FOSS-Report: Valueflows
Der Keimform-Blog steht ist in seiner Tradition verbunden mit Freier Software und den sich daraus ergebenden Potentialen. Im Projekt ,Global Commoning System’ haben wir in den letzten Jahren nach Entwicklungen der (Freien) Informationstechnik Ausschau gehalten, mit denen Commoning als Lebensweise gefördert werden könnte. Das Projekt ValueFlows hat dabei für uns besondere Bedeutung erhalten. Da es über ValueFlows möglich wird, größere Infrastruktur aus voneinander unabhängigen Software-Projekten aufzubauen (ein Gegenmodell also zu zentralen Plattformen), möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Einblick geben: Zu dem, was ValueFlows ist, zur Entstehungsgeschichte des Projektes, zu zwei Projekten mit ValueFlows-Implementierung (Bonfire & HoloREA) und zu einer wesentlichen, damit einhergehenden Problematik.
Was ist ValueFlows?
Im Projekt ‚Global Commoning System’ sind wir mit ValueFlows ziemlich früh in Kontakt gekommen, haben aber (zu) lange nicht wirklich begriffen, worum es geht. Erst einmal die Projektbeschreibung in den eigenen Worten von ValueFlows:
The vocabulary will work for any kind of economic activity, but the focus is to facilitate groups experimenting with solidarity / cooperative / collaborative / small business ecosystem / commons based peer production / any transitional economies. We want to enable internetworking among many different software projects for resource planning and accounting within fractal networks of people and groups. Specifically, we want to support resource flows connecting many software applications.
ValueFlows ist also ein Vokabular (bzw. eine ‘Ontologie’) im Kontext des semantischen Webs, durch welches sich die Bewegung von Ressourcen beschreiben lässt. Das gesetzte Ziel ist, dass durch dieses Vokabular verschiedenste Projekte/Entwicklungen auf maschineller (aber auch menschlicher) Sprache miteinander interagieren, sprich: gemeinsam Ziele erreichen können. Es wird sich damit entfernt von einer Idee namens “Wir starten ein Software-Projekt und wenn alle unsere Software benutzen, dann kann (x) erreicht werden” und sich angenähert an “Wir entwickeln ein Software-Werkzeug, mit dem Zweck (x) erfüllt werden kann und gliedern diese in eine bestehende Infrastruktur ein”.
Kurz angemerkt: Warum könnte uns das Projekt ValueFlows als Commoner:innen interessieren? Unabhängig davon, wie ‘Commons’ und ‘Commoning’ definiert werden, geht es im Commoning auch darum, wie mit den Dingen der Welt (Wälder, Wohnraum, Zahnbürsten, etc.) umgegangen wird. Ein Aspekt dieses Umgangs mit Dingen der Welt ist deren Bewegung: Einerseits natürlich deren Ortsveränderung (der Spargel vom Acker der Solidarischen Landwirtschaft muss die Ernte-Teilhaber erreichen), anderseits Bewegung in der Verfügung über diese Dinge (einer Person wird Zugang zu einer gemeinsame Werkstatt gewährt). Die Information über solche Bewegungen, bzw. der Informationsaustausch zur Ermöglichung solcher Bewegungen, kann unbedingt mit Informationstechnik unterstützt werden; und ab einer bestimmten Komplexität des Commonings muss es das vielleicht auch. ValueFlows hilft dabei, dass relevante Informationen zwischen der Software-Anwendung einer Solidarischen Landwirtschaft und der Software-Anwendung einer ‘Küche für alle’ ausgetauscht werden können, auch wenn diese unabhängig voneinander entwickelt wurden und verschiedene Technologien (Programmiersprachen oder Protokolle) verwenden.
Relevante Links an dieser Stelle: Website, Einführung, UML-Diagram.
