Gorz über Universalgüter
André Gorz hat mit »Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie« (Rotpunktverlag 2004) ein wichtiges Buch geschrieben, dass im wesentlichen in die gleiche Richtung zu argumentieren sucht, auf die es mir ankommt. Gorz unterscheidet Universalgüter und Allgemeingüter terminologisch noch nicht, inhaltlich ist die folgende Passage jedoch klar:
»Der Begriff des Wertes im ökonomischen Sinne als Tauschwert lässt sich nur auf Waren anwenden, das heißt auf Güter und für Dienstleistungen, die im Hinblick auf ihren Tausch produziert wurden. Was nicht durch menschliche Arbeit produziert ist sowie a fortiori was nicht produzierbar oder nicht tauschbar oder nicht für den Tausch bestimmt ist, hat keinen ökonomischen Wert. Das gilt … ebenso für Allgemeingüter die, wie etwa überliefertes Kulturgut, weder geteilt noch gegen andere ausgetauscht werden können. … (Sie) können allerdings beschlagnahmt werden. Es genügt, ihre Zugangsmöglichkeiten zu privatisieren, um Zugangsrechte erheben zu können. Auf diese Weise werden Allgemeingüter in Scheinwaren verwandelt, die den Verkäufern der Zugangsrechte eine Rente verschaffen.« (S. 33)
An dieser Stelle möchte ich die Diskussion zum Beitrag »Universalgüter« mit Christian fortsetzen, der fragt:
»Inwiefern wird MS Windows “von vornherein gesellschaftlich produziert”, die Brötchen dagegen nicht?«
Die Frage bezog sich auf die Aussage, dass Universalgüter von vornherein gesellschaftliche Güter und somit (ökonomisch) wertlos sind. Eine gute Frage, deren Antwort mir nicht leicht fällt, weil die Bedeutungen der Begriffe „gesellschaftlich“ und (als Gegenstück) „privat“ nicht feststehen, sondern changieren. Mal sehn.
Zunächst zeigt meine Kennzeichnung als „von vornherein gesellschaftlich produziert“ den eindeutigen Fall an, etwa den von Freier Software. Proprietäre Software wird — im Unterschied zu Freier Software — nicht von vornherein gesellschaftlich produziert, sondern gewissermaßen „notgedrungen“ oder „paradoxerweise“ trotz privater Form. Das macht die Einsicht zugegeben ziemlich schwer bzw. es gibt gute Gründe, das Paradoxon für Schein und die Einsicht für Einfalt zu halten — wer das denkt, irrt natürlich;-)
Weder MS-Irgendwas noch die Brötchen werden also „von vornherein gesellschaftlich produziert“. Wäre das der Fall, müssten sich die ungesellschaftlichen Produkte nicht auf dem Markt treffen und ihren Werthändel treiben, gäbs also keine zirkulative Vergesellschaftung ex post, sondern alles wäre „unmittelbar gesellschaftlich“, einsichtig und klar, kurz: Dann hätten wir den Kommunismus.
Die These ist, dass zum Beispiel Microsoft trotzdem, obwohl es nicht so aussieht, gesellschaftliche Arbeit privatisiert und nicht, wie es normal wäre, private Arbeit gesellschaftliche Verhältnisse herstellen lässt (via Tausch). Hier ist folglich das Verhältnis von Privatheit und Gesellschaftlichkeit verkehrt: Während konventionelle Güter durch Privatproduzenten hergestellt werden und in der Zirkulation ihre Gesellschaftlichkeit bewähren müssen (denn dann und nur dann sind sie Waren), werden Universalgüter durch (privatisierte) gesellschaftliche Arbeit produziert und müssen in der Zirkulation ihre Privatheit bzw. Exklusivität, also ihre äußerliche Warenform simulieren, damit sie als Bezahlgut akzeptiert werden und erfolgreich Geld transferieren.
Dass das so „verkehrt“ ist, hat mit der gegenständlichen Spezifik der Güter und den sozialen und rechtlichen Verhältnissen zu tun, die diese erzeugen. Konventionalgüter sind „singuläre Güter“ (dazu zählen auch bestimmte Dienstleistungen, klar können auch die wertproduktiv sein — anderes Thema) und Universalgüter sind (potenziell) „ubiquitäre Güter“. Ihre Verbeitung ist nur durch die verfügbaren Träger limitiert, was in praxi eine real wichtige Grenze darstellt. Singuläre Güter müssen getauscht werden, um ihre Gesellschaftlichkeit zu bewähren, potenziell ubiquitäre Güter müssen ihre Exklusivität behaupten, um Geld anzuziehen. Singuläre Güter werden auch real getauscht, ein Händewechsel findet statt. Universalgüter werden weder hingegeben, noch getauscht, noch ausgeliehen, sondern nur die Nutzung wird erlaubt. Insofern ist eine Verwandtschaft mit dem vorbürgerlichen Lehnswesen, die Franz Nahrada einbrachte, augenfällig — nur dass hier nicht die Sache, sondern nur die Nutzungserlaubnis „übertragen“ wird. Unversalgüter sind mithin keine Waren.
