Commons in einer Gütersystematik
Commons sind Gemeinressourcen. Commons sind Gemeingüter. Commons sind soziale Beziehungen. Alle drei Beschreibungen kann man finden. Welche stimmt nun? Alle drei Fassungen treffen zu und zwar immer gleichzeitig!
Am besten geht man vom Wort „common“ aus, dem Gemeinsamen. Das Gemeinsame bei den Commons sind die Ressourcen, die genutzt und gepflegt werden, sind die Güter, die dabei entstehen können, und sind die sozialen Beziehungen, die sich dabei bilden. Und das Gemeinsame aller Commons ist, dass diese drei Aspekte bei den jeweiligen Commons so verschieden sind, dass niemand sie auch nur halbwegs vollständig beschreiben könnte.
Commons liegen damit quer zur Ware, obwohl auch die Ware ein Gut darstellt, das in einer bestimmten sozialen Form hergestellt wird und dabei Ressourcen verwendet. Doch bei der Ware ist es die traditionelle Ökonomie gewohnt, sowohl die Ressourcen wie auch die sozialen Formen der Herstellung nur marginal oder gar nicht in Betracht zu ziehen. In der folgenden Gütersystematik will ich das ändern. Dabei entscheide ich mich, den Güteraspekt aus dem Tripel von Gut-Ressource-Sozialform in den Mittelpunkt zu stellen.
In der nebenstehenden Abbildung wird ein Gut durch fünf Dimensionen gekennzeichnet. Neben den bereits genannten Dimensionen Ressource und soziale Form sind das Beschaffenheit, Nutzungsweise und Rechtsform. Sie werden im folgenden vorgestellt. Anschließend will ich die Besonderheiten der Commons noch einmal hervorheben.
Beschaffenheit
Die Beschaffenheit beschreibt die sinnliche Gegenständlichkeit des Guts. Es gibt stoffliche und nicht-stoffliche Güter.
Stoffliche Güter haben eine physische Gestalt, sie können verbraucht oder vernichtet werden. Zweck und physische Beschaffenheit sind miteinander verbunden, stoffliche Güter erfüllen ihren Zweck nur mit ihrer Physis. Löst sich die Physis auf, geht auch der Zweck verloren.
Nicht-stoffliche Güter sind hingegen von einer bestimmten physischen Gestalt entkoppelt. Hierunter fallen sowohl Dienstleistungen, bei denen Produktion und Konsum zusammenfallen, wie auch konservierbare nicht-stoffliche Güter. Eine Dienstleistung mündet zwar häufig in einem stofflichen Resultat (Haarschnitt, Konzepttext etc.), sie selbst ist jedoch mit dem Produkt abgeschlossen, d.h. konsumiert worden. Das Resultat fällt nun in eine stoffliche Gut-Kategorie.
Konservierbare nicht-stoffliche Güter benötigen einen physischen Träger. Bei nicht-digitalen („analogen“) Gütern kann die Verbindung des Guts zu einer bestimmten stofflichen Beschaffenheit des Trägers noch eng sein (etwa das analoge Musikstück auf dem Tonband oder der Schallplatte), während digitale Güter vom Trägermedium weitgehend unabhängig sind (etwa das digitale Musikstück auf einem beliebigen Digitalmedium).
Nutzung
Die Nutzung hat die zwei Unterdimensionen der Ausschließbarkeit und Rivalität. Damit werden die Aspekte des Zugriffs und der gleichzeitigen Verwendung erfasst.
Ein Gut kann nur exklusiv, also ausschließlich genutzt werden, wenn der Zugriff auf das Gut unterbunden wurde (z.B. Kaufgut „Brötchen“). Es kann inklusiv, also nicht ausschließlich genutzt werden, wenn der Zugriff allen möglich ist (z.B. Wikipedia). Die Nutzung eines Gutes ist rival oder rivalisierend, wenn die Nutzung des einen die Nutzungsmöglichkeiten eines anderen einschränkt oder verhindert (z.B. ein Apfel). Eine Nutzung ist nicht-rival, wenn sie keine Einschränkung für andere zur Folge hat (z.B. eine physikalische Formel).
Das Nutzungsschema wird von der klassischen Ökonomietheorie als maßgebliches Charakteristikum von Gütern verwendet. Es greift jedoch viel zu kurz. Es packt zwei Aspekte zusammen, die zwar beide bei der Nutzung auftreten, aber völlig unterschiedlicher Ursache sind. Die Exklusion ist Resultat einer expliziten (Ausschluss-)Handlung, ist also eng mit der sozialen Form verbunden. Die Rivalität hingegen ist eng mit der Beschaffenheit des Guts verbunden – ein Apfel kann tatsächlich nur einmal gegessen werden, für den nächsten Genuss muss ein neuer Apfel her.
Ressource
Die Herstellung von Gütern setzt Ressourcen voraus. Manchmal wird jedoch nichts hergestellt, sondern bereits vorhandene Ressourcen werden genutzt und gepflegt. In diesem Fall ist die vorhandene Ressource selbst das Gut, das es zu bewahren gilt – zum Beispiel ein See. Meistens liegt ein vermischter Fall vor, denn kein hergestelltes Gut kommt etwa ohne die Ressource Wissen aus, die andere bereits geschaffen und zur Verfügung gestellt haben. Mit Ressourcen sind hier generell nur Quellen außerhalb des Menschen selbst gemeint.
In dem Schaubild werden natürliche und hergestellte Ressourcen unterschieden. Natürliche Ressourcen sind vorgefundene unbearbeitete, wenn auch selten unbeeinflusste Naturbedingungen. Hergestellte Ressourcen sind von den Menschen geschaffene stoffliche oder nicht-stoffliche Voraussetzungen für die weitere Nutzung bei der Herstellung von Gütern oder Ressourcen im weitesten Sinne.
Soziale Form
Die soziale Form beschreibt die Art der (Re-)Produktion und die Beziehungen, die die Menschen dabei eingehen. Hier sind drei soziale Formen der (Re-)Produktion zu unterscheiden: Ware, Subsistenz und Commons.
Warenform erhält ein Gut dann, wenn es in verallgemeinerter Weise für den Tausch (Verkauf) auf Märkten hergestellt wird. Getauscht werden muss, denn im Kapitalismus wird getrennt voneinander, privat produziert. Tauschmaß ist der Wert, die gesellschaftlich durchschnittliche abstrakte Arbeit, die zur Herstellung der Ware erforderlich ist. Tauschmedium ist das Geld. Nutzenmaß ist der Gebrauchswert als „andere Seite“ des Werts. Das Waresein von Gütern ist also eine soziale Form, es ist der indirekte, über den Tausch vermittelte Weg, wie Güter allgemeine, gesellschaftliche Geltung erlangen. Voraussetzung sind Knappheit der und Exklusion vom Zugriff auf die Ware, da es sonst nicht zum Tausch kommt.
