Shareconomy – die neue Einhegung des Teilens
[Kolumne Immaterial World in der Wiener Zeitschrift Streifzüge]
Für die Durchsetzung des Kapitalismus war es notwendig, die Menschen durch die „Einhegung der Commons“ von ihren Subsistenzmitteln zu trennen. Zu den traditionellen Commons gehörte die gemeinschaftliche Nutzung von Naturressourcen: Wiesen, Weiden, Wälder, Wasser. Gewohnheitsrechtlich wurden sie geteilt genutzt und boten vor allem kleinen Bauernhöfen und Landarbeiter_innen ein Auskommen. Mit dieser Art des Teilens war mit der Einhegung Schluss. Freie, aber vereinzelte Lohnarbeiter_innen mussten fortan ihre Arbeitskraft verkaufen, um die Existenz ihrer getrennten, von der Warenökonomie abgespaltenen Privathaushalte zu sichern.
Der Privathaushalt, der allein für sich die Geldmittel beschafft, war in der Zeit des Fordismus ein Erfolgsmodell, das in der sich gegenwärtig ausbreitenden Krise jedoch seinen Modellcharakter verliert. Alte Denk- und Handlungsmuster werden in Frage gestellt, neue Lebens- und Handlungsweisen etablieren sich. Zu ihnen gehört eine Wiederentdeckung des Teilens. Der exklusive Privatbesitz ist nicht mehr erstrebenswert, die gemeinsame Nutzung von Ressourcen spart nicht nur Geld, sondern durchbricht auch soziale Trennungen. Warum nicht das Auto, den Garten, die Wohnung, die Werkzeuge und anderes mehr gemeinschaftlich nutzen?
Das Teilen ist eine positiv-reziproke Handlung. Die involvierten Menschen beziehen einander wechselseitig ein. Alle haben etwas davon, und dennoch wird nicht getauscht, denn das, was sie davon haben, ist sehr vielfältig und unberechenbar. Im Kern geht es um die (Wieder-) Herstellung menschlichen Reichtums jenseits von Tausch und Geld. Tauschen hingegen ist negativ-reziprok strukturiert. Die einen wollen möglichst viel haben, die anderen möglichst wenig geben. Im Tausch werden die Menschen strukturell voneinander getrennt.
Die Shareconomy, auch kollaborative Ökonomie genannt, macht aus Teilen wieder Tauschen. Sie ist eine moderne Form der Einhegung des Teilens, ist ein Weg der Verwarenformung menschlicher Beziehungen. Ressourcen werden nicht mehr gemeinschaftlich genutzt, Teilen ist also keine soziale Handlung mehr, sondern der Eigentümer einer Ressource teilt diese auf in einen selbst zu nutzenden und einen vermietbaren Teil – physisch oder zeitlich. Teilen wird verdinglicht, ganz wie Marx es für den Warenfetisch beschriebt: Das Verhältnis von Sozialem und Dinglichem, von Mittel und Zweck kehrt sich um. Die Ressource ist nicht mehr Mittel zur gemeinschaftlichen Bedürfnisbefriedigung, sondern ihr Zweck ist der Gelderwerb. Diesem fremden Zweck ist nun das Soziale als Mittel untergeordnet. Das Soziale wird kommodifiziert. Ich lerne nicht mehr Menschen kennen, um mit ihnen eine gute Zeit zu haben, zum Beispiel bei der gemeinsamen Nutzung meiner Wohnung, sondern ich lerne neue Kunden kennen, um ihnen temporär mein Zimmer gegen Bezahlung zu überlassen. Vermieten statt Teilen, Kunden finden statt menschlicher Begegnung.
Shareconomy ist Ausdruck der Krise. In Griechenland vermieten viele ihre Häuser und Wohnungen über AirBnB – aus Not. Wenn Arbeitskraft nicht mehr gefragt ist, bleiben oft keine anderen Ressourcen, die noch zur Verwertung taugen. Ökonomisch gesehen handelt es sich dabei um eine Umleitung von Einkommen: „Ich gebe dir von meinem Einkommen für die Nutzung deiner Ressource, bessere damit dein Einkommen auf und spare selbst dabei“. Dabei wird nicht nur kein neuer Wert geschaffen, sondern das gemeinsame Nutzen von Ressourcen vermindert den Absatz und damit die Produktion der entsprechenden Waren. Das ist ökologisch sinnvoll, aber ökonomisch bedrohlich, weil es die Krise befördert. Der Kapitalismus kann nur existieren, wenn Verwertung mittels Produktion und Absatz neuer Waren gelingt.