Eigentlich ist jede Produktion schon immer gesellschaftlich. Im Kapitalismus findet die gesellschaftliche Produktion im Gesamt jedoch in Form voneinander unabhängiger Privatarbeiten statt. Eigentlich unterscheiden sich also Microsoft und Bäckerei nicht: Beidesmal sind Form und Aneignung privat, die Produktion aber Teil gesellschaftlicher Produktion. Der Charakter der Arbeiten unterscheidet sich jedoch sehr wohl, weil sich diese auf unterschiedliche Güter bezieht und unterschiedliche soziale Beziehungen erzeugt. Die Arbeiten bei Microsoft beziehen sich auf Universalgüter, auf universelle, potenziell ubiquitäre Güter, die nicht getauscht werden, also nicht Waren sind, sondern deren Nutzungserlaubnis mehr oder weniger restriktiv erteilt wird. Siehe das Gorz-Zitat. Der Charakter der Arbeiten ist allgemeiner Natur, weil diese allgemeine Güter erzeugen. Die Arbeiten in der Bäckerei beziehen sich auf die wiederholte Anwendung abstrakter Arbeit zur stetigen Erzeugung immer neuer Backwaren, die getauscht werden (müssen), wodurch das exklusive Eigentum an dem gebackenen Gebrauchswert auf einen Käufer übergeht.
Also: Allgemeine Arbeit erzeugt Universalgüter, unmittelbar verausgabte abstrakte Arbeit erzeugt Singulargüter. Aber unterscheidet sich die Arbeit in der Schwitzbude Microsoft von der Schwitzbude in einer Bäckerei, ist nicht beides anstrengend, ist nicht beides Verausgabung gesellschaftlich notwendiger Arbeit, um die Güter in die Welt zu bringen? Die Qualität dieser Frage entspricht in etwa der Frage, ob es denn überhaupt einen Unterschied zwischen den genannten Gütern gäbe, wo man im Laden doch sehen könne, dass MS-Irgendwas x kostet und das Backgut y kostet. — Das ist die erscheinende Oberfläche, das ist der verdinglichte Blick, der in der Naturalform der Güter selbst den Wert erkennen will, statt ihn als gesellschaftliches Verhältnis zu begreifen.
Genauso mit den Arbeiten: In der Naturalform der Arbeiten wird ihr Charakter — produktiv/unproduktiv, abstrakt/universell — nicht zu finden sein. Der Charakter der Arbeit ergibt sich einzig aus ihrem Verhältnis zu den sie erzeugenden Gütern und sozialen Beziehungen, denn „Arbeit im Kapitalismus“ ist selbst ein gesellschaftliches Verhältnis und keine überhistorische Seinsbestimmung des Menschen. Mehr noch, genauer wird es umgekehrt: „Arbeit“ in der spezifisch-historischen Form konstituiert das spezifische gesellschaftliche Vermittlungsverhältnis. Das bedeutet, dass durch Universalgüter erzeugende allgemeine Arbeit qualitativ andere gesellschaftliche Vermittlungsverhältnisse produziert werden, als durch jene konventionelle Güter produzierende Lohnarbeit. Und genau das ist — wie dargelegt — auch der Fall: Die sozialen, rechtlichen und praktischen Verhältnisse unterscheiden sich trotz Unterordnung unter die Warenform gravierend von konventionellen Gütern.
Statt also die Differenzen und Ungereimtheiten wegzutricksen (etwa: Tausch finde doch statt, nur halt eins gegen viele und mit open end), geht es darum die Bruchstellen zum Ausgangspunkt einer Differenzierung in der Analyse zu machen. Damit wird Marx nicht aufgegeben, sondern Marx entsprochen. Aber es ist natürlich wie bei jeder theoretischen Annäherung eine Frage der Perspektive und der Begriffe: Aus meiner Perspektive einer aktualisierten Analyse erscheint es mir unverständlich, wie man noch an der alter Kategorialität festhalten kann und diverse Klimmzüge einbaut, wo doch die Realität längst anderes zeigt. Umgekehrt weiss ich ganz genau, dass die von mir dargestellte veränderte Sichtweise auf Befremden stößt, weil sie nicht nur unvertraut, sondern in der eigenen Blickweise entsprechend „ungereimt“ erscheint. Was hier also konkurriert, sind nicht Einzelargumente, sondern Kategroriensysteme. Diese sind nicht auf der Einzelargumentebene belegbar oder widerlegbar — man muss sie schon als Ganzes gedanklich bewegen und bewerten. Wie, das bleibt letztlich jedem selbst überlassen.