Entstehung von ValueFlows
Zum besseren Verständnis des Projektes, finde ich es äußerst hilfreich, die Entstehungsgeschichte von ValueFlows anzusehen: ValueFlows entstand aus dem Projekt Mikorizal, einem so bezeichneten Network-Ressource-Planer (NRP) als Abgrenzung zu Enterprise-Ressource-Planer (ERP)-Software. Mikorizal sollte alternativ-ökonomischen Projekten die Möglichkeit der gemeinsamen Vernetzung bieten. Die Software allerdings war als Monolith aufgebaut, der irgendwann so groß und so komplex war, dass Änderungen schwer vorgenommen werden konnten und potentiell neue Entwickler:innen die Software-Architektur kaum noch verstehen konnten. Aus dieser Krise sind Jahre der Diskussion in einem dafür aufgebauten Forum entstanden. Die wichtigste Erkenntnis für die beiden Projekt-Verantwortlichen Bob Haugen und Lynn Foster war dabei, dass es keine bestimmte Software braucht, die alles können muss, sondern eine Sprache, mit der sich alles verbinden lässt. Auf Basis des ‘Resource-Event-Agent’-Modells entstand so das Projekt ValueFlows.
Das ValueFlows-Vokabular ist bereits in verschiedenen Entwicklungen implementiert, wobei zwei derzeit von größerer Bedeutung zu sein scheinen: Das Projekt Bonfire und das Projekt HoloREA.
Bonfire (und Activity Pub)
Das Freie Software-Projekt Bonfire baut auf dem Activity-Pub-Protokoll auf und implementiert ValueFlows zur Organisation von Ressourcen. Bevor sich aber Bonfire angenommen wird, was ist Activity-Pub und was ist das damit einhergehende Fediverse?
Das Fediverse: Es gibt dezentrale Alternativen sowohl zu Twitter als auch zu youtube, Instagram, facebook-events, facebook selbst und vielen mehr. Diese dezentralen Alternativen bilden das sogenannte Fediverse (federated universe) und heißen z.B. Mastodon, Peertube, Pixelfed, Mobilizon und friendica. Aber was ist deren Domain? Ganz knapp: Sie haben keine bzw. sie haben sehr viele verschiedene. Die Software-Anwendung werden auf jeweils eigenen Servern aufgesetzt und User:innen können sich dort anmelden. Diese User:innen bilden somit ein kleines lokales Netzwerk. Durch das Activity-Pub-Protokoll können diese Server allerdings Informationen untereinander austauschen und so können die User:innen der lokale Server mit potentiell allen User:innen von sämtlichen Servern in Beziehung treten. Dass es keine allgemeine Domain a lá “mastodon.de” gibt, kann für viele Neulinge verwirrend sein, ermöglicht aber, dass sich die lokalen Server ihre eigenen Regeln setzen und so etwa Kraftausdrücke oder kommerzielle Angebote in den eigenen Timelimes erlauben oder verbieten (siehe etwa ‘Server Rules’ auf graz.social). Besonders elegant am Fediverse ist dabei, dass auch zwischen Anwendungen verschiedener Art interagiert werden kann – so kann ich etwa als User:in von Mastodon (“Open-Source-Twitter”) einem Kanal von Peertube (“Open-Source-Youtube”) folgen.
Bonfire ist eine dieser dezentral aufsetzbaren Anwendungen des Fediverse und sieht auf dem ersten Blick aus wie ein gewöhnlicher Kurznachrichtendienst. Was Bonfire aber von gewöhnlichen Kurznachrichtendiensten unterscheidet, ist der Versuch ein Werkzeug aufzubauen, mit welchem die Organisation von Communities unterstützt werden kann. Das heißt, im Kern ist Bonfire ein soziales Netzwerk, dann allerdings lässt es sich mit einer Vielzahl verschiedener Modulen erweitern. Durch diese Module können etwa Aufgaben (Task-Modul) erstellt und mit bestimmten Personenkreisen geteilt werden. Oder es werden Ressourcen angegeben, die andere Personen der Community mitverwenden dürfen (Inventory Managment-Modul). Einige dieser Module nutzen dabei – insofern es sinnvoll erscheint – die ValueFlows Ontologie.
Das Projekt Bonfire ist derzeit im Beta-Status und kann auch schon ausprobiert werden. Das Projekt ist außerdem auf der stetigen Suche nach neuen Entwickler:innen. Da Bonfire das Potential hat einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung einer auf Commoning basierten Lebensweise zu bieten, würde ich Freien Entwickler:innen auf der Suche nach emanzipativen Projekten auf jeden Fall empfehlen, sich Bonfire näher anzusehen.
HoloREA (und Holochain)
HoloREA ist der Versuch, ValueFlows in das Holochain-Protokoll zu implementieren. Wer Silke Helfrich und David Bolliers Werk “Fair, Frei und Lebendig” gelesen hat, wird vielleicht schon von dem Holochain-Protokoll gehört haben (siehe FFL S.298-306). Helfrich und Bollier sind regelrecht begeistert von den Potentialen dieser Technologie und beziehen sich dabei besonders auf den ‘akteurszentrierten’ Ansatz der Holochain. Was also ist die Holochain? Ich trage nur gefährliches Halbwissen in mir und möchte auch nach zahlreichen Erklärungsvideos und -texten gar nicht versuchen, die Technologie hinter Holochain zu erklären. Was ich soweit verstehe ist, dass es ein Framework ist, um tatsächlich serverfreie Web-Anwendungen zu ermöglichen, in welchen persönliche Daten rein auf den Endgeräten der Nutzenden vorhanden sind und diese Nutzenden die alleinige Kontrolle darüber haben, wie mit diesen Daten umgegangen wird.
Um hier noch mehr Fragen als Antworten hinzuzufügen: Ein anknüpfendes Projekt an Holochain ist die ‘Commons Engine’, doch um was es in diesem Projekt konkret geht, konnten wir als Team des ‘Global Commoning Systems’ nie wirklich begreifen. Da vor zwei Jahren im Projekt ‘Commons Engine’ auf ein Video mit Silke Helfrich verwiesen wurde, haben wir damals Silke selbst angefragt, ob sie uns beim Verständnis weiterhelfen kann. Tatsächlich hatte sie von der ‘Commons Engine’ selbst noch nie gehört, aber war mit manchen der Verantwortlichen bekannt und hat uns besonders ihr Vertrauen gegenüber Ferananda Ibarra beteuert. Wer hier eine nähere Idee hat, was das alles ist: Schreibt es bitte in die Kommentare!
Eines lässt sich zumindest an dieser Stelle sagen: In dieser Holochain-Welt geht etwas vor sich, das für Laien wie mich schwer verständlich ist, aber zumindest einiges verspricht. Und wenn aus dieser Holochain/HoloREA-Sache etwas wird, dann ist ValueFlows das Kitt zwischen dieser Technologie und der übrigen Welt des, grob gesagt, alternativ-ökonomischen IT-Bereiches. Das mag alles etwas abstrakt klingen, aber in diesem Text gilt immer noch die Vorannahme, dass Commoning als Lebensweise Komplexität mit sich bringt und es Informationstechnik braucht, um damit umzugehen. Wird die Vorstellung von zentralen Plattformen, mit denen quasi alles organisiert wird, abgelehnt (und persönlich mache ich das unbedingt), dann braucht es einerseits Protokolle wie Activity-Pub und Holochain, aber eben auch Möglichkeiten der Verbindung solcher Technologien wie ValueFlows.
Geteilte Sprache als Herausforderung
ValueFlows ermöglicht ein Zusammenspiel verschiedenster Software-Projekt, erzwingt aber auch die Verwendung der eigenen Ontologie. So sind etwa sämtliche Dinge der Welt klar als ‘Ressourcen’ bezeichnet; ein Begriff, den Helfrich und Bollier klar ablehnen (“Der Begriff Ressource lädt ein, gemeinsame Vermögenswerte als etwas zu betrachten, das gefördert, ausgebeutet, genutzt und in ein Objekt wirtschaftlicher Berechnung verwandelt werden soll.”, FFL S.75).