Individuell ist die Vermietung eigener Ressourcen eine Möglichkeit, das eigene Budget aufzubessern bzw. durch Nutzung der günstigen Angebote Ausgaben zu reduzieren. So schont die massenhafte Nutzung von UberPop (Vermittlung privater Fahrten) den eigenen Geldbeutel, ist jedoch für die Taxi-Unternehmen eine existenzbedrohende Konkurrenz. Doch die Logik, dass mein Fortkommen stets immer auch auf Kosten von anderen geht, durchzieht die Warengesellschaft als Ganzes. Die Exklusionslogik betrifft ebenso die Lohnarbeiter_innen und Unternehmer_innen wie eben auch die Shareconomy.
Ganz im Sinne der Schumpeterschen schöpferischen Zerstörung löst die Shareconomy bestimmte Märkte auf und schafft neue. Wird Carsharing zum Massenphänomen, sinkt die Autoproduktion. Wird der nächste Griechenland-Urlaub massenhaft im AirBnB-Quartier verbracht, müssen viele Hotels schließen. Im Unterschied zu früheren Innovationszyklen ist der schöpferische Anteil jedoch wesentlich kleiner als der zerstörerische: Große Marktsegmente werden zersetzt, und der Rest wird umverteilt. Dass daraus einige spezialisierte Vorreiter als Sieger hervorgehen, liegt auf der Hand. In den USA ist innovative Disruption – flächendeckende Marktzerstörung bei punktueller Innovation – explizite Strategie des Venture-Kapitals. Autokannibalismus statt Kapitalverwertung, und die Shareconomy bietet ein Spielfeld dafür.
Unter dem Label Shareconomy werden jedoch auch commonsorientierte Praktiken subsummiert, die mit Ökonomie nicht viel zu tun haben. Alle Projekte müssen sehen, wie sie die finanziellen Mittel aufbringen, die sie im Kapitalismus nun einmal benötigen. Die Scheidung geschieht dort, wo die gemeinschaftlichen Praktiken am Teilen oder am Tauschen orientiert sind. Dort wo Commoning und Geldlogik getrennt sind, ist der Widerstand gegen die Reintegration in die Warenproduktion am größten.
Obwohl die Tauschlogik mit der Shareconomy revitalisiert wird und dadurch das Teilen vergiftet, sorgt es dennoch für einen Mentalitätswandel. Nicht mehr alles selbst zu besitzen, sondern sich Ressourcen zu teilen – und sei es gegen Geld – ist ein Schritt in die Richtung zur Wiederentdeckung des bedürfnisorientierten Teilens und des Commoning. Doch dieser Schritt ist bewusst zu gehen. Von alleine kommt der Abschied vom Tauschen nicht, zu sehr ist das bedingungsvolle, miteinander verkoppelte Geben und Nehmen Teil der alltäglichen Handlungsweise geworden. Zu lernen ist: Nur Teilen jenseits von Geld und Tausch ist echtes Teilen.
Es gibt einen Unterschied zwischen Profitorientierten Portalen (airbnb/mitfahrgelegenheit.de), welche an der Organisation/Vermittlung von Angebot und Nachfrage mit einer Provision verdienen wollen, und solchen Portalen, welche die Organisation/Vermittlung nur technisch ermöglichen wollen (couchsurfing/wg-gesucht.de).
Letztgenannte Portale schliessen die Vermarktung dabei von vornherein aus, und ermöglichen „echtes“ Teilen, während die ersten nur das Tauschprinzip ausweitet.
Danke für diesen tollen Artikel, der sehr präzise formuliert, was ich stets als Gefühl in mir getragen habe, wenn ich an den „Shareconomy“-Trend denke…
Ja, auf diesen Unterschied wollte ich mit dem vorletzten Absatz hinweisen. Ich fände es schön, wenn sich die Projekte für ihre Entwicklung die Frage stellen, die ich hier aufwerfe: „Teilen wir noch oder tauschen wir schon?“
Stefan, ich habe gerade mit ein paar Leuten darüber geredet, dass unsere Blogs nicht der richtige Platz für diese Zurechtrückungen sind. Die Debatte gehört in die Süddeutsche, die ZEIT usw… mal sehen, ob sich da demnächst was machen lässt. Die scheinen ja alle recht undifferenziert auf „Sharing-Bashing“ abzufahren. Und da könnte eine Replik passen.
Nun, Stefan Meretz,
im weiten Bogen ist das wohl so zu betrachten, wie dein sehr kurzer Abriß des Kapitalismus bezüglich seiner „Kindheit“ zu betrachten ist.
Was mich jedoch allgemein stört, ist der erweckte Eindruck, als ob „Der Kapitalismus“ etwas gemacht habe, etwas macht oder vorhatte oder noch vorhat – die indirekte und gelegentliche offene Subjektivierung von Kapitalismus ist zu unterlassen, denn nichts davon hat „der Kapitalismus“ gemacht: Das waren und sind Menschen, aus unserer Mitte (oft ursprünglich), so daß also nicht „vom Kapitalismus“ sondern grundsätzlich an all diesen Stellen von Kapitalisten zu reden ist, damit die KULTürliche, sprich menschgemachten Aktionen sich immer wieder als solche und nicht als anonyme „Kapitalismus“-Planungen oder -Handlungen von „Anonymus“ ohne Adresse vermauscheln können.
Es sind – wie immer – nie Systeme, die menschliche Gesellschaft verändern, sondern nur Menschen selber.
Jedes „neue System“ steht vor genau den gleichen Aufgaben (mit den gleichen Menschen).
Wem daran etwas nicht paßt, der muß DIESE (und andere) Menschen ändern, ansonsten ist und bleibt alles Theorie.
Menschen zu ändern, haben schon etliche Gesellschaftsmodelle versucht, sie sind bisher ALLE entglitten und mit jedem stärkeren Änderungsbedarf der sind sowohl der Widerstand wie in der Folge die Repressalien gewachsen.
Soll es um commons und deren Einsetzung in ihre ursächliche Funktion gehen, wird das nur MIT der großen Mehrheit der handelnden Menschen möglich, und das auch nur unter der Voraussetzung, daß der gegenwärtig erreichte technische, technologische, ökonomische und soziale samt Zuverlässigkeits- und Sicherheits-Status dieser Mehrheit sich nicht verschlechtert sondern deutlich und vorher absehbar mindestens bestätigt bzw. verbessert, da anderenfalls keine Mehrheiten entstehen und erneut nur undemokratisches repressives Handeln übrigbleibt.
Solange es dazu keine Aussagen gibt, wie das zu erreichen (und zu organisieren) ist, ist jede Erwartung hoffnungslose Träumerei.
Aus meiner Sicht gäbe es einen Weg, der – rein theoretisch betrachtet – sich intensiv mit der Autopoiesie Maturanas beschäftigen müßte, mit der Art, wie Ganzheiten (soziale Systeme) ihre eigene systemische Selbststeuerung im Code SELBER ändern, wie das Wirken der Teile von Systemen in ihrem Verbund zu einer anderen Emergenz kommen (wollen), als das gegenwärtig der Fall ist.
Ein System-Change ist, als rein „von außen initiiert“ zu betrachtende Aktion, in allen bekannten Fällen der (auch aktuellsten) Geschichte stets in andere und schmerzliche Richtungen verlaufen, und die „Autopoiese“ zu einer grundsätzlich nicht auf Bereicherung sondern auf gegenseitige Unterstützung / Hilfe (Mutualismus) zur jeweiligen Bedarfsdeckung (nicht: -Weckung!) hat es bisher noch nie gegeben, erst recht nicht global.
Sie ist auch nicht als Insellösung sicher nutzbar, da gegenwärtig die Gesellschaft bereits global systemisiert wird – also der gegenläufige Prozess sich etabliert und nichts und niemand darin mehr autark handeln und sich entwickeln kann.