Subsistenzform behält ein Gut dann, wenn es nicht verallgemeinert für Andere, sondern nur zum eigenen Nutzen oder dem Nutzen personaler Anderer (Familie, Bekannte etc.) hergestellt wird. Hier wird nicht oder nur in Ausnahmefällen getauscht, sondern weitergegeben, genommen und gegeben — nach welcher unmittelbar-sozial vereinbarten Regel auch immer. Eine Übergangsform zur Warenform ist etwa Barter, der unmittelbare, nicht geldvermittelte Tausch von Gütern.
Commonsform erhält ein Gut dann, wenn es für allgemeine Andere produziert oder erhalten, das Gut aber nicht getauscht wird und die Nutzung in der Regel an feste sozial vereinbarte Regeln gebunden ist. Für allgemeine Andere wird es insofern produziert oder erhalten, als es nicht personal-bestimmte Andere sein müssen (wie bei der Subsistenzform), aber auch nicht ausschließlich abstrakte Andere, zu denen es sonst keine Beziehung gibt (wie bei der Warenform), sondern konkrete Gemeinschaften, in denen die Nutzungsregeln und damit die Pflege der Commons verabredet werden.
Rechtsform
Die Rechtsform zeigt die möglichen rechtlichen Kodifizierungen, denen ein Gut unterliegen kann: Privateigentum, Kollektiveigentum und freies Gut. Rechtliche Festschreibungen sind notwendige soziale Regeln, denen unter den Bedingungen der gesellschaftlichen Vermittlung in Form von Partialinteressen die Rolle des regulierenden Rahmens zukommen. Sobald Allgemeininteressen Teil der Re-/Produktionweise selbst sind, können allgemeine Rechtsformen zugunsten konkret-sozial vereinbarter Regeln zurücktreten, wie dies etwa bei den Commons der Fall ist.
Privateigentum ist eine Rechtsform, die die exklusive Verfügung eines Eigentümers in Bezug auf eine Sache definiert. Das Eigentum abstrahiert sowohl von der Beschaffenheit der Sache wie vom konkreten Besitz. Privateigentum kann Handelsgut sein, es kann verkauft oder verwertet werden.
Kollektiveigentum ist kollektives Privateigentum bzw. privatrechtliches Eigentum zu kollektiven Zwecken. Dazu zählen auch Gemeineigentum und öffentliches (staatliches) Eigentum. Alle Bestimmungen des Privateigentums gelten grundsätzlich auch hier. Die Formen des Kollektiveigentums sind sehr vielfältig. Beispiele: Aktiengesellschaft, Hauseigentümergemeinschaft, Volkseigener Betrieb (VEB).
Freie Güter (auch Niemandsland) sind juristisch oder sozial ungeregelte Güter im freien Zugriff. Die häufig zitierte „Tragik der Allmende“ ist eine Tragik des Niemandslands, das aufgrund der fehlenden Nutzungsregeln übernutzt und zerstört wird. Solche Niemandsländer bestehen auch heute noch, etwa in der Hoch- und Tiefsee.
Commons – gemeinsam das Leben herstellen
Peter Linebaugh bringt den untrennbaren Zusammenhang von Gut und sozialer Aktivität auf die Formel: „There is no commons without commoning“ – Gemeingüter können nicht bestehen ohne eine entsprechende soziale Praxis einer Gemeinschaft. Die Größe der Gemeinschaft ist damit nicht festgelegt. Sie hängt wesentlich auch von der re-/produzierten Ressource ab. Die Re-/Produktion eines lokalen Waldstücks wird vermutlich von einer lokalen Gemeinschaft übernommen, während die Erhaltung eines verträglichen Weltklimas sicherlich der Konstitution einer globalen Gemeinschaft bedarf. Dabei kann der Staat an die Stelle der Gemeinschaft treten und treuhänderisch die Re-/Produktion der Ressource übernehmen. Dies ist aber nicht die einzig mögliche Form.
Ebenso wie die Größe der Gemeinschaft sind auch die Regeln von den Eigenschaften der Ressource abhängig. Für ein bedrohtes Waldstück werden sinnvoller Weise restriktivere Nutzungsregeln vereinbart als für eine Ressource, die mit geringem Aufwand kopierbar ist. Für Software etwa kann bedenkenlos ein freier Zugriff festlegt werden, also eine soziale Nutzungsregel, die explizit niemanden ausschließt.
Die „Freiheit“ der Plünderung und Ausbeutung, die vielfach unter dem Regime der getrennten, privaten Produktion von Gütern als Waren auftritt, findet also an der Freiheit der Anderen, die betroffene Ressource dauerhaft nutzen zu wollen, ihre Schranke. Gerade in der Verhinderung der wahllosen Plünderung einer Verbrauchsressource werden die Bedürfnisse der allgemeinen Anderen, die sie gerade nicht nutzen, integriert. Die Gemeinschaft ist immer nur Beauftragte, die — weil sie eng mit der Ressource verbunden ist — diese so produzieren und reproduzieren kann, dass sie allgemein nützlich bleibt. Es ist ihr „Auftrag“, die Ressource verbessert an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Gleichwohl gibt es keine Garantie, dass es nicht doch zur Zerstörung von Commons kommen kann. Die Geschichte des Kapitalismus ist nicht zuletzt auch eine Geschichte der oft auch gewaltsamen Zerstörung und Privatisierung der Commons.
Bei den Commons lassen sich Produktion und Reproduktion schwer von einander trennen. Ihre Herstellung dient gleichzeitig ihrer Erhaltung. Gerade die Nutzungsregeln sorgen bei Verbrauchsressourcen dafür, dass sich die Ressource regenerieren kann, oder bei kopierbaren Digitalgütern dafür, dass die soziale Gemeinschaft, die die Ressource produziert und pflegt, erhalten bleibt. Was hingegen unterschieden werden muss, ist die Gemeinressource als solche, und die Güter, die auf Grundlage der Gemeinressource produziert werden. Produzierte Güter können Warenform annehmen, wenn sie auf dem Markt verkauft werden. Ziel der sozial verabredeten Nutzungsregeln der Gemeinschaft ist es, die Ressourcennutzung zu limitieren und zu verhindern, dass die Ressource übernutzt und schließlich zerstört wird.
Commons, Gemeingüter, hat es immer gegeben. Ihre historische Rolle und Funktion hat sich jedoch dramatisch gewandelt. War sie früher allgemeine Grundlage der Lebenstätigkeit der Menschen, so ist sie mit dem Aufkommen von Klassengesellschaften in verschiedene Regimes der Ausbeutung einbezogen worden. Höhepunkt des Ausbeutungsverhältnisses gegenüber den allgemeinen menschlichen Lebensbedingungen ist der Kapitalismus, der — getragen von einem abstrakten Freiheitsbegriff — nicht in der Lage ist, für das allgemeine Überleben der Gattung Mensch zu sorgen. Dies liegt daran, dass die Allgemeininteressen nicht Teil der Produktionsweise sind, sondern über Recht und Staat zusätzlich dem blinden Wirken der partialen Privatinteressen aufgeprägt werden müssen. Insofern ist eine Orientierung auf eine neue, sozial-regulierte Produktionsweise notwendig, bei der die Allgemeininteressen Bestandteil der Produktionsweise selbst sind.
Mehr noch. Der Kapitalismus hat wesentliche Momente der Produktion des gesellschaftlichen Lebens abgespalten und in eine Sphäre der Reproduktion verbannt. Produktion als „Wirtschaft“ und Reproduktion als „Privatleben“ wurden getrennt. Die strukturell blinde, erst im Nachhinein vermittelte Privatproduktion konnte nur deswegen expandieren, weil sie dies einerseits permanent auf Kosten der Subsistenz- und Commons-Produktion tat und andererseits auf eine komplementäre Subsistenz- und Commons-Produktion verweisen konnte, die die (physischen und psychischen) Folgen der „Wirtschaft“ ausgleichen konnte und musste. Die Warenproduktion entnimmt permanent der Sphäre der Commons, aber sie gibt nichts an sie zurück.
Die Commons bieten die Potenz, die Ware als bestimmende soziale Form der Re-/Produktion der gesellschaftlichen Lebensbedingungen abzulösen. Eine solche Ablösung wird jedoch nur kommen, wenn sich in allen Bereichen des Lebens Gemeinschaften konstituieren, die sich „ihre“ Commons zurückholen und in eine neue bedürfnisorientierte Logik der Re-/Produktion einbinden.
[Dieser Artikel ist eine aktualisierte Fassung des ersten Entwurfes zur Gütersystematik]
Die Exklusion ist Resultat einer expliziten (Ausschluss-)Handlung, ist also eng mit der sozialen Form verbunden. Die Rivalität hingegen ist eng mit der Beschaffenheit des Guts verbunden – ein Apfel kann tatsächlich nur einmal gegessen werden, für den nächsten Genuss muss ein neuer Apfel her.
Hallo
Der neue Apfel steckt im Apfel…
Also da möchte ich noch einen Denkanstoss vermitteln:
Auch wenn „erst mal“ der Apfel weg ist, einmalig, so steckt doch dort wiederum ein geheimes Apfel-depot drin. Sicher, nicht sofort oder unmittelbar, aber mit etas Zeit, auch ein gemeingut das für alle gilt, sind im Apfel Kerne enthalten und wenn man diese sorglich in die Erde steckt und wartet (Zeit), entsteht daraus ein ganz neuer Apfel-Baum der auch dann bald viele Früchte trägt, also mehr als nur ein Apfel! Denkt mal drüber nach…
MfG Herr Schmidt
Diese Potenz, mehr vom Gewünschten herzustellen (auch der Apfelbaum will gepflegt sein), ist ein wichtiger Punkt! Er verweist jedoch sofort auf die soziale Form, die das mehr Produzierte erstens ermöglichen und zweitens auch bedürfnisgerecht verteilen muss. Auch das wiederum geht nur mit den Commons, wo diese Entscheidungen sozial getroffen werden können. In der Marktwirtschaft geht es nicht, jedenfalls nicht für alle, da dort Äpfel stets knapp sein müssen und der Preis hoch genug, damit sich die Apfelproduktion »rechnet«.
Der neue Apfel steckt im Apfel — aber das allein reicht nicht, um Äpfel für alle zu haben.
Super, ist ja richtig übersichtlich und (zumindest auf den ersten Blick) sehr einleuchtend geworden! Bei der ersten Variante fand ich’s noch etwas verwirrend … Schicke Grafik, die Farben sind hier mal wirklich hilfreich. Scheint mir ein Riesenschritt zur Klärung des Begriffswirrwahrs zu sein.
Hallo
Auch ich schlisse mich dem Vorschreiber an, das die ganze Sache jetzt übersichtlicher wird, bzw. dargelegt ist. Anfangs war die Sache noch zu abstrakt. Gut Ding will eben weile…
Aber worauf ich hinaus wollte:
Das mit dem Apfel war mehr Metaphysischer Art. Natürlich steckt im Apfel wiederum min. ein ganz neuer Apfelbaum. Das ist etwas sehr beachtliches, was bei unseren modernen Produkten so nicht gibt. Villeicht ist auch aus unserer heutigen „Modernen“ Perspektive diese Weisheit verloren gegangen, weil wir eher in kurzen Zeiträumen heute denken und weil die Regale immer voll sind und wir so keinen natürlichen Mangel kennen. Das ist der 1. Systemfehler. Wenn wir Generationsübergreifend denken würden, würde schon ein Apfel neue Äpfel mit implizieren. Du schreibts: Der neue Apfel steckt im Apfel — aber das allein reicht nicht, um Äpfel für alle zu haben. Meiner meinung schon, villeicht nicht sofort, aber…denn versuch doch mal aus einen modernen Apfel aus dem Supermarkt einen neuen Apfelbaum zu ziehen, genauso wie es unsere Vorfahren gemacht haben. Das geht heute garnicht mehr! Woher kommen denn die Äpfel, die z. B. heute aus Karlefornien kommen? So muss man die ganze Sache betrachten! Das heute Äpfel für Alle und zu jeder Zeit hier bei Uns gibt, ist das Resultat einer langen Tradition. Und diese Fülle ist nur der Sache zu verdanken, das ein ganzer Apfelbaum in nur einen Apfel steckt. Der 2. Systemfehler der noch in deiner Kategorie steckt oder fehlt ist folgender: Ausgangspunkt ist ja PPP und seine produktierten Artefacte für „eine gerechtere Welt“. Alle künstlich hergestellten Dinge vor unserer Zeit wurden aus regionalen verfügbaren Stoffen hergestellt. Im laufe der Zeit kamen auch überregionale Stoffe zum einsatz. Heute Desingt man ohne nachzudenken auf Teufel komm raus mit allen zu verfühgung stehenden Stoffen. Ein gutes Beispiel ist da das Elektroauto. Die grosse Lösung letztes Jahr war der Lithium-Ionen-Akku. Alle Leute die mit dem E-Auto zu tuen hatten skalierten einfach nur hoch und hofften das die Verfügbarkeit und das die Preise fallen werden und dann beglücken wir die Menschen mit „umweltfreundlich-technischen Lösungen“. Bis die grosse ernüchterung kam, das Lithium eigentlich kaum verfühgbar ist und nur für einen Promillebereich aller Menschen dann letztendlich reicht. Jedenfalls hier auf diesen Planeten. Also wenn eine Technische Lösung anvisiert wird, sollte sie aus Stoffen bestehen, die als Resurcen ausreichend vorhanden sind. Also da impleziert das eine das andere gleich mit. Sonst sind das doch nur zeitlich begrenzte modische Erscheinungen die ein paar wenige nutzen können und der Rest ist ausgeschlossen. Und darum gehts doch, das durch ein system alle partizipieren können und keiner ausgeschlossen ist. PPP mus nicht nur Kopierbar und reparrierbar sein, sondern muss um sicher durch die Zeit zu kommen aus stoffen bestehen, die Generationen noch nach uns GARANTIERT zur verfühgung stehen haben müssen.
Wie gesagt, z.B. bei Äpfeln ging das noch bis vor kurzer Zeit und unsere heutiger genuss und konsumverhalten basiert nur darauf, das ehemals einwanderer die damals nach z.B. Kalifornien gingen und die ersten Plantagen aufbauten heute unsere Regale in den Supermärkten füllen.
MfG Herr Schmidt
Gibt es denn Commons jenseits des Sprechens und Denkens über Commons? Ich denke nicht, dass öffentliche Güter per se aufgrund irgendwelcher natürlichen Eigenschaften existieren. Ob etwas als Gut (oder Übel) als öffentlich (oder privat) betrachtet wird, hängt nicht nur von dem betrachteten Phänomen ab, sondern auch von den Leuten, die es betrachten.
Ist Bildung ein öffentliches Gut? Soziale Sicherung? Wohlfahrt? Die Antwort hängt (in Deutschland) momentan davon ab, wen man fragt. Und die Antwort (Ja oder Nein) existiert nicht an sich, sondern sie wird durch soziale und diskursive Praktiken geschaffen.
Obiges Schema vernachlässigt diese Prozesse leider.
Mit anderen Worten: In obiges Schema lassen sich solche Phänomene wie Videoüberwachung im öffentlichen Raum, die Berliner Mauer, Konzentrationslager, Vorratsdatenspeicherung … nicht so einfach einordnen. Oder habe da nur ich Probleme? Handelt es sich bei diesen Dingen vielleicht gar nicht um Güter? Wenn, warum nicht? Was unterscheidet ein Konzentrationslager aus Commons-Sicht von Wikipedia?
M.E. könnte das Hinzufügen einer (Zeit-?) Achse zu obigem Schema, auf der das Verhandeln (Reden, Kämpfen, Schweigen) über Commons „eingetragen“ wird, interessante Erkenntnisse zu Tage fördern.
@Torsten: Zunächst mal kann man Commons nicht mit öffentlichen Güter gleichsetzen, beides ist begrifflich zu trennen. Für öffentliche (meist staatlich verwaltete) Güter gilt das »Dreieck der Öffentlichkeit«: Konsum, Verteilung und Entscheidung müssen öffentlich sein. Das kann bei Commons so sein, muss es aber nicht. Kommt auf das Gemeingut an, die Community und die Regeln, die für den Umgang mit dem Gemeingut festgelegt wurden. Die Nichttrennbarkeit von Commons und Commoning gilt für öffentliche Güter zum Beispiel nicht.
Es stimmt, dass weder Commons noch öffentliche Güter nur »aufgrund irgendwelcher natürlicher Eigenschaften« existieren. Das wurde im Text auch nicht ausgesagt. Im Gegenteil, die Dimensionen der Beschaffenheit und der Ressourcen, die am ehesten sowas wie »natürliche Eigenschaften« fassen, sind nur zwei von fünf. Die drei anderen Dimensionen sind solche der Praxis und ihrer rechtlichen Fixierungen: Nutzung, Sozialform, Rechtsform.
Commons sind folglich nicht nur ein diskursives Produkt, sondern eine Praxis unter klar umrissenen Rechtsbedingungen (wie blöd die auch teilweise seien mögen). Die Aspekte der Praxis lassen sich bestimmen — unabhängig, was eine Umfrage ergeben würde. Aber der Hinweis auf die Umfrage ist dennoch hilfreich, weil er zeigt, dass Commons im allgemeinen Bewusstsein fast völlig verschwunden sind — obwohl es die Praxen immer noch und teilweise zunehmend wieder gibt. Ein Beitrag im Kampf für die Commons ist also, dem Konzept und der Praxis wieder zu ihrem Begriff zu verhelfen, weil man von dort aus wesentlich besser über Alternativen jenseits von Markt und Staat nachdenken kann.
@Torsten#7: Mit dem obigen Schema lassen sich alle Güter danach »befragen«, was sie »sind«. Einfach ist das gleichwohl nicht, weil es immer Grenzfälle gibt und etliche Detailfragen zu klären sind. Klar scheint mit aber, dass es sich bei deinen Beispielen nicht um Commons handelt.
Nehmen wir die frühere »Mauer«: Beschaffenheit ist stofflich, verwendete Ressourcen sind hergestellter (Beton etc.) wie vorgefundener Art (Boden), Nutzung ist inklusiv und nicht-rival (wenn man als Nutzungszweck »Absperren« annimmt), Rechtsform ist Kollektiveigentum (nämlich Staatseigentum der DDR), soziale Form ist am ehesten die »Ware«. Der letzte Punkt ist der kritische und interessante: Die Mauer wurde vermutlich teils in unbezahlter, teils in Lohnarbeit hergestellt. Gleichwohl wurde sie nicht getauscht (jedenfalls nicht zu DDR-Zeiten). Das gilt aber allgemein für öffentliche Güter wie Straßen etc. Ein Grenzfall, hier kann man sich also streiten. Ein Subsistenzgut oder gar Commons ist sie aber nicht.
Lieber Stephan,
Danke für Deine Geduld.
> Mit dem obigen Schema lassen sich alle Güter danach »befragen«, was sie »sind«.
Wikipedia oder die Umweltverschmutzung können nicht reden. Ich will nicht kleinlich sein, aber auf dem Punkt bestehen, dass Güter nicht an sich irgendwie sind, sondern dass die Bezeichnung eines Phänomens als Gut, als öffentliches Gut, als Commons, als Privateigentum, als inklusiv oder exklusiv … bereits Folge von etwas sind. Z.B. Folge eines Austausches unter BloggerInnen oder WissenschaftlerInnen. Ebenso sind sie Folge eines Ausschlusses anderer BloggerInnen, WissenschaftlerInnen, Menschen, Tiere, (mein Gott ja, auch Pflanzen, wenn es sein muss), die ihre Ansicht und ihr Wissen nicht in den Austausch einbringen konnten, der zu einer Bezeichnung von etwas als Commons geführt hat. Schon ob etwas als Gut (z.B. Gemeingut) oder Übel (z.B. die Umweltverschmutzung als öffentliches Übel) bezeichnet wird ist Folge solchen Austauschs und Ausschlusses.
> Es stimmt, dass weder Commons noch öffentliche Güter
> nur »aufgrund irgendwelcher natürlicher Eigenschaften«
> existieren. Das wurde im Text auch nicht ausgesagt.
Gut, ich habe mich unklar ausgedrückt. Obigem Schema entnehme ich, dass Commons sich von Ware oder Subsistenz unterscheiden oder dass ein Gut nicht exklusiv und inklusiv sein kann. Diese Unterscheidung der Begriffe scheint mir „aufgrund irgendwelcher natürlicher Eigenschaften“ von exklusiv, inklusiv, von Commons, von Ware, von Subsistenz vorgenommen wurden zu sein. Aber nicht nur das Schaffen von inklusiven Gütern oder von Commons ist ein sozialer Prozess, sondern bereits das Schaffen dieser Begriffe und das Unterteilen von Phänomenen in exklusiv und inklusiv in Commons, Ware, Subsistenz. Ein und dieselbe Sache kann aus unterschiedlichen Perspektiven als Commons, Ware, exklusiv oder inklusiv wahrgenommen und bezeichnet werden. Vielleicht kann das Eis-Beispiel ja das illustrieren.
Das Eis. 😉
Dieses häufig als rival, exklusiv und privat bezeichnete Gut kann man prima zu zweit essen (es gibt sogar bestimmte Löffel dafür). Vor allem mit einer geliebten Person zusammen (mit dieser natürlich ohne Löffel 🙂 kann das Essen eines gemeinsamen Eises mehr Spaß machen, als wenn jeder sein eigenes Eis hätte. Warum machen das manche Menschen (Perverse! 🙂 mit diesem exklusivem Privatgut? Vielleicht weil beim gemeinsamen Essen eines Eises gleich noch ein paar andere Güter entstehen: noch mehr Verliebtheit, Vertrauen, Nähe, Gewissheit …
Seltsamerweise ist das Eis eins der Standardbeispiele für private, rivale, exklusive Güter. Es wäre wohl schnell aus dem Rennen um diese Position geflogen, wenn sich mehr verliebte Eis-essende WissenschaftlerInnen und BloggerInnen an der Diskussion über Güter beteiligt hätten.
Nochmal zur Mauer: die (auf dem Nutzungszweck „Absperrung“ basierende) Einschätzung der Mauer als ein stoffliches, inklusives, nicht-rivales, warenförmiges Kollektiveigentum kann auch anders aussehen:
stofflich okay, nicht-stofflich aber ebenfalls, weil sie ja auch bewacht wurde und es den Schießbefehl und entsprechende Moralvorstellungen gab. Ohne diese Faktoren wäre die Mauer nicht die Mauer gewesen. Einfach nur ne Mauer um Westberlin wäre allenfalls ein interessantes Kunstwerk.
Inklusiv? Naja, es waren ja schon viele von der Nutzung „Absperrung“ ausschließbar, z.B. ergab sich dieser Ausschluss (von der Absperrung) für diejenigen, die gar nicht rüberwollten, oder für diejenigen, die sie haben bauen lassen. Ebenso für nicht-DDR-Bürger. War die Mauer also ein Klubgut?
Nicht-rival: eine m.E. sehr weise Einschätzung, der ich mich anschließe. Man rivalisierte nicht darum abgesperrt zu werden, d.h. einer der abgesperrt wurde, hat jemand anderem, der abgesperrt wurde, nichts von der Absperrung genommen. In dem Moment aber als alle begannen sich um die Mauer zu drängeln, so dass die Kapazität ihres Nutzungszwecks (Beton, Bewacher, Schießbefehl) sich erschöpfte wurde die Mauer zu einem rivalen Gut, wofür sie nicht gemacht war, und fiel.
Warenförmig: Würde ich widersprechen und Commons sagen, weil sie nicht getauscht wurde, sondern weil sie für Allgemeine andere produziert wurde und die Nutzung an feste sozial vereinbarte Regeln gebunden wurde.
Kollektivgut: Schließe ich mich auch an, wenn möglicherweise auch ein unerwünschtes.
Bei dieser Analyse, was für ein Gut die Berliner Mauer war, ist das Problem, dass sie Werturteile fällt. Sie basiert nämlich auf der Aussage, dass der Nutzungszweck der Mauer die Absperrung war. Basierend auf dieser Aussage (sie hatte einen Nutzen, die Absperrung war nützlich) sieht die Analyse natürlich recht eindeutig aus. Allerdings ist z.B. fraglich, ob die vom Nutzungszweck (Absperrung) Ausgeschlossenen froh waren, vom Nutzungszweck ausgeschlossen zu sein? Kann man überhaupt von einem Nutzungszweck sprechen, wenn jeder der nicht in den Genuss des Nutzungszwecks kommt, darüber froh sein kann? War die Mauer also überhaupt ein Gut? Oder war sie ein Übel? Oder ist das für die Analyse mit obigem Schema irrelevant? Wenn es irrelevant ist, ob die Mauer ein Gut oder ein Übel war, was hat man als Sozialwissenschaftler mit obigem Schema gewonnen?
> Commons sind folglich nicht nur ein diskursives Produkt,
> sondern eine Praxis
> unter klar umrissenen Rechtsbedingungen
> (wie blöd die auch teilweise seien mögen).
Wo kommen diese Rechtsbedingungen her? Wie kommt es, dass diese teilweise blöd „sind“?
Und noch eine Frage: Kann es auch schlechte Commons geben?
@Torsten: Interessante Diskussion!
Ok, ich muss darauf bestehen, dass Güter das »sind« wozu sie gemacht wurden (Ausnahmen bestätigen die Regel: vom intendierten Zweck kann abgewichen werden — wir sind ja keine Automaten). Dann kann man sich drüber unterhalten, was sie »sind«. Dieses »Sein« ist oftmals nicht eindeutig, nicht klar, überschneidend, aber dennoch »ist« es. Es auf den »Begriff« zu bringen, ist Teil von Wissenschaft. — Unversehens sind wir bei einer Grundfrage der Erkenntnistheorie geplandet 🙂
Richtig. Aber dieser soziale Prozess ist nicht beliebig, sondern an das gebunden, was »ist«. Etwas »auf seinen Begriff« zu bringen bedeutet nicht, sich eine schicke neue Erklärung auszudenken, sondern sich dem anzunähern, was dieses etwas »ist«. Allerdings gibt es keine Instanz, die über das Gelungensein dieser Annäherung befinden kann. Das Gelungensein ist eine Frage der Praxis, die u.U. aus dem (neuen) Verstehen resultiert.
Das spricht nicht gegen seinen rivalen Charakter: Zu zweit teilt man das Eis nur eben auf. Jeder Teil vom Eis kann aber nur einmal gegessen werden.
Die Mauer als Absperrung hat von diesem Zweck niemanden ausgeschlossen. Das gilt übrigens auch heute noch für die neue (elektronische) Mauer an den EU-Außengrenzen. Damit sie selektiv permeabel ist, gab (und gibt) es definierte Übertrittsstellen. Auch für die, die nicht »rüber wollen« (heute wie damals) gilt das. Gegen Commons spricht, dass es keine Community gab (gibt), die die Mauer betreibt, sondern der Staat. Dass der Staat in Anspruch nahm (und nimmt) für die Bevölkerung als Quasi-Community zu handeln, gehört zur Rechtfertigungsrethorik. Hypothetisch: Wäre es anders, wenn es eine »Mauer-Community« gegeben hätte? Das kann ich nicht entscheiden. Es könnte durchaus sein, dass das Gleiche rausgekommen wäre (bzw. rauskommen würde). Das mal angenommen, hast du ein Beispiel für ein Commons, das ich »schlecht« finden würde.
Um der Frage vorzugreifen: Selbstverständlich kann es »schlechte« Commons geben. Commons garantieren »als solche« noch nichts. Sie bieten nur die Chance, die Dinge anders zu regeln als etwa in der Form der Ware, weil die Bedürfnisse direkt mit in die soziale Regulation einbezogen sind. Im übrigen ist Kapitalismus ohne Commons gar nicht möglich (habe ich kurz im Text erwähnt).
Für mich ist die Antwort klar: Sie war ein Übel. Allerdings ist sie nicht aus der Laune böser Menschen entstanden, sondern in einer konkreten historischen Situation. Nur den Nutzungszweck der »Mauer« zu kennen, sagt über diese noch nicht viel aus. Wer ein geschichtliches Produkt dekontextualisiert und enthistorisiert, kann es nicht begreifen.
Er/sie hat ein Instrumentarium in der Hand, systematischer ein Gut und ein anderes zu vergleichen durch Unterscheiden. Für das Gut »Mauer« kommt da nicht sehr viel rum. Es ist ja auch nur ein quasi-poppersches Negationsbeispiel, um die Systematik zu testen, gell?
Für die Zukunft finde ich die Frage viel wichtiger, wie wir unsere Lebensbedingungen herstellen wollen. In welcher sozialen Form? Und da halte ich die soziale Form »Commons« für sehr bedeutend. Der zentrale Erkenntnisgewinn beim Erstellen der Systematik war, dass Ware, Subsistenz oder Commons keine Güter sind, jedenfalls nicht primär, sondern soziale Formen zur Herstellung von Gütern.
Na aus der Legislative, wie das halt in einem ordentlichen Staat so läuft. Sie sind blöd, weil sie Partialinteressen auf Kosten anderer (Partial-)Interessen rechtlich fixieren. In den Commons hingegen wohnt ein universalisitischer Grundgedanke. Eine Chance, mehr nicht, aber auch nicht weniger.
> Das spricht nicht gegen seinen rivalen Charakter: Zu zweit teilt man das Eis nur eben auf. Jeder Teil vom Eis kann aber nur einmal gegessen werden.
Mm… mal sehen ob funktioniert, wenn ich es mit anderen Worten versuche 😉 Das verliebte Paar, das sich gemeinsam ein Eis teilt, spricht gegen die Einordnung des Eises in die Kategorie rival, weil in dem Moment auf dem kleinen Weg am Fluß unter blühenden Kirschzweigen, eben nicht die Rivalität am Eis im Vordergrund des Interesses des verliebten Paares steht, sondern die beim zweisamen Essen eines Eises entstehende Gemeinsamkeit. Das Eis als technische Ressource (Wasser, Milch, Zucker, Energie) und ob man dem andern jetzt was davon abgibt oder nicht, ist da völlig Rille.
Diese Unsicherheit der Einordnung in Kategorien betrifft m.E. alle Güter. Die Ansichten ob ein Eis, ein Auto, Frieden, in die Kategorie rival fällt oder nicht liegen nicht im Gut begründet. Sie bildet sich durch diskursive, soziale, politische Prozesse.
Die Ansichten darüber, ob Bildung ein öffentliches Gut ist, sind momentan in Deutschland andere als vor 40 Jahren. Und sie sind andere als in den USA oder auf den Tonga-Inseln. Was ist denn dann Bildung? Die Beantwortung dieser Frage durch obiges Schema ist, m.E. (wie Du schon beim Beispiel Mauer meinst) nicht sehr ergiebig. Denn die Frage ob Bildung ein öffentliches Gut ist oder nicht spielt sich nicht in dem obigen Schema ab, sondern im Bundestag, auf der Straße, in Blogs, Parteihinterzimmern und Universitäten.
Bildung als öffentliches Gut zu bezeichnen ist m.E. keine Erkenntniss sondern eine Entscheidung.
Ob man commoning betreiben kann und möchte oder nicht ist eine Frage der persönlichen Einstellung und Ressourcen genauso wie sie eine politische Frage ist. Beides wird natürlich wieder durch diverse Sachen beeinflusst man könnte vielleicht sagen durch den Diskurs man könnte aber z.B. auch sagen durch Bildung.
P.S. irgendwie klappt das mit den Zitaten bei mir nur manchmal, (siehe #12 oben) sorry.
Ansonsten: ich denke ich will auf was Ähnliches hinaus wie Du.
Mir sind noch ein paar Sachen eingefallen, die ich hier gerne loslassen möchte. Der erste Einwurf wäre:
> Ok, ich muss darauf bestehen, dass Güter das »sind«
> wozu sie gemacht wurden (Ausnahmen bestätigen die
> Regel: vom intendierten Zweck kann abgewichen werden
> — wir sind ja keine Automaten). Dann kann man sich
> drüber unterhalten, was sie »sind«. Dieses »Sein«
> ist oftmals nicht eindeutig, nicht klar,
> überschneidend, aber dennoch »ist« es. Es auf
> den »Begriff« zu bringen, ist Teil von Wissenschaft.
