Die LINKE und die Commons

neues-deutschland[Erschienen in der Kolumne »Krisenstab« im Neuen Deutschland vom 21.7.2014]

Stefan Meretz über eine beginnende Freundschaft

Der »prager frühling«, die Zeitschrift der Emanzipatorischen Linken in der LINKEN, betätigt sich wieder einmal als Trüffelschwein. Die Commons sind das Leckerli, das sich die Redaktion vorgenommen hat. Wie hat sie es zubereitet? Schmeckt es?

Commons sind schwer zu greifen, es gibt keine einheitliche Theorie und sehr unterschiedliche Akteure. Doch es gibt eine grobe Definition, die man sich vergegenwärtigen sollte, will man die verschiedenen Diskurse beurteilen: Commons sind keine Ressourcen, sondern ein sozialer Prozess rund um Ressourcen. Wo es keinen sozialen Prozess gibt, sind die Ressourcen »unbekümmert« und unterliegen möglicherweise dem, was fälschlich als »Tragik der Commons« bezeichnet wird: Wenn sich jeder bedient, wird die Ressource zerstört. Genau das passiert nicht, gibt es eine Gruppe von Kümmerern, der Commoners, die – und das ist das zweite Kernfeature – ihren Prozess des Kümmerns selbstbestimmt regeln. Erst das Commoning, wie es auch genannt wird, macht eine Ressource zu einem Commons.

Es ist nicht sehr eingängig, dass eine dinglich klingende Bezeichnung – Commons, oder im Deutschen: Gemeingut – kein Ding meint, sondern ein soziales Verhältnis. Und dennoch ist genau dieses Verständnis zentral. Entsprechendes finden wir beim (Miss-)Verständnis der Ware. Ebenso wie die Commons ist auch diese kein bloßes »Ding«, sondern ein soziales Verhältnis, das uns in dinglicher Form erscheint – wie uns Karl Marx über den Warenfetisch aufklärte. Der Witz ist nun: Das soziale Verhältnis »Commons« unterscheidet sich vom sozialen Verhältnis »Ware« qualitativ. Genau darin liegt die über den Kapitalismus hinausweisende Potenz. Da sich die Commons allerdings in einer feindlichen Umgebung behaupten müssen, ist die reale Gestalt in den verschiedenen Projekten stets widersprüchlich. Platt gesagt: Das Geld und die Verwertungslogik regieren in die Commons-Projekte hinein.

Der »prager frühling« nähert sich den Commons von der Seite des Widerstands: gegen Enteignungen, gegen Privatisierung. Das macht das Thema anschlussfähig für die Traditionslinke. Doch ein wenig wirkt es so, als ob all das, was Linke bisher getan haben, nun ein neues modisches Label bekommt. So wird, wie es sich in der Linken gehört, die Eigentumsfrage hervorgehoben. Das ist nicht verkehrt, doch das Eigentum steht bei den Commons nicht im Mittelpunkt. Hier geht es um den tatsächlichen Besitz, also nicht bloß um eine Rechtsfrage, sondern um die reale Verfügung über die Ressourcen und Güter. Commons thematisieren den Zusammenhang von Rechtsform und praktischer Verfügung. Der Slogan »Besitz statt Eigentum« drückt das aus. Linke glauben hingegen oftmals, dass mit der Eigentumsfrage gleichsam automatisch die Frage der praktischen Verfügung gelöst sei.

So werden Genossenschaften vorschnell pauschal auf die Seite der Commons geschlagen. Doch ob Privateigentum individuell oder kollektiv genutzt wird, ist nicht entscheidend. Wichtiger ist, ob der Rahmen für die Selbstbestimmung der Commoners gegeben ist oder ob sich das Unternehmen an den fremden Kriterien des Marktes orientieren muss. Ob es also um die Bedürfnisse der Menschen oder die Verwertungslogik des Kapitals geht. Anders formuliert ist die Frage: Gibt es einen Rahmen, in dem sich die inkludierende Logik der Commons oder die exkludierende Logik der Ware durchsetzt? Dies hängt auch von staatlichen Rahmensetzungen ab. Hier könnten die Linke und DIE LINKE ihre historische Mission finden.

Das bedingungslose Grundeinkommen – das Lieblingsprojekt der Emanzipatorischen Linken und ihrer Zeitschrift – kann hier eine begrenzte Funktion der Absicherung unter Bedingungen bekommen, in denen die gesellschaftliche Teilhabe von der Verfügung über Geld abhängt. Die »Vollendung der Commonsidee« liegt darin jedoch nicht. Die Vollendung der Commonsidee oder der Commonismus liegt in der Aufhebung der Warenform der Güter und der gesellschaftlichen Vermittlung durch Geld. An ihre Stellen treten freie Individuen und Commons, die die gesellschaftlich notwendigen Güter in kollektiver Selbstorganisation und Verständigung schaffen. Vielleicht gräbt der »prager frühling« diese Trüffel in einigen Jahren aus. Mit dem aktuellen Heft ist schon einmal ein guter Schritt in diese Richtung getan.

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