Was soll schlecht sein am Matriarchat?

Diese Frage stellt Hannelore Vonier in ihrem interessanten Blog „Rette-sich-wer-kann“ (The blog formerly known as Matriarchatsblog). Ich hatte damals mit einem spontanen Ausruf reagiert:

„Fortschritt! Aufklärung! Wissenschaft! Technik!“

Das war nicht so wirklich nachvollziehbar. Deshalb jetzt hier die Langversion:

Zunächst eine leider wohl immer noch nötige Erklärung vorab: Mit Matriarchat ist nicht „Frauenherrschaft“ gemeint, wie das oft falsch übersetzt wird, sondern eine egalitäre Gesellschaftsform in der Frauen, Männer, Kinder und sowieso alle Menschen gleichberechtigt sind. Im Grunde eine andere Version von „Kommunismus“ (natürlich wieder nicht im falschen Sinne des Staats- oder Parteikommunismus), die eine stärkere Betonung auf Geschlechterfragen richtet. Uff, Worturwald, jetzt zum eigentlichen Inhalt:

Das wissenschaftliche Weltbild ist zumindestens in seiner Entstehungsgeschichte zutiefst patriarchal geprägt. Das zeigt sich an vielen Phänomenen, vom Dualismus eines wiki(Descartes) über die Frauenverachtung der Aufklärungsphilosophen bis hin zur seltsamen Körperlosigkeit moderner Wissenschaftsvorstellungen.

Nun ist es aber so, dass ich trotz aller Aufklärungs- und Wissenschaftskritik viele der Errungenschaften von Technik und Wissenschaft nicht missen möchte. Von der Geschirrspülmaschine über Handy und Internet ja selbst bis hin zur vielgescholtenen Apparatemedizin in ihren lebensrettenden Aspekten. Deswegen war mein erster skeptischer Gedanke: Gehen also diese ganzen Errungenschaften vergangener patriarchaler Jahrhunderte den Bach runter wenn wir uns alle im Wohlfühlmatriarchat in Kleingruppen um unsere Subsistenzproduktion kümmern?

Und tatsächlich findet man bei vielen Matriarchatsforscherinnen eine Einstellung die in – sicherlich nicht unberechtigter Abgrenzung von der Tradition der Aufklärung – diese in Bausch und Bogen verdammen und dann folgerichtig am liebsten auf jede Technik verzichten möchten. Meiner Meinung nach leidet an diesem Kurzschluß die Matriarchatsforschung bis heute. Nach einem Hoch in den 80er Jahren hört man heute wenig Neues und das, was man hört klingt oft eher nach obskuren Esoteriktreffen als nach der Suche nach einer neuen, besseren Gesellschaft.

Tatsächlich kann man aber meiner Meinung nach aus dieser Forschung viel lernen. Und zwar vor allem, wenn man versucht die egalitären Potentiale neuer Technologien aus ihrem patriarchalen Korsett zu befreien. Und genau das macht Hannelores Blog so einzigartig. Es ist der einzige Ort auf dieser Welt (oder besser: dem Teil davon, den ich kenne), wo so etwas wie ein High-Tech-Matriarchat vorstellbar wird. Danke dafür.

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