So. Ganz am Schluss habe ich aber noch eine schlichte Antwort parat, die ich jedoch bewusst hintan stelle. Die schlichte Antwort wäre, dass der Wissensanteil bei allen Produkten gesellschaftlicher Natur ist und somit wertlos. Bei (proprietärer) Software beträgt dieser Anteil 90%, bei Brötchen 30% (keine Ahnung, Zahlen nur zur Illustration). Hierin eingeschlossen ist die Unterscheidung von Schaffung neuen Wissens (wertunproduktiv) und Anwendung vorhandenen Wissens in der Warenproduktion (wertproduktiv). Softwareentwicklung ist im wesentlichen Schaffung und Vergegenständlichung neuen Wissens (in Softwareform), Brötchenproduktion ist im wesentlichen Anwendung von vorhandenem Wissen. Neues Wissen wird durch allgemeine Arbeit geschaffen, vorhandenes Wissen wird durch konkrete Arbeit angewendet.
Guckt man sich die Softwareentwicklung an, dann findet man auch auf Oberfläche der konkreten Tätigkeiten den gesellschaftlichen Charakter wieder: Die Arbeiten sind nicht nur indirekt über den Markt oder vertragliche Kooperationsbeziehungen miteinander verbunden, sondern weltweit auch personal-konkret. Auch die Entwickler proprietärer Software tumeln sich in den Foren, auch die proprietären Firmen haben die Potenzen „eigener“ Communities erkannt und insbesondere Software ist ein Produkt, dass von Feedbacks und der Mitentwicklung durch AnwenderInnen lebt. Dieser Drang zur konkreten Vergesellschaftung auf der Ebene der Produktion und nicht erst der Zirkulation wird natürlich durch die Notwendigheit zur Exklusion zwecks Warensimulation gleichzeitig begrenzt. Genau deswegen ist das Inklusionsmodell Freier Software die angemessenere Produktionsweise für gesellschaftliche Güter.
Ist das nicht ein Zirkelschluß? Universalgüter sind solche, die unmittelbar gesellschaftlich produziert werden und umgekehrt ist die Produktion deswegen unmittelbar gesellschaftlich, weil Universalgüter produziert werden. Aber vielleicht ist das jetzt ein Einzelargument und kein Kategoriensystem?
Hmm, irgendwie komme ich nicht drumrum, hier einen Zirkelschluss festzustellen. Wenn man dich fragt, wieso denn gerade die Form des Produktes (Information/Wissen vs. andere Güter) einen entscheidenden Unterscheid machen sollte, antwortest du, dass nicht die Form des Produktes, sondern die Form der Herstellung entscheidend ist:
(Kommentar zu Benni)
Wen man dich aber fragt (wie ich) woraus der Unterschied in Form der Herstellung besteht, meinst du, er besteht genau und lediglich in der Form der hergestellten Produkte:
(oben)
(Krisis-Artikel, Pt. 48)
(Pt. 68) (Alle Hervorhebungen hinzugefügt.)
Daraus kann man 2 unterschiedliche Schlüsse ziehen:
Damit sind die von Benni, Maike Arft-Jacobi, Holger und mir geäußerten Bedenken, dass die bloße (un)stoffliche Beschaffenheit für die Frage, ob etwas als Ware produziert werden kann, nicht von entscheidender Bedeutung sein kann, nach wie vor aktuell.
Aber gemäß beiden Interpretationen wäre es einfacher und für alle Beteiligten weniger verwirrend, wenn du von schlichtweg und generell mit der „Form des Produkts“ argumentieren würdest, und angebliche Unterschiede in der Form der Herstellung (die sich dann doch nur als Unterschiede in der Form des Produkts entpuppen) außen vor lässt.
@Benni:
Hehe, wir haben beide unsere Kommentare parallel verfasst (und haben offensichtlich beide den selben Eindruck), aber du warst schneller (und kürzer) 😉
@Benni:
Ich denke nicht. Dass Universalgut und allgemeine/gesellschaftliche Arbeit wechselseitig konsistent einander begründen können — das muss doch so sein, oder? Aber es ist doch nicht alles, hier habe ich neun Punkte genannt, die gleichzeitig zutreffen. Und hier in den Absätzen 3 bis 6 habe ich eine Klassifikation aller möglichen Güterarten vorgenommen mit systematischer Platzzuweisung für Universalgüter. Ich frag mich allerdings schon, warum euch (Christian ja auch) das trotzdem zirkulär erscheint.
Ich hab insbesondere das explizit ausgeschlossen („…dann hätten wir den Kommunismus“).
@Christian:
Mir ist nicht klar, warum du (und auch Holger schon mal) mich unbedingt in so eine simpele Ecke drücken wollt: So simpel ist es nicht. Die Form des Produktes ist nun mal nicht entscheidend, sie alleine kann den Universalgutcharakter nicht begründen (notwendig, aber nicht hinreichend). Nicht alle nicht-stofflichen Produkte sind Universalgüter, auch wenn alle Universalgüter nicht-stofflich sind.
In Stichworten sind meine Bausteine der Argumentation folgende:
Und die lassen sich nicht auf die Güterspezifik und die Frage „Unterschied oder nicht“ reduzieren. Deswegen muss ich die beiden (Kurz-) Schlüsse zurückgeben.
@Stefan:
Moment! In den 9 Punkten geht es jeweils ganz explizit um „Informationsgüter“. Aber dass es bei der Frage ob Information oder nicht, um die stoffliche Beschaffenheit, d.h. um die Form des Guts geht, da dürften wir uns ja einig sein?
Da listest du aber lediglich drei Eigenschaften auf, die Universalgüter deiner Meinung nach erfüllen (sie sind nicht-stofflich, nicht ausschließbar [theoretisch], und nicht rivalisierend). Als 4. nennst du dann noch die Unterscheidung zwischen Waren und Nicht-Waren, aber das ist ja gerade der Punkt, um deren Klärung wir bemüht sind, insofern können wir ihn zur Klärung der Frage („Können Universalgüter als Waren produziert werden?“) nicht heranziehen.
Was wir haben, sind drei Eigenschaften, die sich allerdings alle aus der stofflichen Form („Information“) herleiten lassen: Information ist nicht-stofflich; von der Nutzung von Information kann niemand ausgeschlossen werden [jedenfalls nicht ohne eine gewisse Mühe], weil sie so leicht kopierbar ist; die Nutzung von Information ist nicht-rival, weil meine Nutzung deine Nutzung nicht tangiert – ganz genauso argumentiert deine Zusammenfassung des Lohoff-Texts ja auch.
Also stecken wir, ob wir wollen oder nicht, nach wie vor bei der stofflichen Form des Produkts („Information“) fest. Aber selbst wenn die 3 Eigenschaften voneinander ganz unabhängig wären, ginge es immer noch nur um Eigenschaften des Produkts und nicht um die soziale Form seiner Herstellung. Sprich warum gerade Produkte mit diesen Eigenschaft die Produktion als Waren nicht nur schwieriger machen (das ist ja unstrittig), sondern grundsätzlich sprengen („MS Windows wird zwar wie eine Ware produziert, es ist aber keine“), wäre weiterhin noch offen.
(Aber ich glaube, das eigentliche Problem sitzt tiefer/woanders – wenn ich demnächst dazu komme, werde ich noch was dazu schreiben…)
@Stefan:
Zu den ersten Punkten hat Christian ja schon zurückgefragt. Bleibt noch Punkt 3, nämlich:
Hm, liegt da vielleicht ein Mißverständnis vor? Mit „die Produktion“ meinte ich hier nicht die gesamte Produktion sondern nur die von Universalgütern (die Du ja zur Definition was Universalgüter sind heranziehst, wenn Du gefragt wirst, was das ist, wenn nicht blos der stoffliche Unterschied). In Deinem Blogeintrag zur Frage was denn das Spezifische dieser Produktionsweise von Universalgütern ist, steht nun im wesentlich aber eigentlich nix anderes (oder ich überseh es oder habs einfach noch nicht verstanden, das will ich überhaupt nicht ausschliessen) als eben, dass eben Universalgüter produziert werden. Und somit seh ich da immer noch nur einen Zirkelschluss.
Klar hängt sicherlich beides miteinander zusammen (sonst wärs ja undialektisch), aber da sollte doch ein Unterschied zu „A weil B und B weil A“ sein, oder? Wahrscheinlich gibt es den, ich seh ihn halt nur noch nicht.
Vielleicht nochmal von vorne, die beiden Fragen die für mich noch ungeklärt sind, sind:
1) Was definiert „Universalgüter“, wenn es nicht blos die Nicht-Stofflichkeit ist?
2) Was unterscheidet die Produktionsweise proprietärer Universalgüter von proprietären Brötchen?
Nach meiner (und wohl auch Christians Wahrnehmung) hast Du bisher bei den beiden Antworten jeweils auf die andere Frage verwiesen.