Ich sehe vier Möglichkeiten, wie auf diese Problematik reagiert werden kann:
- Eigensinnigkeit: Auch in diesen informationstechnischen Kontexten nur Begriffe verwenden, hinter denen gestanden wird und somit auf eine gemeinsame Ontologie (hier: ValueFlows) verzichten.
- Übersetzung: In informationstechnischen Kontexten eigene Begriffe verwenden, aber ein Glossar anbieten, in welchem auf die Begriffe einer gemeinsamen Ontologie verwiesen wird
- Einmischung: Sich in das Ontologie-Projekt einbringen und versuchen problematische Begriffe ersetzen zu lassen.
- Unterordnung: Die vorgegebene Begriffe einer verbreiteten Ontologie in informationstechnischen Kontexten übernehmen, wenn diese Begriffe auch problematisch sein mögen.
Auch wenn es sich in vielen Fällen nicht gut anfühlt, habe ich mich (nach längerer innerer Auseinandersetzung) persönlich für die vierte Möglichkeit, die Unterordnung, entschieden. Auch wenn es bei manchen Begriffen schmerzt, sehe ich mittlerweile das gemeinsame Ziel als wichtiger an, als den richtigen (womöglich emanzipativeren) Ausdruck. Ob das allerdings der richtige Weg ist, weiß ich nicht.
Unterkomplexität in der Regelsetzung
Eine auf Commmoning basierte Lebensweise unterscheidet sich von den meisten anderen post-kapitalistischen Gesellschaftsentwürfen, indem sich besonders deutlich von der willkürlichen Verfügung über die Dinge der Welt abgegrenzt wird. Der gemeinsame Umgang mit den Dingen der Welt, sowie weitere Formen der polyzentrischen Governance, bringen die Notwendigkeit von Absprache und Regelsetzung mit sich. Regeln in all ihrer möglichen Komplexität standardisiert erfassen zu können, ist dabei alles andere als ein einfaches Anliegen. Es wundert daher nicht, dass es in der ValueFlows-Ontologie keine entsprechenden Begriffe gibt, um sämtliche auf Ressourcen bezogene Regeln beschreiben zu können.
ValueFlows muss dabei auch nicht alles leisten können, wenn es einen anderen Offenen Standard hierfür gibt. Als Projekt ‘Global Commoning System’ haben wir einen solchen Standard für Regeln allerdings noch nicht gefunden. Die ‘Institutional Grammer 2.0’ (IG2.0) der ‘Institutional Grammer Research Initiative’ geht hier in eine sehr spannende Richtung – aber was dieses Projekt macht, wäre noch einmal ein ganz eigenes Thema.
Hallo Marcus,
bei meinen Übersetzungen grundlegender Texte der Kritischen Psychologie bin ich bei Volker Schurig auf eine evolutionäre Problemstellung gestoßen, in der ich Parallelen zu der in deinem Text beschrieben wiedererkenne: in seiner „Naturgeschichte des Psychischen“ untersucht er u.a. die Entwicklung der auf Informationsleitung spezialisierten Nervensysteme. Dazu stellt er abschließend Gesetzmäßigkeiten fest. Diese Gedanken möchte ich mit dem folgenden Zitat zur Kenntnis bringen.