Insofern beginnt die Fruchtbarkeit dieser Diskussion nicht mit der Annahme, daß Menschen aus Vernunft nach entsprechender „Aufklärung“ sich (selber und andere ) ändern, sondern zwar schon mit der klaren Darlegung der eigentlichen (NATürlichen) Elemente und Funktionen menschlicher Sozialität, aus denen die im Weiteren erforderliche KULTürliche Struktur, die zu erzeugen ist, klar ersichtlich wird – und zugleich der Weg des Wandels über die Veränderung der Selbstregulierung aus eigener Kraft und von innen her ähnlich dem Modell der Autopoiese erdacht und gefaßt wird.
Bisher ist er z.B. mir nicht bekannt.
Es kann aufgrund der um sich gegriffenen Globalisierung aller sozialen Wirkungsmechanismen nicht das Gesellschaftssystem „abgeschafft “ und „ersetzt“ werden, da nach der „Abschaffung“ nichts mehr da wäre, was ersetzen könnte …
@Herbert Auf den Unterschied zwischen profitorientierten Portalen und echtem Teilen habe ich in einem Kommentar zu Stefans Thesen auch schon hingewiesen.
Sascha Lobo hat für erstere den Begriff „Plattform-Kapitalismus“ vorgeschlagen. Den finde ich ganz treffend, vielleicht sollten wir ihn auch aufgreifen, um möglichst zu verhindern, dass der Begriff „Sharing“ = Teilen ganz den Bach runter geht? Aber vielleicht ist es dafür auch schon zu spät…
Dass dieser Beitrag nicht auf mehr Kritik stößt, wundert mich. Das liegt vielleicht daran, dass keimform.de in letzter Zeit als Ort für Diskussionen etwas eingeschlafen ist. Dafür kommen jetzt von mir ein paar kritische Anmerkungen. Eine Diskussion würde ich auch sehr begrüßen. Bisher wurde auf meinen Einwand, den ich schon zu den Thesen zur Shareconomy brachte, leider nicht eingegangen, sondern der Fehler wurde hier wiederholt. (Kompliment übrigens an denjenigen, der die Kommentarfunktion gefixt hat. Nach Jahren funktioniert sie jetzt richtig. – Edit: Zu früh gelobt. Jetzt ist HTML kaputt. Edit 2: Ah, geht doch!)
Fürs Kapital war das ein Erfolgsmodell, aber für die Privathaushalte sicher nicht.
Dieser Satz ist dreist-euphemistisch bis schlichtweg falsch, je nachdem, wen man damit beschreibt.
Dreist-euphemistisch ist er, indem die Notlage der Proletarier zur Gelegenheit, Geld zu sparen, verklärt wird. Da mag man schon fast seinen Ausbeutern dankbar sein, dass sie einen durch die Lohnverdampfung der letzten Jahrzehnte von der materialistischen Weltsicht befreit und die Augen für die Freuden des Teilens geöffnet haben. Danke, liebe Kapitalisten, dass wir jetzt überall so viele Spargelegenheiten entdecken dürfen. Und immer schön Punkte sammeln. Was man damit sparen kann, ist der Hammer!
Falsch ist der Satz, indem behauptet wird, dass Privatbesitz nicht mehr erstrebenswert sei, was für diejenigen, die von der Enteignung der breiten Masse profitiert haben oder profitieren, offensichtlich falsch ist. Wer es nicht glaubt, möge bei einem reichen Privateigentümer (erkennbar an seiner Villa) klingeln und ihm die frohe Kunde vom Ende des exklusiven Privatbesitzes bringen, ihm versichern, dass Sharing jetzt total in ist, und ankündigen, dass man folglich ab sofort in seine für ihn viel zu große Villa einziehen werde. Aber auch am unteren Ende der Klassenhierarchie ist der Satz falsch. Ein Erwerbsloser wird auch alles daran setzen, sich aus seinem Elend der Besitzlosigkeit zu befreien und nicht noch weiter ins Elend abzurutschen. Von Amts wegen muss er das sogar, da ihm sonst die monatliche Erneuerung seines Privatbesitzes auf Staatskosten, den er gegen Lebensmittel eintauscht, um überleben zu können, gestrichen wird. So ist die völlig kontrafaktische Rede von der schwindenden Bedeutung des Privatbesitzes wunderbar geeignet, um sogar den Ärmsten unter den Armen ihre Bedürftigkeit vorzuwerfen und ihnen jeden minimalen lebensnotwendigen Konsum zu vergällen und für ungerechtfertigt zu erklären. (Wobei Lebensmittelsharing ja nicht mal bei koprophagischen Organismen auf Dauer klappt. Oder wollen uns die Sharing-Apologeten jetzt das Blaue vom Himmel versprechen und uns auf Luft- und Liebe-Diät setzen?) Man merkt der Sharing-Ideologie ihre Herkunft schon an: Privatbesitz für überflüssig erklären wird nur der, der genug davon hat. Und der meint es noch nicht mal ernst. Nichts ist leichter, als seinen Besitz zu verschenken. Warum wohl sharen Prediger wie dieser Rifkin ihre Bücher, Häuser, Frauen nicht einfach und verwirklichen damit ihre Utopie? Weil sie und ihre Utopie verlogen sind und dem Realitätstest keine Sekunde standhalten. Dass solche Typen Beraterverträge mit den Institutionen der Herrschaft haben, zeigt schon, wohin die Reise geht: Optimierung der Herrschaft und Versöhnung der Massen mit ihrem Elend durch eine völlig durchgeknallte Ideologie.
Sie scheint sich zumindest als ein Mittel zur Behandlung der Krise zu eignen. Oder das ist immerhin eine mit ihr verbundene Hoffnung. Es gab sie jedoch schon lange vorher und auch ohne Krise wäre ihr Erfolg beschieden. Sie hat v.a. deshalb Zulauf, weil viele Proletarier so verelendet sind, dass sie alles kommodifizieren müssen, was geht. Mit der Krise hat das wenig zu tun. Im Gegenteil, der Kapitalismus boomt, wenn die Arbeiter arm gehalten werden. Dass die Shareconomy auch vor der Krise florierte, belegt der Erfolg eBays. Durch eBay kann der Durchschnittsproletarier ein paar Tausend Euro aus dem Verkauf seines ungenutzten Plunders ziehen, die er damit seinem Kapitalisten an Lohnkosten spart. Das Kapital ist zufrieden und eBay kassiert noch Provision.
Das bestreite ich. Du sagst ja selbst, eine Kommodifizierung findet statt. Es werden Gebrauchswerte neu geschaffen (z.B. die zeitweise Nutzung eines Privatautos) und als Ware auf den Markt geworfen.
Nein. Hier vermischst du zwei Ebenen, die Ebene der wertmäßigen Betrachtung und die physikalische Ebene. Wert ist nicht proportional zur Menge nützlicher Güter. Dass an einer Stelle wertmäßig etwas geschaffen wird, impliziert nicht, dass an anderer Stelle physikalisch weniger hergestellt wird. Da steckt auch die falsche Annahme drin, dass es pro Zeiteinheit einen fixen Betrag an zu produzierendem Produkt gäbe, der dann nur noch von verschiedenen Branchen eingefordert wird. Was die eine Branche nicht produziert, produziere eine andere. Entsprechend ist auch der Schluss auf verbesserte Ökologie, der auf der irrtümlichen Umrechnung von Wert in physikalische Größen beruht, ein Fehlschluss.
Das halte ich für Unsinn. Die Alternative wäre ja, dass noch weniger konsumiert wird und weniger Einkommen bezogen wird. Durch die Shareconomy wird dem Einbruch des BIP mutmaßlich entgegengewirkt. Falls ihr Einfluss nicht zu gering ist, um ein sinnvolles Urteil über ihre Kausalitätsbeziehungen zu fällen, entschärft sie die Krise tendenziell eher, als sie zu befördern.
Das mag ja sein. Dennoch folgt daraus nicht, dass insgesamt weniger Wert produziert wird. Es lässt sich ja auch argumentieren, dass die geschaffenen Werte die vernichteten übertreffen, weil durch die neuen Angebote auch neue Kundschaft erschlossen wird, die sich bisher keine Taxifahrten geleistet hat. Welche Entwicklungsrichtung in welchem Bereich überwiegt, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Das wird man sehen.
Richtig. Gut erkannt.
