Michael Brie über keimform.de
Am 22. September dieses Jahres jährt sich die Gründung dieses Blogs zum zehnten Mal — und es gibt ihn immer noch! Aus diesem erfreulichen Anlass haben wir einige Wegbegleiter_innen von keimform.de gebeten, uns ihre Gedanken zu diesem „Nicht-Projekt“ zu schicken. Die Antworten, die wir erhalten haben, veröffentlichen wir hier in loser Folge.
Seit zehn Jahren ist keimform.de der wichtigste deutsche Blog zu einer Diskussion, die konkret und unter Analyse der Widersprüche Ansätze darstellt, prüft, einordnet und vor allem auch bekannt macht, die auf nicht- und nachkapitalistische Produktions-, Austausch- und Lebensformen verweisen, diese in die Gegenwart holen und den Konflikten aussetzen, die damit unvermeidlich verbunden sind. Keimform.de ist ein lebendiges intellektuelles Laboratorium, selbst eine Keimform von Keimformen.
Erik O. Wright hat in seinem Buch „Envisioning Real Utopias“ (siehe die Kurzfassung des Konzepts in Wright 2015) drei Strategien einer Transformation unterschieden, die über den Kapitalismus hinausweisen: (1) Die Entwicklung von konkreten sozialistischen oder kommunistischen Elementen in den Zwischenräumen des Kapitalismus, was den Keimformen am nächsten kommt, (2) der Ausbau von nichtkapitalistischen Formen des Sozialen und Kulturellen in Symbiose mit dominant kapitalistischen Tendenzen und (3) Ansätze des grundlegenden Bruchs. Es bleibt dabei: Ohne Keime, ohne die konkreten Erfahrungen, ohne praktische Ansätze, die Widersprüche komplexer Gesellschaften und Lebensformen zu vermitteln, wird es keine Chance geben, aus der Krise der kapitalistischen Zivilisation auszubrechen. Wer wissen will, wie dies Heute und Hier beginnen kann, kann sich bei keimform.de Anregungen holen, gemeinsam mit anderen diesen Anfang zu wagen.
Wright, Erik Olin (2015): „Durch Realutopien den Kapitalismus transformieren. Ansprache als Präsident der Amerikanischen Vereinigung der Soziologinnen und Soziologen (Denver 2012)“. In: Brie, Michael (Hrsg.) Mit Realutopien den Kapitalismus transformieren? Hamburg: VSA S. 59–106.
— Michael Brie, Gesellschaftsanalytiker und Philosoph, Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung