Widersprüche und Spannungsfelder in der Praxis aktueller Commons-Netzwerke – am Beispiel Freier Software
[Diese per E-Mail geführte Diskussion zwischen Annette Schlemm und mir erschien in der Widersprüche, Heft 124 (Juni 2012), S. 25–31.]
Widersprüche-Redaktion (W.R.): Mit dieser E-Mail-Diskussion würden wir gerne einen Beitrag für das nächste Widersprüche-Heft herstellen, der den Leser_innen einen Eindruck von den widersprüchlichen Entwicklungen alternativer Produktionsweisen – am Beispiel der freien Software – ermöglicht. Könnt Ihr eingangs ein paar Hinweise formulieren, wo Eures Erachtens gegenwärtig die entscheidenden Entwicklungstendenzen in dem Bereich der Commons-Netzwerke liegen.
Annette Schlemm (A.S.): In den letzten 10 Jahren hat sich die Erfahrung des Teilens im Gebrauch von Gütern und der selbstorganisierten Arbeitsteilung in vielen Bereichen verbreitet. Das erste Beispiel dafür war die Freie Software. Das Wichtige daran war nicht der technische Code, sondern die sich entwickelnde Praxis vieler Menschen, sich selbstbestimmt zu koordinieren. Bis dahin war häufig angenommen worden, dass eine von Menschen selbst organisierte Arbeitsteilung, die nicht über die „sachliche Vermittlung“ des Geldes bzw. des Kapitals oder planwirtschaftlich organisiert ist, nur als landwirtschaftlich-handwerklich orientiertes Kommune- bzw. Ökodorfnetzwerk möglich sein könnte, aber nicht global und auch nicht auf der Grundlage hochproduktiver moderner Produktionsmittel. Die Art und Weise der Herstellung der Freien Software zeigte an einem ersten Beispiel, wie es anders gehen könnte. In den letzten Jahren kamen andere freie Kulturgüter hinzu, und der Gedanke des kooperativen Produzierens und der Entkopplung von Nehmen und Geben ohne adäquate Tauschnotwendigkeit gewann eine stärkere soziale Anerkennung und Verankerung. Das von kommerziellen Interessenvertretern bedauerte „mangelnde Unrechtsbewusstsein“ bei Copyrightverletzungen ist nur eine Folge dieses kulturellen Wandels.
Christian Siefkes (C.S.): Neben Kulturgütern werden inzwischen zunehmend auch materielle Dinge zumindest teilweise im Open-Source-Modus hergestellt. Zum einen umfasst dies „Open Design“, wobei Baupläne und Konstruktionsbeschreibungen materieller Dinge gemeinsam entwickelt und frei geteilt werden. Zum anderen werden frei nutzbare Produktionsmaschinen (z.B. Fabber = 3D-Drucker, CNC-Fräsmaschinen, Lasercutter) entworfen und gebaut und es entstehen selbstorganisierte und frei zugängliche Orte für die bedürfnisorientierte Produktion (FabLabs).
W.R.: Ich sprecht davon, dass in Commons-Netzwerken auch hochkomplexe Produkte hergestellt werden können. Das scheinen die viel zitierten Entwicklungen hin zum heutigen Einfluss von Wikipedia oder von Linux ja auch zu belegen. Ist die lange vorherrschende Annahme, dass genau diese Produkte nur hochspezialisierten Expert_innen möglich sind, also endgültig widerlegt? Oder ist das ein zu rosa gemaltes Bild? Welche Erfahrungen habt Ihr damit in der konkreten Praxis kollektiver Peer-Produktion?
A.S.: Es wird sicher immer wieder Spezialist_innen brauchen, die die Bänderstruktur eines Halbleiters ausrechnen können, mit dem dann die Solarzelle hergestellt wird. Aber wie schon jetzt muss nicht jede Person alles können. Wichtig ist, und ohne dies geht ja auch jetzt in den kapitalistischen Betrieben bereits nichts mehr, dass alle Beteiligten offen miteinander kommunizieren können und im Wesentlichen auch ihre Kooperation selbstbestimmt organisieren. Überall dort, wo Chefs „hineinregieren“ und nicht mit-kooperieren, klemmt es.
Als konkretes Beispiel für ein nichtkapitalistisches Projekt habe ich selbst den Beginn des Lastenrad-Projekts in Berlin miterlebt (www.werkstatt-lastenrad.de) und ich verfolge dessen Fortgang weiterhin, wenn auch leider nur aus der Ferne. Der Ausgangspunkt war hier das Bedürfnis nach Fahrrädern, mit denen Lasten, wie z.B. Gartenwerkzeuge oder ähnliches transportiert werden können – vor allem auch für den Austausch zwischen bereits vorhandenen Garten- oder anderen Projekten. Von Anfang an waren Menschen u.a. aus den Niederlanden, anwesend, die solche Räder bereits kennen, erprobt haben und ihre Zusammenarbeit anboten.
Meiner Erfahrung nach sind solche Projekte in großen Städten, wie Berlin, natürlich wesentlich einfacher, weil genügend Interessenten mit einem breiten Spektrum an Erfahrungen und Kenntnissen zusammen kommen können. Da tun wir uns zum Beispiel in Jena viel schwerer.
Was das Expert_innentum betrifft, zeigen hier die Erfahrungen, dass es oft nicht auf irgendeinen formalen Bildungsabschluss ankommt, sondern auf die Pfiffigkeit der Beteiligten. In DDR-Erfinderschulen wurde davon gesprochen, dass es darauf ankommt, nicht die kompliziertesten, sondern eben jeweils „raffiniert-einfache Lösungen“ zu finden – solche sehe ich bei den Lastenfahrrädern.
C.S.: Spezialisierung und Arbeitsteilung sind kein exklusives Merkmal kapitalistischer Produktion – die Vorstellung, dass ohne Kapitalismus/Geld als Vermittlungsinstanz jede_r quasi nur auf sich selbst gestellt wäre und mehr oder weniger „alles selber machen müsste“, ist bloß ein weitverbreiteter Mythos. Bei Peer-Produktion basieren Spezialisierung und Arbeitsteilung auf der „Selbstauswahl“ der Beteiligten – es gibt öffentlich einsehbare Listen der zu erledigenden Aufgaben und jede_r entscheidet selbst, ob, wo und wie sie sich einbringt. Dabei kommt es aber auch auf das Vertrauen der anderen an – diese müssen eine_r zutrauen, die Aufgabe auch gut zu erledigen. Peer-Produktion ist dabei „anti-credentialist“, wie Michel Bauwens es ausdrückt: Vertrauen gewinnt man nicht durch formale Zertifikate und Diplome, sondern dadurch, dass man die eigenen Fähigkeiten praktisch unter Beweis stellt.
W.R.: Ihr sprecht davon – und Ihr weist in Euren Überlegungen ja auch immer wieder darauf hin, dass sich die Commons-Netzwerke gegenwärtig im „Übergang von der Peer-Produktion rein immaterieller Güter, z.B. Software oder Inhalte, zur Peer-Produktion von materiellen Gütern“ befinden (Schlemm/Siefkes 2009). Wo seht Ihr in diesem Prozess zugleich Schwierigkeiten oder Hindernisse?
A.S.: Die Hindernisse haben natürlich viel damit zu tun, dass hier materielle Ressourcen ins Spiel kommen. Mit den „Abfällen“ der verschwenderischen kapitalistischen Produktion kann man zwar auch schon einiges anfangen (zum Beispiel in Selbsthilfeprojekten und Umsonstläden, siehe Arbeitskreis Lokale Ökonomie Hamburg, www.ak-loek.de). Aber es gelingt uns (noch?) nicht, beispielsweise die jetzt stillgelegten Solarfabriken als Kooperative zu übernehmen, weil die Produktionskosten einfach nicht aufzubringen wären.
C.S.: Deshalb setzt Peer-Produktion weniger darauf, die vorhandenen Produktionsmittel zu „übernehmen“ und in Eigenregie weiterzuführen, und mehr darauf, eigene, neuartige Produktionsmittel und Produktionsstrukturen aufzubauen, die dezentraler sind und in der die Arbeitsprozesse auf eine Weise organisiert werden, die sie für Freiwillige attraktiv macht. Arbeitsabläufe und interne Struktur der Wikipedia beispielsweise sind völlig anders als die des Brockhaus-Verlags, obwohl beide eine Enzyklopädie erstellen. Das Herausfinden der richtigen Struktur für erfolgreiche Peer-Produktion ist dabei oft eine der größten Herausforderungen. So krankte der Wikipedia-Vorläufer Nupedia noch daran, dass man sich zu sehr am herkömmlichen Entstehungsprozess von Enzyklopädien orientiert hatte, weshalb das Projekt zunächst nicht in die Gänge kam. Auch bei materieller Produktion wird es darauf ankommen, die für Peer-Produktion passenden Strukturen, Arbeitsorte und Abläufe zu finden, wobei wir da noch ganz am Anfang stehen.
W.R.: Sabine Nuss (2006, 2007) macht in ihren Arbeiten darauf aufmerksam, dass mit der Open Source-Bewegung zwar eine Alternative zur kapitalistischen Produktionsstruktur sichtbar wird, diese aber eben nicht per se schon eine Alternative darstelle – weil ein Open Source-Produkt ja auch eine leistungsfähige Software darstellt, die im kapitalistischen Produktionsprozess wieder vernutzt werden kann.
A.S.: Dass sie „per se schon eine Alternative darstelle“, hat wohl auch niemand vertreten. Dass sie auch im kapitalistischen Produktionsprozess wieder vernutzt werden kann, sehe ich aber nicht als das Hauptproblem oder als wichtigstes Gegenargument gegen ihre „Keimform“-Funktion an. Selbstverständlich werden auch andere wichtigere Momente des Neuen, wie die veränderten Bedürfnisse und Fähigkeiten der Menschen, immer wieder krampfhaft in die kapitalistischen Formen gepresst. Gerade in der beruflichen Praxis zeigt sich häufig, dass diese in Lohnarbeitsformen eingepressten Fähigkeiten weit unterfordert werden bzw. weitgehend leer laufen.
C.S.: Dass Freie Software im kapitalistischen Produktionsprozess genutzt wird, spricht nicht dagegen, dass sie zugleich den Keim einer Alternative dazu darstellt. Um eine Aussicht auf Verallgemeinerung zu haben, muss eine Produktionsweise ja in jedem Fall „nützliche Dinge“ herstellen können, und dass diese Dinge (ob Software oder anders) dann auch für kapitalistische Firmen nützlich sein können, ist nicht weiter überraschend. Das aus der Kritischen Psychologie stammende „Fünfschritt-Modell“ gesellschaftlicher Veränderungen geht sogar davon aus, dass das Neue (die Keimform) zunächst auch nützlich für das Alte sein muss, um überhaupt die Chance zu haben, sich soweit entwickeln zu können, dass es das Alte irgendwann ablösen kann.
Das wird dann „doppelte Funktionalität“ genannt: einerseits muss die Keimform im Rahmen der alten Logik funktional sein, um sich überhaupt so weit verbreiten zu können, dass sie dem Alten irgendwann gefährlich werden kann. Andererseits muss sie im Kern ihrer eigenen Logik mit der alten Logik unvereinbar sein, so dass das Alte sie sich nicht einfach komplett einverleiben kann (siehe keimform.de/2011/faq-zum-fuenfschritt-und-zum-keimform-ansatz/). Freie Software und freie Kulturgüter wie die Wikipedia sind bei aller Nützlichkeit für Firmen zugleich im Kern inkompatibel zur kapitalistischen Logik: sie werden produziert, um Bedürfnisse zu befriedigen, nicht um Profit zu machen; und sie werden in erster Linie von Freiwilligen produziert, die selbst entscheiden, ob, wo und wie sie sich einbringen, nicht von Lohnarbeiter_innen, die sich damit ihr Brot verdienen und den Weisungen ihrer Vorgesetzten folgen müssen.
W.R.: In welcher Weise lässt sich also die Peer-Produktionsdebatte auch als Teil der Commons-Debatte lesen? Nur dann, wenn auch die Eigentums- und damit die Steuerungsaspekte mit in den Blick genommen werden? Und was könnte das heißen?
A.S.: Ich denke nicht, dass Peer-Produktion und Commons sich wechselseitig wie Ganzes und Teile verhalten. Weder ist das eine Teil des anderen, noch anders herum. Wenn es um Commons geht, wird der Aspekt der kollektiven (Selbst-)Organisierung des Umgangs mit den Ressourcen, Mitteln und Gütern betrachtet, die Peer-Produktion betont den Aspekt der Herstellung unter sozial herrschaftsfreien Bedingungen. Gemeinsam ist ihnen das Fehlen von sozialer Herrschaft.
Das Eigentum ist die rechtliche Form der sozialen Verhältnisse: Es geht um das „bewußte Verhalten […] zu den Produktionsbedingungen als den seinen“ (MEW 42: 401), wobei dieses Verhalten in bestimmten sozialen Verhältnissen stattfindet bzw. sie konstituiert. Die Frage des Umgangs mit den vorhandenen Produktionsbedingungen (auch den selbst hergestellten) wird bei den Commons betont – dass dieses bewusste Verhalten sich „erst verwirklicht durch die Produktion selbst“ (ebd.) bei der Peer-Produktion. Insoweit Eigentum als identisch betrachtet wird mit dem Ausschluss der Menschen von den von ihnen selbst produzierten Gütern und Mitteln, bedeuten Commons und Peer-Produktion die Abschaffung dieses Eigentums.
Diejenigen Ressourcen, Mittel und Güter, die ständig durch menschliche Arbeit reproduziert werden, müssen nicht nur aus den Händen der Produktionsmitteleigentümer befreit werden – sondern die Freie-Software-, Commons- und Peer-Produktionsdebatte geht zum großen Teil davon aus, dass es möglich ist, außerhalb des kapitalistischen Lohnarbeitsprozesses solche Güter neu herzustellen und sie der kapitalistischen Aneignung zu entziehen (bei der Freien Software oder den Freien Kulturgütern z.B. durch die [Creative-Commons-]Lizenzen).
Die theoretische Möglichkeit dafür wird sichtbar, wenn man annimmt, dass es neben und außerhalb der im kapitalistischen Lohnarbeitsprozess vernutzten Arbeitskraft weiteres Arbeitsvermögen gibt, das für die Entwicklung dieser neuen Güter und auch der neuen Verhaltensweisen und Beziehungen aufgewendet wird. Dass bei Marx nur die „Arbeitskraft“ thematisiert wird (und mitunter auch „Arbeitsvermögen“ genannt wird), ist der z.B. im „Kapital“ bewusst eingeschränkten Thematik zuzuschreiben. Dort geht es nicht um sich weiter entwickelnde allgemein-menschliche Möglichkeiten, sondern lediglich um die Erklärung der Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaftsform, in der das Arbeitsvermögen lediglich als Arbeitskraft behandelt wird.
Auf diese Weise ist die Schaffung von Ressourcen, Mitteln und Gütern „neben“ dem kapitalistischen Produktionsprozess zugunsten von darüber hinausweisenden neuen Lebens- und Produktionsweisen möglich. Da diese neuen Praxisformen versprechen, subjektiv befriedigender, ökologisch nachhaltiger und letztlich auch produktiver (sofern nicht die „Kapitalverwertungsproduktivität“ zählt) zu sein, werden alle Produktionsbedingungen, die nur zum veralteten Produktionssystem gehören (wie die allermeisten Fließbandtaktstraßen), unbedeutend und brauchen nicht mehr „enteignet“ zu werden, sondern sie gehören, wie z.B. die Rüstungsproduktion und die Produktion von absichtlich schnell verschleißenden und umweltschädlichen Gütern – höchstens unschädlich gemacht.
Während die von der Freien Software ausgehende bzw. mit ihr eng verbundene Peer-Produktionsdebatte diese Neuschaffung der Produktionsbedingungen betont, entstammt die Commonsdebatte stärker den realen Abwehrkämpfen gegen die Privatisierung von natürlichen Ressourcen durch den Kapitalismus. Hier geht es in direkter Weise um den Kampf gegen die Privatisierung und um die „Enteignung der Enteigner“ dieser Ressourcen. Beide Aspekte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sie sind bewusst in Verbindung zu bringen – theoretisch wie praktisch.
C.S.: Peer-Produktion setzt Commons voraus, da nur auf ihrer Grundlage eine „Herstellung unter sozial herrschaftsfreien Bedingungen“ möglich ist – sind die Produktionsmittel das Eigentum weniger, entstehen einseitige Abhängigkeitsverhältnisse zu diesen Eigentümer_innen und mit der gleichberechtigten „Peer“-Produktion ist es zwangsläufig vorbei. Deshalb ist der erste Schritt erfolgreicher Peer-Projekte jeweils der Aufbau oder die Aneignung eines Commons (Freie Software, Wikipedia etc.), auf dessen Grundlage dann weiter produziert werden kann und das seinerseits von den Peer-Produzent_innen gepflegt und weiter ausgebaut wird.
Umgekehrt sind an Commons nicht zwangsläufig nur „Peers“ beteiligt – Beispiel für Commons ohne Peer-Produktion wäre die mittelalterliche Allmende, wo sich die Bauernfamilien das Land teilen, die Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Familien aber patriarchal und herrrschaftsförmig erfolgt. Ein Element von Peer-Produktion ist aber auch hier zwangsläufig vorhanden, zumindest die einzelnen Familien bzw. „Familienväter“ müssen sich zueinander als Peers verhalten, andernfalls könnte man überhaupt nicht sinnvoll von Commons/Allmende sprechen.
Commons und Peer-Produktion lassen sich also nicht voneinander trennen, fallen aber auch nicht zwangsläufig zusammen. Auch ich sehe erst in der erfolgreichen Verbindung beider Elemente den Schlüssel zu einer neuen Produktionsweise, die dem Kapitalismus tatsächlich gefährlich werden kann.
W.R.: Danke Euch für die Diskussion!
Literatur
Nuss, Sabine 2006: Copyriot & Copyright: Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus. Münster: Westfälisches Dampfboot.
– 2007: Open Source. In: Brand, Ulrich/Lösch, Bettina/Thimmel, Stefan (Hrsg.): ABC der Alternativen. Von „Ästhetik des Widerstands” bis „Ziviler Ungehorsam”. Hamburg: VSA-Verlag, S. 148ff.
Schlemm, Annette/Siefkes, Christian 2009: Commons-Netzwerke. In: Contraste Nr. 292.
„Diejenigen Ressourcen, Mittel und Güter, die ständig durch menschliche Arbeit reproduziert werden, müssen nicht nur aus den Händen der
Produktionsmitteleigentümer befreit werden – sondern die Freie-Software-, Commons- und Peer-Produktionsdebatte geht zum großen Teil davon aus, dass es möglich ist, außerhalb des kapitalistischen Lohnarbeitsprozesses solche Güter neu herzustellen und sie der kapitalistischen Aneignung zu entziehen (bei der Freien Software oder den Freien Kulturgütern z.B. durch die [Creative-Commons-]Lizenzen). Die theoretische Möglichkeit dafür wird sichtbar, wenn man annimmt, dass es neben und außerhalb der im kapitalistischen Lohnarbeitsprozess vernutzten Arbeitskraft weiteres Arbeitsvermögen gibt, das für die Entwicklung dieser neuen Güter und auch der neuen Verhaltensweisen und Beziehungen aufgewendet wird.“
Annette hat das Dilemma einer alternativen Produktionsweise auf den Punkt gebracht: Sie muss einem über die Reproduktion hinausgehenden Arbeitsvermögen entspringen. Das war auch schon in den 80ger Jahren das Verhängnis der Alternativbewegung, die sich daran zerrieben hatte und mehr oder minder bewusst daran zugrunde gegangen ist. Sobald die Existenz der Leute voll zum Tragen kam, hat sich so nach und nach der Unwille, der bei Überforderung entsteht, durchgesetzt – seie s finanziell durch die uneingestandenen Kredite auf jedweder Ebene oder sozial durch das Versagen bzw. Brechen der sozialen Verbundenheiten. Viele haben daraus gelernt (wie zum Beispiel ich selbst), dass der Kapitalismus mit seiner Produktivität nicht von der Sache her wegzukonkurrieren ist. Außerdem kann man auf Dauer nicht leugnen, dass alleine schon die Organisation solcher Arbeit und
ihre bestehende Effizienz, also auch „Bequemlichkeit“, unserer Produktionsweise weit überlegen war, obwohl der Kapitalismus insgesamt ein absurdes und unwirtschaftliches Produktionsverhältnis ist. Aber er ist eine Gesellschaftsform und trägt von daher die Potenzen der Naturmächtigkeit der Menschen, die er als Macht des Privatbesitzes (vornehmlich in Geldform und Eigentumstitel) verallgemeinert und gegen sie ausspielt.
Warum ist es hier eigentlich so schwer, der Marx’schen Einsicht zu folgen, dass der Kapitalismus eine Produktivität schafft, die ihm selbst zum
Verhängnis wird und dass deren Eigentumsform, das Privateigentum, seinen grundlegenden Widerspruch ausmacht? Die Eigentumsfrage sollte weiterhin die entscheidende Fragestellung sein und darauf auch mit neuen Produktionsweisen und -organismen geantwortet werden – eben nur in diesem Zusammenhang. Es geht auch nicht wirklich um 3D-Drucker oder Wikipedia usw. Es geht viel ursächlicher um die Eigentumstitel an Grund und Boden, Wohnung, Ressourcen, Produktionsmittel, Gebühren, Steuern usw.. Ohne einen politisch, sozial und wirtschaftlich bestimmten Raum, wird es nicht möglich sein, die Eigentumsfrage zu beantworten.
Nur durch eine praktische Veränderung der Produktion wird sich keine Lösung der Produktverteilung und -aneignung ohne erneute Ideologisierung eines vorgestellten Gemeinwohls ergeben. Es ist zwar richtig, dass „diese neuen Praxisformen versprechen, subjektiv befriedigender“ zu sein. Aber das Versprechen wird nicht dauerhaft zu halten sein, wenn nicht eine bewusste und organisierte Veränderung der Gesellschaftsform erfolgt. Ich habe kürzlich meine Gedanken hierzu per Text und Audio unter dem Titel „Diskussionen rund ums Geld (VIII) Die Subversion der Geldverhältnisse“ veröffentlicht.
@Wolfram: Vielleicht kann man aber auch einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass die 80er Jahre schon eine ganze Generation her sind und heute einfach andere Bedingungen gelten als damals? Man sollte sich nicht von der eigenen Biographie die Erkenntnisfähigkeit verstellen lassen.
Ja, das gilt umgekehrt genauso, wenn Chrsitian schreibt:
Das stimmt halt schon lange nicht mehr für alle Commons. Der Linux-Kernel z.B. wird inzwischen sicher in 99% von Lohnarbeitern erstellt, darunter z.B. sehr viele Google-Mitarbeiter, die ganz sicher den Vorgaben ihrer Vorgesetzten folgen.
Anknüpfend an #1: Es ist im Kapitalismus nicht vorgesehen, dass neben der kapitalistischen Produktion Commoners eine ausbeutungsfreie Produktion aufziehen, von der sie leben können. Warum sollten sich die Kapitalisten auch das profitable Geschäft mit der fremden Arbeit kaputt machen (lassen)? Feierabend-Peerproduzenten, die die Eigentumsfrage nicht antasten, müssen also notwendig scheitern. Die Keimformbewegung – und ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, ehe es nicht verstanden wurde – ist bezüglich der Eigentumsfrage naiv oder ignorant.
Eigentum ist eine allgemein akzeptierte Form der strukturellen Gewalt. Allgemein akzeptiert ist Eigentum deshalb, weil es durch das Gleichnis des persönlichen Besitzes, dessen Inadäquatheit von den Wenigsten erkannt wird, bagatellisiert wird. Jeder braucht eine persönliche Zahnbürste. Und weil Zahnbürsten nicht vom Himmel fallen, soll dafür jeder arbeiten. Alles, was jemand hat, ist selbst erarbeitet. Das wird durch den Schutz des Eigentums sichergestellt. Mit seinem Eigentum kann auch jeder machen, was er will. Denn das wäre ja unhygienisch, wenn andere meine Zahnbürste anfassten. Insbesondere kann auch jeder frei Verträge schließen und sein Eigentum gegen fremdes Eigentum tauschen. Alles Eigentum ist durch gerechten Tausch entstanden, also selbst verdient. Also ist sein Eigentümer ein respektabler geschickter Händler oder fleißiger Leistungsträger. Er ist Inhaber eines Titels, der ihm Verfügungsrechte einräumt. Weil er großzügig ist, lässt er andere zum wechselseitigen Nutzen an seinem Reichtum teilhaben, lässt andere seine Geräte benutzen, um nützliche Dinge herzustellen und den Reichtum zu mehren. Er nimmt sich seiner Arbeiter an und bewahrt sie vor der absoluten Armut. Er gewährt den Besitzlosen das Privileg, sich an seinem Eigentum zu betätigen und damit mindestens ihr Überleben zu sichern. Im Gegenzug, als Entschädigung dafür, dass er seine Geräte von Fremden benutzen und verschleißen lässt, verlangt er nie mehr als die Besitzlosen zu leisten imstande sind: Ihren vollen Arbeitseinsatz, die materielle und ideelle Solidarität ihrer Angehörigen und die Produktion von Arbeiternachwuchs.
Dieser Mythos des „guten“ Eigentums, der in dieser Gesellschaft als die durchgesetzte Wahrheit gilt, ist die Rechtfertigungsideologie der herrschenden Klasse. Man ist mit der Zahnbürste gestartet und in der verschleierten und hocheffizienten Sklaverei (mit doppelt freien Lohnarbeitern) gelandet. Der Eigentumstitel, unterfüttert mit viel staatlicher Gewalt, verleiht dem Eigentümer den Schein des Edlen und Gerechten. Das Gewaltverhältnis des Eigentums erscheint plötzlich nicht mehr als Beschädigung der Besitzlosen, sondern als Wahrnehmung persönlicher Freiheit. Aus brutalen Gewalttätern sind Helden der Produktion („Unternehmer“, „Leistungsträger“) mit gesellschaftlicher Ermächtigung geworden.
Solange es in den Commons kein Bewusstsein über dieses ganz grundsätzliche Gewaltverhältnis, das die kapitalistische Gesellschaft durchzieht, gibt, werden sich die Peers vergeblich an Projekten abarbeiten, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Mit der Antwort auf die Eigentumsfrage steht oder fällt die Zukunft der commonsbasierten Peerproduktion. Derzeit wurde von vielen noch nicht einmal die Frage verstanden.
(Ich hoffe, dass mein Kommentar Absätze hat. Falls nicht, liegt das wieder an der Blogsoftware. Was muss ich tun, damit der Text formatiert wird? Ich habe in NoScript alle Skripte freigeschaltet. Woran könnte es noch liegen?)
Allemal eine spannende Diskussion!
Der heute offensichtlich bis weit über die in den 1970er und 1980er Jahren so genannte Alternativbewegung hinaus empfundene gute Klang der Rede von einer selbstbestimmt organisierten Kooperation bzw. des kooperativ organisierten Selbstbestimmens, ist wohl ein gutes Zeitzeichen. Gerade auch weil er die verbliebene und noch mehr eine wachsende Unterwerfung unter einem sozial bzw. ökologisch kurzsichtigen bis blinden Dirigismus skandalisiert, deren partielle – durchaus auch selbstbestimmt verfolgte – Vernunft die Bedingung für die Unvernunft des Ganzen ist.
Aber auch die Inseln leicht erkennbarer Vernunft freiwilliger Kooperationen bei der Her- und Bereitstellung allgemein zugänglicher Existenz- und Bereicherungsmittel (und Möglichkeiten, die als solche weiter zu entwickeln) schwimmen inmitten eines Meers (Mehrs) kapitalistisch bornierten Vernunft also Unvernunft, d.h. sie profitieren von den kapitalistischen Zwängen zur Freisetzung produktiven Potenzials. (Und haben deshalb vielleicht eine Menge gegen ökologisch vernünftige Strompreise einzuwenden)
Dem wird man am Ende nur entkommen, wenn die Globalisierten dieser Erde die verrückte Trennung von „System- und Lebenswelt“ in Richtung ihrer weltgemeinschaftlichen Selbstbeherrschung überwinden – was in meinen Augen im Übrigen durchaus für eine Aufgabe der nächsten Jahrzehnte ist bzw. sein muss.
Eine für mich offene Frage ist die nach einer vernünftigen Aufhebung des Widerspruchs, dass eine soziale Bewegung im Namen des gesamtgesellschaftlichen Vernünftigen bzw. der Entwicklung gemeinsamer (gesamtgesellschaftlicher?) Verantwortung partiell eine Schlaraffenlandperspektive einnimmt, die die kapitalistische Trennung von Produktion und Aneignung als jeweils Behauptungsbedingung nicht wirklich erschüttert. Vielleicht muss die Perspektive massenhafter Vernichtung von Verdienstmöglichkeiten infolge ebenso massenhafter Umsonstproduktion als eine notwendige weil emanzipationsproduktive Zerstörung gesehen werden, die eben die Notwendigkeit der Schaffung anderer Arten der Existensicherung in den Kernbereichen des Weltwirtschaftens demonstrieren.
Aber richtig wohl ist mir beim Gedanken ganz naturwüchsiger (also unkultivierter) Verlaufsformen dieses Widerspruches nicht.
@Wolfram: Annette mag mich korrigieren, aber so wie ich sie verstehe, will sie mit dem Arbeitsvermögen ja gerade darauf hinaus, dass es »neben und außerhalb der im kapitalistischen Lohnarbeitsprozess vernutzten Arbeitskraft« eben noch mehr gibt, was nicht in der Lohnarbeit aufgeht und aufgehen kann. Hier einfach nur wieder mit der Eigentumsfrage als Universalschlüssel zu kommen, geht total am Problem vorbei: Ist das Eigentum in kollektiver Hand, ändert sich gar nichts und das Arbeitsvermögen »außerhalb« wird keineswegs angesprochen. Das geht nur, wenn du eine neue Produktionsweise hast, und die kommt nun mal nicht bloß rechtsförmig (Änderung der Eigentumsverhältnisse) in die Welt. Das Scheitern dieses Ansatzes ist ja nun wirklich historisch gründlich bewiesen.
Es ist richtig. »dass der Kapitalismus mit seiner Produktivität nicht von der Sache her wegzukonkurrieren ist«. Genau darum geht es aber auch gar nicht. Diese Forderung zu stellen, hieße sich auf die Kategorien der Warenproduktion einzulassen und auf diesem Feld zu »konkurrieren«. Nein, es ist das falsche Feld. Es geht darum, den Kapitalismus auszukooperieren, sich also auf ein Feld zu begeben, wo wir ein »Arbeitsvermögen« (im Annetteschen Sinne) erschließen können und der Kapitalismus nicht folgen kann.
+@libertär: Ja, die Kritik an der Unterbelichtung der Eigentumsfrage in der Commons-Bewegung ist berechtigt. Sie ist dennoch nicht der Universalschlüssel, s.o.
[Blog-Tech: Warum bei dir immer noch keine Absätze kommen, ist mir ein Rätsel. Wir hatten ein Editor-Update, und danach gab’s lange keine Klagen mehr]
@Benni: Nein, der Linux-Kernel wird nicht zu 99% von Lohnarbeitern erstellt, weil dort keine Ware entsteht. Richtig ist, dass ca. 99% der Kernel-Entwickler bezahlt werden. Ob und wie sie dabei die Ziele des bezahlenden Unternehmens verfolgen (müssen), ist umstritten. Ich habe Berichte gelesen, dass das nicht der Fall ist, weil sich fremde Ziele in der Struktur der Kernel-Entwicklung nicht einfach reindrücken lassen. So blöd ist selbst Google nicht, auch wenn die inzwischen evil sind. Entscheiden tut übrigens immer noch Linus Torvalds (und der wird von einer Stiftung bezahlt).
Die Wirklichkeit sollte mit den Phrasen mit denen man ihrer habhaft werden möchte, nicht verwechselt werden. Eine kollektive Hand kann es natürlich nicht geben. Höchstens (bei entsprechender Kopfarbeit und soweit es gesellschaftlich sanktioniert und technich möglich ist) kollektiv entscheidende Hände.
Befreiung aus der existenziellen Abhängigkeit von der erfolgreichen Vermietung eines Großteils des eigenen Arbeitsvermögens bzw. aus der Notwendigkeit, es erfolgreich auszubeuten, heißt natürlich, gemeinschaftliche (am Ende z.B. auch weltgemeinschaftliche) Entscheidungsmacht über die Entwicklung und Anwendung der wesentlichen Produktionsmittel herzustellen. Rechtstitel oder ähnliches, Dinge, die die Geltung, Aufteilung, Reichweite usw. eins solchen Kollektivvermögens zur gemeineigentümlichen Steuerung der Produktion näher beschreiben, sind nicht der Punkt, sondern die Geltung (Ermöglichung) der entsprechenden Praxis.
Insofern ist die Konstruktuion eines Gegensatzes von Produktionsweise und Aneignungsrechten unsinnig. Das eine ist nur ein Aspekt des anderen.
Die Verwechsung des „realsozialistischen“ Staatsdirigismus (ohne irgend eine Möglichkeit zum herrschaftsfreien Diskurs) mit der Perspektive des gemeinsamen Eigentums, sprich der Möglichkeit und Praxis, den Stoffwechsel mit der jeweiligen Umwelt zur Her- und Bereitsstellung notweniger Güter, Dienste oder gesellschaftlicher Perspektiven sozial, d.h. auf Basis gemeinsam erarbeiteter Entscheidungen zu steuern, ist nicht nachzuvollziehen. Ich halte das für gefährlichen Unsinn. Denn das wirkt der notwendigen Sensibilität gegenüber totalitären Machtstrukturen entgegen.
Gruß hh
[Übrigens sind die Absätze bei mir auch erst einmal weg. Kanns dann aber beim Nachedieren korrigieren.]
@Hans-Hermann:
Genau. Ohne Produktionsmittel und andere Ressourcen ist keine Produktion möglich und die Erfahrung zeigt ja auch, dass da, wo eine neue Produktionsweise um sich greift, auch die Aneignungsrechte rasch thematisiert werden. Siehe derzeit die Debatten zum Thema “Wem gehört das Wissen?” / “Ist das Urheberrecht obsolet?” die mit der Ausbreitung der digitalen Peer-Produktion Hand in Hand gehen.
Nur umgekehrt wird kein Schuh daraus, die Erfahrungen mit z.B. den einst vielen besetzten Fabriken in Argentinien oder mit dem Strike-Bike zeigen ja sehr deutlich, dass aus der bloßen Aneignung vorhandener
Produktionsmittel noch keine neue Produktionsweise erwächst. Ohne neue Produktionsweise bleibt dann nur die Selbstausbeutung in direkter
Konkurrenz zur kapitalistischen Ausbeutung, was auf Dauer nicht gut gehen kann und schwerlich eine emanzipatorische Perspektive bietet.
🙂 Naklar, aber…
… neue Produktionsweisen bedeuten eben auch neue soziale Formen und Reichweiten der (Berechtigung / des Vermögens zur) Aneignung von Produktionsmitteln bzw. Mitteln der Lebens(raum)gestaltung.
Eine (welt-) kommunistische (*1) Aneignung des Vermögens zur Entwicklung und Anwendung der menschlichen (und von Menschen beeinflussten) Produktivkräfte (mitsamt des ihnen jeweils innewohnenden Schädigungspotenzials) ist eben etwas anderes (bzw. weit mehr) als dass Belegschaften selbst die (gesamtgesellschaftlich gesehen) Miniherrschaft über das konstante Kapital „ihres“ Betriebs übernehmen.
Ohne Nennung des Kontextes und der handelnden (oder zur Handlung zu ermutigenden) Subjekte ergibt das Hantieren mit den Begriffen „Aneignung“ bzw „Eigentum“ (auch Gemeineigentum oder Planwirtschaft) keinen rational erfassbaren Sinn. Diese Begriffe funktionieren dann als Fetische.
Mit Hilfe von Fetischbegriffen versuchen Menschen, Verhältnisse in den Griff zu bekommen, die nicht ohne weiteres verstanden werden können, als solche auch nicht wirklich beherrschbar bzw. nur sehr unzureichend zu steuern sind. In so einem religiösen Sinn benutzt ersetzen (durchaus auch modern scheinende) Zauberwörter (wie immer schon ganz prominent das alte „Gott“) wirkliches Wissen und das Begreifen (wo das nicht möglich oder auch nicht unbedingt erwünscht ist).
Es ist ja eines der Probleme der als solche nur notdürftig und unzureichend zähmbaren Urgewalt Kapitalismus, wo sich die Verhältnisse der Menschen bekanntlich weitgehend hinter den Rücken der Beteiligten herstellen, dass diese (Aneignungs-)Verhältnisse diese Fetischisierungsphänomene stets aufs Neue hervorbringen und dies auch vor den geistigen „Emanzipationsproduktionsmitteln“ nicht halt macht. Die sind dann zwar unter Umständen „Seufzer bedrängter Kreaturen, Geist, geistloser Zeiten“ (Marx) usw., deren Gebrauch versetzt auch oft in einen wohligen Rausch, der vielleicht nicht zu verachten ist. Aber sie können eben auch unerwünschte Halluzinationen hervorrufen und das weitere Nach- bzw. Vordenken blockieren.
Gruß hh
Anm.(*1) Wem das Wort Kommunismus unsympathisch ist, möge etwa von einer ökohumanistischen oder weltgemeinschaftlichen Aneignung sprechen)
Danke für die Diskussion, die interessanterweise genau an den noch offenen Fragen ansetzt. Insofern diese Fragen nicht gleich mit vorgefertigten Uraltantworten zugemauert werden, sollten wir die Herausforderung weiter annehmen. Das Eigentumsthema ist noch längst nicht „gegessen“. Ich bin vor einigen Monaten daran gescheitert, etwas größeres Zusammenhängendes dazu auszuarbeiten. Was mir aber aufgefallen ist: Wir sollten unterscheiden, wer welchen Eigentumsbegriff verwendet und uns nicht gleich Inhalte aus verschiedenen Bedeutungen um die Ohren klatschen.
Ich denke, es geht einerseits im allgemeinen Sinne um das (schon von mir zitierte) „bewußte Verhalten… zu den Produktionsbedingungen als den seinen“ (MEW 42: 401) und andererseits um eine spezifische Rechtsform in der bürgerlichen Gesellschaft, die eine bestimmte Eigentumsform privilegiert. Um mich gleich mal zu outen: Die in der Commonsdebatte übliche Unterscheidung von (nur als rechtliches Verhältnis betrachtetemund als solches abzulehnendem) Eigentum und Besitz (als die bessere Form der Beziehung zu den Dingen) ist mir zu einfach und entspricht weder der Vielfalt der realen Formen des „bewußten Verhaltens… zu den Produktionsbedingungen als den seinen“ noch den (historisch weit zurückreichenden) Debatten darum.
In der Diskussion wurde oft gegeneinander gestellt: „praktische Veränderung der Produktion“ gegen „Eigentumsfrage“. Dahinter stehen tatsächlich Strategien, die sich häufig primär gegeneinander definieren. Entweder: „Zuerst enteignen und dann…“ versus „Sich um das Neue kümmern und hoffen, dass das Alte (Eigentumsverhältnis) sich dabei auch erledigt…“. Letztlich sind das aber Aspekte ein und derselben Sache, was auch HHH betont („Konstruktion eines Gegensatzes von Produktionsweise und Aneignungsrechten (ist) unsinnig“).
Trotzdem sind Produktionsverhältnisse (PV) und Eigentumsverhältnisse (ETV) auch nicht auf der gleichen Ebene angesiedelt: ETV sind Moment der PV und nicht umgekehrt.
Historisch und praktisch haben wir nun zwei Strategien: einmal das Primat der Veränderung der Eigentumsverhältnisse (Sozialismusversuche, wobei der „Rest“ der PV recht unverändert blieb) und nun die Bevorzugung der Veränderung der Produktionsverhältnisse (wenigstens in den uns zugänglichen Nischen bzw. aus den überschüssigen Kräften heraus). Der erste Weg veränderte einen Teil (die Eigentumsverhältnisse), aber nicht das Ganze (die Produktionsverhältnisse) und ging schief – jetzt wird versucht, das Ganze anzupacken (wenn auch aus Nischen heraus), und die Veränderung der Eigentumsverhältnisse ist darin enthalten.
Denn ich kann ganz und gar nicht verstehen, wieso „Feierabend-Peerproduzenten“…“die Eigentumsfrage nicht antasten“. Sie machen die ganze Zeit genau das. Sie machen es aber auf eine andere Weise, als es die Strategie der „Expropriation der Expropriateure“ macht.
Ich habe schon im Beitrag betont, dass für mich die neue Qualität der „commonsbasierten Peer-Produktion“ genau darin besteht, dass hier die Fragen der neuen Produktionsweise mit der Eigentumsfrage zusammen geht. Ich habe gehofft, dass „beide Aspekte… nicht gegeneinander ausgespielt“ werden, was in den Kommentaren leider doch wieder geschieht.
Das kann ich bedauern, aber gleichzeitig möchte ich auch selbst noch mal nachhaken: Ich frage mich auch, ob das „weitere Arbeitsvermögen“, auf das ich aufmerksam mache und das von Wolfram und Stefan auch aufgegriffen wurde, wirkungsmächtig genug ist, um den „Kapitalismus auszukooperieren“ und was dazu noch nötig ist. Reicht uns der Ausschuss und der Überschuss, der aus dem Kapitalismus herauströpfelt oder -sprießt?
Wie können jene, die sich für das „Lösen der Eigentumsfrage“ stark machen, hier beitragen? Wie würde sich die Commons/Peer-Diskussion und -praxis verbessern, wenn wir (mit ihnen gemeinsam) ihre Forderung erfüllen; die Eigentumsfrage als sehr entscheidende Fragestellung zu verstehen?
Liebe Diskutanten,
Eure E-Mail-Diskussion ist sehr interessant. Die Behandlung des Themas „Freie Software“ trifft jedoch meiner Meinung nach nicht deren Kern. Freie Software ist keinesfalls die Keimform einer neuen gesellschaftlichen Produktionsweise sondern Teil des ganz regulären Verwertungsprozesses.
Zunächst – freie Software ist nichts Neues. Bis in die 1980er Jahre hinein erhielt man die Software in Quelltextform mit dem Kauf eines Computers, der damals natürlich noch einen eigenen Raum oder gar ein eigenes Gebäude erforderte. Das endete mit der massenhaften Verbreitung von (Personal-)Computern und der mit der technischen Entwicklung einhergehenden Standardisierung, die die Auslieferung vorcompilierter (= vorgefertigter) Software ermöglichte und die Anpassung an die Installation des spezifischen Kunden überflüssig machte.
Dieser Schritt sicherte Gewinne unter den Bedingungen der Konkurrenz bei Hardware und ermöglichte die Entwicklung eines Marktes für Softwarefirmen. Dadurch ergab sich ein enormer Anstieg der Anzahl verfügbarer Softwareentwickler. Hier setzte eine Dynamik ein, die zu der heutigen Landschaft mit enorm vielfältiger freier Software geführt hat, die bestehenden Marktprinzipien jedoch nicht antastet und auch gar nicht antasten kann. Sie dient stattdessen in allen ökonomisch relevanten Fällen der Ermöglichung von Umsatz und Gewinnen, die auch die Kosten für die Erstellung der freien Software tragen müssen.
Der Raum hier ist nicht ausreichend, eine tiefgehende Analyse der freien Software durchzuführen. Kurz gesagt, es gibt freie Software, die Lücken ausfüllt, die nicht kommerziell verwertet werden können und es gibt freie Software, die kommerzialisierbare Funktionalitäten bereitstellt bzw. ergänzt. Schauen wir auf die Entwicklerseite, so findern wir natürlich auch Idealisten bei der Weltverbesserrung und Hobbyentwickler ohne weitere Ambitionen. Meistens dürfte es sich jedoch Studenten und junge Wissenschaftler handeln, die sich für den Arbeitsmarkt profilieren wollen, erfahrene Entwickler, die sich so weiterbilden bzw. in ihren Firmen nicht ausgelastet sind und (früh-)pensionierte Entwickler, die nicht zum alten Eisen gehören wollen. Zentrale Projekte der freien Softwarebewegung werden oft von Firmen unterstützt, die auf diese Weise ihre Technologie etablieren sowie Kunden anziehen und binden.
Allen diesen Teilnehmern an der Produktion freier Software ist eines gemeinsam – ihre Produktion freier Software basiert darauf, dass diese Personen eine sichere und von der Produktion freier Software unabhängige ökonomische Basis besitzen bzw. die Kosten für die Produktion freier Software in die Betriebskosten der unterstützenden Firmen eingerechnet werden können.
Es findet also nicht wirklich eine neuartige Produktion statt. Neu sind lediglich einige quantitative Veränderungen: der vergleichsweise geringe Investitionsbedarf, die massenhafte Verfügbarkeit des Produktionsmittels (Computer, Internet) und der erforderlichen Kenntnisse für die Produktion. Die damit einhergehende enorme Konkurrenz stellt jedoch eine so effektive Markteintrittsbarriere wie die früher erforderlichen großen Kapitalien dar.
sehr interessante Diskussion 😀
zum Thema ‚Eigentumsfrage in den Commons unterrepräsentiert‘ kam bei uns letztens die Frage auf, wie denn noch allgemeiner „das Politische“ im Keimformansatz gedacht ist. Die Debatte Commons/Peer-Production zielt ja stark auf die Ökonomie/Produktion und organisatorisch eben tendentiell auf „selbstverwaltung“ (wenn ich das richtig verstanden habe).
Mir fällt dazu ein Buch ein, dass ich letztens las. „Die Agonie der Stadt“ von Murray Bookchin (1996). Sicherlich ist seine „Vision“ aus einer emanzipatorischen Perspektive mangelhaft, aber die „Kernidee“ der politisch unabhängigen Stadt/Kommune in einem Netz föderaler Assoziationen fand ich recht interessant.
Kennt sich da wer aus, ist so eine Idee schon mal diskutiert worden?
(ps: musste auch die Absätze nachformatieren)
Ja, das stimmt natürlich.
@Bartleby: Ist tatsächlich eine längere Diskussion, nur soviel: Freie Software ist keine Ware, sondern Entwertung des bisher von proprietärer Software besetzten Marktsegments (wir sind eben nicht mehr in den 80ern und davor). Damit wird neue Verwertung ermöglicht, richtig beschrieben. Das ist Teil der hier häufiger genannten »doppelten Funktionalität«. Dieser Begriff kommt aus dem Fünfschritt: hier und hier. Sorry, das war sehr kurz.
@Annette: Danke für deinen Beitrag 🙂
Sicher ist die »Konstruktion eines Gegensatzes von Produktionsweise und Aneignungsrechten unsinnig« — innerhalb einer Produktionsweise! Wir reden hier aber über den Übergang von einer alten in eine neue Produktionsweise. Da ist eine kategoriale Differenzierung erforderlich, weil eben sonst die übliche Fixierung auf die Aneignungsweise (patent gelöst per Eigentumsfrage) zementiert wird. Daher ist die Diskussion darum sinnvoll und notwendig.
Mit dem Begriff des Arbeitsvermögens bin ich nicht so richtig glücklich (wie ich an anderer Stelle bei dir im Blog schon mal schrieb). Der Begriff lässt sich nämlich genau nur in dem Sinne verwenden wie du es tust: Es gibt einen »Überschuss« über die normalen Arbeitskraftvernutzung hinaus. Das ist begrifflich zu dünn und unterbestimmt. Es macht nicht sichtbar, dass es zwischen der Tätigkeit zur Schöpfung aller Lebensbedingungen in einer Freien Gesellschaft (um das mal so zu umreißen) und dem funktional zugerichtetem Arbeitsvermögen (Arbeitskraft plus Überschuss) einen qualitativen Unterschied gibt, vielleicht sogar einen Bruch (weiss ich nicht). Der Begriff des Arbeitsvermögens eignet sich durchaus zur Analyse des überschießenden Moments der Verausgabung von Arbeitskraft innerhalb der Verwertungszusammenhänge, aber nicht mehr jenseits dessen.
Dennoch: Die ETV sind wichtig, keine Frage. Und sie sind in Peer-Commons-Zusammenhängen schwach thematisiert. Aber wie du sehr richtig schreibst, wird das Eigentum bzw. seine Funktion (Exklusionslogik) permanent praktisch angetastet. Und wenn es zu Konfrontationen kommt wie etwa beim Urheberrecht auch politisch. Katja Kipping sagt es so: Commons sind die moderne Form, die Eigentumsfrage zu stellen. Das stimmt.
Geht’s aber auch expliziter? Sicherlich, das wird schon noch kommen. Vor allem in dem Maße wie die Clashes zunehmen.
Indem sie sich den Begriff der Commons aneignen und dann umsetzen, was Kipping so locker daher sagt. Dazu gehört zu verstehen:
Danke, sehr schön auf den Punkt gebracht. Das heißt aber auch, die ETV haben nicht den Primat in dem Sinne, dass darüber die Lösung kommen kann. Kann nicht. Es geht aber auch nicht ohne, doch die ETV wird anders gestellt: Sie wird nicht als Frage der Rechtsform, sondern als Frage der Produktionsweise selbst gestellt. Das war im übrigen auch bei der Durchsetzung des Kapitalismus gegenüber dem Feudalismus so. Wie, das werden wir dann sehen, da kann niemand in die Zukunft gucken.
Wenn du mit »Forderung erfüllen« die Thematisierung der ETV meinst, dann wäre das sicher eine qualitative Bereicherung der Peer-Commons-Bewegung. Doch das kann nicht abstrakt-allgemeine Forderung laufen: Verstaatlichung, Betriebsbesetzung whatever als »der Weg«. Sondern es kann nur aus den konkreten Auseinandersetzungen heraus kommen. Wie etwa beim Urheberrecht. Irritierend ist dann jedoch, dass diejenigen, die sonst die ETV abstrakt hochhängen, dort konkret zurückzucken und sich auf die Seite der Verteidiger des Privateigentums schlagen (betrifft jetzt die LINKE als Partei). Da stimmt doch theoretisch etwas ganz und gar nicht.
@#13:
Nein, natürlich stimmt das nicht. Da müsste sonst konsequenterweise das Kapital von Marx kritisiert bzw. umgeschrieben werden, der mit der Warenform als Aufsammlung von Reichtum beginnt. Die Ware ist bei ihm die Form des Privateigentums, Identität von Produktion und Konsumtion, und somit ist der Markt dieser Eigentumsform die allgemeine Produktionsbedingung und hiervon nicht abzutrennen oder zu hierarchisieren. Das geht immer wieder unter, wenn man überhaupt Hierarchien in dieser Beziehung behauptet. Darum gerade geht es nicht. Sonst landet man nur über Umwegen wieder bei den Fehlern der Arbeiterbewegung in der Rede von einem Produktionsverhältnis, das die Eigentumsverhältnisse zu bestimmen habe.
Dass Eigentumsform und Produktionverhältnis identisch sind und nicht die Produktion Eigentum bestimmen kann, sondern der formbestimmte Inhalt desselben ist, sollte wirklich radikal verstanden werden. Jede Produktionsweise wird vom Privateigentum schon in dem Augenblick bestimmt, wenn die Löhne, Mieten, Steuern, Energiekosten usw. fällig sind. Und daraus sollte man sich nicht durch „Übergangsfinanzierung“ hinausmogeln. Dass Geld als Allgemeinform der Ware immer noch fällig ist, wenn irgendwas entstehen soll, sollte mit einem radikalen Verständnis der Eigentumsform als Form des Produktionsverhältnisses begriffen sein, dessen Inhalt auch im Kapitalismus selbst schon über diese hinausgreift und sie anachronistisch macht. Deshalb sehe ich in diesem Zusammenhang keine begriffliche Hierarchie, weil der Inhalt selbst ständig die Geldform sprengt und entwertet und zerstört usw.
Aber es ist nicht die Arbeit als solche, auch wenn sie privat vernutzt wird, es ist die Form des Mehrprodukts, der Mehrwert, an dem dies obsolet und also auch erkennbar wird – und sei es auch erst in der dritten Kapitalform, der Grundrente.
Weil weder ETV ein Moment der PV sein kann noch umgekehrt, sondern sich wie Inhalt und Form verhalten, spreche ich in diesem Zusammenhang nicht von Alternative, sondern von Subversion. Wir sollten die Auseinandersetzungen um die Arbeit, die Ressourcen, das Wohnen und die Aufteilung der Lebenszeit/Freizeit usw. immer in dieser Identität begreifen, und dem in verkehrter und beherrschter Form vorhandenen Reichtum sowohl in der Produktion als auch der Produktverteilung zur Verwirklichung helfen. Das kann nur sozial geschehen, als Widerstand der Menschen in einem gesellschaftlichen Bewusstsein gegen die Existenzformen dieser Gesellschaft, auch durch Beiträge neuer Produktionsinhalte und neuer Formen und Nischen, wo möglich. Doch das ist dabei nicht Voraussetzung, sondern nur Möglichkeit im Ganzen einer Widerstandskultur. Es sollte nicht überschätzt und quasi als wesentlich Neues angepriesen werden. Das ist es nun wirklich nicht.
Oh doch, es stimmt wirklich 😉
Nein, es braucht in der Hinsicht nichts umgeschrieben werden.
Dagegen ist nichts zu sagen. Die Form des Eigentums an Produktionsmittel (Privateigentum) oder besser: die privateigentümlichen Formen der Aneignung von Natur und Arbeitsprodukten (bzw. von Aneignungsrechten/Aneignungsvermögen mittels Geld(forderungen) charakterisiert ja gerade die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, „deren juristischer Ausdruck die Eigentumsverhältnisse sind“ (Marx)
Aus dem Vorwort der Kritik der Politischen Ökonomie
http://www.uni-muenster.de/PeaCon/global-texte/g-marx/vorwort-kritik-p-oe.html
Außerdem:
Marx im Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie 13, 7. S. 7-11
Na ich denke, dass das auch verstanden ist. Es gibt ja keine nicht formbestimmten Produktionsverhältnisse. Die Verhältnisse die Produzierende und Aneignende notwendig eingehen unterscheiden sich historisch in den Formen der Aneignung (z.B. privateigentümliche, gemeineigentümliche oder freibeuterische) also den Formen (und entsprechenden Existenz- bze. Abhängigkeitsbedingungen) in denen die Produktionszwecke also die Produktion bestimmt werden.
Es gibt keine unabhängig oder neben den realen Produktionsverhältnissen existierenden Eigentumsverhältnisse. Das wären juristische Illusionen bzw. Legitimations-Agit-Prop wie das „Volkseigentum“ im so genannten „Realsozialismus“. Reale Eigentumsverhältnisse die nicht einer Einbildung entspringen, sind immer (konstititives) Element der Produktionsverhältnisse, die stets wirkliche, nicht eingebildete Verhältnisse sind. Die sind zwar von der Art der Bestimmung von Aneignungsrechten gekennzeichnet, aber deshalb nicht Moment der über den Wassern schwebenden Abstraktion „Privateigentum“.
Die von Marx erwartete „Aneignung der gesellschaftlichen Produktion durch die Gesellschaft selbst“ muss als Kette von sozialen Prozessen verstanden werden innerhalb derer sich Möglichkeiten einer sozialen – im Endeffekt gesamtgesellschaftlichen – Steuerung (und damit einer gesamtgesellschaftlichen Rationalität) der Produktion entwickeln bzw. durchsetzen. Die können auch als (moderne) Vergemeinschaftungsprozesse gesehen werden, als Herausbildung einer als solche handlungsfähigen Menschheit – und entsprechender „Eigentumsverhältnisse“ also einer kommunistischen (bzw. ökohumanistischen) Bestimmung der Produktonsbedingungen, -zwecke, -megen, dem dabei in (nicht) Kauf zu nehmenden ökologischen Nebenwirkungen usw.
Ob aber in 10 Jahren oder so eine Situation eintreten wird, in der es heißt, dass das Stiftungsrecht jetzt so geändert wird, dass die IKEA-Stiftung fortan zu wirklichem Völkereigentum werden kann und Bestandteil eines weltgemeinschaftlichen Ressourcenmanagement, oder ob sich bis dahin parallel eine ökologisch korrekte World-Common based Peer Produktion an Wohnkulturgütern etabliert hat und nun zur Referenz eines globalen Nachhaltigkeitmanagement wird, werden wir sehen. Beides ist im Prinzip möglich.
Vielleicht eine Mischung.
@Stefan:
Wenn ich dafür bezahlt werde ist es Lohnarbeit mal ganz unabhängig davon, ob da hinterher ne Ware raus kommt. Arbeiter im öffentlichen Dienst sind ja auch Lohnarbeiter.
Die Leute bei Google erstellen ihren Code für die „Bedürfnisse“ von Google, die sich rechnen müssen. Sie freuen sich, wenn das im offiziellen Kernel landet, aber das ist sicher nicht ihr Hauptziel.
Was den Kernel angeht ist Google wohl sogar etwas weniger „evil“ geworden, weil sie jetzt nicht mehr ihre In-House-Erweiterungen für sich behalten, was sie wohl Jahre lang gemacht haben. Das ändert aber nix dran, dass die halt auch machen, was Chefchen ihnen sagt und es da mit Selbstentfaltung nicht weit her ist (wenn auch womöglich weiter als bei den meisten anderen Jobs).
Und auch für Thorwalds himself gilt das ganze. halt nur gefiltert durch die Stiftungs-Ebene. Aber die Stiftung wird ja genau von den Big Playern bezahlt, die Linux halt brauchen.
Jetzt sagst Du wieder „doppelte Funktionalität“. Also ich würd mal sagen, davon ist was den Kernel angeht nix mehr übrig, das ist einfach inzwischen gemeinsam finanzierte Infrastruktur der großen IT-Player und nicht mehr CBPP. Im Grunde ein Fall für das Kartellamt 😉
@Benni: ÖDler sind Angestellte und sie bekommen Gehalt und produzieren keine Waren. Sie unterliegen eben gerade nicht der Verwertungslogik, was den Neoliberalismus ja gerade anpisst und was er entsprechend angeht — entweder per Privatisierung oder per Implementierung von der Verwertungslogik diktierten Arbeitsregime (siehe etwa die ARGEn). Die pauschale »soziologische« Subsummierung von alles und jedem unter »Lohnarbeit« hilft nicht weiter (wahlweise unter »Arbeiterklasse«). Im anderen Thread hast du das in Bezug auf die werttheoretische Ebene kritisiert. Die soziologische Ebene hat aber genau das gleiche Problem.
Ähnlich pauschal finde ich deine Einschätzung der subjektiven Handlungsintentionen der Kernel-Entwickler. Wo nimmst du das her? Hast du Untersuchungen gelesen? Kannst du auf irgendwelche Daten verweisen?
Zugegeben, meine Datenbasis ist auch dünn. Die paar Artikel und persönlichen Befragungen sind schon länger her. Mich interessieren nämlich genau diese Fragen: »Wer entscheidet, was du tust?« und »Was passiert, wenn dein Geldgeber dir Aufträge erteilt«. Die Antworten waren »ich« und »dann bin ich weg«. Das mag sich geändert haben. Aber dafür würde ich gerne mal Belege sehen.
Noch zur Selbstentfaltung: Das nix exklusives für die cbPP, sondern der Widerspruch zwischen Selbstentfaltung und Selbstverwertung durchzieht alle Bereiche, auch die Lohnarbeit (nur dort kann er nicht gelöst werden).
Wenn ich einen Chef hab, der Profit machen muss, oder von Leuten bezahlt wird, die Profit machen müssen, ist es keine CBPP mehr. Punkt. Da ist mir dann im Zweifel egal ob das irgendwelche Marxologen noch als „Lohnarbeiter“ bezeichnen oder nicht.
Und ob jetzt irgendwelche hochqualifizierten Kernelhacker in der Lage sind individuell jederzeit einen anderen Job zu kriegen oder nicht, weil sie vielleicht nicht ganz so hochqualifiziert sind, oder wie sie sich dabei fühlen, das ist doch nun auch nicht wirklich die Frage.
Es gibt jede Menge Leute die glücklich sind mit ihrem ganz normalen Job (oder das zumindest behaupten), das kann also wohl kaum das Kriterium sein.
Sorry, ich nehme das zunehmend als Verblendung war. Weil es keine Ware ist, muss ja dann alles gut sein oder werden oder so. Eine solche Theorie taugt nix für die Praxis und ist somit egal.
@Benni:
Dazu kann ich dann wirklich nichts mehr sagen.
Jetzt komm mal runter. Das ist doch nun wirklich blöd und unnötig. Ich würde gerne verstehen, was dich treibt, aber so wird das wohl nix. Schade.
@Benni: Mal zurück an den Anfang. Du hattest mir unter Verweis auf den Linux-Kernel vorgeworfen, ich würde die Augen vor der Realität verschließen, wenn ich sage:
Aber wie viele der über 20.000 Packages in Debian, der über 100.000 Perl-Module auf CPAN, den Millionen von Wikipedia-Artikeln, der über 30.000 Designs auf Thingiverse etc. wurden wohl überwiegend von Leuten erstellt, die dafür bezahlt wurden, und auf direkte Anweisung ihrer Vorgesetzten hin? Ich schätze, der Anteil ist sooo groß nicht. Daher würde ich vermuten, wenn man nicht nur einzelne Leuchtturmprojekte wie den Kernel betrachtet, sondern die Gesamtheit der Commons/Open-Source-Produkte, kommen immer noch mehr Beiträge von Freiwilligen als von dafür bezahlten.
Aber vielleicht hätte ich lieber „zu großen Teilen“ statt „in erster Linie“ sagen sollen, denn ob es nun mehr unbezahlt als bezahlt erstelle Open-Source-Codezeilen gibt oder andersherum, kommt mir ziemlich irrelevant vor. Das spannende ist für mich, dass es die unzähligen Freiwilligen überhaupt gibt, denn das ist in den ökonomischen Mainstream-Modellen ja erstmal nicht vorgesehen. Und dass sie Werke hervorbringen, die kapitalistische Alternativen „auskooperieren“ (wie die Wikipedia) oder die es schaffen, für die Infrastruktur von Firmen so bedeutsam zu werden, dass diese inzwischen bereit sind, jede Menge Geld in ihre Weiterentwicklung zu investieren. Denn auch der Linux-Kernel begann als Projekt von Freiwilligen, die ihn „just for fun“ entwickelt haben, dass sollte man nicht vergessen!
Auch wenn ich die freiwillige Peer-Produktion am spannendsten finde, erscheint mir deine Trennlinie
als zu dogmatisch. So stimmt das zweifellos, wenn eine Freie Software komplett innerhalb einer Firma entwickelt wird, was es ja gibt. Das ist dann noch keine CBPP, kann aber zu CBPP werden. Denn es bietet ja die Möglichkeit, dass andere die Software aufnehmen und ihren eigenen Bedürfnissen gemäß weiterentwickeln – in Abstimmung mit den Beteiligten aus der Firma oder, wenn sich das als unpraktikabel erweist, auch ohne sie.
Wenn unterschiedliche Firmen beteiligt sind (und ggf. unbezahlte Freiwillige), entsteht IMHO etwas spannendes Hybrides. Einerseits handelt es sich sicher um keine „reine“ CBPP, weil Beteiligte mindestens zum Teil durch den Zwang, ihre Arbeitskraft verkaufen zu müssen, motiviert sind, und weil sie ihren Vorgesetzten gegenüber weisungsgebunden bleiben. Anderseits gibt es aber zu den Projektbeteiligten aus anderen Firmen kein hierarchisches Verhältnis. Und auch wenn deine Bemerkung „Im Grunde ein Fall für das Kartellamt“ anderes suggeriert, dürfte es üblicherweise keineswegs so sein, dass die Firmen in Verträgen untereinander festlegen, wer welche Beiträge in welchem Zeitrahmen erstellt. Stattdessen müssen sich die Beteiligten als Peers, auf Augenhöhe, abstimmen, welche konkreten Ziele das Projekt verfolgt und wer sich wie einbringt. Auch wenn das Lohnarbeit ist, hat es also Momente, die die bloße Lohnarbeit transzendieren und in den üblichen Modellen der Zusammenarbeit innerhalb oder zwischen Firmen nicht vorgesehen sind.
@16 Wolfram: „Weil weder ETV ein Moment der PV sein kann noch umgekehrt, sondern sich wie Inhalt und Form verhalten, …“
Hm, was ist da Inhalt und was Form? Und was meinst Du, bedeutet es, wenn das eine Inhalt, das andere Form ist?
Dass die Produktion zum Zwecke privateigentümlicher Veräußerung und Aneigung (unter Konkurrenzbedingungen) zu geschehen hat ist die Form, während der frische Fisch auf den Tisch (und das leer gefischte Meer) der Inhalt ist.
Und natürlich ist das Privateigentum an Produktionsmitteln ein konstitutionierendes Moment kapitalistischer Produktionsbeziehungen. Dass kapitalistische Produktionsbeziehungen ein konstitutives Element des Privateigentums sind, würde ich nicht sagen. Sie sind vielleicht eine Form von Privateigentum.
@Anette #23:
Unter Inhalt verstehe ich das Bestimmte, das Dasein, das nicht ohne Form sein kann (wohl haben das nach meiner Auffassung auch Hegel und Marx so gemeint). Zugleich ist er aber auch in seiner Form dadurch bestimmt, dass er Erscheinungsform von eigener Bestimmung ist, Reichtum, der nicht als menschliches Produkt, sondern als Warensammlung erscheint, also ein „gemeinsames Drittes“ enthalten muss, das sich „hinter dem Rücken der Menschen“ durchsetzt.
Die Form der Ware, die Eigentumsverhältnisse, haben eine eigene Bestimmung. Diese Formbestimmung der Ware lässt ihren Inhalt nicht gesellschaftlich allgemein werden, weil sie die einzelne Ware in einen Gegensatz zu ihrem allgemeinen Dasein als gesellschaftliche Vermittlung aus ihrer Allgemeinform, durch die Geldform dieses Reichtums bezieht. Die Ware bewegt diesen Widerspruch zwischen Erscheinung und Wesen als formellen Gegensatz ihrer Wertform zwischen Tauschwert, also Preis, und Wert. Der Preis oder relativer Tauschwert ist Wertausdruck auf dem Warenmarkt, der allgemein den Wert realisieren muss, der produziert wurde. Versteht man den Markt als Eigentumsverhältnis, so bewegt er seinem Inhalt nach Produkte, diesen aber nicht als Produktionsverhältnis, sondern als Eigentumsverhältnis, also als Inhalt, der nicht wirklich Inhalt sein kann, weil er formbestimmter Inhalt ist und das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten als sachliches Verhältnis der Produkte erscheinen lässt. Formbestimmung hat also einen doppelten, einen entzweiten Inhalt – allgemein als Eigentumsverhältnis und einzeln durch die allgemeine Privatform der Arbeit: Geld. So kann Das Produktionsverhältnis sich als Inhalt des Eigentumsverhältnisses verwirklichen und zugleich als Wert ganz allgemein dieses zugleich durch seine Geldform bestimmen.
Wichtig ist, dass Marx von einer Identität von Arbeit und Bedürfnis ausgeht, die organisch sein muss (vergl. Arbeitswerttheorie), aber (noch) keine gesellschaftliche Wirklichkeit hat. Daher existiert ihre Beziehung nur abstrakt durch die Wertsubstanz, durch abstrakt menschliche Arbeit.Die Eigentumsverhältnisse und die Produktionsverhältnisse bestehen auf dem Warenmarkt nur in abstrakter Vermittlung in ihrer Wertform zwischen relativer und allgemeiner Form. Die Eigentumsverhältnisse sind in ihrer allgemeinen Beziehung auf alle relative Formen nur abstrakt und in dieser Abstraktion Formbestimmung der Produktionsverhältnisse, aber eben in dieser verkehrten Form einer zwischen Produktion und Konsumtion entzweiten Gesellschaft, die durch ihren organischen Inhalt, durch die Entwicklung der Produktivkraft im Kapitalismus selbst immer wieder gesprengt wird (Krisenzyklus) und sich in den Finanzmarkt als eigenständige Kapitalform abheben muss.
Der Markt ist das gesellschaftliche Verhältnis der Privatarbeiten, also die abstrakte Eigentumsform gegen deren einzelnen Inhalte. Von daher kann man zwar feststellen, dass die Eigentumsverhältnisse in ihrer Allgemeinform bestimmend über die Produktionsverhältnisse sind, zugleich aber auch nur im Widerspruch existieren können. Daher ist keines über oder unter das andere zu stellen. Der Widerspruch muss aufgehoben werden, und der soll nach all den inzwischen allgemein bekannten Fehlern nicht in einer Arbeitsgesellschaft münden, sondern in einer gesellschaftlichen Beziehung von Arbeit und Bedürfnis, also in der Verwirklichung ihrer Identität. So habe ich das bei Marx verstanden.
@HHH #17:„Die von Marx erwartete “Aneignung der gesellschaftlichen Produktion durch die Gesellschaft selbst” muss als Kette von sozialen Prozessen verstanden werden innerhalb derer sich Möglichkeiten einer sozialen – im Endeffekt gesamtgesellschaftlichen – Steuerung (und damit einer gesamtgesellschaftlichen Rationalität) der Produktion entwickeln bzw. durchsetzen. Die können auch als (moderne) Vergemeinschaftungsprozesse gesehen werden, als Herausbildung einer als solche handlungsfähigen Menschheit…“
Es wäre und ist nach meiner Auffassung ein fatales Ende der Geschichte, wenn aus dem ganzen Scheiß der bürgerlichen Produktionsverhältnisse sich eine „gesamtgesellschaftliche Steuerung der Produktion“ als Vergemeinschaftungsprozess ergibt. Gesellschaft ist keine Gemeinschaft, sondern ein lebendiges Verhältnis der Menschen, Auseinandersetzung und Befriedung, Abweichung und Zugehörigkeit, Notwendigkeit und Freiheit usw. – alles in bestimmten Verhältnissen der Menschen, die nur eines nicht mehr haben sollen: Formbestimmung, also Fremdbestimmung, Ausgliederung, Aussonderung, Isolation – Macht des Gemeinen gegen das Einzelne.
Marx spricht am Anfang des Kapitals von der Ware als einen äußeren Gegenstand, als Elementarform eines Reichtums, der keinen bestimmten Bedürfnissen entspricht, sondern Bedürfnissen irgendeiner Art, die nebeneinander existieren. Solche Gegenstände sind dem Menschen entfremdete Gegenstände, die sich auf dem Markt befinden, deren Eigenschaften nur dem menschlichen Bedarf überhaupt entsprechen, die aber als solche gleichgültig, gleichgeltend auf dem Markt existieren. Zwischen Gegenstand als Form des menschlichen Reichtums und äußerem Gegenstand als Formbestimmung der Produkte, also als dem Inhalt äußere Form, ist ein wesentlicher Unterschied, den Marx in seinem Buch diskutiert, um die Aufhebung der Formbestimmtheit zu einer menschlichen Lebensform zu überführen. Und das kann keine Gemeinschaft, keine Fixation des Gemeinen sein, auch wenn es das schönste Gemeineigentum oder ein toller Bagger oder Tauchroboter oder … wäre. Das Gemeinwesen wäre darin notwendig erstarrt.
Solange man nur die Produktion betrachtet, neigt man dazu, sie „menschlicher“ zu machen, indem man darin selbst die Entfremdung behauptet – weil Konsumieren eben einfacher und angenehmer ist. Doch eine Menschlichkeit der Produktion geht nicht jenseits des gesellschaftlichen Verhältnisses der Menschen selbst, ohne ihre wechselseitigen sozialen Beziehungen, in denen sich ihre Auseinandersetzung um ihre notwendigen Bedürfnisse und deren Freiheit durch Produktion gestalten kann – also nicht vereinnahmen lässt. Ihre Individualität bewährt sich nicht in der einzelnen Genialität ihrer Beitrage, sondern im gesellschaftlichen Nutzen, den sie haben und der sich in ihrer Kultur bewährt, also auch über ihre Vernutzung hinaus besteht. Von daher sollten wir auch über die soziale und also politische Form dieses Verhältnisses reden, die immer auch eine Form gesellschaftlicher Organisation, Vorsorge und Mehrproduktion, ebenso sein muss wie Veränderung, Freiheit und zugleich Neugestaltung, die nicht gleichgültig gegen die Menschen entwickelt wird.
Von einer „gesamtgesellschaftlichen Steuerung als Vergemeinschaftungsprozess“ hatte ich nicht gesprochen, sondern von einer „Kette von sozialen Prozessen, innerhalb derer sich Möglichkeiten einer sozialen (…) Steuerung (und damit einer gesamtgesellschaftlichen Rationalität) der Produktion entwickeln bzw. durchsetzen“. Außerdem, dass gesamtgesellschaftliche Rationalität natürlich voraussetzt, dass die soziale Steuerung im im Endeffekt eine gesamtgesellschaftliche wird. Und:
Und somit das erreicht ist, was Marx „das Ende der menschlichen Vorgeschichte“ nannte. Was in deiner Sprache vielleicht heißt: Beginn der befreiten Inhaltsbestimmtheit.
Karl Marx/Friedrich Engels – Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 13, 7. Auflage 1971, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage
1961, Berlin/DDR. S. 7-11 Zitiert nach: http://www.kulturkritik.net/systematik/philosophie/mew/me13_007.htm
Also kein Ende der Geschichte proklamieren bevor sie richtig begonnen hat :-).
Womit wir dann Marx glücklich hinter uns gelassen haben und endlich bei der „modernen“ Soziologie des beginnenden 20. Jahrhunderts angekommen sind, die von Phänomenen wie dem anthropogenen Treibhauseffekt noch nichts wissen konnte.
Warum ist es nur so schwer, sich die Herstellung einer als solche handlungsfähigen Menschheit als einen lebendigen Prozess fortgesetzter Mitmenschwerdung vorzustellen in dem sich die Globalisierten dieser Erde nach und nach selbst die Freiheit nehmen, Mittel und Wegen zu finden, sich in einem herrschaftsfreien Diskurs über die Nutzung der Naturressourcen auseinanderzusetzen, miteinander zur Zufriedenheit aller Zielkonflikte und voneinander abweichende Bedürfnisse und Möglichkeiten zu bewältigen usw?
Und warum in alles in der Welt wird bei jedem Anflug eines (solcherart) kommunistischen Gedankens immer gleich dieses fürchterliche Gespenst aus der Flascheleer geholt:
Dabei gehts um das genaue Gegenteil.
#28 Ich hatte geschrieben:
Ganz im Gegenteil zu dem, wie Du es verstanden hast, geht es mir auch nicht um den von der Form „befreiten Inhalt“, sondern um eine gesellschaftliche Form, die von ihrem Inhalt bestimmt ist und keine selbständige, also dem Verhältnis äußerliche Bestimmung der Form (Ware, Wert, Geld, Kapital usw.), keine Fremdbestimmung mehr nötig hat. Dies allerdings verlangt, dass sich die Beziehungen in solcher Gesellschaft auch konkret verallgemeinern können um keiner abstrakten Allgemeinheit folgen zu müssen. Ich halte die Ausrichtung der Beziehungen an einem gesellschaftlichen Gemeingut für eine solche Abstraktion, die sich niemals wirklich gestalten lässt, weil Gesellschaft die Form dieser Gestaltung sein muss. Das geht mit rein individuellen Einfällen nicht, weil ihre Synergie auch nur aus einer hieraus bestimmten Form der Verallgemeinerung, also in einer Organisation besteht. Darum sollte es nach wie vor gehen, wenn von Kommunismus die Rede ist.
Das Produzieren von Waren und deren Aneignung mittels Kauf und Konsum befriedigt immer bestimmte, wenn auch privateigentümlich, d.h. nicht unbedingt auf Basis sozialer Refexionen und Übereinkünfte mitbestimmte Bedürfnisse.
Ich würde nicht sagen, dass die angeeigneten oder veräußerten Gegenstände den Menschen entfremdet sind. Entfremdung besteht zu wirklichen (Re-)Produktionsbeziehungen (sozialer bzw. ökologischer Natur). Ein zu bewältigendes Problem ist u.a., dass die lediglich privateigentümliche Bestimmung der Produktionszwecke (und der damit im Zusammenhang stehenden Bedürfnisse) und Mittel ihrer Befriedigung die Entwicklung einer sozial bzw. ökologisch rationalen Zwecksetzung von Produktion und Aneignung blockiert.
Das ist richtig. Produktionsverhältnisse (und die Frage nach deren Form also den Aneignungsregeln, die sie charakterisieren) umfassen eben nicht nur die Sphäre der Fabrikation von Waren in einem kapitalistischen Unternehmen sondern auch die durch Kauf vermittelte Aneignung, d.h. den Konsum. Ich rede deshalb lieber von „Produktions- bzw. Aneignungsverhältnissen“. Marx wählte den Terminus „Produktionsverhältnisse“ für den gesamten Kreislauf, weil er Distanz zu der Vorstellung wünschte, dass sich die historischen Produktionsweisen bzw. Gesellschaftsformationen lediglich in der Frage der Verteilung bzw. Aneignung des irgendwie Produzierten unterscheiden.
Natürlich muss Kommunismus der ökohumanistischen Art sehr viel mehr sein als eine bloße Humanisierung der Arbeitswelt.
@wp #29
Ok, die Sache mit der „freien Inhaltsbestimmtheit“ war ein vielleicht wenig polemisch und auch schief. Dass Formen der Vergesellschaftung von Herstellungs- bzw. Zweckbestimmungsprozessen gefunden werden müssen, die von deren Inhalten (und entsprechend tätigen Subjekten) bestimmt sind, unterschreibe ich natürlich.
Ich bin deshalb im Übrigen der Überzeugung, dass die Erarbeitung einer (welt-)kommunistischen Perspektive á la Marx/Engels (ich würde sagen: der ökohumanistischen Art) eine ernsthafte und gründliche Beschäftigung mit den existenziellen Menschheitsproblemen verlangt.
Eine neue (welt-)gesellschaftliche Perspektive kann sich nur auf Basis ernsthafter Bemühungen um deren Bewältigung (die keine Möglichkeit im Rahmen des Bestehenden voranzukommen auslassen) entwickeln, bei denen auch die Subjekte des Geschehens Lernprozesse bzw. Prozesse der Selbstveränderung durchmachen. (Weshalb ich z.B. die Unterstützung der Aktionen von „Rettet den Regenwald“ wichtig finde, bei der es ganz praktisch um eine Veränderung der Aneignungspraxis geht. Siehe http://oekohumanismus.wordpress.com/2012/11/16/ecuador/)
Damit bin ich einverstanden, und ich sehe auch nicht, dass irgend etwas von dem, was ich geschrieben habe, etwas anderes nahe legt.
Sehe ich haargenau so. Nirgendwo habe ich irgendetwas von einer Abstraktion geschrieben, vor der dann alle den Hut zu ziehen haben bzw. vor der dann alle auf der Hut sein sollten. Es sollte doch klar sein, dass es mir vielmehr darum geht, dass wir Globalisierten dieser Erde uns die Möglichkeit erarbeiten können, unsere Produktionsbeziehungen – soweit notwendig – in einem (umwelt-)bewussten Miteinander zu gestalten. Auf Basis eines am Ende weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements.
Gemeinsamkeit herzustellen (etwa in Sachen Produktionsmethoden und -mengen von Baumwollprodukten) muss doch keineswegs heißen, zur Huldigung irgend eines abstraktem Gemeinguts oder -wohls genötigt zu sein. Das wäre keine Gemeinsamkeit sondern nur eine weitere Gemeinheit.
Aber wo ist denn bei mir (oder bei Marx, auf den ich mich da beziehe) von „rein individuellen Einfällen“ die Rede? Die Individuen sollten sich in die Lage versetzen können, ihre Einfälle als beachtlichen Teil der Erarbeitung, Kontrolle und Weiterentwicklung gemeinsam (wenn auch unterschiedlich) zu verantwortender (Produktions-)Ziele nicht nur individuell zu sehen sondern sie in dem dafür notwendigen Vermittlungsprozess auch wirklich gut aufgeboben zu WISSEN.
Wir liegen da womöglich nicht sehr weit auseinander.
@#31:“Wir liegen da womöglich nicht sehr weit auseinander. “
Ok. Dann seh ich mir demnächst mal die Visionen des Ökohumanismus an
http://oekohumanismus.wordpress.com/2012/11/16/ecuador/
Und Du siehst Dir meine Vorstellungen von einer „Subversion der Geldverhältnisse“ an:
http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol116
Righty, righty, right?
Der tatsächliche strategische Konflikt, der hinter den theoretischen unterschiedlichen (einiger der hier und ähnlichen Debatten vertretenen) Standpunkten steckt, ist doch eigentlich der, dass der traditionelle Marxismus eher davon ausgeht, dass sich die sozialistischen Produktionsverhältnisse „nicht wie die kapitalistischen spontan, allmählich im Schoße der alten Produktionsweise formieren“ (Lehrbuch Einführung in die m.-l. Philosophie) und der Keimform-Gedanke ja genau hofft, dass genau das gelingen kann… Oder?
Besser als ML-Lehrbücher spricht Marx seine Vision selbst aus:
„Es wird sich … zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt.“ (MEW 1, S. 346)
Was soll dann schon „traditioneller Marxismus“ sein?
Das ist zu allgemein für die von mir aufgeworfene Fragestellung. Ich möchte daran erinnern, dass bei solch allgemeinen Übereinstimmung ein wesentlicher strategischer Unterschied bleibt, der häufig hinter unseren theoretischen Debatten steckt, aber oft nicht mehr ausgesprochen wird: Primat der „Expropriation der Expropriateure“ oder des Auskooperierens und damit quasi „Ausschleichens“ aus dem Kapitalismus (menschlich natürlich viel erträglicher).
Es würde mich interessieren, was so alles „nicht mehr ausgesprochen wird“ und vor allem warum. Oder vielleicht beschreibst Du einfach mal Deine Fragestellung etwas genauer. Mit der Abgrenzung zum ML oder dem „Arbeiterbewegungsmarxismus“ ist es ja ganz offensichtlich nicht getan und was man sich sonst noch alles so vorstellen kann mit ausschleichen und Klassenkämpfen usw.. Ob sich das alles hier diskutieren lässt, ist allerdings fraglich. Meine diesbezügliche Position ist ja ausführlich genug dargestellt, z.B. in meinem letzten Artikel:Diskuss.rundums Geld (VIII) Die Subversion der Geldverhältnisse
Im Marxismus gibt es mehrere Traditionen. ML-Lehrbücher bilden das nicht richtig ab. Ich unterscheide zwischen Sozialismus bzw. Kommunismus als Prozess im Schoße der alten Gesellschaft (wo sonst?)und Sozialismus als Gesellschaftsformation. Die entsteht mit Sicherheit nicht spontan – aber auf Basis sich mehr oder minder spontan bzw. unwillkürlich ergebenen Widersprüchen der kapitalistischen (Re-)Produktionsverhältnisse. Aus deren Problemen, aber auch deren Emanzipationspotenzial.
Als einen historischen Prozess verstehe ich unter Sozialismus Entwicklung und Verallgemeinerung der Möglichkeit, das menschliche (und vom Menschen beeinflussbare) Produktivvermögen in öffentlichen Abstimmungsprozessen entwickeln und anwenden zu können.
Meines Erachtens zielt das auf ein am Ende weltgemeinschaftliches Nachhaltigkeitsmanagement mit dem die unterchiedlichen Bedürfnisse der Existenssicherung, Bereicherung und Weiterentwicklung mit den sozialen
bzw. ökologischen Kosten ihrer Erfüllung ins Benehmen gebracht werden (kann). Die Realität solchartiger Prozesse misst sich an erkennbaren Fortschritten der Entwicklung und Verallgemeinerung des individuellen Vermögens, die Produktionszwecke und -methoden und dabei einzugehenden bzw. nicht in Kauf zu nehmenden Risiken oder Schäden mit bestimmen zu können.
Reale Existenz (öko-)sozialistischer Gesellschaftsformationen / Behauptungsordnungen des Übergangs zur weltkommunistischen Verantwortung der Produktionszwecke, -voraussetzungen und -wirkungen zeigt sich im Nachweis (!), dass diese Verallgemeinerung der Mitbestimmungskompetenz bzw. Mitverantwortung tatsächlich – und zwar unabhängig von der dafür benutzten Begrifflichkeit – der weltweit vorherrschende gesellschaftliche Prozess ist.
Was meinst du mit „menschlich natürlich erträglicher“?
Ich spreche mal aus, wie ich das wirklich sehe:
“Expropriation der Expropriateure” heißt ja positiv formuliert, dass sich die Gesellschaft als eine Gesellschaft formiert, die es den Menschen und deren Institutionen erlaubt, miteinander über die Erträglichkeit von diesen oder jenen Produktionsmethoden, -mengen, -zwecken, -mühen oder-folgen zu verhandeln um zu einem verträglichen Ergebnis zu kommen. Im kapitalistischen Mehr schwimmende Commonsinseln können dazu beitragen.
Primate? Da hat jeder so seine eigenen.
http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol116
Righty, righty, right?
Mal sehen, ob ich mir den Inhalt deines Textes zu Eigen machen kann 🙂
@36:
Wir hatten im Kontext von Oekonux.de und keimform.de schon öfter die Debatte darüber, was uns von anderen Anti-Kapitalisten unterscheidet. Dabei ist dann meist wichtig: Andere betonen die Notwendigkeit der Enteigung der Produktionsmittel, Keimform-Ansätze betonen eher das „Auskooperieren“ im Sinne: „Wir bauen uns einfach neue Pm und brauchen die alten nicht enteignen.“
Rein psychisch, darüber haben wir auch manchmal geredet, fühlen sich viele von uns damit wohler, weil wir nicht mehr so eine Kampfhaltung einnehmen müssen, sondern uns eher an den freudvolleren Aufbau in den Nischen machen können.
Nun wollen wir uns ja aber auch produktiv an die Marxsche Theorie anschließen, weil vieles davon zu gehaltvoll ist, als sie aufzugeben. Da bekommen wir aber ein kleines Problem: Marx betont zumindest im Kapital mehrfach, dass die „Arbeitskraft“ vollständig dem Kapital unterworfen ist, sobald sie gekauft wurde (sogar schon vorher…,vgl. seine Zitierung von Sismondi: „Das Arbeitsvermögen […] ist nichts, wenn es nicht verkauft wird“ (MEW 23: 187)). Unter dieser Annahme bleibt nur der Kampf um die Aneigung der Produktionsmittel, um dann als freie Produzierende neu zu beginnen.
Wir gehen dagegen davon aus, dass irgend etwas Überschüssiges an menschlicher Kraft, an menschlichem Arbeitsvermögen da ist, das einfach schon unter den herrschenden Verhältnissen immer mehr realisiert werden kann und schließlich die Ausbeutungsformen „auskooperieren“ kann. (zum Er-griff „Arbeitsvermögen“ siehe z.B. hier:
http://philosophenstuebchen.wordpress.com/2009/07/15/arbeitsvermogen/ und hier: http://philosophenstuebchen.wordpress.com/2011/09/15/mein-arbeitsvermogen/).
Bei Dir, Wolfram, (http://kulturkritik.net/oekonomie/rundumsgeld/text_rundumsgeld8.html) finde ich das auch wieder als „Verwirklichung einer längst vorhandenen Gesellschaftlichkeit des Menschen“ und dementsprechenden Aussagen.
Ich denke, das gehört zum Hintergrund der Debatte um das Verhältnis von PV und ETV.
Die Frage ist, was so ein erklärter Rückzug in (vermeintlich) Politik freie Nischen rein gesellschaftlich bedeuten würde, falls sich nicht auch noch hinreichend viele an die Arbeit machen, die Weltgesellschaft zur Erarbeitung erfolgversprechenden Strategien zur Eindämmung des Klimawandels zu befähigen – und auch dann weitermachen, wenn ihnen das gerade keinen besonderen Spaß macht.
Nicht nur unter diesem Gesichtpunkt! Es ist ja aus sehr vielen Gründen notwendig, dass sich die (Welt-)Gesellschaft in die Lage versetzt, über die Entwicklung und Anwendung von Produktionsmitteln (etwa zur Herstellung von Raumwärme, Licht oder elektrisch betriebene Bewegungsenergie) nach gemeinsam erarbeiteten Kriterien bzw. Zielen zu entscheiden.
Die Erarbeitung dieser Perspektive muss aber deshalb noch lange nicht in der Zeit der Erwerbsarbeit geschehen. Die Anti-AKW-Bewegung mehrte das entsprechende soziale Vermögen weitgehend in der so genannten Freizeit. Dass der Kapitalismus überschüssige Freizeit erzwingt, die man sich so oder auch so aneignen (und zunehmend sogar mit Produktionsmitteln wie PCs kombinieren) kann, dürfte die „Aneignung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft selbst“ durchaus erleichtern. (Ob das allerdings ohne Politik hinzubekommen ist, bezweifle ich).
Zu meinen, man könnte deshalb den Kapitalismus auskooperieren, halte ich allerdings für eine groteske Unterschätzung der Herausforderungen, vor denen wir stehen. (Wie im Übrigen überhaupt sämtlicher moralistische Anti-Kapitalismus)
@Annette
#40::
Es sind gerade nicht die Produktionsmittel, die „das Arbeitsvermögen“ bestimmen, und es ist auch nicht die Arbeitskraft, die um ihre Produktionsmittel zu kämpfen hätte, um aus dem Joch ihrer Existenz herauszutreten. Es ist schlicht deren Kauf und Verkauf. Das wird doch schon aus den Sätzen vor der zitierten Stelle im Kapital deutlich. Es geht in keiner Weise um das Vermögen an Kraft und Mittel, sondern um den Markt, auf dem dies aufeinander bezogen wird. Das meint Marx, wenn er schreibt:
Dass der Markt als Naturbedingung erscheint, wenn man kein Geld erwirbt, ist die Basis der bürgerlichen Gesellschaft, denn Geld ist die Allgemeinform des Privateigentums und sie erscheint naturnotwendig, weil ohne Geld nichts geht. Das eben ist ihre absolute Bedingung, die Reproduktionsbedingung für die Menschen, deren Lebensverhältnis sie darstellt. Die Produktionsmittel kann jeder erwerben, der genügend Geld besitzt. Ebenso kann er sich damit genauso gut die Lebensmittel besorgen. Er muss nichts anderes haben als Geld. Und er wird zum Knecht der Geldbesitzer, wenn er keines hat, – eben weil er sich durch Privatbesitz reproduzieren können muss, und sei es durch die zur privaten Anwendung veräußerten Arbeitskraft. Von daher ist er nicht durch einen Mangel an eigenen Werkzeugen enteignet, sondern durch seine ganze Existenz, die ihn eigentumslos in eine Welt stellt, die ganz auf Privateigentum beruht. Die Eigentumsfrage kann nur sinnvoll gestellt werden, wenn sie sich auf Geld und dessen Subversion bezieht. Und sie kann sich nur darauf beziehen, weil das alle Eigentumsformen betrifft, z.B. auch die Grundrente, Altersvorsorge, Energieträger, Staatshaushalt usw
Demgegenüber wird es kurios, wenn die Rede von Tauchroboter, selbstgebastelte Traktoren und Autos oder 3D-Drucker oder anderen Jungenträumen die Rede ist. Damit wird die ganze Keimform-Theorie zu einer Farce, was immer man sich damit erhofft hatte. Da kommen die wesentlichen Widersprüche und Machtverhältnisse überhaupt nicht mehr vor, was zugleich zeigt, wer da eigentlich angesprochen ist.
Was nun das andere betrifft, das Mehr an Vermögen, so kann das einerseits sich in Kulturgütern als Reichtum aus vergangener Geschichte darstellen. Aber auf die Ökonomie bezogen ist es ziemlich vollständig dazu bestimmt, sich im Mehrwert zu veräußern. Deshalb pervertiert die parlamentarische Politik auch gegen alles, was notwendig wäre: Bei schwindender Mehrwertrate steigen die Lebenshaltungskosten, die Mieten und Gebühren, während die
Wertbildung sich selbst vernichtet, weil die Ressourcen immer knapper werden. Kurzarbeit, Billiglohn, und Verlängerung der Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeit betreiben nur noch einen Strudel, in dem die Lebenssubstanzen der Menschen, ihr bisheriger Reichtum, ihre Gesellschaft und Natur, zugrunde gehen und die Entwertung der Geldverhältnisse sich dennoch nicht mehr auflösen lässt. Es wird daher noch nur für eine immer kleiner werdende Elite möglich sein, genügend Zeit für nette Basteleien einzusetzen.
Ja, es geht um die “Verwirklichung einer längst vorhandenen Gesellschaftlichkeit des Menschen”. Aber doch nicht durch die Hinzufügung gesellschaftlicher Nischen, die eh schon überzählig vorhanden sind, sondern durch die Subversion der sie beherschenden Form. Es ist letztlich die Frage, was Kritik eigentlich ist: Keim von etwas anderem oder Verwirklichung eines wesentlichen Verhältnisses, das notwendig verkehrt erscheint. Dieser gesellschaftlich „notwendige Schein“ ist keine bloße gedankliche oder ideologische Reflexion; er ist wirklich, ist die Wirklichkeit einer unwirklichen Gesellschaft. Und die hiergegen notwendige Kritik eröffnet keine neue Lebensstruktur, sondern die wirklichen Beziehungen und das Wissen um dieses Sein, das Bewusstsein, dass dies auch umkehrbar ist, weil sich darin das gesellschaftliche Wesen der Menschen erst auftut. Darauf müssen alle Strategien der Änderung setzen.
@Annette: Der »Keimform-Gedanke« ist IMHO kein bloßer Gedanke und das »Ausschleichen« oder »Auskooperieren« ist auch nicht das wesentliche Element, und zumindest mir geht es nicht darum, es mir »erträglicher« zu machen. Umgedreht könnte ich sagen, dass es viel erträglicher ist, an traditionellen Schemata festzuhalten, als sich innerhalb des emanzipatorischen Spektrums auch noch auf eine minoritäre Position zu begeben. Sondern es handelt sich um eine inhaltliche Differenz. Wer Lust hat, kann nun in Diskussionen um solche Differenzen was lernen oder lässt es halt bleiben.
Was ist die wesentliche Differenz aus meiner Sicht? Das kann ich nicht so genau sagen, sie erscheint an vielen Punkten:
Wahrscheinlich noch ein paar Punkte mehr. Alle Punkte halte ich für widerlegt. Für mich ist ein traditioneller Marxismus einer, der an diesen Punkten meint festhalten zu müssen — mehr oder weniger. »Traditionell« ist dabei kein Schimpfwort, sondern entspricht einer langen Geschichte (bei allen Differenzen im Detail). Auch ich habe das mal vertreten.
Wenn ich es auf einen Punkt zuspitzen sollte, würde ich sagen: Traditionelle Ansätze reden selten bis nie von der Warenproduktion. Sie wird als Vorausgesetztes beschwiegen. Stattdessen wird die Macht-/Eigentumsfrage beschworen.
Meine kategoriale Kritik des traditionellen Marxismus hat mich nicht weg von der Emanzipation geführt (das könnte durchaus noch bequemer sein), sondern zu anderen Essentials:
Anders als WP im vorstehenden Kommentar sehe ich hier die wesentlichen Widerspruchsfeder, demgegenüber die Priviligierung der Macht-/Eigentumsfrage im traditionellen Schema zwar logisch, aber hinsichtlich einer Transformation (qualitativ verstanden) nicht primär ist. Was soll mit einer »Macht« angefangen werden? Na ja, eben das, was historisch so an Versuchen gab. So weit ich sehe, durfte sich nur der Trotzkismus noch nicht historisch blamieren.
»Macht« wird nur politisch gedacht, wirkliche Macht ist kollektive Handlungsmacht zur praktischen Herstellung unserer Lebensbedingungen. Ja, die Herrschenden (wer auch immer) gucken da nicht einfach zu, daher kann man das »Politische« nicht einfach ignorieren. Aber es hat nicht die emanzipatorische Hebelfunktion, die ihr die traditionellen Ansätze zuschreiben. Und interessanter Weise nehmen jene Linken (die meisten, nicht alle) dann auch noch Position für das Privateigentum, sobald die Eigentumsfrage praktisch gestellt wird (wie im Bereich von Immaterialgütern), teilweise sogar rabiat.
Aber ein Defizit des »Keimformansatzes« (ist ja auch nur ein Hilfsbegriff) gibt es tatsächlich: Es handelt sich nicht um eine ausgearbeitete Gesellschaftstheorie, sondern erst um einen Beginn (aber mehr als ein »Gedanke« ist es denn schon). Insofern haben in sich geschlossene Argumentationssysteme einen Vorteil, der auch ihr Nachteil ist: Sie sind hermetisch. Deswegen kommt eine Kritik daran oft so grundsätzlich, eben kategorial daher. Demgegenüber erscheinen die praktischen Alternativen so unverbunden »unkategorial« und können leicht lächerlich gemacht werden, wenn man sich die theoretische Zumutung vom Leib halten will.
@Wolfram:
Das hier:
@Stefan: Siehst du damit neue Verbindungen zu Texten von mir wie Das „Prinzip Hoffnung“ in der Wissensgesellschaft, die versuchen, hier stärker an Bloch anzuknüpfen?Blochs Ansatz der „Ambivalenz im Vorwärtsschreiten“ spielte auch in Dahlen 2012 eine wichtige Rolle, besonders bei Fuchs-Kittowski.
@ WP #42
Es sollte uns darum gehen, sozial bzw. ökologisch gesehen vernünftigere Wege der Zweckbestimmung zu etablieren als es der privateigentümliche Wettbewerb um das (eben privateigentümlich) attraktivste und preisgünstigste Warenangebot bieten kann, das heißt, um eine (weltgesellschaftliche) Verallgemeinerung der Möglichkeit, die Entwicklung und den Einsatz des Produktivvermögens nach Zielen auszurichten, die im herrschaftsfreien Diskurs (und unter Berücksichtigung aller denkbaren Voraussetzungen und Wirkungen) ermittelt, umgesetzt, überprüft und periodisch neu bestimmt werden. (Weshalb ich im Übrigen der Meinung bin, dass die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien eine größere Aufmerksamkeit verdient hat)
@ SM # 43
Auf die Möglichkeit einer Gegenüberstellung von Produktionsweisen und Eigentumsverhältnissen zu beharren, heißt, sich auf Ewig im Kreis zu drehen.
Produktionsverhältnisse umschließen immer den ganzen Reproduktionskreislauf und unterscheiden sich wesentlich nach den Regeln, Gewohnheiten, Rechten der Aneignung bzw. Zweckbestimmung der Produktionsergebnisse (ob die nun als Arbeitskraft oder als Mittel der Lebensgestaltung angeeignet werden).
Marxisten sind, egal ob traditionell oder neu marxistisch, wohl diejenigen, die auf die Erkenntnis der Notwendigkeit von Übergängen beharren in denen sich die Möglichkeiten und schließlich Gewohnheiten einer gemeinsamen (sozial bzw. ökologisch vernünftigen) Zweckbestimmung herausbilden und dass dies erst einmal politische Einflussnahme auf das Regulierungsgeschehen in den (bestehenden oder noch zu schaffenden) staatlichen bzw. zwischenstaatlichen Institutionen erfordert.
Welche Rechtsformen die Produktionsagenturen bzw. die gesellschaftliche Bestimmung von Mitteln und Zwecken in diesem oder jenem Stadium der Entwicklung annehmen, welche Rolle welche Form von Staatsbetrieben oder öffentlich-rechtlich verfassten Unternehmen spielen, in welcher Weise und wo die Produktions- bzw. Konsumstandards (auch für Private Unternehmen) gesetzt werden, sind (so meinte das evt. Wolfram Pfreundschuh) Fragen des Inhalts, was an Ideen und Experimenten historisch möglich bzw. vertretbar (auch verantwortbar) sind, Fragen der historischen Kräfteverhältnisse usw.
(Die Notwendigkeit der Erkenntnis von Übergangsformen erspart natürlich nicht die Frage nach der Notwendigkeit der Etablierung kommunistischer Weisen der Zweckbestimmung die Markt, Staat und Gelöd nicht mehr nötig haben.)
Die Ideen der Commonsbewegung könnten da m.E. zu einer mächtigen Produktivkraft werden, deren sektiererische Interpretation könnten sich allerdings auch negativ auf die Entwicklung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen auswirken.
@ WP #42
Nunja, soweit ich diese Dinge verstanden habe, gehts dabei ja gerade auch um alternative Formen der Aneigung, also dass z.B. die Konstruktionszeichungen nicht die Form der Ware annehmen.
Das ist das Problem. Verstehe auch noch nicht recht, wie sich die Keimformer die Existenzsicherung nach deren Entkopplung von (Lohn-)Arbeit vorstellen.
@Hans-Gert#45: Ich weiß nicht genau, was du meinst. Ich habe deinen Text (nochmal) gelesen und verstehe immer noch nicht, warum du das »Prinzip Hoffnung« (mehr Bloch-Bezug ist da ja nicht) an den Markt bindest. Und warum du es mit dieser Wortwahl so auflädst. Es geht doch schlicht um die Frage der gesellschaftlichen Vermittlung. Oder? In vielen Einzelaspekten sind wir uns einig, aber übers große Bild irgendwie nicht.
@Stefan:
In der Tat, genauer allerdings geht es mE darum, eine Sprache zu entwickeln, mit der die Komplexität heutiger Vermittlungsprozesse ausgedrückt werden kann. Nach meinem Verständnis sind Marktprozesse sehr leistungsfähige Formen, um (ich sage vorsichtig) Aspekte von solchen Vermittlungsprozessen zu verbalisieren. Das war und bleibt für mich der Grund, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten.
Der Text ist über sechs Jahre alt, ich denke, seitdem ist auch mehr Bloch in meinen Texten, „konkrete Utopien“, “Ambivalenz im Vorwärtsschreiten, „11. Feuerbachthese“. Nicht wirklich systematisch, dazu fehlt mir einfach die Zeit.
@HHH#48:„Verstehe auch noch nicht recht, wie sich die Keimformer die Existenzsicherung nach deren Entkopplung von (Lohn-)Arbeit vorstellen.“
Da muss man sich wohl keine Sorgen machen. Das geht wie schon immer: Nachdem erkannt wurde, dass Theorie so ihre Gefahren in der „Begriffshermeneutik“ mit dem hermetischen hat, wird es doch endlich möglich sein, zur weit schöneren Praxis zu schreiten und die vorhandenen Existenzmöglichkeiten auszukosten und mit „selbstbestimmtem“ Leben zu füllen.
So viel anders als in München wird es anderswo ja auch nicht sein. Da gibt es z.B. das Haus der Eigenarbeit mit viel Unterstützung und äußerst preiswert, weil nur das Rohmaterial bezahlt werden muss. Wir hatten sogar mal ein ganzes Haus von dem Zigarettenfabrikanten Jan Phillip Reemtsma geschenkt bekommen, damit es von den Bewohnern und einwohnenden Betrieben selbst verwaltet werden konnte. Lediglich der Maschinen- und Papiermarkt hat dann die Druckerei aus dem Haus vertrieben, in der sich 3 bis 5 Leute fast zu Tod geschuftet hatten, weil immer der oder die eine musste, wenn der oder die andere nicht wollte. Niemand hatte sich was geschenkt, weil er es anderen schenken wollte. Bis die Verhältnisse dann endlich in eine geordnete GmbH überführt waren, außer Haus und mit Miete und Lohn usw.. Und der erste richtig alternative Naturkostladen im Haus wurde halt irgendwann von den preiswerteren Bioläden überholt. Lediglich das Informationsbüro der Anti-Imperialisten soll es noch geben. Da gibts immer wieder was, was es geben kann und was man geben muss, um auch was nehmen zu können.
Ich frage mich nur, warum dann noch diese „postmarxistischen“ Blähungen nötig sind, die sich ihren „Antikapitalismus“ beständig auf der Zunge zergehen lassen müssen. In Hamburg zum Beispiel oder Berlin gibt es doch Millionäre genug, die gerne mehr Steuer zahlen würden. Die würden eigene Projekte bestimmt auch gerne finanzieren. Die Rohstoffe könnte man vielleicht aus Bolivien beziehen und denen dafür ein paar Tauchroboter schenken. Die könnten damit bestimmt mehr anfangen, als in den doch nicht ganz so sauberen Gewässer von Berlin zu machen ist.
Nur: Warum werden dann noch so viele Vorträge und Chats gehalten? Es gibt so viel zu tun, wenn es nicht mehr drauf ankommt, was draus wird.