@Christian:
Nein, sind wir nicht. Es geht um die in den 9 Punkten genannten Argumente und nicht bloß um die stoffliche Beschaffenheit. Und auch die 4 Eigenschaften inkl. der Frage, ob Ware oder nicht, sind unreduziert zu diskutieren, weil es gerade darum geht, denn es sprechen eine Menge Gründe gegen den Warencharakter.
Eine Reduktion nur auf die Stofffrage macht blind. Das wäre so, als wenn ich dich umgekehrt auffordern würde, aus der Stofffrage den Warencharakter konventioneller und universeller Güter zu belegen — das geht schlicht nicht.
@Benni: Ok, also nochmal, aber nur stichwortartig, ohne Gewähr der Vollständigkeit.
Ich unterteile mal systematisch in beide Bereiche, damit wir alles beisammen haben.
Folgende Aspekte sind stoffspezifisch, also allein Resultat der Nicht-Stofflichkeit von Universalgütern:
Folgende Punkte sind nicht stoffspezifisch, kommen also auch bei anderen Gütern vor:
Auch hier wieder spiegelstrichartig beide Güter nacheinander.
Produktionsweise proprietärer Universalgüter
Produktionsweise proprietärer Brötchen
Die Unterschiede sind doch deutlich, oder? Wo ist jetzt der Zirkel?
@Stefan: Danke für die Mühe.
Zunächst mal nur wieder eine Frage. Was ich u.a. immer noch nicht verstehe:
Zumindestens im Streifzüge-Text hab ich das so nicht wiedergefunden. Inwiefern ist das „a priori“ gesellschaftlich?
Blöd, dass wir keinen Zugriff auf den Text von Lohoff haben auf den Du das ja alles aufbaust.
@Benni:
Dieser Punkt steht implizit in dem Begriff „allgemeine Arbeit“ drin, aber ausformuliert habe ich das erst in diesem Blogbeitrag (dort, wo ich das Verhältnis von „gesellschaftlich“ und „privat“ diskutiere). Ich verwende übrigens „allgemein“ und „gesellschaftlich“ synonym — keine Ahnung, ob ich damit schon einen Fehler begehe.
Deine Frage verstehe ich nicht so ganz: Das „a priori“ ist nur eine andere Bezeichnung für „von vornherein“, mehr nicht. Insofern ist „a priori“ nicht „gesellschaflich“, sondern es kennzeichnet das „gesellschaftlich“ als „von vornherein vorhanden“.
Diese extra Kennzeichnung ist notwendig, weil ja jede Produktion in einer arbeitsteiligen Gesellschaft „eigentlich“ gesellschaftlich ist. In der Warenproduktion treten die Güter jedoch in privater Form als Waren auf den Markt und erfüllen erst im Tausch ihre „Gesellschaftlichkeit“ und realisieren ihren Wert als Tauschwert. Das ist bei (a priori) gesellschaftlichen (=allgemeinen =universellen) Gütern anders: Die sind schon gesellschaftlich auch ohne Tausch, alle können sie nutzen etc. Aber, wie geschrieben: Das gilt nur für freie Universalgüter, bei privatisierten Universalgütern ist das komplizierter, weil hier die Verwertungsnotwendigkeit verhindert, dass die Universalgüter in der Welt als das erscheinen, was sie sind: gesellschaftliche Güter. So kommt es zu den beschriebenen paradoxen Erscheinungen — IMHO.
Ja, scheiss Warenform.
@Stefan, Kommentar #8:
Der Zirkel ist nach wie vor da – wesentlicher Punkt der nicht stoffspezifisch Eigenschaften von Universalgütern:
Und wesentlicher Punkt bei der Produktionsweise proprietärer Universalgüter ist ebenfalls:
Oben hatten wir gesehen, dass du „allgemeine Arbeit“ im Wesentlichen daran festzumachen scheinst, dass sie allgemeine bzw. universelle Güter hervorbringt (also Güter, die sich, sofern man von den Nicht-Stofflichkeit mal absieht, dadurch auszeichnen, dass sie „keine Wertsubstanz“ haben, weil sie das Produkt allgemeiner Arbeit sind).
Die meisten anderen Punkten gründen sich auch wieder auf einen dieser beiden sich lediglich gegenseitig stützenden Aspekte („allgemeine Arbeit“, „keine Wertsubstanz“). Aber solange du nicht einen dieser Aspekte ohne Rückgriff auf den jeweils anderen begründest, kommen wir aus dem Zirkel nicht raus….