Manfred Renken
Volker Schurig, Naturgeschichte des Psychischen 1 – Psychogenese und elementare Formen der Tierkommunikation; S. 94-96, Campus Verlag, Frankfurt/Main 1975
»Die Konsequenzen der phylogenetischen Entwicklung verschiedener Nervensystemtypen lassen sich in einigen Verallgemeinerungen zusammenfassen:
a. Die Entwicklung des Neurons kann nicht von der Entwicklung des umfassenderen Systemganzen getrennt werden, sondern bildet den Entwicklungsprozeß des Nervensystems selbst wieder in spezifischer Weise ab. Die moarphologischen und funktionellen Veränderungen des Neurons als des Einzelnen stehen zu der Entwicklung des Allgemeinen, in der es zur Konstruktion immer neuer Systemformen kommt, in einem widersprüchlichen Verhältnis. Einmal stellt es selbst einen Teil des Allgemeinen dar und ist mit seiner Veränderung identisch, zum anderen fehlen dem Neuron aber wichtige, für das Systemganze typische qualitative Eigenschaften. So ist z. B. die morphologische Form des Systemelementes von der Gestalt des Nervensystems verschieden, erfüllt aber ähnliche Leitungsfunktionen. Die besondere räumliche Anordnung der Neurone ist eine Voraussetzung, über die sich die Integration des Systemganzen als funktionelle Einheit von Erregungsfortleitung und synaptischer Übertragung zwischen den Systemelementen realisiert. Die Entstehung des Psychischen ist eine Systemleistung besonderer Art, die erst nach der morphologischen, biochemischen und physiologischen Integration mehrerer Nervenzellen möglich war. Insofern ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile.
b. Die verschiedenen Organisationsformen von Neuronen- und Nervensystemen stellen sowohl System- wie Entwicklungsgesetzmäßigkeiten dar. Der Begriff ›Nervensystem‹ selbst ist nur eine idealisierende Zusammenfassung phylogenetisch sehr verschiedener Formen der Konzentration und Zentralisation von Nervenzellen. In der phylogenetischen Aufeinanderfolge der verschiedenen Nervensysteme, die in ihren spezifischen Konstruktionen nur als komplizierte Widerspiegelungen jeweils ganz besonderer Lebens- und Umweltbedingungen zu verstehen sind, vollzieht sich die Entwicklung als Produktion immer neuer und besser angepaßter Nervensystemtypen, in denen verschiedene allgemeine Organisationsprinzipien wie der diskrete zelluläre Aufbau, Konzentration der einzelnen Elemente usw. variiert werden. Auch die Anlage des menschlichen Nervensystems ist als phylogenetisches Ergebnis der Konkurrenz verschiedener Systemtypen anzusehen. Neben dem Zentralnervensystem, häufig als ›das‹ Nervensystem verstanden, da es als wichtigste Teile Gehirn und Rückenmark umfaßt, gibt es aber noch das Eingeweidenervensystem, das zur Unterscheidung von dem ZNS auch als vegetatives (im Gegensatz zu dem somatischen ZNS) oder als autonomes Nervensystem bezeichnet wird, und diffuse Nervennetze, so daß verschiedene Organisationsprinzipien der Systembildung mit einer unterschiedlichen funktionellen Gewichtung nebeneinander existieren.
Ein Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Nervensystemorganisation und Entwicklung psychischer Strukturen ist die qualitative Unterschiedlichkeit zwischen somatischem (die Bezeichnung Zentralnervensystem ist insofern ungenau, da auch das vegetative Nervensystem einen zentralisierten Anteil besitzt) und vegetativem Nervensystem, da die Prozesse des ersteren zu einem Teil dem Bewußtsein und der willkürlichen Kontrolle unterliegen, die des vegetativen Nervensystems jedoch nicht, was zu der Bezeichnung ›unwillkürliches Nervensystem‹ geführt hat. Praktisch handelt es sich um den einzigen Fall, wo morphologische Strukturen anhand ihrer verschiedenen psychischen Organisation unterschiedlich benannt werden.