@HHH#48:
Darauf gibt’s zwei Antworten in Abhängigkeit davon, auf welchen Diskurs du dich beziehst: den einer Freien Gesellschaft (nenn diese wie du willst), die sich auf ihrer eigenen Grundlage reproduziert, oder den unter den dominanten Bedingungen der Verwertungslogik. Das ist nicht ganz eindeutig, da du von einer Zeit nach der »Entkopplung von der (Lohn-)Arbeit« schreibst. Eine solche Entkopplung im umfassenden Sinne ist nur möglich, wenn die gesamtgesellschaftlicher Produktion nicht mehr auf der Warenform, sondern auf freien Gütern, beruht. Vorher ist eine Entkopplung nicht möglich, bis auf Ausnahmen auch nicht individuell.
Die Existenzsicherung kann unter dominant kapitalistischen Bedingungen nicht anders als in diesen Bedingungen erfolgen. Das betrifft auch alle, die in Peer-Commons-Projekten tätig sind. Wie die Beteiligten mit den Widersprüchen und Anforderungen individuell und manchmal auch kollektiv umgehen, ist ganz verschieden.
@ SM # 52
Grundsätzlich bzw. perspektivisch:
Mein Tagträumen richtet sich auf die Möglichkeit der Etablierung postkapitalistischer Formen der Versorgung mit notwedigen bzw. wünschenswerten Gebrauchsgütern, für deren Aneignung nicht – oder nicht in allen Fällen – notwendig Leistungsnachweise erbracht werden müssen. Mein soziologischer Verstand mahnt zur Vorsicht.
Für Güter oder Dienste, die mit verschwindend geringen Umweltkosten beliebig reproduziert werden können ist die Rationalität einer solchen Entkopplung schnell nachvollziehbar. Aber sollten die Möglichkeiten der individuellen Aneigung gesellschaftlichen Reichtums nicht trotzdem weiterhin AUCH vom Nachweis abhängen (können),welchen gesellschaftlichen Nutzen die Person bewirkt? Wie ist das mit Gütern oder Diensten, deren Her- und Bereitstellung aus ökologischen Gründen zu begrenzen ist, so dass nicht genug für alle da sein wird?
Eine ökologisch korrekte (Zweckbestimmung der) Her- und Bereitstellung gesellschaftlichen Reichtums kann sich nicht hinter den Rücken der Akteure herstellen, muss eine Sache des Willens (auch des individuellen Willens) sein. Wo aber ist die Grenze zur Willkür bzw. zur fragwürdigen Erpressung von Wohlverhalten? Sind kommunistische Reproduktionsbeziehungen denkbar, deren Freiheitsgewinn so groß ist, dass keine Nostalgie nach der einkaufsparadiesischen Unschuld der mit Geld (also jenseits von gut und böse) vermittelten Abstimmung von Produktion und Konsum aufkommt? Ich kann WPs Skepsis gegen Vergemeinschaftungsprozesse schon verstehen – auch wenn ich sie notwendig finde.
Habe auch Erfahrungen mit Arbeit in Vereinen, wo ich mir manchesmal wünschte, dass man dort wenigstens zu einem Maß an gegenseitigen Respekt kommen könnte, wie er in der kapitalistischen Geschäftswelt üblich ist.
Für die Gegenwart:
Ich dachte aber mehr an die Gegenwart und nahe Zukunft. Umsonstangebote bringen bekanntlich auch Menschen um ihre Existenzmittel.
Soll dies als produktive Destruktion gesehen und in der Hoffnung in Kauf genommen werden, dass sich dann eben andere Wege finden müssen, sich auch selbst die Basis für ein ein gutes Leben zu erarbeiten?
In der Taz las ich neulich Kommentar zur Einstampfung der FTD und der FR in der sich der Autor Gedenken um die Zukunft von Qualitätsjournalismus machte (von der zumindest bei der FR früher – in dn 1980er Jahren – durchaus die Rede sein konnte). Seine Gedanken gingen in Richtung eines Angebots an Zeitungen, die öffentlich-rechtlich verfasst sind und relativ Unabhängig von der Auflage und vor allem von Zeitungsinseraten Qualität zu liefern haben. Das Recht derdortigen Journalistinnen und Journalisten auf einen gute Bezahlung für gute Arbeit muss sich also anders realisieren als durch Verkaufszahlen und Inseraten.
@Hans-Hermann Hirschelmann
Gewisse Güter können ja einfach so zugeteilt bzw. in Besitz genommen werden. Immobilien und Boden sind schon da und müssten nur noch enteignet werden. Sie neu commonistisch zu produzieren wäre unsinnig. Da nichts produziert wird, braucht es auch keine Leistungsnachweise.
„Aber sollten die Möglichkeiten der individuellen Aneigung gesellschaftlichen Reichtums nicht trotzdem weiterhin AUCH vom Nachweis abhängen (können),welchen gesellschaftlichen Nutzen die Person bewirkt?“
Wenn die Aneignung (eigtl. Inbesitznahme/Konsumtion) in einer Gesellschaft, die kein Eigentum mehr kennt, nur gemäß den Bedürfnissen erfolgt, sehe ich keinen Grund für eine Kopplung an Leistungsnachweise. Falls die Menschen bedürfnisorientiert produzieren, wird auch das Bedürfnis nach einer nachhaltigen Produktion, die nicht ihre Bedingungen oder die Existenzbedingungen der Menschen untergräbt, berücksichtigt. Da es keinen Wachstums- und Profitzwang gibt, dürfte die Gefahr, dass tendenziell immer mehr produziert wird, nicht bestehen. Ohne Wertgesetz hat ein materieller Überfluss keinen Sinn. Er würde nur stören. Eine Million auf dem Konto ist schön, aber eine Wohnung voller Fernseher ist schlichtweg nicht mehr bewohnbar.
Auch nach der anderen Seite hin – dass zu wenig produziert wird – dürfte keine Gefahr bestehen. Selbstbestimmte Arbeit ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Menschen arbeiten gerne, wenn sie ihre Arbeit für sinnvoll erachten, sie kompetent darin sind und die Tätigkeit Freude macht (weil sie z.B. nicht monoton ist oder jederzeit gewechselt werden kann). Auf eine Entlohnung kommt es dabei nicht an, sofern die Arbeiter ihre Bedürfnisse befriedigen können. Eine Kopplung von Leistung an eine Kompensation ist sogar schädlich, weil die Arbeiter ja in der Tätigkeit selbst den Zweck ihres Produzierens sehen.
Anders als einige Autoren hier sehe ich im Eigentum das Kernproblem. Ich schätze, wenn plötzlich die Durchsetzung des Eigentums entfallen würde (also z.B. die Polizei Eigentumsdelikte nicht mehr verfolgen würde), würde sich in kürzester Zeit fast automatisch eine commonistische Produktionsweise etablieren. Zunächst würden wohl Geschäfte und Lager geplündert. Aber dadurch entsteht niemandem ein Schaden, da die Waren sowieso für Konsumenten bestimmt waren. Und nun würden sie erstmals auch an nicht zahlungskräftige Verbraucher verteilt. Damit es wieder Nachschub gibt, wird man sich auf irgendeine commonsartige Produktion einigen müssen. Not macht erfinderisch. Da Eigentum nicht mehr existiert, wird man zwangsläufig ohne Werte, ohne Lohn und ohne Geld produzieren müssen.
Zum Untergang von Zeitungen:
Ich begrüße es sehr, dass Totholzschwärzen immer weniger rentabel ist. Da Information praktisch kostenlos digital vervielfältigt werden kann, hat sie keinen Wert mehr. Mit dem Niedergang der bürgerlichen Zeitungen geht nichts verloren, was erhaltenswert wäre. Sie fungieren als Propagandaorgane der Herrschenden. Für die objektive Berichterstattung über aktuelle Ereignisse braucht es keine bezahlten Medien, keine zwangsfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen und auch keine per Zwangsabgabe geförderten „Kulturschaffenden“. Im Gegenteil, die sind eher hinderlich. Im Netz kann jeder zum Reporter werden und jede Perspektive ist zulässig. Verlässliche Berichterstatter werden sich an Stelle der Organe mit dem besten Marketing oder der sicheren Zwangsfinanzierung durchsetzen.
@libertär: Und wie verhinderst Du, dass dann einfach irgendwelche Banden sich ihren Teil unter Ausschluss Dritter mit Gewalt unter den Nagel reißen? Das erscheint mir doch die realistischere Variante, wenn einfach so der Staat wegfällt von heute auf morgen. Da braucht es schon einen etwas ausgefuchsteren Übergangsprozess, „fast automatisch“ ist dann doch etwas sehr optimistisch.
Kein Wunder, dass hier so leiderschaftlichen gegen den „Arbeiterbewegungsmarxismus“ zu Felde getrötet wird.
@HHH#54:
Nein. Das haben wir doch schon, genauso, inkl. »AUCH«, so »zivilisiert« ist auch die bürgerliche Gesellschaft schon noch. Gross im Kommen ist allerdings seine unzivilisierte Form: »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen«.
Zwischen dem eigenen Willen und dem fremden Wollen (aka Willkür) besteht ein qualitativer Unterschied. Eine Freie Gesellschaft, die auf Zwang baut (personal oder sachlich), ist keine. Du brauchst eine gesellschaftliche Vermittlung, in der die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen so zur Geltung kommen, dass sie nicht als gegensätzliche Interessen auf Kosten von Teilen durchgesetzt werden, dass also niemand unter die Räder kommt. Wie das prinzipiell gehen kann, sieht man bei den Commons.
Denkbar allemal. Zu unterscheiden sind hier wieder die kommunistische Gesellschaft, die sich auf eigener Grundlage entfaltet, und der widerspruchsvolle Transformationsprozess dorthin. Bei letzterem wird es ungleich schwieriger sein, nicht an das »unschuldige Geld« zur »Vereinfachung« gesellschaftlicher Vermittlung zu denken, denn diese komplexitätsreduzierende Funktion hat das Geld nun mal (auch).
Ich kann WPs Forderung nach gesellschaftlicher Allgemeinheit verstehen, nach »Verwirklichung einer längst vorhandenen Gesellschaftlichkeit des Menschen« (wobei sich die Gesellschaftlichkeit des Menschen immer verwirklicht, auch im Kapitalismus, die Frage ist nur, wie).
„wobei sich die Gesellschaftlichkeit des Menschen immer verwirklicht, auch im Kapitalismus, die Frage ist nur, wie“
Dass der Kapitalismus nicht eine Gesellschaftlichkeit des Menschen sein kann, solange er die Gesellschaftlichkeit des Werts ist, das war doch schon mal klar. Oder? Und dass Gemeinschaft nicht Gesellschaft ist, sondern ein Verein, kann auch schon seit der Kritik von Marx an Bruno Bauer und Max Stirner allgemein bekannt sein.
Kapitalismus stellt(e) Gesellschaftlichkeit in vielen Aspekten und Dimensionen erst her z.B. nationale und Weltgesellschaftlichkeit. Davon ausgehend, dass mit „Gesellschaftlichkeit der Arbeit“ (Marx) bzw. der Produktion erst einmal lediglich die Tatsache des Füreinanderproduzierens benannt ist.
Die kapitalistischen Formen der Entwicklung des (entsprechend kapitalistisch bestimmten) Füreinanders sind allerdings durch Isolation der Produktions- bzw. Aneignungssubjekte und ihrer jeweiligen Behauptungsbeziehungen voneinander (und damit von ihren Lebensbedingungen) gekennzeichnet. Die Produktionsinhalte bzw. Inhalte des Konsumierens inklusive deren Voraussetzungen und (Neben-)Wirkungen, zusammengefasst: die (Re-)Produktionsverthältnisse, sind in Gesellschaften mit kapitalistischer Produktionsweise von entsprechend privateigentümlichen Motiven bestimmt und deshalb der Notwendigkeit, außerhalb des direkten gesellschaftlichen Interessenausgleichs stehende „neutrale“ Instanzen zu schaffen, die die allgemeinen Geschäftsbedingungen definieren und durchsetzen.
Nach Marx/Engels steht die Tatsache des Füreinander-Produzierens im Kapitalismus im Widerspruch zu den privateigentümlichen Formen der Aneignung bzw. Zweckbestimmung (Kaufen und Verkaufen der Arbeitskraft und anderer Waren, Wettbewerb um privateigentümlich attraktivste Angebot, privateigentümliche und Klasseninteressen (re-)produzierende Aneignung der zentralen Vergesellschaftungs- bzw. Bereicherungsmittel wie z.B. auch Geld).
Deren Erwartung war, dass sich dieser prinzipielle Widerspruch im Verlaufe der geschichtlichen Entwicklung der materiellen und (damit in Wechselwirkung stehend) geistigen Produktivkräfte (mitsamt der Entwicklung ihres Zerstörungspotenzials) zuspitzen wird und Veränderungen der (tatsächlichen, nicht eingebildeten) Aneignungsweisen und damit der (Re-)Produktionsverhältnisse bzw. Formen der Arbeitsteilung notwendig UND prinzipiell möglich machen wird. Und dies eine Periode sozialer Umwälzungen heraufbeschwört. (Was die nächsten Jahrzehnte tatsächlich kennzeichnen könnte).
Wobei die Herausbildung der Gesellschaftlichkeit in der Zweckbestimmung der Produktion (Das Miteinander als Voraussetzung des Füreinanders) natürlich im Schoße der kapitalistischen Vergesellschaftung geschieht, und es notwendig ist, herauszuarbeiten, wo bzw. womit sich entsprechende Vergemeinschaftungsprozesse abspielen, was die in ihnen steckende Potenziale sind und welche Umständen die Wahrscheinlichkeit beeinflusst, dass sie sich so oder auch so weiterentwickeln.
Nicht nur Wolfram Pfreundschuh lehnt ja den Begriff der Vergemeinschaftung (man könnte das auch realen Kommunismus nennen) für die naturgemäß widersprüchlichen sozialen Prozesse der Emanzipation aus der Isoliertheit der Aneignungs- bzw. Zweckbestimmungssubjekte und -vorgänge (also deren privateigentümliche Borniertheit) ab.
Oder positiv formuliert: für die Entwicklung gesellschaftlicher Formen der Zweckbestimmung auf Basis der bewussten Mehrung eines (umwelt-)bewussten Miteinanders.Das ist verständlich, weil die Welt sehr viele reaktionäre, repressive und in sofern illusionäre Formen der „Vergemeinschaftung“ kennen gelernt hat und mit Gemeinschaft (z.B. Weltgemeinschaft) selten eine Erweiterung individueller Freiheiten in Verbindung gebracht wird. Den guten Gründen für dieser Art Einwände muss sich ein moderner (Öko-) Kommunismus stellen – aber auch deutlich machen, dass erzwungene Gemeinsamkeiten definitiv keine sind.
Dabei wäre erst einmal zu klären, welche Produktionszwecke bzw. -voraussetzungen und -wirkungen in welchem Umfang von welcher Art Subjekten VORDRINGLICH gemeinsam zu bestimmen wären. Dazu gehört mit Sicherheit die Produktion ausreichender Möglichkeiten zur Eindämmung des anthropogenen Treibhauseffektes oder den Verlust an Wald, Böden oder der biologischen Vielfalt zu stoppen. Dann eine vernünftige Steuerung der Landfluchtprozesse. Ob man von der Notwendigkeit spricht, die Erdatmosphäre als ein globales Gemeineigentum bzw. einem Weltcommon zu behandeln oder dass sich bei jeder einzelnen Person und jeder Institution die Fähigkeit entwickeln soll, in der Hinsicht globale Verantwortung zu übernehmen, drückt das Gleiche aus.
Jedenfalls sollte Klarheit darüber bestehen, dass es in dieser Hinsicht eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Nachhaltigkeitmanagements bedarf und dass deren planmäßige Herstellung von den heutigen Verhältnissen auszugehen hat. Also danach zu schauen ist, was sich in Richtung einer ökologisch vernünftigen Festlegung, Finanzierung und Umsetzung von Produktionsstandards -zwecken, -mengen usw entwickelt oder sich entwickeln lässt – und zwar auf nationaler, regionaler, lokaler, globaler und sektoraler ebenso wie auf individueller Ebene. (Dazu gehört m.E. auch eine konstruktive Begleitung des Beschlusses der UN-Umwelt- und Entwicklungskonferenz in Rio im Sommer 2012, bis 2015 Nachhaltigkeitsziele zu entwickeln)
Noch einmal: Was tun, wenn bei einer sozial bzw. ökologisch betrachtet verantwortlichen Produktion von Baumwolle nur noch ein Drittel oder bei der Erzeugung des Gebrauchswert Fleischverzehr noch ein Fünftel der bisherigen Menge hergestellt werden kann – und das unter den gegebenen Produktionsbedingungen hunderttausend- oder millionenfach Menschen (vor allem in der Chemieindustrie) um die gewohnten Existenzmittel bringen müsste?
Das könnte erst einmal in Richtung einer ökologischen Reform der Welthandelsregeln hinauslaufen – die eine weltgesellschaftliche Definition von Produktionsstandards oder-mengen ermöglichen. Auch dass (angepasst an den jeweiligen Möglichkeiten und Bedürfnissen) Übergangsfristen für nationale, regionale, sektorale usw. Umbaustrategien ausgehandelt und dass solidarische Wege gefunden werden, dies alles allen auch möglich zu machen.
Die sozial bzw. ökologisch verantwortbare Anpassung der Aneignungsbedingungen an die modernen Möglichkeiten der Herstellung und Vernichtung eines guten Lebens ist also eine recht vielschichtige Angelegenheit und mit frommen Formeln wie „dann wird eben für die Bedürfnisse produziert“ (in der Illusion, dass Bedürfnisse immer gut sind) nicht hinzubekommen.
@Wolfram:
Kapitalismus als »Gesellschaftlichkeit des Menschen« oder als »Gesellschaftlichkeit des Werts« klingen beide komisch. Klar ist es mir folglich nicht.
Mit Gesellschaftlichkeit des Menschen meinte ich die genuine individuelle Potenz, sich zu vergesellschaften, also in Gesellschaft hineinzuwachsen und an ihr teilzuhaben. Diese Potenz ist formunabhängig. Also ist auch der Kapitalismus eine Gesellschaft (ohne ~lichkeit) des Menschen. Wert ist die abstrakte Allgemeinheit, die die gesellschaftliche Vermittung bestimmt. Beides ist jedoch kein äußerliches Verhältnis, sondern der Wert ist die bestimmende Form, in der sich die Gesellschaftlichkeit des Menschen realisiert, denn das ist nun mal die dominante Form der gesellschaftlichen Vermittlung.
Hingegen, dass Gemeinschaft nicht Gesellschaft ist, ist völlig klar. Nur haben es Menschen nie mit der ganzen Gesellschaft zu tun, sondern nur mit Ausschnitten, in denen sich das Ganze zeigt. Es geht also sowohl um das Vermittlungsverhältnis von Individuen wie von Gemeinschaften zur Gesellschaft. Daher finde ich an Gemeinschaften die Strukturmomente ihrer Konstitution relevant und nicht so sehr die konkreten Erscheinungsformen derselben, die beliebig vielfältig sein können.
@HHH:
Wofür denn sonst?
Ob die Bedürfnisse gut oder nicht gut sind, ist die falsche Frage, die, wollte man sie (praktisch) beantworten, notwendig in autoritären Bevormundungsstruktruren endet. Die Frage ist einzig, ob die Produktion für die Bedürfnisse in einer Form geschieht, dass die einen Bedürfnisse (ggf. der einen Menschen) auf Kosten von anderen Bedürfnissen (ggf. von anderen Menschen) geht. So läufts im Kapitalismus, und das bekommt man nicht mit Fremdplanung aus der Welt.
@Stefan:„Mit Gesellschaftlichkeit des Menschen meinte ich die genuine individuelle Potenz, sich zu vergesellschaften, also in Gesellschaft hineinzuwachsen und an ihr teilzuhaben. Diese Potenz ist formunabhängig. Also ist auch der Kapitalismus eine Gesellschaft (ohne ~lichkeit) des Menschen. „
Ja, das ist wohl der Knackpunkt des Problems: Die Behauptung, dass es eine „individuelle Potenz“, also eine durch Potenziale der Individuen vorausgesetzte „Fähigkeit“ gibt, „sich zu vergesellschaften, also in Gesellschaft hineinzuwachsen und an ihr teilzuhaben“, ist ein Widersinn in sich, weil es kein Individuum vor aller Gesellschaft geben kann. Es war auch geschichtlich zunächst der Mensch gesellschaftlich entstanden und Individuen haben sich erst aus dieser Gesellschaft in den letzten 400 Jahren aus ihr hervorgehoben, zu eigener Ex-Istenz bringen können. Dazu gibt es auch bei Marx interessante Abhandlungen (siehe hierzu auch http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=gesellschaft).
Fremdplanung? Diese Benamsung weist auf eine sehr privateitgentümliche „Aneigung“ der von mir formulierten Perspektive hin 🙂
Ich empfehle, ein wenig mehr (Öko-)Kommunismus zu wagen 😉
@sm #61
Die Behauptung dieses (sich aus so einer vermeintlich „falschen Frage“ ergebenen) Determinismus ist schon interessant. Da möchte ich nicht wissen, wie eine solcherart „befreite Gesellschaft“ die Menschheit vor diesen und anderen meiner „falschen Fragen“ schützen würde. Dass mein bloßer Hinweis auf die Fragwürdigkeit mancher Bedürfnisse,und dass einige von denen besser nicht erfüllt werden sollten, so eine hysterische Reaktion auslöst, gibt schon zu denken. Die Freiheit der dabei propagierten „Freien Gesellschaft“ scheint in der Freiheit von jedweder Gesellschaftlichkeit zu bestehen und auf eine Fortsetzung der einkaufsparadiesischen Unschuld mit anderen Rechtfertigungsmustern hinaus zu laufen.
Die Bevormundung ergibt sich eben nicht aus der Möglichkeit einer (welt-)kommunistischen (auf einen herrschaftsfreien Diskurs aller Beteiligten gründenden) Vermittlung von Produktion und Konsum, sondern aus der gegenwärtigen Unmöglichkeit einer solchen Praxis und – wie wir gesehen haben – der Schwiergkeit die (welt-)kommunistische Variante auch nur zu denken.
Das ist nun mein Einwand mit anderen Worten wiederholt. Und natürlich werden die Menschen sich auf eine Hierarchie von Bedürfnissen einigen, wenn sie die Möglichkeit haben, die unterschiedlichen Bedürfnisse und die sozialen bzw. ökologischen Kosten oder Reichtumsgewinne ihrer Befriedigung miteinander ins Benehmen zu setzen. (In einer Versammlung obsiegt inzwischen glücklicherweise das Bedürfnis nach frischer Luft dem Bedürfnis, frohen Herzens mit Zigarettenqualm um sich zu pusten. Das war mal anders. Sollte sich die (Welt-)Gesellschaft etwa keine Ziele setzen in Richtung Methoden und Mengen der Tabakproduktion?
Von Fremdplanen ist bei mir nirgends die Rede.
@WP#62: Lies meinen Satz mal ontogenetisch, nicht historisch.
@HHH: Mit »Determinismus« u.ä. lenkst du nur von den Inhalten ab. Ist die Frage, ob Bedürfnisse gut oder nicht sind, richtig? Dann begründe das mal.
Und: Wenn du Fremdplanung auch nicht willst, wie sähe denn eine Selbstplanung aus? Oder etwas anders?
@SM # 65
Habe ich immer wieder gemacht. Wenn ich Zeit dazu finde, suche ich dir die Kommentare heraus.
Die Frage ist, wieso du mir trotzdem das Gegenteil unterstellst. In deinem Diskussionsstil fortfahrend müsste ich wohl sagen: Du willst nicht wahrhaben, dass Einwände am Bedürfnisbefriedigungsdogma an deiner stählernen Weltbildhülle abprallen. (Nebenbei gesagt: Die Unterstellung unredlicher Absichten scheint mir nicht gerade Wesensmerkmal eines herrschaftsfreien Diskusres zu sein).
Was ist das anderes als ein behaupteter Determinismus. Du behauptest, dass das Hinterfragen von Bedürnissen, würde das praktisch (also als lebendiges Element der Produktionsverhältnisse) geschehen, NOTENDIG in autoritären Bevormundungsstrukturen endet. So what?
In Wirklichkeit ist die Möglichkeit des gemeinsamen Hinterfragens von Bedürfnissen Indikator (und zugleich notwendige Voraussetzung) der Emanzipation aus autoritären Bevormundugsstrukturen. Die privateigentümliche (kapitalistische) Art einer „verdinglichten“ Vermittlung von Produktion und Konsum determiniert jedenfalls das Heranwachsen eines Bedürfnisbefriedigungsmonsters. Und das ist schon so weit gewachsen, dass es dabei ist, die Erde kahl zu fressen.
Die einkaufsparadisische Unschuld hält erwachsene Menschen in einen kleinstkindlichen Zustand. Welche sozialen bzw. ökologischen Voraussetzungen und (Neben-)Wirkungen die gegebene Menge an Befriedigung des Bedürfnisses nach dem Konsum von Fisch, Fleisch, Baumwolle, PKWs usw. hat, ist im Kapitalismus keine Frage. Das sind Fragen einer sich herausbildenden menschlichen Gemeinschaft.
Selbstplanung? Ist miteinander planen, umsetzen, überprüfen, weiterentwickeln wo und von wem das als notwendig erkannt ist – idealtypisch unter Einschluss aller Beteiligten bzw. davon Betroffenen. Ist ne Planung im Rahmen eines gemeinschaftlichen (z.B. weltgemeinschaftlichen) Nachhaltigkeitsmanagement und jedenfalls eine, die ohne Stasi, staatsparteilich zensierte Medienlandschaft und Androhung von Gefängnisstrafen für die Veröffentlichung von Umweltdaten auskommt.
@Hans-Hermann:
Ach komm, du weißt doch genauso gut wie alle anderen, die hier auf
einem ernsthaften Niveau diskutieren, dass es nicht die unersättlichen
Konsument_innen sind, die die armen Kapitalisten vor sich hertreiben.
Während diese ohne die Konsument_innen, die ihnen mit ihrem ständigen
„Produziere gefälligst für unsere Bedürfnisse!“ in den Ohren liegen, ihr
Geld natürlich viel lieber im Tresor liegen lassen und ihre Fabriken
stilllegen würden. Das wahre Monster sind doch nicht die Bedürfnisse,
sondern das Kapital, um dessen Vermehrung sich alles dreht.
Genau, aber das sind doch Fragen, die nur vor dem Hintergrund der
Bedürfnisse verhandeln werden können. Wenn z.B. mein Bedürfnis nach
Fleisch mit deinem Bedürfnis nach „schöner“, nicht vollkommen
überweideter und (agrar-)industriell überformter Natur kollidiert,
müssen wir uns da irgendwie einigen. Vielleicht muss ich beim
Fleischkonsum Abstriche machen, vielleicht musst du dein Ideal einer
unberührten Natur ein Stück weit aufgeben. (Nicht wenige Menschen
scheinen sich zum Beispiel vom Anblick von Windrädern auf Wiesen oder
Hügeln ästhetisch gestört zu fühlen. Ich denke, die werden sich in einer
künftigen Gesellschaft, die zwangsläufig primär auf erneuerbare
Energiequellen setzen wird, daran gewöhnen müssen, statt alle anderen
zum radikalen Verzicht auf Energie oder zur Verwendung deutlich
problematischer Energiequellen wie Atomenergie zwingen zu können.)
Ich denke aber, wenn es tatsächlich um die Bedürfnisse geht und nicht
(wie heute) um die Kapitalvermehrung, sollte es meist möglich sein,
Lösungen zu finden, bei denen kein Bedürfnis ganz auf der Strecke
bleibt. Weder werde ich in einer vernünftig eingerichteten
peercommonistischen Gesellschaft aufs Fleisch verzichten müssen, noch du
auf die Natur. Voraussetzung für die notwendigen Einigungs- und
Aushandlungsprozesse ist es aber, die Bedürfnisse der anderen ernst zu
nehmen und sie nicht von vornherein für illegitim zu erklären. (Wie du
es z.B. tust, wenn du über das „Bedürfnis, frohen Herzens mit
Zigarettenqualm um sich zu pusten“ lästerst.) Sonst redet man nämlich
nicht mit anderen, sondern urteilt über sie, und daraus kann nichts
Gutes erwachsen.
Ich habe nichts anderes behauptet. Die kapitalistischen Verhältnisse bestimmen das kapitalistische Verhalten – und dessen privateigentümlich verdrehte Wahrnehmung, die bereits das Denken an eine vernünftige Vermittlung von Produktion und Konsum verunmöglicht.
Ja, so kann man das Problem schön verniedlichen. Solche Zwei-Personen-Konstrukte sind ja nicht umsonst das Lieblingswerkzeug liberalistischer Ideologen. Hier mal ein paar Einblickmöglichkeiten in Richtung der gesellschaftlichen Dimensionen des Problems. (Nicht zuletzt gehts dabei um Maßnahmen zur Eindmmung des Klimawandels)
http://www.future-on-wings.net/konsum/zu_viel.htm
http://sos-klimawandel.info/beitraege/84-noam-mohr-interview.html
http://www.regenwald.org/news/4703/gewalt-gegen-guarani-indigene-haelt-an
Es kann bei der Entwicklung neuartiger sozialer (nach Marx weltkommunistischer) Arten der Vermittlung von Produktion und Konsum eben nicht um zufällig subjektiv empfundene Bedürfnisse zufälliger Einzelner nach „reiner Natur“ oder „feinem Braten“ gehen. Übrgens: Bin ich in deinen Augen ein Naturromantiker, weil ich es weitaus aufregender finde, in einem Filmbericht über den Amazonaswald von Froschmännchen zu erfahren, die die abgelegten Eier einzeln im Maul mehrere hundert Meter in die Baumkronen tragen um sie dort in Blattpfützen zu legen als das Mc Donaldsangebot zu genießen, für das solcherart Lebenszusammenhänge ausgerottet werden?
Was die Fleischprodukton angeht werden sich die Globalisierten dieser Erde am Ende wohl auf humanistische Mindeststandards in Sachen Haltungsbedingungen und biologischer Vielfalt, auf sozial bzw. ökologisch verantwortbare Anbaubedingungen für Futtermittel sowie auf Höchstmengen der Fleischproduktion einigen müssen. Und da düften dann die Fleischgenießer selbst daran interessiert sein, dass es in ihrem Verantwortungsbereich möglichst viele Vegetarier oder gar Veganer gibt.Mehr dazu #59
Es sollte uns jedenfalls um erweiterte Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Vermittlung unterschiedlicher Bedürfnisse mit Standards bzw.Notwendigkeiten einer nachhaltigen Entwicklung gehen.
Naja, so können nur Raucher daher reden. Dass hier inzwischen der Schutz der Nichtrauchenden höher gewertet wird als das Rauchbedürfnis, ist ein zivilisatorischer Fortschritt erster Güte. Ich hoffe die Freiheit der befreiten Bedürfnisbefriedigungsgesellschaft besteht nicht in einer Umkehr dieses Fortschritts.
Wie immer: die Freiheit, eine Belästigung Belästigung nennen zu dürfen, gehört jedenfalls geschützt.
Wir hatten gerade eine spannende Konferenz hier in Leipzig, auf der insbesondere auch „Fablab experience“ von Fablab-Betreibern eine sehr praktische und auch theoretische Rolle spielte. Lesenswert dazu ein Interview mit Eric Poscher im Vorfeld.
Auf dieser Session wurde auch ein Film gezeigt, wo Akteure in drei Worten sagen sollten, was denn eine Fablab ist. Typische Antworten: „cool machines to do cool stuff“, „share constructions, share solutions“, „environment of tools and processes“. Nachfragen aus dem Auditorium, u.a.: Finanzierung? „Na ja, irgendwie bekommen wir das nötige Geld immer wieder zusammen.“ Business model? (insistierend – model, nicht plan) „Nö, so was haben wir nicht.“
Ich kann deshalb Annette und Stefan nur beipflichten, dass hier sehr fundamentale Änderungen stattfinden, für die überhaupt erst sinnvolle Begrifflichkeiten gefunden werden müssen, um darüber zu sprechen. Offensichtlich helfen dabei weder die Worte „Eigentumsverhältnisse“ noch „Kapitalismus“ weiter, wenigstens nicht in ihrer klassischen semantischen Aufladung.
Wolfram #1 schrieb
Die Bewegungsform dieses Grundwiderspruchs hat Eben Moglen m.E. treffend wie folgt beschrieben: „But the law of bourgeois property is not a magic amulet against the consequences of bourgeois technology: the broom of the sorcerer’s apprentice will keep sweeping, and the water continues to rise.“ Es ist eine komplexe praktische Bewegung mit Erfolgen und Rückschlägen.
Genau das scheint nicht (mehr) zu stimmen, denn bei all den praktischen Erfahrungen spielt „empowerment“ (deutsch wohl mit „Selbstermächtigung“ deutlich besser übersetzt als „Selbstentfaltung“) eine zentrale Rolle, Momente des Spielens mit allem, was diese kapitalistische Gesellschaft zu bieten hat, auch Spielen mit Eigentumsfragen. Spielen bedeutet, nichts davon verbissen zu sehen, denn
dafür ändert sich die technologische Welt derzeit viel zu schnell.
Das offensichtlich auch nicht. Räume werden erstritten, okkupiert, konstruiert, aber auch wieder aufgegeben und verlassen. Nichts ist auf Dauer angelegt. Spannend und bisher kaum reflektiert, dass die virulentesten Zentren des Neuen an Orten entstehen, wo das große Geld gerade im Abfluss ist – aufgelassene Fabriken, ganze Viertel, klamme Kommunen -, und wenn das große Geld zurückkommt (Gentrifizierung), dann findet auch da kein verbissener Kampf statt (aber Kampf schon, es wird selten etwas kampflos überlassen), sondern eher Ausweichbewegungen. Aber das große Geld macht ja auch nicht tabula rasa, sondern nimmt, was es vorfindet („grüne Wiese“ spielt für diese „Investoren“ kaum eine Rolle), d.h. die „Commodifizierung“, die Benni #18 anprangert, ist offensichtlich Teil eines funktionalen Zusammenhangs, den man erst mal besser verstehen müsste.
Auch der Zusammenhang zwischen diesen Graswurzelbewegungen und Momenten komplexerer Stadtentwicklung ist m.E. unterbelichtet. Charles Laundry, angekündigt als „Urbanist“, meinte dazu in seiner Leipziger Conference Keynote: Crises drive cities to change. Ähnlich Michael Lewis (Executive Director des CCE – Centre for Community Enterprise, Vancouver British Columbia, Canada) vor sechs Jahren bereits in Leipzig mit dem Thema „Solidarische Ökonomie – Alternativen zum Ausverkauf der Stadt“ über ähnliche Erfahrungen (siehe dort seine Folien) in der Region Montreal.
@HHH, Christian: So oder so läufts doch im Grunde wie so oft darauf raus, dass die Einschätzung wieviel Zwang nötig ist um Bedürfnisse, Fähigkeiten und Ressourcen angemessen zusammenzubringen, eben unterschiedlich ist, oder?
@ benni #71
Wir sind uns sicher einig, dass Zwang bei dieser Vermittung so weit es geht abgebaut und möglichst ganz aus der Welt geschafft werden soll und dass dies insbesondere für die hinterrücks wirkenden Zwänge von Behauptungsbedingungen gilt, die etwa dafür sorgen, dass nachhaltiger Umgang mit Natursressourcen zu einem Konkurrenznachteil und damit verunmöglicht wird. Das müsste dann aber auch auch eine bewusste Hierchisierung von Bedürfnissen beinhalten.
Wo wir uns womöglich nicht einig sind: Ich meine, dass für den Übergang auch Veränderungen innerhalb der alten kapitalistischen Vermittlung vor allem über Geld, als Investitutions- und Aneignungsmittel (zur Aneignung von Arbeitskraft, Steuermitteln, Mitteln zum Erwerb notwendiger Gebrauchswerte der Lebensgestaltung usw.) bewirkt werden müssen. Damit überhaupterst erst einmal der Gedanke bzw. Wille mehrheitsfähig werden kann, dass die (weltweit) sehr unterschiedlich konfortable Situation innerhalb der gegebenen Verteilung von Genuss, Zweckbestimmungsvermögen, Verantwortung, Mühen, Risiken und Schäden nicht der Weißheit letzter Schluss sondern veränderungswürdig ist, und es sich für alle lohnt, dies nach – am Ende für alle – vernünftigen Kriterien, Zielen usw. zu organisieren – also zunehmend gemeinsamer und damit zwangsloser.
(Weshalb ich im Übrigen die „linke“ Schmähkritik gegen „die“ Green Economy auch für außerordendlich kontraproduktiv halte.)
Um noch einmal auf die Frage nach der Art der gesellschaftlichen Vermittlung zurück zu kommen:
Das ist m.E. auch eine Frage danach, wer oder was eigentlich die Inhalte von Produktion und Konsum bestimmt also auch deren Beziehungen zueinander (bzw. Wechselwirkungen miteinander). Wer oder was also die Entwicklung und den Einsatz der zur Tabackproduktion und der zu deren Genuss notwendigen Produktionsmittel bestimmt – und somit über die Hierarchie der zu befriedigenden Bedürfnisse.
Wer sind die handelnden Subjekte?
Was sind deren Motive, Ziele (Zwecke), Behauptungs- bzw. Rechtfertigungsbedingungen und -muster?
Wer oder was bevormundet dabei wen oder was oder trägt im Gegenteil (zu welchem Zweck) zur Emanzipation aus gegebener Bevormundungen bei?
Was könnte eine sozialistische Entwicklung der Bestimmung von Inhalten der Produktion bzw. des Konsum (und damit der Art deren Wechselbeziehungen) anzeigen, was oder wer also auf deren (welt-)kommunistische Bestimmung (Mitbestimmung) hinaus laufen?
Das sind in meinen Augen alles Fragen nach den nächsten Schritten der Mitmenschwerdung, Mitmenschlichkeitswerdung bzw. Menschheitswerdung und zugleich Aneignung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen durch die (Welt-) Gesellschaft selbst. Dazu Hinweise auf zwei Texte, die meines Erachtens Momente einer solchen Bewegung sein könnten obwohl sie sich vielleicht nicht so verstehen.
Einmal Unfairtobaco http://www.unfairtobacco.org/tabakkontrolle-gehort-zu-menschenrechtsarbeit/ Auch die folgende Forderung sprich eine nicht unwesentliche Bedingung sozialer Emanzipation an:
Naja, die Ausweichbewegung ist ja auch handfeste Verdrängung. Was mich in der Angelegenheit immer mal wieder beschäftigt, (abgesehen davon, das Häuser bzw. Wohnungen vielleicht grundsätzlich kein Privatbesitz/Privateigentum sein sollten): Wäre die Bildung von nach dem Open Source Prinzip arbeitende Stiftungen eine sinnvolle Option, die in größerem Umfang Hauseigentum erwerben bzw. herstellen um ein Höchstmaß an sozialer Gestaltungsfreiheit zu ermöglichen, die rechtlich so konstruiert sind, dass zumindest eine legale Widerprivatisierung unmöglich wäre? (Ich meine kein letztlich privates Wohnungseigentum der Bewohner)
Aber natürlich hat das Prinzip Needs First auch was. Siehe: http://www.youtube.com/watch?v=BQMlALZ704g
Schönen Dezember! 🙂
@Hans-Hermann: wie soll das gehen, „in größerem Umfang Hauseigentum erwerben“ und auf Eigentümerrechte verzichten?
Schau mal hier: http://www.syndikat.org
Jedes Haus in die Hände seiner Nutzer/innen!
Anderer Ansatz, der die Eigentumsperspektive verlässt, aber die spätere Auflassung der Räume in Kauf nimmt – http://www.haushalten.org
@ Thomas #76
Man sollte zwischen verschiedenen Eigentumsformen / Formen der Aneignung und deren spezifischen Regeln, Geltungsbereichen usw. unterscheiden. Ein Common ist ja z.B. auch kein Nichteigentum, sondern ein gemeinsamer Verantwortungsbereich, wo gemeinsam über gewisse Standards bei der Herstellung/Aneignung, Reproduktion & Erweiterung des Begehrten entschieden wird.
Naja, wer oder was soll den in dem Modell bestimmen, wer die Gebäude und Grundstücke oder Quartiere nutzen/mitgestalten können soll?
@H-GG #77
Solcherart Zwischennutzungsaktionen sind prima, sehe aber nicht, dass sie als solche die privateigentümliche Perspektive verlassen. Als solche heißt, nicht als Keimform einer Entwicklung, die dann eine tatsächlich gesellschaftliche (miteinander bestimmte) Verantwortung für Wohnräume schafft und sichert. (Eine solche Perspektive lässt sich natürlich denken)
In Berlin gibt es eine Initiative für Grünzüge, die neben ihrer Aufklärungs- und Lobbyarbeit für durchgängige Grünzüge in der Stadt auch Grundstücke erwerben und ihnen eine Rechtsform geben will, die eine entsprechende Zweckbindung festlegt und so eine Reprivatisierung oder Reverstaatlichung (und damit Aufhebung der Zweckbindung) ausschließt. Näheres weiß ich derzeit auch nicht. Jedenfalls frage ich mich, ob sich so ein Modell nicht im Prinzip auch auf Wohnräume ausdehnen ließe.
@HHH
Für dich zählen nur dauerhafte Lösungen? Was ist für dich gesellschaftlich, bzw. „eine tatsächlich gesellschaftliche … Verantwortung für Wohnräume“? Es reicht dir nicht, wenn wie hier die Nutzer, allerdings explizit für begrenzte Zeit, ihre eigenen Lebensbedingungen selbst gestalten können? Auf einer vertragsrechtlichen Grundlage?
Nein, reicht mir nicht, so gut ich das auch finde. Ich wäre auch schon froh, wenn eine Mietpreisbindung durchgesetzt werden könnte. In Sachen allgemeine gesellschaftliche Perspektiven bin ich aber nicht so bescheiden. Mir reicht auch das klimapolitische Zweigradziel nicht auch wenn ich es nicht schlecht finde,wenn sich Leute wenigstens darüber aufregen, dass es zum Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich eher 4 bis 5 Grad sein werden.
@Hans-Hermann #69:
Also Stichwort Klimawandel und Fleischkonsum: ich nehme an, du spielst damit auf das Treibhauspotenzial von insbesondere Methan an, das besonders in der Viehzucht freigesetzt wird und tatsächlich (auf 100 Jahre betrachtet) ein 25 mal stärkeres Treibhauspotenzial als CO2 hat – die selbe Menge Methan in der Atmosphäre wirkt sich also 25 mal stärker aus als bei CO2. Die „Fleischkritiker“, die daraus nun schließen, der Fleischkonsum müsse (wegen des Klimas!) stark eingedämmt werden, ignorieren dabei aber, wie viel weniger Methan vom Menschen freigesetzt wird. Hier gibt’s dazu Zahlen:
Wenn man nur diese beiden Treibhausgase betrachtet, werden also 80% des Problems vom CO2 verursacht (das zum allergrößten Teil durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und durch die dauerhafte Abholzung von Wäldern freigesetzt wird), 20% durch Methan. Laut Wikipedia stammen wiederum etwa „37 % [der Methanemissionen] direkt oder indirekt aus der Viehhaltung“. Also etwa 7% der gesamten Emissionen (in ihrer Wirkung). Das ist nicht wenig, zeigt aber doch, dass hier nicht der Kern des Problems liegt.
Aber auch wenn man zu dem Schluss kommt, dass der Methanausstoss durch Viehhaltung drastisch sinken muss, ist es ja so, dass das tierische Methan fast ausschließlich von Rindern produziert wird. Ich denke, die meisten Leute, die aufs Fleisch nicht verzichten wollen, könnten damit leben, von Rind- auf Schweinefleisch und Geflügel umzusteigen. Und auch bei Rindern hängt es stark von der Art ihrer Ernährung ab, wobei sich im Kapitalismus methanärmere und zugleich wohl auch humanere Methoden als die derzeit gängige industrielle Viehzucht nicht rechnen dürften. Eine peer-produzierende Gesellschaft dürfte das mit Sicherheit anders machen, wie ja generell die Vorstellung, in einem anderen Vergesellschaftungsmodell würden die heutigen Produktionsprozesse im Wesentlichen unverändert weiterlaufen, IMHO einer der größten Denkfehler ist.
Also hier zu unterstellen, das Essen von Fleisch wäre generell das Problem und müsse künftig stark reduziert werden, führt in die Irre und wird der Komplexität des Sachverhalts nicht ansatzweise gerecht.
Was das Rauchen betrifft:
Ich bin Nichtraucher. Jedoch glaube ich, dass genau diese Hierarchisierung von Bedürfnissen, egal wierum sie ausfällt, ein gewaltiges Problem ist:
Egal nämlich wer „gewinnt“ (heute die Nichtrauchenden, vor 50 Jahren die Raucher), die Bedürfnisse der anderen bleiben immer auf der Strecke. Also ich glaube und hoffe, dass eine peercommonale Gesellschaft sich auch hier um einen „rough consensus“ bemühen wird statt nur auf die Wünsche der Mehrheit Rücksicht zu nehmen. Vermutlich würde dass dann eher auf sowas hinauslaufen: „Rauchen kann man in … öffentlichen Orten in bestimmten Teilbereichen oder zu bestimmten Zeiten, nicht immer und überall“ (wie ich in einem noch unveröffentlichten Text dazu geschrieben habe).
Gehe später auf die verschiedenen Argumente ein. Erst einmal nur dies:
Den ich allerdings nirgends begehe. Sollte die Produktion von z.B. Fleisch und Tabak und deren Aneignung (inklusive einer möglichen Ableitung von zusätzlichen Aneignungsrechten aus dem dafür Geleisteten) auf Grundlage (öko-)kommunistischer oder Common Based peer Production Vergesellschaftungsweisen geschehen, käme das wohl nicht ohne ein (welt-)gemeinschaftliches Nachhaltigkeitsmanagement aus. Die Notwendigkeit, dies zu ermöglichen ist ja gerade eines der zentralen Gründe für die Etablierung anderer Vergesellschaftungsweisen d.h. unter anderem andere Weisen der Vermittlung von Produktion und Konsum als Kaufen und Verkaufen (sei es Arbeitskraft, Kraftfutter fürs Vieh oder deren Produkt).
Also bevor die Komplexitätsreduktion hier noch weiter in Richtung Ideologieproduktion voran schreitet, erst einmal eine Erinnerung an den Ausgangspunkt, also dem was ich dazu hier geäußert hatte.
# 69
Zur Notwendigkeit einer weltgesellschaftlichen Vermittlung von Fleischproduktion nicht nur im Hinblick auf die Notwendigkeit von CO2 bzw. Co2 Äquavalente Reduktion später.
Vorher vielleicht noch einmal die hier zusammen getragene Faktenlage betrachten:
http://www.future-on-wings.net/konsum/zu_viel.htm
@Christian Siefkes:
Das Problem mit dem Fleischkonsum ist nicht nur der Methan-Ausstoß. Das ist tatsächlich eine unzulässige vereinfachung des Problems. Das ist ein Faktor unter vielen.
Das Hauptproblem ist ganz einfach: Um tierische Lebensmittel zu produzieren muss man die Tiere füttern – da führt kein Weg dran vorbei – und das Futter musst irgendwo angebaut werden. Und das ist eine verdammt ineffiziente Art der Lebensmittelerzeugung – man geht von 7-10 mal mehr Fläche aus. Mehr Anbaufläche für pflanzliche Produkte heißt:
* Mehr Pestizide und Dünger, die ebenfalls Treibhausgase produzieren (vor allem Lachgas [1], aber auch der Energieverbrauch in der Produktion) – das könnte man natürlich reduzieren oder auch ganz drauf verzichten, aber nur um den Preis eines noch höheren Flächenverbrauchs
* Mehr Energieverbrauch für den Anbau für Maschinen etc.
* Flächen, die für Futtermittelanbau genutzt werden, können keine Naturflächen mehr sein und haben somit in aller Regel eine deutlich geringere Kapazität, Kohlenstoff zu speichern (typisches Beispiel: Regenwald wird abgeholzt für Sojaanbau – eines der wichtigsten Futtermittel)
Flächenkonkurrenz ist eh schon ein großes Problem – und eins, an dem man grundsätzlich ziemlich wenig drehen kann, solange wir keinen 2. bewohnbaren Planeten finden. Wenn man sich dazu diverse Studien anschaut, stellt man fest, dass der unterschied zwischen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln gewaltig ist. Übrigens deutlich größer als etwa der unterschied zwischen Bio und konventionellem Fleisch. Und der unterschied zwischen verschiedenen Fleischarten ist zwar da, aber egal wie, wo und von welchem Tier das Fleisch produziert worden ist, die Klimabilanz ist immer deutlich schlechter [2].
[1] http://iopscience.iop.org/1748-9326/7/2/024005/article
[2] http://www.klimaretter.info/ernaehrung/nachricht/11215-1600-kilometer-autofahrt-oder-ein-kilo-fleisch
Hanno hat die wesentlichen Dinge bereits angesprochen. Es gibt auch klimapolitisch positive Effekte der Viehhaltung wie die CO2 Bindung von intakten Wiesen. Aber die Freilandhaltung kann ökonomisch nicht mit der Stallthaltung und Fütterung mit Kraftfutter standhalten und muss mehr und mehr Mais-Monokulturen für Agrosprit weichen zur Entknappung der Automobilität.
Das hier (mit Ausnahme von Hanno) offenbar nicht reflektierte Faktum ist, dass unter der Voraussetzung eines weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements als Basis der Produktion und Aneignung (statt Kapitalismus), wenn also die Produktion auf ökohumanistische Standards bezüglich des Anteils an Freilandhaltung, des Tierschutzes, des Erhalts von Biodiversität, von Wäldern, die Klimaschutzes, der Bedeutung für die Vermeidung von Hunger usw. verpflichtet werden kann, auf jeden Fall nur sehr viel weniger Fleisch zur Verfgung stehen könnte.
Das Gleiche lässt sich für viele andere Industrieprodukte sagen wie etwa Baumwolle. Was dann z.B. auch die Frage aufwirft, wie sich die unterschiedlichen Bedürfnisse an die Notwendigkeiten, die ein weltgemeinschaften Nachhaltigkeitsmanagenent offenbaren würde, anpassen ließen. Ideologische Setzungen wie dass es keine Hierarchie der Bedürfnisse geben darf, würden unter postkapitalistischen (wenn man so will: ökokommunistischen) Voraussetzungen wahrscheinlich als typischer Spleen alter (kapitalistischer) Zustände gesehen werden.
Das mag mit dem Delegitimierungsdogma nicht zusammen passen, nach dem Kapitalismus immer und überall „künstliche Verknappung“ bedeutet. Tatsächlich ist auch Verknappung, wo sie tatsächlich auftritt (etwa die Verknappung von fruchtbaren Böden oder an Zeit, die für eine Abwendung einer nicht mehr beherrschbaren Klimasause bleibt), Ergebnis des kapitalistische erzeugten Überflusses. Die weltweite Fleischproduktion hat sich seit 1950 verfünffacht. Industrielle Produktionssysteme liefern heute weltweit 74% des Geflügels, 50% des Schweinefleisches, 43% des Rindfleisches und 68% der Eier. In Asien wächst der Schlachtviehbestand derzeit am raschesten, gefolgt von Lateinamerika und der Karibik.
(Wordwatch Report 2004 S. 162, neue Zahlen liefere ich gern nach)
In Brasilien ist die Zahl der Rinder allein zwischen 1990 und 2000 von 26 auf 57 Millionen gestiegen. Die dabei aus Regenwald in Weideland verwandelte Fläche ist zweimal so groß wie Portugal. Größter Fleischabnehmer ist die EU. Der Anteil der EU am Kauf brasilianischen Rindfleisches stieg zwischen 1990 und 2001 von 40 auf 74 Prozent.
Quelle: Rettet den Regenwald e.V. http://www.regenwald.org/rdr_neu/presseberichte.php (26.01.2006 21:34)Auch diese Entwicklung hat an Dramatik inzwischen natrlich zugenommen. Durch den angestiegenen Fleischkonsum wird in China heute fünfmal mehr Getreide an Nutztiere verfüttert als noch vor 20 Jahren.
Seit 1960 stieg der Anteil am Getreide, der an die Nutztiere verfüttert wurde in:
China von 8% auf 26%
Mexico von 5% auf 45%
Ägypten von 3% auf 31%
Thailand von 1% auf 30%.
Quelle: http://www.vegetarismus.ch/heft/98-3/zahlen.htm
China sichert sich nun in neokolonialistischer Manier Land in Afrika, um die zunehmende Entdeckung des Gebrauchswert Fleischgenuss in China zu befriedigen.
Siehe: http://www.klimaretter.info/ernaehrung/nachricht/7827-china-braucht-mehr-getreide
Um das „Rätsel“ aufzulösen, müsste man natürlich erst mal genauer erklären können, was Verknappung bedeutet und ob dies ein Phänomen in der Verteilungssphäre ist (wie mit einer Güterperspektive wohl weitgehend und stillschweigend vorausgesetzt) oder eines der Produktionssphäre. In der Natur reagieren (sich selbst re)produzierende Systeme auf Verknappung der von ihnen benötigten Ressourcen mit Suchstrategien, Aufbau von Variantenvielfalt, um durch Ausselektieren einen Pfad in die Zukunft zu stabileren Reproduktionsbedingungen zu finden. Kapitalismus als eine ebensolche Suchbewegung in Bezug auf gesellschaftliche Organisation zu artikulieren, erspare ich mir an dieser Stelle, dafür bekäme ich eh wieder Dresche. Aber dies radikal zu tun, wäre mE. eine Aufgabe auf der Höhe der Zeit.
Nachtrag zu #77 : Blog-Beitrag bei Kreatives Leipzig
@Hanno (& Hans-Hermann):
Also da sind wir uns ja grundsätzlich einig: die Menschheit muss mit der einen Erde und den darauf verfügbaren Flächen auskommen. Der „ökologische Fußabdruck“ kann nicht dauerhaft größer als die verfügbare Biokapazität sein. Und da niemand gegenüber dem Rest der Welt besondere Privilegien erwarten kann, kann das strukturell nur ein „faires Teilen“ bedeuten, wo sich alle ungefähr anteilig in die verfügbaren Ressourcen teilen. Für die Menschen der hochindustrialisierten Länder bedeutet das zwangsläufig, dass ihr „Fußabdruck“ gegenüber dem heutigen deutlich wird sinken müssen, darüber hatte ich früher schon geschrieben.
Unumstritten ist auch, dass unter solchen Voraussetzungen nicht mehr alles geht, was heute praktiziert sind. Aus meiner Sicht betrifft das z.B. die Energiegewinnung aus Biomasse (z.B. Biosprit) – ein im großen Stil völlig unpraktikabler Ansatz, weil die nötigen Flächen schlichtweg nicht zur Verfügung stehen. Bzw. für anderes sinnvoller genutzt werden können und auch gebraucht werden, eben z.B. die Lebensmittelproduktion.
Unser Dissens, der sich wohl theoretisch nicht wird auflösen lassen, dreht sich darum, wie sich dies auf der Ebene der Bedürfnisse auswirkt. Ihr seht einen zumindest teilweisen Verzicht auf diverse Bedürfnisse als notwendige Konsequenz. Ich habe da mehr Vertrauen in die Selbstorganisationsfähigkeiten der Menschen und glaube, dass da, wo Leuten etwas hinreichend wichtig ist, sie auch Lösungen finden können, wie sie es weiter bekommen. Auch im Rahmen des reduzierten Öko-Fußabdrucks, mit dem dann alle auskommen müssen.
Dies natürlich nicht auf einer oberflächlichen „ich will mein Tiefkühlhähnchen aus dem Supermarkt, will meinen BMW, will im Urlaub nach Mallorca fliegen“-Ebene. Das wird es so alles nicht mehr geben. Aber für die darunter liegenden Bedürfnisse – essen zu können, was einem gut schmeckt, also z.B. (für manche) auch Fleisch; Mobilität im Alltag und auch über große Entfernungen – werden sich Lösungen finden, da bin ich mir relativ sicher.
Aber das ist eben der Hacker-Optimismus, sich von einem „geht nicht!“ nicht so leicht ins Bockshorn zu lassen. Vorab „beweisen“ lässt sich das alles nicht, die Lösungen müssen erst ge- und erfunden werden.
An künstlichem Fleisch wird ja schon gearbeitet.
Obige Diskussionen könnten fast überall in ökologischem Kontext stattfinden. Warum also nicht dort besser und reichhaltiger und konsequenter diskutieren? Ist sorgsamer Umgang mit Ressourcen und sozialen Beiträgen schon Keimform einer „besseren Gesellschaft“? Was will die Keimformtheorie eigentlich wirklich anderes als das, was allgemein schon als Vorstellung bzw. Ideologie von der „freien Persönlichkeit“ besteht und längst auch schon in den Grundgesetzen der bürgerlichen Gesellschaften als ihre wesentlichste „Gemeinschaftsleistung“ vorgestellt wurde, z.B. eben auch als Vorstellung eines „besseren Umgangs“ mit Menschen und Ressourcen? Und warum ist daraus nichts wirklich Besseres entstanden, warum gibt es die Theorien dieser Art schon seit über 150 Jahren? Antwort: Weil sie eben auch nur Ideologie sind, Ideen, die logisch erscheinen, aber ihre Wirklichkeit niemals ausfüllen können.
Ich habe heute das Resultat meiner Befassung damit ins Kulturkritische Lexikon gestellt:
http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=keimformtheorie
Naja, Gottvertrauen auf die unerschöpfliche Liebe des heiligen Selbst und Glaube an die wundersame Heilkraft des Wichtignehmens (wenn auch nur dort, wo die Leute das tun) sind nicht die besten Mittel der Erkenntnisgewinnung und entsprechend wenig geeignet, Zukunftsfähigkeit herzustellen. Wie man sieht.
Ich sehe nicht, wo sich Selbstorganisation und Etablierung eines am Ende weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements widersprechen sollten. Es sei denn, mit Selbstorganisation ist gemeint, sich auf niedliche Trauminseln eines richtigen Lebens im falschen zu verkrümeln.
Wie man auf die Vorstellung kommen könnte, dass Commoning nicht auch heißt, Bedürfnisse zu hinterfragen, wird mir ein ewiges Rätsel der Natur bleiben.
@85: „Um tierische Lebensmittel zu produzieren muss man die Tiere füttern – da führt kein Weg dran vorbei – und das Futter musst irgendwo angebaut werden. Und das ist eine verdammt ineffiziente Art der Lebensmittelerzeugung – man geht von 7-10 mal mehr Fläche aus.“
Es gibt weltweit sehr viel Fläche, auf der nix wächst außer Gräsern und anderen Gewüchsen, die in der Geschichte für Menschen überhaupt nur und gerade dadurch nutzbar wurden, dass Tiere dort fressen und dann für Menschen Nutzen bringen. Ich denke, vor allen in solchen Regionen werden Menschen weiterhin Tiere gut nutzen können.
Eine (welt-)kommunistische Maßgabe wäre m.E. außer ökologische Kompetenz und möglichst herrschaftsfreie bzw. gemeinschaftliche Meinungs- und Entscheidungsfindung, freier Diskurs usw. dass Vieh nur an bestimmten Orten, mit bestimmten Methoden und in bestimmten Mengen gehalten werden kann – unter den Prämissen eines definierten Mindest- bzw. Höchstmaß an Tierschutz, (artgerechter Haltung), des Verbrauchs an Böden, Naturerholungsräumen, der Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau, an Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch usw.
Es wird notwendig sein, für definierte Verantwotlichkeitsräume entsprechende Festlegungen zu treffen inklusive der Festlegung von Zeiträumen in der die definierten Ziele erreichtwerden können und Mittel, sie erreichen zu können. Unter solchen Umständen wird nicht so viel Fleisch konsumiert werden können, aber auch Fleischgenießer dürften an einer hohen Zahl Vegetarier und Veganer in ihrem Verantwortungsbereich interesiert sein.Was Keimformen einer solchen Perspektive seien können, wäre doch eine interesante Frage.
Zum Thema Fleischkonsum/produktion und den dazu kursierenden oft falschen bzw. übertriebenen Zahlen bin ich heute über folgenden Artikel in meinen Bookmarks gestolpert: Let them eat meat – but farm it properly. Empfehlenswerte Lektüre.
@Christian Siefkes # 95
Naja, da stehen u.a. Sätze wie dieser:
Es sollte uns allerdings darum gehen, die Frage nach der Festlegung von solchen Standards der Fleischproduktion, die Nachhaltigkeit erlauben (und infolgedessen natürlich auch die Frage nach den dann noch möglichen Produktionsmengen) nicht als individuele Glaubenssache zu behanden sondern sie zur (welt-)gesellschaftlichen Aufgabe zu machen. Und dabei ist eine vom Wünsch-Dir-Was-Denken diktierte Vorstellung von einer Bedürfnisbefriedigungsgesellschaft eben wenig vorwärtsweisend.
Ich sehe sie eher als Ausdruck der gegenwärtigen (kapitalistischen) Art der Vergesellschaftung von Arbeit / Vermittlung des menschlichen Stoffaustausches, bei denen die sozialen bzw. ökologischen Kosten der Produktion des Begehrten eben weitgehend im Dunken bleiben.
Ach, es ist schon ein Kreuz mit den Vorstellungen, die uns das Wünsch-Dir-Was-Denken diktiert! Immer wollen wir nur unsere Bedürfnisbefriedigung und merken dabei gar nicht, wie falsch unsere Bedürfnisse doch sind! Gerade die jetzige weihnachtliche Zeit sollte uns dabei Gelegenheit zum Innehalten, zur Reflexion und zum ökologischen Verzicht geben. Weniger ist oft Mehr! Es gibt so viele Möglichkeiten: Z. B. ungeduscht zur Weihnachtsfeier zu gehen, um Wasser zu sparen. Oder den bedrohten Wäldern zuliebe auf Weihnachtskarten, Weihnachtsbriefe, Geschenkpapier oder am besten gleich ganz auf Geschenke zu verzichten. Vielen mag es noch schwerfallen, von heute auf morgen kein Fleisch mehr zu essen. Aber als Ziel muss der Verzicht auf Fleischkonsum unabdingbar sein. Schliesslich steht doch sonst der ökologische Welt-Kommunismus auf dem Spiel. Und das kann niemand wollen!
Für alle, denen der völlige Fleischverzicht noch nicht über die Lippen geht (trotz Nahrungsmittelanbau, Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch usw.!), hier als erster Schritt in die richtige Richtung ein teilveganes Weihnachtsrezept:http://www.ruhrbarone.de/weihnachtsfondue-hamster-mit-teilveganer-fuellung/
Naja, vom Leben überforderte Pennäler werden zwar gern zum Klassenclown und es wäre also nicht der Rede wert gewesen. Allerdings:
Marx: Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW Bd. 13, S. 641
@HHH #98: Das ist sexistisch und adultistisch. Von Marx ebenso wie von Dir.
Aber tatsächlich kann man Commons-Based-Peer-Production vielleicht nur verstehen, wenn man zumindest so weit Kind geblieben ist, dass man das Produktive im Spiel noch erkennen und leben kann.
Huch, sexistisch? Aha.