Wie ihr ja wahrscheinlich schon mitbekommen habt, steht in den nächsten Tagen die Räumung des Dorfs Lützerath an, das dem Braunkohle-Bergbau, der wohl dreckigsten aller fossilen Technologien, zum Opfer fallen soll. Um das zu verhindern oder zumindest so schwer wie möglich zu machen, muss Lützerath jetzt verteidigt werden!
Der Kampf um Lützerath wird, mindestens für dieses Jahr und im deutschsprachigen Raum, absehbarerweise die wichtigste Auseinandersetzung zwischen Klimagerechtigkeitsbewegung vs. Profitmaximierung um jeden Preis werden.
Wenn also die Firmen im Kapitalismus nicht das Richtige und Notwendige tun können, warum sorgen dann nicht die Staaten dafür, dass das passiert? Friedrich Engels hat den modernen Staat als „ideelle[n] Gesamtkapitalist“ bezeichnet, dessen primäre Aufgabe es sei, „die allgemeinen äußern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten“ (MEW 19, 222). Der Staat ist keiner einzelnen Firma verpflichtet, und sei sie auch noch so groß, sondern sein Hauptanliegen ist es, den kapitalistischen Verwertungsprozess am Laufen zu halten – und wenn Konzerne dies behindern, etwa indem sie Monopole bilden oder illegale Absprachen treffen, um so die Konkurrenz aus dem Markt zu drängen oder Innovationen zu verhindern, dann kann er einschreiten, um dies zu verhindern.
Im vorletzten Teil hatte ich festgestellt, dass eine kleine – aber immerhin vorhandene – Chance, die globale Katastrophe einer Heißzeit noch zu verhindern, in einem raschen Systemwandel besteht. Der Kapitalismus müsste innerhalb der nächsten zehn bis zwanzig Jahre – mehr Zeit haben wir nicht mehr – durch ein anderes, nachhaltigeres Wirtschaftssystem ersetzt werden.
Bevor ich dazu kommen, wie das aussehen könnte, noch ein paar Überlegungen dazu, warum es überhaupt nötig ist. Warum versagt der Kapitalismus so kläglich darin, den Erhalt der stabilen Holozän-Bedingungen der letzten 12.000 Jahre zu sichern? Dieses Versagen gefährdet den Fortbestand der menschlichen Zivilisation und damit, ohne jede Frage, auch den Fortbestand des Kapitalismus selbst. Wie kommt es zu diesem quasi selbstmörderischen Versagen – warum fehlt es im Kapitalismus an Institutionen und Mechanismen, die hier gegensteuern könnten?
Neben den bisher diskutierten Rückkopplungseffekten gibt es noch Kipppunkte, die durch die Erhitzung zum Kippen gebracht werden und dann die Erdoberfläche und -atmosphäre in gravierender und unumkehrbarer Weise verändern, ohne selbst notwendiger Weise zur einem weiteren Temperaturanstieg zu führen. Hier sind insbesondere mehrere Kipppunkte zu nennen, die zu einem massiven Anstieg des Meeresspiegels führen würden oder werden.
Linke Hoffnungen auf eine bessere postkapitalistische Zukunft basieren oft auf der Erwartung, dass der Zeitverlauf „auf unserer Seite ist“: dass die Voraussetzungen für die Transformation Richtung bessere Gesellschaft mit der Zeit immer besser werden. Das bekannteste Zitat hierzu stammt wahrscheinlich von Karl Marx, aus dem Vorwort zu seinem Buch Zur Kritik der politischen Ökonomie (1859):
Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. (MEW 13, 9)
Hannah Arendt thematisiert das Dilemma, das totalitäre Regime wie Nazideutschland für die Rechteperspektive erzeugen, indem sie die Freiheit oder das Leben mancher ihrer Bürger:innen bedrohen. Wenn die so Bedrohten flüchten, können sie sich zwar dieser unmittelbaren Gefahr entziehen, verlieren aber dennoch gewisse Rechte – denn oft finden sie sich dann in einem anderen Land wieder, wo sie eigentlich nicht willkommen sind und das ihnen nur ein Minimum an Rechten gewährt (Arendt 1951, 460 f.). Sie stellt fest, dass Menschen Rechte einbüßen, „wenn der Mensch den Standort in der Welt verliert, durch den allein er überhaupt Rechte haben kann und der die Bedingung dafür bildet, daß seine Meinungen Gewicht haben und seine Handlungen von Belang sind“ – dieser Standort ist für sie „die Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft, in die man hineingeboren ist“ (ebd., 461 f.).
Nur wenige Menschen versuchen über den Kapitalismus hinauszudenken. Diejenigen, die das dennoch tun, bauen diese Überlegungen meist auf zwei unterschiedlichen Fundamenten auf: Entweder auf die Annahme, dass sich die erwarteten Veränderungen sowieso und unabhängig von den Wünschen der Menschen vollziehen, oder aber auf die Überlegung, dass solch eine Gesellschaft besser wäre – für die Menschen, vielleicht auch für die Natur – und es sie daher herzustellen gilt. Prägnant und zweifellos etwas verkürzt kann man das erste Fundament als „materialistische Perspektive“, das zweite als „utopische Perspektive“ betrachten.
Wie in Bennis Wie
verhindern wir die Klimakatastrophe? soll es
in diesem Artikel um die Frage gehen, wie ein Heißzeit-Szenario –
in dem sich die globale
Temperatur gegenüber vorindustriellen Zeiten um vier
Grad oder mehr erhöht – vielleicht noch
verhindert werden kann. Anders als Benni will ich hier allerdings die
stofflich-technische,
nicht die politische Seite betrachten. Unabhängig davon, ob die
Maßnahmen von
einer
globalen
„Weltregierung Light“ (Bennis Vorschlag) oder im
nationalstaatlichen Rahmen – aber in vielen Nationalstaaten in
ähnlicher Weise – ergriffen werden: Was
wäre nötig, um ein Kippen des Klimas in
eine Heißzeit wahrscheinlich
noch zu verhindern?
Die Klimakrise ist endlich in aller Munde. Das ist gut. Greta Thunbergs „I want you to Panic“ ist genau der Richtige Aufruf. Die Folgen der Klimakrise werden schon jetzt schwer beherrschbar sein. Selbst wenn die Klimaziele von Paris eingehalten werden sollten – wonach es gerade ganz und gar nicht aussieht – werden die Folgen verheerend sein. Schon jetzt sterben Menschen wegen der Klimakrise. Dazu kommen mindestens zwei weitere dramatische ökologische Krisen: Das Artensterben und der Verlust von landwirtschaftlich nutzbarem Boden. Alle drei Krisen können sich gegenseitig verstärken. Wenn das ungebremst so weiter geht, werden vermutlich Milliarden von Menschen sterben und in der Folge könnte auch unsere Zivilisation an ein Ende kommen. Dazu gibt es durchaus wissenschaftlich fundierte Hinweise. Zusätzlich liest und hörtman aber immer mal wieder die Warnung vom „Aussterben der Menschheit“. Ich war neugierig: Stimmt das? Ist da was dran? Kann das wirklich sein?