Dann bleibt noch der eine Aspekt (ebenfalls in mehreren Punkt wiederholt), dass angeblich kein Tausch stattfinden soll. Warum aber ein „Tausche Nutzungserlaubnis gegen Geld“ etwas kategorial anderes als „Tausche alle Rechte an der Software gegen Geld“ sein soll, hast du uns noch nicht erklärt. Und schon gar nicht hast du erklärt, wieso aus dieser Tatsache (nicht Windows selbst, sondern nur eine Windows-Nutzungserlaubnis wird getauscht/verkauft) folgen sollte, dass Windows „keine Wertsubstanz“ hat. Somit hilft uns auch dieser Punkt nicht, aus dem Zirkel auszubrechen.
Insofern finde ich meine kleine Wertformanalyse proprietärer Software nach wie vor überzeugender als deine langwierigen, sich aber letztlich im Kreis drehenden Ausführungen zur angeblichen Wertlosigkeit proprietär produzierter „Universalgüter“. Sorry.
@Christian:
In einem Punkt muss ich jetzt mal Stefan unterstützen: Das kein Tausch stattfindet leuchtet mir ein. Zu einem Tausch gehört ja wohl, dass man das was man tauscht weggibt. Genau das passiert aber nicht. Lizenzen kann man eben immer wieder neu ausstellen.
Das mit der Wertsubstanz und der allgemeinen Arbeit versteh ich aber immer noch nicht so recht…
@Christian #12: Nein, kein Zirkel. Das, bei was bei Universalgüter in freier Form auftaucht, muss bei Universalgütern in privatisierter Form ebenso auftauchen — nur mit dem Unterschied, dass hier die allgemeine Arbeit privat angeeignet wird.
Die angebliche Zirkelsache ist nur formal, das sagt mir einfach inhaltlich nichts. Und „ich finde meins besser als deins“ ist auch kein Argument. Ich habe so viele Punkte hier und in den Artikeln genannt, zu denen du (und andere) nichts gesagt haben. Sind die alle akzeptiert?
Zum Tausch: Im Falle von Universalgütern gibt es IMHO keinen kategorialen Unterschied zwischen „begrenztes Recht gegen Geld“ und „alle Rechte gegen Geld“ — ob begrenzte Rechte von A gegen Geld verteilt werden oder ob A genau dieses Recht erst an B gibt, der dann die begrenzten Rechte gegen Geld verteilt, ist unerheblich. B leistet an A eine Rentenzahlung auf einmal, natürlich in der Hoffnung, anschließend mehr Rente von Einzelnutzern einzunehmen. Beides ist kein Tausch. Das gilt nicht für Unikate (die keinen universellen Charakter haben: etwa eine einzigartige Maschinensteuerung).
Zu Wertsubstanz(losigkeit): Weil Universalgüter nicht getauscht werden, sind sie keine Waren. Wenn sie keine Waren sind, verkörpern sie auch keinen Wert. Die Windows-Nutzungserlaubnis wird nicht getauscht, sondern eins um andere mal möglichst oft vergeben, ohne Abgabe auch nur eines Bits von Windows — ergo ist Windows keine Ware und besitzt keinen Wert.
Die Hilfskonstruktion mit dem Tausch von 1 zu n, wobei n unbestimmt und potenziell unendlich ist, haut nicht hin. Mit Marx habe ich das hier dargestellt.
@Benni:
Könntest du genauer sagen, was du nicht verstehst?
@Stefan:
Hm, ich glaube wenn ich das könnte, hätte ich es schon verstanden 🙂
Aber ich versuchs mal, vielleicht versteh ichs ja beim Fragen:
1. Also was ich jetzt glaub ich kapiert hab, ist dass das mit der Wertsubstanz nix groß esotherisches ist, sonder einfach der Linie „kein Tausch“ => „keine Ware“ => „kein Wert“ => „keine Wertsubstanz“ folgt. Iritierend ist vielleicht, dass ja Wertsubstanz geronnene abstrakte Arbeit sein soll, jetzt wird sie aber aus dem Tausch abgeleitet. Aber das ist ja wohl der Witz an abstrakter Arbeit, die gäbs ja auch nicht ohne Tausch. Richtig?
2. „allgemeine Arbeit“ bleibt aber immer noch dunkel für mich. Einmal verwendest Du es als Synonym für „produktive Tätigkeit der Multitude“, dann wieder ist davon die Rede, es handele sich ursprünglich um Wissenschaftsarbeit. Mir würden vielleicht ein paar Beispiele helfen, was da drunter fallen würde, ausser der Erstellung von Universalgütern.
@Stefan:
Kein Tausch, selbst wenn alle Rechte übertragen werden? Also wenn eine Firma mich (als professionellen Softwareentwickler) beauftragt, ihnen eine Software entwickeln, hat, obwohl ich die Software für sie entwickle, dafür jede Menge abstrakter Arbeit aufwende, und sie ihnen schließlich (ggf. inklusive aller Rechte) aushändige, trotzdem kein Tausch stattgefunden? Genauer gesagt, ob ein Tausch stattgefunden hat, soll ich daran festmachen, ob anschließlich die Software nur bei einem bestimmten Kunden eingesetzt wird („Unikat“, meine abstrakte Arbeit bleibt werthaltig, Tausch hat stattgefunden) oder bei mehreren/vielen („Universalgut“, meine abstrakte Arbeit scheint nun plötzlich wertlos zu geworden zu sein, wodurch kein Tausch mehr stattgefunden hat, weil ich meinem Auftraggeber keinen „Gegenwert“ geliefert habe *) ??
(* Oder ist es andersrum? Auch hier bleibt die Argumentation zirkulär: „Kein Tausch“ scheint daraus zu folgen, dass Universalgüter wertlos sind, während die Wertlosigkeit von Universalgüters daraus zu folgen scheint, dass „kein Tausch“ stattfindet.)
Was wenn mein Auftraggeber die Software zunächst für einen Kunden konzipiert hat, aber schließlich noch weitere Abnehmer findet? Bleibt sie Unikat (werthaltig) oder wird sie dadurch plötzlich zum Universalgut (wertlos)? Warum soll der Wert meiner Arbeit, die ja in beiden Fällen dieselbe war, davon abhängen, ob das Produkt der Arbeit von einem Kunden genutzt wird oder von vielen? Ist eine Maschinensteuerung, die von 2 Kunden genutzt wird, noch ein Unikat? Ist eine Maschinensteuerung, die von 1000 Kunden genutzt wird, schon ein Universalgut?
Wann und wie findet der Umschwung von der quantitiven Zahl der Nutzer zur qualititäten Universalisierung statt, durch den sich der Wert der geleisteten abstrakten Arbeit dann auf ominöse Weise evaporieren sollte?
Alles was du damit zeigst, ist dass sich der Wert einer Software nicht dadurch erhöht, dass weitere Kopien hergestellt werden, und dass der Wert einer einzelnen Kopie gegen Null geht, wenn die Anzahl der verkauften Kopien gegen unendlich geht. Aber das war ja genau der Punkt, der aus meiner Wertformanalyse auch hervor ging: da sich der Wert (sprich, die für ihre Erstellung notwendige abstrakte Arbeit) einer proprietären Software gleichmäßig über alle Kopien verteilt, ist der Wert einer Einzelkopie dann und nur dann null, wenn tatsächlich unendlich viele Kopien verkauft werden. Das ist aber selbst Microsoft nicht vergönnt. Solange die Anzahl der verkauften Kopien endlich bleibt (d.h. in der realen Welt immer) behält auch die verkaufte Kopie einen Wert.
Das ist kein Argument, sondern Konsequenz der Argumente.
Nun, mit vielen Details bin ich einverstanden. Zu deinen Ausführungen zur Knappheit bin ich vom Grundtenor einstanden (natürlich ist Knappheit ein notwendiges Resultat kapitalistischer Produktionsweise, und zwar bei allen Gütern die als Waren produziert werden), aber nicht mit den denunziatorischen Elementen der Präsentation (natürlich würde es in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft nicht automatisch alles im Überfluss bzw. im ausreichenden Maße geben — du gestehst das auch zu und erlaubst, dass man es „Begrenzung“ nennt, erklärst aber alle Analysen für falsch, die es wagen, stattdessen andere Begriffe wie „natürliche Knappheit“ oder „Unterproduktion“ zu verwenden, auch wenn in der Sache dasselbe gemeint ist).
Und dann gibt es natürlich sehr vieles, womit ich nicht einverstanden bin bzw. was ich für zu kurz gegriffen halte, was aber zumeist aus diesem Punkt der angeblichen immer-schon-Wertlosigkeit von Universalgütern folgt. Ich habe z.B. eine sehr viel weitergehende Auffassung vom Keimformcharakter Freier Software als du. Du scheinst die kollektive, nicht wert-vermittelte Produktionsweise primär (und möglicherweise nur?) für Universalgüter relevant zu finden (Fazit: „Die allgemeine Arbeit findet im freien Universalgut ihre adäquate Form“). Deine „Handlungsmöglichkeiten für emanzipatorische Bewegungen“ (Pt. 50-69) beschränken sich denn auch im Wesentlichen auf die „Befreiung von Universalgütern“. Die „Brötchenfrage“ muss für dich somit ausgespart bleiben, da Brötchen keine Universalgüter sind.