Wozu ist Bildung, Speiseeis, Wikipedia, eine Armee oder ein anderes Gut gemacht? Frag drei Leute, wozu ein Stuhl gemacht ist und Du bekommst vier Antworten. Welche ist richtig? Jede aus ihrer Perspektive. Eine Wissenschaft, die versucht „die eine Antwort“ zu finden, oder das „Sein der Güter auf den einen Begriff zu bringen“, trägt m.E. zur Verdrängung des Wissens der Leute über die Dinge bei. Foucault hat das unterdrückte Wissensarten genannt. Eine großes Potential der Commons liegt aber m.E. gerade in dem Wissen, welches lokal und temporär von den Leuten getragen wird. „Indigene Gesellschaften“ Südamerikas machen nicht nur anderes Commoning als Schweizer Bergbauern und haben auch andere Commons als diese, sie haben auch einen anderen Begriff davon, ob es überhaupt Commons sind, die sie da bewirtschaften. Aus ihrer Sicht, kann der Wald in dem sie leben eine Gottheit sein. Und ihr Umgang mit dem Wald wird eben so sein, wie sie denken, dass man mit einer Gottheit umgeht. Diesen Wald als Commons zu bezeichnen ist m.E. westlicher Kulturimperialismus, der der Vernichtung des Wissens dieser Leute vorausgeht.
@Torsten: Hinsichtlich der Erkenntnismöglichkeiten unterscheiden wir uns.
Stimmt, das ist die individuelle Ebene. Dort kann das Gemachtsein-zu de- und re-kontextualisiert werden etc. Davon lebt Kunst, und z.B. Kinder kennen anfangs das verallgemeinerte Gemachtsein-zu nicht. Es existiert gleichwohl dennoch, nämlich gesellschaftlich-durchschnittlich. Der indentierte Zweck (des Stuhls, whatever) wird in der Produktion vergegenständlicht. Die gesellschaftliche Bedeutung ist damit festgelegt, objektiv. Objektives Gemachtsein-zu und subjektives Gebrauchen-für muss also unterschieden werden. Das zu erkennen, ist Wissenschaft, emanzipatorische Wissenschaft.
Die Verdrängung des Wissens kommt nicht daher, dass die Leute nicht mehr subjektiv die Bedeutung der Dinge bestimmen, denn auf der Gebrauchsebene entsteht keine (oder selten: z.B. die Teflonpfanne) objektive, d.h. allgemein gültige Bedeutung. Sondern sie kommt daher, weil den Leuten die Mittel zur Produktion ihres Lebens genommen wurden als Teil des Prozesses der Einhegung der Commons.
Indigene Gesellschaften, die sich lokale Mittel zur Produktion ihres Lebens bewahrt haben, besitzen in der Tat ein großes Potenzial, das noch nicht enteignet und uniformiert (zerstört) wurde, wenigstens in Resten. Dieses Potenzial ist ein Potenzial der Produktion, nicht bloß des Gebrauchs — darauf würden die Enteigner alle Menschen gerne reduzieren: auf bloße Konsumenten.
@Stefan: „Objektives Gemachtsein-zu und subjektives Gebrauchen-für muss also unterschieden werden. Das zu erkennen, ist Wissenschaft, emanzipatorische Wissenschaft.“
Ich würde eher sagen, dass emanzipatorische Wissenschaft da anfängt, wo subjektives Gebrauchen-für objektivierbar wird. Das kann man dann auch hacken nennen.
@benni: Unbedingt, Erkennen und Verändern schließen sich ein. Mehr noch: »Das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden. « (Marx, Thesen über Feuerbach)
Das ist nicht mein Punkt. (Abgesehen davon, dass nicht nur “Indigene Gesellschaften” ein großes Potenzial besitzen, sondern auch Punks, Obdachlose, Schwarzmeer-Fischer oder Freundeskreise ein je spezifisches Wissen über ihre Commons haben.) Mein Punkt, wenn ich soweit gehen würde zu sagen, dass ich einen machen will, was hier der Fall ist, ist folgender: An dieser Reduktion auf Konsum beteiligt sich eine Commons-Diskussion, die den Anspruch erhebt real-und allgemein-gültige Modelle und Schemata zu liefern. Die Einordnung lokal und temporär vorhandenen Wissens in Allgemeingültigkeit beanspruchende Modelle kann m.E. nicht nur zur Vernichtung solcher lokal und temporär vorhandener Praxen beitragen. Wo das nicht der Fall ist, entziehen sich solche punktuellen Wissens- und Verhaltensformen jedoch einem obigen Schema komplett.
Was meinst Du mit gesellschaftlich-durchschnittlich? Meines Wissens kann man den Durchschnitt nur von Daten bilden, die sich auf einer Kardinalskala abbilden lassen. Das scheint mir für die komplexen menschlichen Sinn-Zusammenhänge, von denen aus meiner Sicht bisher das Gespräch war, nicht so einfach möglich.
hi, das ist ja komplett an mir vorbei gegangen. ich bin eine schlafmütze.
Hochinteressant. Ich hab die Mauer (als alte Ossi), bisher immer anders angeguckt 🙂
@ Torsten:
„Schon ob etwas als Gut (z.B. Gemeingut) oder Übel (z.B. die Umweltverschmutzung als öffentliches Übel) bezeichnet wird ist Folge solchen Austauschs und Ausschlusses.“
ja, das finde ich auch. Commons entstehen zunächst aus einem permanenten diskursiven Ringen um diese elementaren Bausteine einer Praxis des „commoning“, in dessen Ergebnis ein Gemeinsames Verständnis des Umgangs Ressourcen steht, die niemandem individuell zustehen. Deswegen ist eben das, was wir machen kein Gerede, sondern die Erfolgsbedingung schlechthin für die Wiederentfaltung der Gemeingüter in der Lebensrealität.
(oder denkt Ihr, dass man auch ohne begriffliche Bestimmung und Denkrahmen diese Praxis so stark machen kann, dass sie flächendeckender Raum greift, als das bislang geschieht? Wenn ja, warum?)
Ansonsten denke ich, Torsten, Du rührst mit dem Insistieren auf das „Gemachte der Begriffe“ letztlich auch an der entscheidenden historischen Chance der Commonsdebatte… nämlich dass sie über das Denken und Sprechen und Bewußtwerden (dass Eis eben auch als Gemeingut und nicht nur Privatgut verstanden werden kann und das eben dieses Verständnis Unmengen über unsere Sozialbeziehungen aussagt) an diesem Punkt: Wir können die Dinge in die Commonsphäre zurück holen.