c. Ein wichtiger Evolutionstrend, der sowohl für die Entwicklung des Nervensystems als auch für die Anordnung von Sinnesepithelien gilt, ist die Tendenz, mit fortschreitender Entwicklung lebenswichtige Organe in das Körperinnere zu verlagern. Bei Strudelwürmern sind z. B. Teile des Hautnervengeflechtes in das Körperinnere abgesunken und haben zur Gehirnbildung beigetragen. Auch in der Evolution einiger Rezeptorsysteme ist es zu einer Versenkung des Sinnesepithels in das Körperinnere gekommen wenn die damit verbundene Schutzleistung nicht die Reizsensibilität als dominierenden Selektionsfaktor beeinträchtigt hat. So ist das Trommelfell, daß bei den Amphibien noch an der Körperoberfläche liegt, bei den Reptilien bereits teilweise überdeckt und bei den Wirbeltieren ebenso wie die Sinneszellen noch weiter in das Körperinnere verlagert worden.
Die Existenz derartiger allgemeiner Systemprinzipien in der Entwicklung des Nervensystems kann in der weiteren Darstellung, die sich auf die Evolution des Nervensystems bei Rückenmarktieren bezieht, insofern herangezogen werden, da die einzelnen, teilweise sehr komplizierten und für die Psychologie im Detail nicht wichtigen morphologischen Veränderungen des Nervensystems in Gesetzmäßigkeiten zusammengefaßt werden können. Ihre Geltung ist nicht nur auf die Gehirnbildung der Wirbeltiere beschränkt, sondern verallgemeinert generelle Bedingungen der Organisation von Nervensystemen. Im weiteren Sinne handelt es sich um phylogenetische Entwicklungsprinzipien der psycho-physischen Evolution.«
Danke für den Beitrag! Ich finde es stets spannend, an euren Überlegungen ein wenig teilzuhaben und mitzubekommen, wohin ihr denkt. Tatsächlich halte ich die Entwicklung von Protokollen zur transpersonalen Vermittlung in-kind für langfristig entscheidend. Dabei ist „in-kind“, also in der Sache selbst, zentral: Es geht darum die die Sache, um die es jeweils geht (aka „Ressource“) informational qualitativ zu vermitteln. Es geht also um die Aufhebung der Vermittlung „by-value“ (aka Geld und Co), deren angeblicher Vorteil der „Reduktion von Komplexität“ eben genau jene informationelle Infrastruktur erschafft, also alles in eine Zahl zu bringen und am Ende die Welt zu zerstören, weil sie sich nicht rechnet (aka „Externalisierung“ und „Exklusion“) oder eben rechnet (aka „Ausbeutung“). Silkes Kritik am Begriff der Ressource kann ich in diesem Licht nachvollziehen: Wenn Ressource in ein Regime der „by-value“-Vermittlung gerät, dann wird sie eben am Ende nur als externe, von mir getrennte, ausbeutbare Sache begriffen. Ich denke, wenn wir Ressource in eine Vermittlung „in-kind“ bringen, dann können wir am Ende alles als qualitative Ressource begreifen und unreduziert in der Vermittlung belassen, weil sich darin letztlich unsere Bedürfnisse spiegeln. Aber vielleicht finden wir dafür doch einen neuen Begriff, ich benutze ja hilfsweise auch oft „Sache“.
Was nun CommonsEngine angeht bin ich doch sehr ernüchtert, als ich die Website las. Dort wird ein sehr reduzierter (Ostromscher) Commonsbegriff zugrunde gelegt und der Fokus auf die vorgebliche und aus meiner Sicht total fehlgehende „by-value“-Vermittlung gelegt, die nun als Commons implementiert werden soll. Der Versuch, Geld (oder Währung, technisch: units of account) als Commons zu realisieren, halte ich aus den oben genannten Gründen für fatal. Bisher habe ich verstanden, dass ihr das nicht machen wollt, und das ist auch für mich der Grund, warum ich eure Anstrengungen mit Interesse verfolge. Vielleicht kann man die Technik von CommonsEngine auch anders benutzen, aber ich befürchte, dass sie den Vermittlungstyp bereits auf Protokollebene (oberhalb des Layers von ActivityPub) implementieren. Dann wäre es tatsächlich nicht zu gebrauchen. IMHO.
