LINKE zum Urheberrecht
Die Bundestagsfraktion der LINKEN hat durch ihre Sprecherinnen für Netz-, Medien-, Kultur-, Forschungs- und Technologiepolitik ein Zehnpunktepapier vorgelegt. Das war dringend nötig, laufen der LINKEN doch die Wähler_innen davon in Richtung PIRATEN, die als die echte Netzpartei wahrgenommen werden. Können die nun vorgelegten Punkte was reissen?
Im folgenden gehe ich die zehn Punkte durch und kommentiere sie. Meine Leitfrage ist dabei, ob es die LINKEN schaffen, aktuelle Reformvorschläge zu machen, die gleichzeitig eine längerfristige Perspektive aufzeigen. Oder kürzer gefragt: Verstehen die LINKEN den Wissenskommunismus des Netzes?
Bevor jetzt jemand ein Herzkasper bekommt: Wissenskommunismus ist ein harmloses Wort. Das stammt nicht von mir, sondern von dem Soziologen Robert Merton. Dieser beschrieb — lange bevor es das Netz in der heutigen Form gab — die elementaren Eigenschaften von Wissenschaft. Zusammengefasst: Nur wenn sich die Wissenschaft jenseits von Privatinteressen bewegt, ist sie in der Lage, allgemeines Wissen für die Gesellschaft zu produzieren. Diese Forderung lässt sich relativ zwanglos auf das Netz übertragen: setze Wissenschaft = Netz.
Aber wer sagt, dass das so sein muss? Niemand. Es ist eine Entscheidung, die auf Einsichten beruht. Robert Merton hatte solche Einsichten. Er hat erkannt, dass Wissenschaft nur als freie Wissenschaft funktionieren kann. Jimmy Wales hat erkannt, dass Wikipedia nur als freie Commons-Enzyklopädie funktionieren kann. Die Frage ist also: Wollen wir ein freies, offenes, allen zugängliches und von allen gestaltetes Netz? Oder akzeptieren wir Einschränkungen, damit sich Privatinteressen durchsetzen können? Wie wird sich die LINKE entscheiden?
Im folgenden diskutiere ich nur Auszüge aus dem Zehnpunktepapier (auch hier). Die Kürzungen weise ich nicht extra aus, bitte ggf. den Volltext lesen. Los geht’s mit einer Einleitung:
Das Urheberrecht
bewegt sich im Spannungsfeld zwischen den Schutzinteressen von Kreativen, von Geschäftsmodellen der Medienindustrie auf der einen, und von Nutzerinnen und Nutzern, von Öffentlichkeit auf der anderen Seite.
Das Urheberrecht regelt den Interessenausgleich zwischen divergierenden privaten und allgemeinen Interessen. Kann es das überhaupt?
Das Urheberrecht stellt die notwendige Balance zwischen Kreativen, Verwertern und Nutzerinnen und Nutzern nicht mehr zufriedenstellend her.
Nein, das kann es nicht. Es kann nur versuchen, eine »Balance« zu erreichen. Wie anderenorts behauptet, kann die LINKE das Dogma von Balance oder Ausgleich nicht verlassen, denn sie akzeptiert den Interessenmodus der Warengesellschaft. Der Interessenmodus besagt: Des einen Vorteil ist des anderen Nachteil. Balance ist, wenn alle ein wenig unter die Räder kommen. Das sagen auch alle anderen Parteien, auch die Piraten übrigens. Politik ist nurmehr die Frage, wer mehr unter die Räder kommt: Diese oder jene Interessengruppe.
Die Medienindustrie versucht, das Urheberrecht und seine Durchsetzung noch verschärft ins Internet zu übertragen. Dies löst kein Problem und wird die Legitimations- und Akzeptanzkrise des Urheberrechts weiter zuspitzen.
Was schlecht daran, wenn sich das Urheberrecht nicht mehr akzeptiert wird? Sieht die LINKE es als ihre Aufgabe an, wieder für Legitimation und Akzeptanz zu sorgen?
DIE LINKE setzt sich dafür ein, Nutzer wie Urheber zu stärken, ihre Interessen in den Mittelpunkt der politischen Diskussion und der Weiterentwicklung des Urheberrechts zu stellen und die Chancen der Digitalisierung für den kulturellen Austausch offensiv zu nutzen.