Ich erinnere mich, dass das eine meiner ersten Erkenntnisse waren, als ich diese Einteilung in Rivalität/ Exklusivität und die daraus resultierenden Tabellen und Schemata kennen lernte (was gar nicht lange her ist). Du nimmst einfach die so müssig klassifizierten „Güter“ und schiebst sie in ein anderes Kästen und es geht fast immer, sich die entsprechenden Rahmen -und Handlungsbedingungen dafür vorzustellen.
Anderer Punkt: ich finde, Saatgut ist immer noch das beste Beispiel dafür, dass man stofflich und nicht stofflich nicht wirklich trennen kann. Stoffliches ist immer Träger für Nicht-Stoffliches. (Wir haben darüber ja schon in der Entstehung des Artikels diskutiert, aber letztlich ist es auch aus strategischen Gründen sinnvoll, diese Unterschiedlichkeit zu visualisieren.)
Die Frage „Kann es auch schlechte Commons geben?“ gehört unbedingt auf unsere Blog- und Essayagenda. Ich bin da immer hin- und hergerissen. Wenn wir die Wertedebatte draußen lassen (was ich- wie Einige von Euch ja wissen – für problematisch halte), dann lautet die Antwort wohl JA. Wir haben das schon in Crottorf diskutiert. Stichwort „Do it yourself Genes“ usw. Diese Frage können wir nicht offen lassen, denn – wie heißt das schöne Bonmot: Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht. Aber im Ernst:
Ich bin dafür, diese Wertedebatte zu führen und mit den Commons in einer Art Schichtung zu verbinden. Etwa: Die Menschenrechte gelten völlig unabhängig von den Commons, aber nicht umgekehrt.
„Ob man commoning betreiben kann und möchte oder nicht ist eine Frage der persönlichen Einstellung und Ressourcen genauso wie sie eine politische Frage ist.“
Dem stimme ich zu, was ja die Debatte der Kulturkreativen so wichtig für uns macht. Julio Lambing von e5 bringt diese Frage unter den Stichwörtern ‚Tugenden‘ / ‚Haltungen‘ immer wieder ins Spiel. Man mag die Begriffe oder eben nicht. Die Herangehensweise finde ich essentiell für unser Thema.
Ich bin noch nicht ganz durch, erstmal bis hierhin.
Nochwas am Rande:
Stichwort Schießbefehl: Nun, ich hab’s mit alten Grenzern zu tun (bin 500 m von der Grenze aufgewachsen) und habe gerade erst wieder auf Point Alpha http://www.pointalpha.com/home das entsprechende Gesetz dazu gelesen. „Den Schießbefehl“ gab es nicht, jedenfalls ist er im Gesetz nicht zu finden (Ganz blöd waren die DDR Juristen auch nicht). Es wurde den Grenzern aber mit allen Mittel deutlich gemacht, dass Republikflucht ein Kapitalverbrechen ist und wenn man es denn verhindern müsse, dies doch irgendwie sinnvoll und begrüßenswert wäre. Widerliche Strategie. Sie haben sich abgesichtert, dass letztlich nur der kleine Soldat dingfest gemacht werden kann.
Hallo Silke,
danke für die Aufklärung zum Schießbefehl. Hab ich nicht gewusst. Wäre interessant zu wissen, wie dieses gesetzlich nicht festgeschriebene Wissen, dass man auf Republik-Flüchtlinge schießen sollte, dann unter den Soldaten weitergegeben wurde.
Danke. Das war, was ich sagen wollte und was ich so fazinierend finde. Mit ein bisschen Phantasie kann ich mir viele private Güter als Gemeinschaftsgüter oder gar öffentliche Güter vorstellen. Es ist die Frage, was man zusätzlich zur Phantasie noch benötigt, um aus diesen privaten Gütern auch „tatsächliche“ Gemeinschaftsgüter zu machen. Vorausgesetzt, man benötigt für diese Transformation überhaupt noch etwas zusätzlich zur Phantasie 😉
Was wir noch brauchen: Enthusiasmus, gute Vernetzung und Stehvermögen! Das mit der Vernetzung müssen wir noch etwas optimieren, aber sonst sieht es ganz gut aus 🙂
@Torsten#19: Zu deinem »Punkt«:
Huch, wie kommst du darauf? Allgemeingültigkeit bedeutet nicht Uniformität. Es geht bei den Commons doch gerade darum, die Vielfalt allgemein gültig werden zu lassen. Das ist der Unterschied zwischen konkreter und abstrakter Allgemeinheit: Etwas kann allgemein, muss aber nicht gleich sein.
In der Commons-Debatte ist die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Commons offensichtlich, das Zusammengehörige jedoch nicht. Das Allgemeine im Unterschiedlichen zu begreifen, ist der Teil der Bewusstwerdungsdebatte, und dazu gehören für mich auch solche Schemata wie das hier vorgestellte.
Ich meine nicht den mathematischen Durchschnitt. Ich will damit die individuelle Ebene von der gesellschaftlichen abheben: Was gesellschaftlich im Mittel (daher: durchschnittlich), also von irgendwem, getan werden muss, muss ich nicht tun. Was im Mittel an Bedeutungen gilt, kann ich umdeuten, rekontextualisieren, hacken, einen neuen Sinn verleihen etc.
Mein Punkt war, das die Bedeutungen durch den Akt der Herstellung der Dinge (auch der nicht-stofflichen, siehe Schema) als gesellschaftlich gültige festgelegt werden. Damit existieren sie objektiv. Sie entstehen also nicht bloß durch Verabredung, sondern tatsächlich. Sie sind schon da, wenn Kommunikation über sie stattfindet. Ich kann mich zu ihnen verhalten, aber sie nicht weg denken. Sinn-Zusammenhänge zu bilden, bedeutet, sich zu vorhandenen Bedeutungen zu verhalten.
„durch den Akt der Herstellung der Dinge als gesellschaftlich gültige festgelegt werden“ … das ist mir zu schwammig. Wie passiert denn das? Drücken da paar Leute den Knopf „Jetzt als gesellschaftlich gültig festlegen“?
Es geschieht durch den Akt der Herstellung, wie ich schrieb. Ein Stuhl wird durch die Herstellung zum Zwecke des Drauf-Sitzen-Könnens (im schlichten Fall) zum Stuhl. Kaufen ihn die Menschen (im Kapitalismus) und nutzen ihn Zum-Drauf-Sitzen, dann wird der intendierte Zweck auch praktisch vollzogen (unabhängig davon, dass man einen Stuhl auch anderweitig nutzen kann). Das ganze ist ein praktischer Vorgang ohne Knopfdrücken und ohne extra Verabredung.