenden Kapitalismus-Legitimation.
Dumme Fehler: hab sie leider erst nach Ablauf der Bearbeitungsfrist bemerkt.
Eine formelle Anmerkung noch.
Wenn ich hier sehr viel Platz einnehme, dann auch darum, weil angesichts von bennis Thesen-Rundumschlag (den ich als Versuch, Zusammenhänge auf den Begriff zu bringen, sehr begrüsse) die meisten Debatten-Themen der letzten Monate erneut aufgegriffen werden und implizit mit-behandelt werden. In der vermeintlich abseitigen Geschichtstheorie geht es uns um Kern-Kategorien von Gesellschaftstheorie (als Grundlage von Kritik) – und, praktisch bedeutsam, Transformationstheorie. In dem Zusammenhang fanden ja die diversen Rückgriffe auf „historische Vorbilder“ statt.
– nein ich habe nicht zugestimmt. Die bürgerliche Gesellschaft ist eine Folge des Lebens in der (europäischen) Stadt. Der Kapitalismus hat damit nur zufällig historisch zu tun. Es gibt ja heute auch jede Menge Länder in denen Kapitalismus existiert aber keine bürgerliche Gesellschaft.
– das mit dem Fortschritt geht aber um verdammt viele ideologische Ecken. Wenn der Kapitalismus heute etwas ist, dann doch mindestens so sehr Behinderer des Fortschritts wie sein Ermöglicher. Ich wünsche mir sehr einen „Fortschritt als Selbstzweck“ wenn man Fortschritt versteht als bessere Befriedigung von Bedürfnissen.
Hallo … Die Diskussion ist ja schon ne zeit lang aus … aber ich wollte dich Benni nochmal fragen wie du argumentieren würdest, dass di erste Epoche Care und Commons sind?
Wir versuchen ja Commoning mit Freiwilligkeit und kollektive Verfügung zu bestimmen, und Freiwilligkeit ist ja mit Gesellschaftlichkeit (und Möglichkeitbeziehung) verbunden. Aber bei präneolithischen Re/Produktionsverbänden scheint mir v.a. das interpersonale Moment der Sozialverbände zu überwinden und somit die Möglichkeitsbeziehung und Freiwilligkeit nicht so richtig exitent sind …
alles liebe, simon
@Simon: Ich glaube ich sehe das einfach anders als ihr.
Care ist einfach eine Grundbedingung des Menschseins. In Abwesenheit anderer Elementarformen steht die Sorge um die Mitmenschen im Vordergrund.
Die Möglichkeitsbeziehung wird umso größer, umso größer die Gesellschaften werden, umso mehr Menschen kooperieren. Sie nimmt also in der Geschichte auf lange Sicht zu. Die gab es also in der ersten Epoche zwar auch, aber vermutlich vergleichsweise wenig (wobei das im Grunde nur Spekulation ist, es gibt ja auch durchaus Grabfunde, die auf Sonderrollen in der mittleren Steinzeit hindeuten). Das bedeutet aber nicht, dass in der Steinzeit die Menschen weniger gesellschaftlich waren als heute. Ihre Gesellschaften waren einfach kleiner.
Freiwilligkeit schließlich sehe ich überhaupt nicht als bestimmend für Commons (jedoch für den Kommunismus). Die alte Almende basiert nicht auf Freiwilligkeit sondern auf Notwendigkeit. Vielleicht haben wir da einfach einen Dissens? Commoning, Commons, gemeinschaftliche Ressourcennutzung, nichts davon benötigt Freiwilligkeit.
Vielleicht steckt einfach in dem Unterschied zwischen Commonismus und Kommunismus doch mehr als nur einer der Schreibweise?