Hier werden die Fronten neu sortiert: Nun stehen plötzlich »Nutzer wie Urheber« auf der einen und die ungenannte Medienindustrie auf der anderen Seite. Die guten Kleinen gegen die bösen Großen. Suggestive Harmonie gegen einen ungenannten Feind.
1. Gerechte Verträge und faire Vergütung für Urheberinnen und Urheber!
Was ist gerecht, was fair?
Urhebern und ausübenden Künstlern soll die Durchsetzung ihres Anspruchs auf angemessene Vergütung für jede Art der Werknutzung erleichtert werden.
Diesen Anspruch machen Urheber_innen gegen die Nutzer_innen geltend. Das ist der Sinn des Verwertungsrechts im Urheberrecht. Erleichterung für die einen heißt Sanktionierung für die anderen. Mit dem Urheberrecht müssen die Urheber_innen die Nutzer_innen wie Feinde behandeln.
Das meiste Geld, das mit Musik, Texten und anderen Kulturgütern verdient wird, verbleibt bei Plattenfirmen und Rechteverwertern. Nur ein Bruchteil geht an die tatsächlichen Urheberinnen und Urheber, Künstlerinnen und Künstler.
Dem ist so, aber diese Baustelle heißt Vertragsrecht, nicht Urheberrecht.
DIE LINKE fordert, dass die Kreativschaffenden besser und fair bezahlt werden.
Ist das moralischer Appell an die Rechteverwerter? Und nochmal: Wie definiert sich »fair«?
Wir wollen die Praxis von “Total-Buy-Out”-Verträgen unterbinden. Mit ihnen treten die Kreativen alle Nutzungsrechte an ihren Werken dauerhaft ab und werden dafür nur einmal und oft unzureichend bezahlt, während Verwertungsfirmen auf Jahre hinaus mit den Werken Geld verdienen können. Solche Knebelverträge schaden den wirklichen Urheberinnen und Urhebern.
Tja, Vertragsrecht. Shit happens.
Wir wollen deshalb die rechtliche Stellung von Urheberinnen und Urhebern und ausübenden Künstlerinnen und Künstlern gegenüber den Verwertern in den Vertragsverhandlungen stärken.
Wie das bitte? Soll der Grundbaustein der bürgerlichen Gesellschaft, die Vertragsfreiheit, in Frage gestellt werden? Und das mit den LINKEN? Das male ich mir in meinen wildesten Träumen nicht aus…
2. Abmahnwahn beenden!
Dem kann wohl niemand widersprechen — Abmahner ausgenommen.
Wir wollen die horrenden Abmahnkosten bei unerlaubten Downloads von Musiktiteln, Software, etc. auf den tatsächlich entstandenen Schaden begrenzen. Der Schaden soll von den Rechteinhabern hinreichend belegt werden, sodass nicht wie bisher groteske Schadensersatzforderungen eingefordert werden können.
Die LINKE akzeptiert demnach das Pejorativ des »Schadens«? Schaden ist vorgeblich entgangene Einnahme. Vorher fordert die LINKE jedoch bessere Bezahlung für die Kreativen. Bessere Bezahlung auf der einen Seite bedeutet entgangene Einnahme auf der anderen Seite. Also ein »Schaden«. Warum wird hier also die Rede vom »Schaden« übernommen, während alle anderen Schäden im System des sich gegensetig Schädigens unerwähnt bleiben? Anstatt konsequent den »Schaden« und die »Logik des Schädigens« zurückzuweisen?
Auch die Anwaltsgebühren bei Abmahnungen will DIE LINKE deutlich begrenzen. Das Geschäftsmodell Abmahnung für nicht-kommerzielle illegale Downloads von Rechtsanwaltskanzleien wird damit beendet.
Abmahnungen, also Schädigungen von Nutzer_innen, sind demnach grundsätzlich in Ordnung, nur ein Geschäftsmodell sollen sie nicht sein? Sollen die legitimen anwaltlichen Interessen auf »faire« Bezahlung hier geschädigt werden? Warum sollen überhaupt irgendwelche Downloads illegal sein? Das ist Raubkopierer-sind-Verbrecher-Sprech! Illegalisiert sind Uploads urheberrechtlich blockierten Materials, nicht Downloads. AFAIK.
3. Weiterverkauf von MP3s und E-Books ermöglichen!
Verkauf statt Teilen?
Heute ist es oftmals untersagt, gekaufte MP3-Musikdateien oder elektronische Bücher weiterzuverkaufen. Dies greift in die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern ein. Schließlich dürfen Musik auf CDs oder Bücher in Papierform auch legal weiterverkauft werden. DIE LINKE fordert ein Recht auf Weiterverkauf von digitalen Kulturgütern.
Mal abgesehen vom Unterschied von Eigentum und Nutzungsrecht, der hier zu diskutieren wäre: Warum nur der Weiterverkauf und nicht kostenlose Weitergabe? Oder ist das eine subversive Forderung, da die freie Verteilung eine Art »Verkauf zum Preis Null« wäre? Warum das dann aber nicht gleich so sagen? Oder sollen die Nutzer_innen gezwungen werden, ihre digitalen Inhalte zu verkaufen, sollen diese also in die allgegenwärtige Logik der künstlichen Knappheit eingebunden werden? Und wenn Weiterverkauf oder Weitergabe, dann muss dies für alle digitalen Produkte gelten, auch für angeblich »illegal« heruntergeladenes Material, denn dem Digitalstück ist ohne »digitales Wasserzeichen« seine Herkunft nicht anzusehen. Oder spricht sich die LINKE etwa für »digitale Wasserzeichen« aus?
4. Open Access für eine freie Wissenschaft!
Yep!
DIE LINKE will einen freien und ungehinderten Zugang zu Informationen und Wissen für alle Menschen. Das ist das Ziel von Open Access, mit dem jedermann die Erlaubnis erhält, Dokumente zu lesen, zu speichern, zu drucken und damit entgeltfrei zu nutzen. Das Internet bietet dazu die besten Voraussetzungen.
Das sollte für alle Informationen und jedes Wissen gelten, nicht nur für den Wissenskommunismus im engeren Sinne der Wissenschaft (s.o.). Open Access ist eine Maßnahme der Verteidigung des Wissenskommunismus gegen die zunehmende Privatisierung wissenschaftlichen Wissens — das sollte nicht vergessen werden.
Ein Großteil wissenschaftlicher Arbeiten an Hochschulen und Forschungsinstituten wird durch öffentliche Mittel finanziert. Deshalb hat die Gesellschaft auch ein besonderes Anrecht auf den freien Zugang zu den Forschungsergebnissen. Wir fordern deshalb, Open Access-Veröffentlichungen als Bedingung für Forschungsförderung zu machen.
Das ist eine sinnvolle Forderung.
Wissenschaftliche Autorinnen und Autoren sollen darüber hinaus das Recht erhalten, ihre Forschungsergebnisse sechs Monate nach einer Veröffentlichung auf klassischem Wege auch unter Open Access-Bedingungen zu publizieren.
Das ist wieder Sache des Vertrages zwischen Autor_in und Journal, also nur ein Appell.
5. Freie Lizenzen und alternative Vergütungssysteme fördern!
Das eine hat mir dem anderen zunächst nichts zu tun. Auch freie Lizenzen sind eine Form der Selbstverteidigung gegen ein »enclosure of the commons«.
Freie Lizenzen tragen dazu bei, dass im Internet kulturelle Werke eine große Verbreitung finden können. Heute ist fast jeder Internetnutzer auch ein Produzent von kreativen Inhalten – sei es in Blogs, sozialen Netzwerken oder auch als Produzent von Videos oder Musik. DIE LINKE will die Verbreitung und Nutzung freier Lizenzen fördern.
Sie könnte schon mal dafür sorgen, dass die Inhalte auf ihren Plattformen unter freie Lizenzen gestellt werden.
Auch staatliche Stellen können mit freien Lizenzen die Verbreitung von Informationen und Wissen vorantreiben – die Open Data-Initiativen sind hierfür ein gutes Beispiel.
Dort, wo die LINKE (mit-) regiert, könnte sie das tun.
Alternative Vergütungssysteme ergänzen freie Lizenzen durch die Möglichkeit, mit Inhalten Geld zu verdienen. Verschiedene Modelle wie die Kulturflatrate, die Kulturwertmark oder das so genannte Crowdfunding werden derzeit diskutiert und erprobt. Gemein ist ihnen, dass alle Nutzerinnen und Nutzer zur Finanzierung von kreativen Leistungen im Internet beitragen.
Das trifft nicht zu. Nur bei einer Zwangsflatrate für alle Anschlüsse würden alle Internet-Nutzer_innen beitragen.
6. Kein Leistungsschutzrecht für Presseverlage!
Yep!
Ein Leistungsrecht beschädigt die freie Verbreitung von Informationen im Netz.
Ja, wie alle Exklusionsrechte für bestimmte Interessengruppen.
7. Schutzfristen neu regeln!
»Schutzfrist« ist eine weitere verharmlosende Bezeichnung für ein künstliches Monopolrecht.
DIE LINKE wendet sich nachdrücklich gegen eine weitere Verlängerung urheberrechtlicher Schutzfristen. Wir wollen statt dessen eine Neuregelung nach dem Grundsatz: „So lange wie nötig, so kurz wie möglich“.
Das ist windelweich. Wie lange ist »nötig«? Eine klare Forderung wäre hier angesagt, zum Beispiel: 5 Jahre und dann ist Schicht. Das fordert zum Beispiel Richard Stallman.
Schutzfristen im Urheberrecht legen fest, wie lange ein kulturelles Werk nur mit Zustimmung der Rechteinhaber genutzt werden darf. Dies ist für die soziale Absicherung von Urheberinnen und Urheber grundsätzlich richtig.
Warum? Die soziale Absicherung von Urheber_innen und überhaupt allen Menschen ist grundsätzlich richtig. Aber warum muss dies die Exklusion aller anderen bedeuten, auf deren Schultern schließlich auch die Urheber_innen stehen? Denn wie vorher festgestellt: Wir sind fast alle Urheber_innen. Die Fiktion des einmaligen, abgrenzbaren »Werks« wird fortgeschrieben.
Schließlich sollen Kreative von ihrer Arbeit leben können.
Das hat wenig bis nichts mit den Schutzfristen zu tun. Ändert sich auch nur ein Deut am »von der Arbeit leben können«, wenn die Schutzfristen 20 oder 70 Jahre betragen? Nach dem Tod des/der Urheber_in wohlbemerkt! Schutzfristen sorgen stattdessen dafür, dass 85% aller »Werke« verwaist, also überhaupt nicht mehr verfügbar sind, auch nicht kommerziell. Hier sind alle sogenannten »Raubkopierer_innen« zu loben, die in teilweise mühevoller Kleinarbeit dazu beitragen, Kultur zu bewahren. Kulturgüter bewahren heißt, sie verfügbar zu halten. Eine sinnvolle Forderung könnte lauten: Ist ein digitales Stück kommerziell nicht erhältlich, darf es von jedem nicht-kommerziell angeboten werden. Alternativ: Verwaiste Werke fallen automatisch in die Gemeinfreiheit.
Heute aber gelten Schutzfristen bis zu 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin oder des Urhebers. Ein solches Erbrecht ist mit unseren Vorstellungen von gerechter Verteilung nicht vereinbar.
Aha. Was heißt das jetzt — für oder gegen ein Erbrecht von Schutzfristen? Hier gehört eine klare Forderung hin: Keine Vererbung von Verwertungsrechten!
8. Digitaler Verbraucherschutz!
Werden hier Bits verbraucht?
DIE LINKE will die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer im Sinne eines digitalen Verbraucherschutzes stärken. Technische Schutzmaßnahmen und Vertragsbedingungen dürfen die Möglichkeit zur Privatkopie und zur uneingeschränkten Nutzung nicht unterlaufen.
Wäre »Privatkopie erhalten« nicht der passendere Titel? Wieso ein Wort aus der analogen Welt ins Digitale rüberzwingen? Sind technische »Schutzmaßnahmen« legitim, wenn sie die Privatkopie erlauben, aber alle anderen Verstöße am besten gleich online an die Verwertungsindustrie petzen? Wäre so ein DRM für die LINKE etwa akzeptabel?
9. ACTA stoppen!
Standard.
DIE LINKE lehnt das ACTA-Abkommen ab. Der Ratifizierungsprozess ist endgültig zu stoppen.
Das hört sich so an, als ob ein moderaterer Nachfolger von ACTA durchaus ok wäre, zumal auch die LINKE das Urheberrecht behalten will. Und was man an Recht hat, muss auch durchgesetzt werden. Nichts anderes wollte ACTA.
10. Gegen Internetsperren, Warnhinweise und Netzüberwachung!
Minimum.
Wir lehnen Internetsperren sowie das Durchleuchten und Filtern von Inhalten ab.
Gut.
Informationen hingegen müssen frei sein. Mit der digitalen Technologie wurde der Zugang zu Wissens- und Kulturgütern geöffnet und erweitert.
Auch gut.
Ihr Verständnis als öffentliche Güter für alle Menschen ist inzwischen alltäglich.
Commons sind bei den LINKEN noch nicht angekommen. Aber ok.
Statt Nutzerinnen und Nutzer zu kriminalisieren, wollen wir die Entwicklung neuer Vergütungsmodelle der Kreativ- und Kulturschaffenden politisch befördern.
Hallo? Was haben die Vergütungsmodelle jetzt hier wieder zu suchen? Wieso erklären sich die LINKEN für Geschäftsmodelle zuständig? Ah. Es dämmert die Ahnung, dass ein Recht, das durchgesetzt wird, notwendig zur Kriminalisierung derjenigen führt, die sich nicht ans Recht halten wollen. Also einerseits PRO Urheberrecht mit allen Exklusionsmechanismen, aber andererseits CONTRA rechtsstaatliche Gewaltmaßnahmen? Also wer A sagt muss auch B sagen. Stattdessen soll »politisch befördert« werden, was kriminalisierend nicht gewollt wird? Zutexten oder wie? Totquatschen, bis die entnervte Nutzer_in endlich zahlt?
Das war’s. Bleibt noch zu fragen, was fehlt. Das hier:
Freie Software: Wie kann Partei einen Katalog zum Urheberrecht entwerfen und kein einziges Wörtchen zur Freien Software verlieren? Weil Partei selbst fast durch die Bank proprietäre Software einsetzt und es zu peinlich wäre? Weil man keine Forderungen — etwa die Förderung Freier Software — aufstellen mag, die Partei-an-der-Macht später ohnehin nicht einhalten wird? Rätsel über Rätsel.
Public Domain: Die Gemeinfreiheit, also jene Werke, die tatsächlich endlich aus den Klauen des Urheberrechts entlassen sind, hat zwar nicht direkt etwas mit eben jenem Exklusionsrecht zu tun — aber wären auch dazu ein paar Vorstellungen nicht angebracht gewesen? Ok, hat vielleicht nicht in die runden 10 Punkte gepasst.
Trennung von Urheberpersönlichkeitsrecht und Verwertungsrecht: Das Persönlichkeitsrecht und das Verwertungsrecht sind zwei Regelungsbereiche im Urheberrecht. Forderungen müssen sich also klar auf das eine oder das andere beziehen, anstatt auf »das Urheberrecht«. man muss nicht glecih das Urheberrecht abschaffen wollen. Es wäre leicht vorstellbar, das Urheberpersönlichkeitsrecht lebenslang festzuschreiben, während das Verwertungsrecht nach 5 oder 10 Jahren endet. Das wäre doch mal eine sinnvolle Reformforderung.
Perspektive: Damit begann ich diese kleine Untersuchung. Fehlanzeige. Wohin will die LINKE? Will sie tatsächlich alles so wie die anderen auch, nur alles irgendwie etwas »gerechter«, »fairer«, »ausgeglichener«? Aber haben wir dito nicht auch bei den PIRATEN? Kann sich die LINKE eine Welt ohne Urheberrecht, nein, stopp: ohne Verwertungsrecht vorstellen? Eine Welt ohne gegenseitige Exklusion der Interessengruppen, die von LINKEN ausbalanciert wird?
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Umkipper schon in den scheinbar klaren Positionen eingebaut sind. Das hat damit zu tun, dass die LINKE eine klare PRO-Urheberrechtspartei ist und das auch nicht ändern will. Recht muss jedoch durchgesetzt werden. Also sind dann auch alle Maßnahme zur Durchsetzung legitim, eben rechtsstaatlich. Also: DRM, ACTA, Abmahnungen, Überwachung — nur alles irgendwie »soft« und »verbraucherfreundlich«, irgendwie »links«.
Wer das Urheberrecht als Exklusionsrecht in Kern nicht antasten will, hat den Wissenskommunismus des Netzes nicht verstanden und kann keine Perspektive entwickeln. Und der muss am Ende auch die Sanktionen bei Rechtsverstößen rechtfertigen. Dito wäre bei den PIRATEN zu überprüfen, und ich fürchte, da sieht’s nicht besser aus.
Überzogene Kritik? Nun, wir werden es sehen.
Apropos: Die LINKE und andere diskutieren über »Kreatives Schaffen in der digitalen Welt – Neue Finanzierungsmodelle zwischen Copyright & Commons«, am 07.05.2012 10:30 Uhr bis 18:00 Uhr, im Pfefferberg, Haus 13, Schönhauser Allee 176, 10119 Berlin (U2 Senefelder Platz).
Eine interessante und tiefschürfende Kritik der Linkspartei-Positionen zu Urheberrecht & Co.! Nur: Was soll man jetzt z. B. bei den anstehenden Landtagswahlen wählen? Gegen die LINKE spricht inzwischen einiges – nicht nur ihre Netz-Inkompetenz. Die Piraten kommen u. a. wegen ihrer offenen Flanke zu rechtsextremen, sexistischen usw. Positionen nicht in Frage. Und die in diesem Blog hochgejubelten Grünen (bzw. ihre Stiftung) sind schon sehr lange für linksorientierte Menschen nicht mehr wählbar. Es geht ja auch darum, den von Den Grünen (ökologisch bemäntelten) vorangetriebenen Sozialabbau zu stoppen. Also doch wieder Linkspartei wählen?
@Bisher-Linke-Waehler: Ob und wen man wählt, kann wie üblich jede_r nur selbst entscheiden; offensichtlich wäre es kurzsichtig, dabei nur aufs Urheberrecht zu gucken. Nichtwählen ist auch immer eine Option.
Ich finde die 10 Punkte der Linken jetzt nicht so schlimm, ich finde sie sogar gut, wenn man sie im Zusammenhang liest. An so einem Riesentext ist immer was auszusetzen, meiner Meinung nach vor allem, dass er so lang ist. Außerdem ist es ein Positionspapier und kein Gesetzestext.Die Position ist doch wohl fortschrittlicher als bei anderen Parteien. Da herein zu lesen, dass es jetzt DRM offenläßt, ist Kleinkram. Außerdem ist DRM auch Vertragsrecht und kann nur schwer verboten werden. Die gesamte Linie stimmt doch.
Ich habe mal die Programme der Piraten und der Linken verglichenin folgendem Artikel: http://www.puckspage.org/posts/Die_Linke_zum_Copyright/
Wissenskommunismus – ein Begriff, den ich auch in eurer Kommunismusdebatte auf wadk.de ins Gespräch bringen wollte – sollte nach meinem Verständnis eine deutliche Schärfung weit über die Wikipedia-Auslassungen hinaus erfahren. Die neuen linken Wanderprediger als Vorfeld und Teil des linken „Think Tanks“, die (nicht nur) im Rahmen der Marxexpedition 2012 Leipzig heimsuchen, können mit einem solchen Ansatz allerdings nichts anfangen. Exemplarisch dazu ein Disput mit Christian Schmidt, immerhin Autor eines dicken Buchs über „Individualität und Eigentum“. Exemplarisch auch ein Barcamp „Urheberrecht“ mit immerhin 10 (in Worten: zehn) Teilnehmer_innen.
Kern einer Begriffsfassung von Wissenskommunismus sollte für mich Eben Moglens Zusammenfassung im DCM sein.
@HGG: +1
Ich verstehe die Kritik an der 70-Jahre-Schutzfrist nicht: Wer nicht das Urheberrecht an einem Buch sondern ein Grundstück oder eine Firma erbt, behält dieses Recht ohne jede zeitliche Begrenzung. Wieso sollten die Erben der Urheber schlechter gestellt werden?
Wenn schon, dann muß diese Diskussion zum Anlaß genommen werden, vollständig über das Erbrecht nachzudenken: http://mosereien.wordpress.com/2012/06/01/urheberrecht-erbrecht-schutzfristen/
@Andreas Moser: Völlige Zustimmung, das Erbrecht insgesamt ist zu kritisieren. Aber auch heute schon gibt es in beiden Fällen rechtliche Einschränkungen: die Begrenzung der »Schutzfrist« auf 70 Jahre und die Erbschaftssteuer. Der Gedanke, dass das Gut »irgendwann« oder wenigstens »zu einem kleinen Teil« in die Allgemeinheit zurückfließen soll, steht dahinter.
Für die Abschaffung der Vererbung von Verwertungstiteln aus dem Urheberrecht spricht nun aus meiner Sicht, dass die gesellschaftliche Blockade (»Verwaisung der Werke«) deutlich gelindert werden kann. Vielleicht wäre tatsächlich die bessere Forderung zu diesem Ziel, dass Werke automatisch in die Gemeinfreiheit fallen, wenn sie nicht mehr verwertet werden.
Eine solche Forderung könnte man übrigens auch für stoffliche Güter formulieren: Was nicht verwertet oder genutzt wird, kann in Besitz genommen werden.