Dagegen sehe ich das Potenzial der Freien Produktionsweise darin, die gesamte gesellschaftliche Produktion „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen — natürlich lässt sich die Produktionsweise kopierbarer Güter nicht 1:1 auf die von nicht kopierbaren Gütern übertragen, aber den grundsätzlichen Unterschied zwischen angeblich-immer-schon-wertlos und im-Kapitalismus-wertbehaftet sehe ich nicht. Aber diese Punkte folgen natürlich unmittelbar aus der Diskussion, die wir hier führen…
@Benni:
Ganz genau! Jetzt zitiere ich mich selbst: „In der Naturalform der Arbeiten wird ihr Charakter — produktiv/unproduktiv, abstrakt/universell — nicht zu finden sein. Der Charakter der Arbeit ergibt sich einzig aus ihrem Verhältnis zu den sie erzeugenden Gütern und sozialen Beziehungen, denn “Arbeit im Kapitalismus” ist selbst ein gesellschaftliches Verhältnis und keine überhistorische Seinsbestimmung des Menschen.“
Außer Wissenschaft und Herstellung von Universalgütern fällt mir noch der staatliche Infrastruktursektor ein. Allerdings kann man nicht pauschal sagen, dass dort nur allgemeine Aufgaben erledigt werden, sondern allgemeine/unproduktive und verwertende/produktive Arbeiten liegen hier vermischt vor. Privatisierung solcher „öffentlicher Aufgaben“ bedeutet, die vermischten wertproduktiven und allgemeinen Tätigkeiten zu entmischen, wobei erstere stringend nach Verwertungslogik organisiert und zweitere abgestoßen werden. — Der Gedanke ist nicht von mir, sondern von Peter Samol, der auch im neuen krisis-Heft einen Artikel zu diesem Thema hat („Arbeit ohne Wert“).
Mit der „Produktivität der Multitude“ wollte ich eine Brücke bauen — ist mir wohl gelungen;-) Aber da schwimme ich eher, weil ich das einen unscharfen (ja auch nichtökonomischen) Begriff finde. Das klingt immer so nach „alles und nix“. Ich vermute also nur, dass damit „allgemeine Arbeit“ gemeint ist. Vielleicht ist der Begriff aber noch breiter. Da bist du der Experte;-)
@Christian #17: Danke für den inhaltsreichen Beitrag. Ich kann nicht auf alles eingehen, jedenfalls nicht sofort. Mittelfristig würde ich gerne noch mehr überlegen, was das für die Handlungsmöglichkeiten bedeutet. Hier empfinde ich, dass mein Beitrag zu sehr als emphatische denn als analytische Aussage aufgefasst wird — selbstredend geht es nicht bloß um die „Befreiung der Universalgüter“.
Zum Thema Unikat und Universalgut habe ich einen eigenständigen Blogbeitrag geschrieben.
Zum argumentativen Trick (den ich durchaus selbst mal verwendete) der Werthaltigkeit unbestimmt vieler Kopien:
Aber es ist nicht klar, welchen Wert, weil man nie weiss, oft nicht noch Tausche stattfinden. Das war mit Unabschließbarkeit gemeint. Man müsste also ein willkürliches Ende festlegen und den Rest für vernachlässigenswert deklarieren oder irgendwie mit theoretischen Durchschnitten argumentieren — als weitere Hilfskonstruktion.
@Stefan:
Stimmt, dass das kontra-intuitiv ist hatte ich in meiner Wertformanalyse ja auch schon festgestellt — aber aus der Tatsache, dass etwas kontra-intuitiv ist, folgt noch lange nicht, dass es falsch ist 😉
Tatsächlich tritt dieser kontra-intuitive Effekt, wenn auch in weniger starker Form, ja auch bei anderen Waren auf. Nehmen wir als Beispiel eine Dienstleistung die fixes Kapital voraussetzt, sagen wir eine Busfahrt: der Wert des Busses ist auch Teil des Werts der Busfahrt (er dürfte den größten Teil des fixen [und auch einen Gutteil des konstanten] Kapitals ausmachen, während das Gehalt des Fahrers — wiederum verteilt über alle Fahrgäste — den Großteil des variablen Kapitals ausmacht). Der Wert des Busses verteilt sich dabei jedoch nicht nur über alle Fahrgäste einer Fahrt, sondern auch über alle Fahrten, die der Bus macht, bis er auseinanderfällt.
De facto weiß man es immer erst „hinterher“ genau (wenn der Bus nicht mehr fährt; wenn die Software vom Markt genommen wurde; wenn eine Maschine, die im Produktionsprozess einer x-beliebigen Ware eingesetzt wird, endgültig außer Dienst gestellt wurde). Insofern ist die Software da nicht grundsätzlich anders als andere Waren, auch wenn der kontra-intuitive Effekt (der Wert der Ware steht zum Zeitpunkt ihres Verkaufs noch gar nicht genau fest) hier stärker ins Gewicht fällt als anderswo.