Zur Analogie von evolutionärer Hirnentwicklung die Herausbildung commonistischer Vermittlung (meine Worte), die Manfred mit dem Schurig-Zitat einbrachte, folgende Überlegungen (nach den drei Buchstaben sortiert):
a) Hier geht es um das Verhältnis von Elementarform und Systemform (vgl. dazu „Kapitalismus aufheben“, S. 134ff): Die Elementarform („Neuron“) erhält ihre Qualität erst im Gesamt der Systemform („Nervensystem“). Schaut man sich nur das Einzelne an und versucht von dort aus eine Verallgemeinerung, kommt man nicht weit (aka: methodologischer Individualismus). Das zeichnete lange die Hirnforschung aus, Schurig war schon in den 1970ern tausend mal klüger. Ob es heute in der Hirnforschung viel besser läuft, kann ich nicht beurteilen. Übertragen auf das evolutionäre Problem des Übergangs zum Commonismus (den revolutionären Teil klammere ich hier aus), bedeutet das, dass Elementarformen, also commonistisches Commoning erst bei bestehender Systemform ausgebildet werden können, also nach dem Dominanzwechsel zum Commonismus. Alles davor sind die bekannten Keimformen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Entscheidend ist, welche Qualitäten diese Keimform umfassen, etwa die im vorherigen Kommentar erwähnte Vermittlung „in-kind“. Das aber geschieht ja auch in vielen Commons (etwa durch bewusstes Brechen mit der Tauschlogik auf interpersonal-kollektiver Ebene).
b) Weil die Gesellschaftlichkeit ein besonderes evolutionäres Produkt ist, gibt es auch eine spezielle nervliche Repräsentanz derselben (ZNS), die selbstbezüglich ist und der eigenen intentionalen (bewussten) Formung und damit Entwicklung unterliegt. Daneben gibt es aber weiterhin ein ausschließlich unbewusstes, automatisches funktionierendes Nervensystem (das vegetative Nervensystem), das basale Körperfunktionen aufrechterhält und damit die Basis für das bewusstseinsfähige Nervensystem bereitstellt. Schurig nennt das den „einzigen Fall“, wo so etwas auftritt. Analogisierend auf den Commonismus übertragen heißt das, dass es basale Funktionen in jeder Gesellschaft gibt, mit denen sie sich aufrechterhält, die aber bislang – aller Aufklärung zum Trotz – eher nicht bewusstseinsfähig „an den Menschen ablaufen“, anstatt dass diese die Gesellschaft bewusst und zielgerichtet entwickeln. Das gibt es erst, wenn das automatische Subjekt des Kapitals und von ihm nutznießende Partialinteressen aufgehoben sind und alle Menschen die Verfügung über alle Lebensbedingungen in die Hand bekommen, die Weltgesellschaft sozusagen ein Commons von Commons von Commons wird, das sich durch Commoning reproduziert. Diesen Fall hat es historisch noch nicht gegeben, er wäre in der Tat „einzigartig“.
c) Die Analogie zur evolutionären Versenkung von Sinneskörperteilen ins Innere, wo sie besser geschützt sind, fällt mir nicht leicht. Am ehesten fällt mir die Hineinnahme der im Kapitalismus abgespaltenen Care-Tätigkeiten in das Zentrum der gesellschaftlichen Reproduktion im Commonismus ein. Der Commonismus ist eine Sorge- und eine Vorsorge-Gesellschaft. Im Kapitalismus liegen die Care-Tätigkeiten gewissermaßen „außen“ und sind dort „vulnerabel“, was den Kapitalismus einen Scheiss interessiert, weil die produktivistische Ressourcenvernutzung zur Profitproduktion das einzig zählende, weil sich auszahlende ist. Naja, so ungefähr. 😉