Das Vernünftige, Mittlere, Gemäßigte
Bei Telepolis ist ein bemerkenswertes E-Book erschienen, das sich der Frage widmet, wie denn Alternativen zum Kapitalismus aussehen können. Tomasz Konicz, einer der Herausgeber des E-Books, formuliert es im begleitenden Artikel »Wege aus dem Kapitalismus« recht drastisch:
Wir leben in einer extremistischen Gesellschaft, die beständig irre Ideologien wie Rechtsextremismus oder Islamismus ausschwitzt. Als Extremisten können folglich diejenigen Apologeten kapitalistischer Herrschaft bezeichnet werden, die dieses zu einem Schlachthaus der Menschheit mutierende System immer noch als alternativlos und als die „beste aller möglichen Welten“ bezeichnen. Die Suche nach einer Systemalternative stellt hingegen das einzig Vernünftige, Mittlere, Gemäßigte dar: Es ist ein Unterfangen, dem sich ein jeder Spießer zu verschreiben hätte, der sich Sorgen um die Zukunft seiner Kinder macht – und der erkannt hat, dass deren Abrichtung zu Mobbingmaschinen, wie sie jetzt in der Mittelklasse gang und gäbe ist, ihnen keine lebenswerten Zukunftsperspektiven eröffnen wird.
Christian Siefkes und ich waren mit Beiträgen beteiligt. Hier das Inhaltsverzeichnis:
Tomasz Konicz: Wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst. Wie Deutschlands Medien und Ökonomen mit der Tatsache der säkularen Stagnation des spätkapitalistischen Weltsystems umgehen
Ludger Eversmann: Die Digitale Dinge-Allmende. Die materiellen Existenzbedingungen neuer höherer Produktionsverhältnisse werden gerade ausgebrütet im Schoß der alten Gesellschaft, man muss sie nur auch als solche erkennen
Michael Albert und Florian Zollmann: Parecon – Partizipatorische Ökonomie. Welche Institutionen können zivile Werte im Wirtschaftsalltag der Menschen verankern und eine Veränderung der Gesellschaft bewirken?
Jürgen Neumann: Welche Wege führen aus der Krise? Hat der Kapitalismus noch eine Chance oder müssen wir uns auf die Suche nach Alternativen begeben?
Stefan Meretz: Grundrisse einer freien Gesellschaft
Andreas Exner: Es rettet uns keine höhere Technologie. Die Voraussetzung für eine neue Gesellschaft liegt in den „neuen“ Menschen, die eine postkapitalistische Hochtechnologie nutzen
Ludger Eversmann: Schafft volkseigene „Infofakturen“! Von einem neuen Paradigma der Produktion zu einem neuen Paradigma der Ökonomie
Richard Wolff: Demokratisierung der Unternehmen statt Staatsinterventionismus. Die Linke braucht neue Ansätze und Visionen, um erfolgreich in der gegenwärtigen Krise agieren zu können
Abdullah Öcalan: Demokratischer Konföderalismus. Das Projekt der „demokratischen Moderne“ ist ein Gegenentwurf zur zentralistisch-bürokratischen Moderne (eine deutliche längere Fassung dieses Texts gibt es als freies PDF)
Elke Dangeleit: Das Modell Rojava. Die Erprobung einer direkten kommunalen Demokratie mit emanzipatorischen Zügen stellt die Systemfrage an die Staaten im Nahen Osten, daher rührt die Gegnerschaft
Ludger Eversmann: Total Eclipse. Dämmerung des Kapitalismus, atomare Katastrophe oder Morgendämmerung einer Neuen Zeit?
Tomasz Konicz: Die wunderbare Welt des Jeremy Rifkin. Wie der Mainstream den Postkapitalismus diskutiert, ohne auch nur eine Ahnung vom Begriff des Kapitals zu haben
Arno Klönne: Der Kapitalismus auf dem Rückzug? Teilen und Kollaborieren statt Profitieren
Christian Siefkes: Peer Produktion. Wie im Internet eine neue Produktionsweise entsteht
Robert Kurz: Marxsche Theorie, Krise und Überwindung des Kapitalismus. Fragen und Antworten zur historischen Situation radikaler Gesellschaftskritik
W. Paul Cockshott, Allin Cottrell: Planungskonzepte für eine sozialistische Ökonomie. Grundzüge eines Systems, das Konsumentenwünsche erfüllen kann und gleichzeitig die Ökonomie zu sozialer Gerechtigkeit und Umweltverträglichkeit führt
Reinhard Jellen: „Do-It-Yourself-Urbanismus“. Hanno Rauterberg über neue Tendenzen des Stadtlebens
Lars Lange: Die Energiewende ist vollbracht. Jetzt brauchen wir die Entwicklung einer Postwachstumsstrategie
Elisabeth Voß: Die schöne neue Shareconomy und ihre Schattenseiten.
Norbert Rost: Postwachstumsökonomie. Vom „Negativzins“ in der Haben-Gesellschaft
Wärs kein E-Book: ich würde es mir kaufen.
@Daniel:
Dass es sich um ein E-Book handelt, stört mich nicht, weil ich Bücher inzwischen am liebsten in elektronischer Form lese (meine Regale sind eh längst überfüllt, aber auf der Festplatte ist noch reichlich Platz 🙂 ). Schade finde ich hingegen, dass das Buch nicht frei verfügbar ist, aber dazu kommt es eben leicht, wenn man sich einer der Institutionen des Alten (eines Verlags) bedient, um Ideen des Neuen zu verbreiten.
Immerhin sind etwa zwei Drittel der Texte aus dem Buch auch öffentlich per Internet zugänglich. Ich hab mir mal erlaubt, die Links oben in den Text einzufügen — ich hoffe, das ist OK, Stefan. Weiß jemand noch weitere?
@Christian: Ja, das ist cool, Danke für die Recherche.
Sehr schön, danke!
Fehlt nur noch Tomasz Konicz Artikel über Jeremy Rifkin, der mich auch sehr interessieren würde. Aber erscheint vielleicht noch bei telepolis (?)
Als Ergänzung zum Artikel von Robert Kurz: Entspricht das dem hier?
@Daniel:
Ja, vielleicht? Bislang scheint es ihn aber jedenfalls nicht online zu geben…
Ja, das ist er. Hab den Link oben eingefügt, danke fürs Finden!