Das scheint mir sehr kurz gegriffen. Die Autoproduktion ist doch von mehr Faktoren abhängig. Dass durch Carsharing der Bedarf an Autos sinken soll, ist keineswegs so offensichtlich. Es wäre ja auch denkbar, dass hauptsächlich diejenigen Carsharing nutzen, die auch bisher kein eigenes Auto hatten. In dem Fall würde der Konsum von Autos nicht wegen Carsharing sinken, sondern steigen, weil Leute ohne Auto sich plötzlich ein Auto anschaffen und gemeinsam nutzen, da es für sie nun erschwinglich geworden ist. Ferner ist denkbar und sogar wahrscheinlich, dass mit der erhöhten Verfügbarkeit von flexibler Mobilität auch die Ansprüche steigen, folglich mehr Auto gefahren wird. Es ist ja jetzt auch billiger!
Geteilte Autos verschleißen schneller als privat genutzte. Es ist eben nicht so, dass hier hauptsächlich die Exklusionslogik das Denken von Kapitalisten und Teilzeittaxifahrern durchdringt. Das Gut Auto – und viele andere vermietete Güter – hat schon auch deutlich rivalen Charakter. Es verschleißt viel schneller. Wenn mit einem Privatauto in Vermietung schon 200000 km gefahren wurden, kann eben der Eigentümer diese Strecke nicht mehr damit fahren, weil ihm sonst die Kiste auseinander fliegt oder der Betrieb teurer als ein Neuwagen wird. Das Auto muss früher ersetzt werden. Hatte ein Wagen früher vielleicht zehn Jahre gehalten, so ist nun ein Austausch nach zwei Jahren nötig. Da ist nicht Exklusionslogik am Werk, die den Mitmenschen auf asoziale Weise Geld abpressen will für ein Gut, das sich auch total sozial gratis teilen ließe, sondern physikalischer Verschleiß verursacht Kosten, die dem Eigentümer durch die Fremdnutzung entstehen. Ob durch Sharing bei Privatleuten mehr als die Kosten eingenommen werden, d.h. ein Profit eingefahren wird, sei mal dahingestellt. Ich bezweifle es. Das große Geschäft und die Profite machen überwiegend die großen Kapitale, die in irgendwelche „soziale“ Plattformen investieren und Provision einstreichen oder sich mit den Daten der Nutzer bezahlen lassen.
Das halte ich für eine sozialromantisch gefärbte Sichtweise, die im Übrigen die Commons nicht gut wegkommen lässt. Die Commons stehen als eine Art Mangelwirtschaft da. Dabei sollten sie doch eigentlich Fülle bereitstellen und dem Mangel ein Ende setzen.
@libertär: Ich schreib mal nur was zu deinen ökonomischen Überlegungen, weil ich die Kritik nicht nachvollziehen kann, ich würde etwas werten, was ich tatsächlich nur beschreibe. Ich bin nur der Überbringer der Nachricht…
Wenn du mir die Bonbons mit mir nicht mehr teilst, sondern fortan verkaufst, ist das zwar eine Kommodifizierung, aber keine Wertschaffung. Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis und kein privates.
Ich rede hier nur von der stofflichen Ebene: Bei gegebener Marktgröße vermindert das gemeinsame Nutzen den Absatz der entsprechenden Ware. Allgemeines Carsharing würde den Autoabsatz um 80% verringern — das weiss die Autoindustrie schon längst.
Warum soll es ökologisch Unsinn sein, 80% weniger Autos zu produzieren? Und warum liegt es nicht auf der Hand, dass bei entsprechender Reduktion der Produktion etliche Autowerke schließen müssen und die Arbeitenden ihr Einkommen verlieren? Das ist doch das Dilemma, das ich aufzeigen will.
Wenn du nur innerhalb der Warenlogik denkst und der Ökologie im Dilemma den Vorzug gibst, wäre das die Alternative, ja. Dagegen wende ich mich.
Dafür spricht nichts, denn es wird (so gut wie) kein neuer Wert geschaffen, sondern vorhandene Einkommen nur umgeleitet — wie am Beispiel von Griechenland illustriert. Schließen viele Hotels, sinkt das BIP, was durch die private Vermietung nicht kompensiert wird (was übrigens auch den Staat ärgert, da er das private Vermieten nicht besteuern kann).
Genau. Wie du daher beim Teilen auf Mangel kommst, ist mir nicht verständlich.
@libertär (09.12.2014, 17:06 Uhr)
@Stefan Meretz (09.12.2014, 17:46 Uhr)
Es ist seltsam:
Oben stimmte ich den Situations-Beschreibungen (nur diesen) des Stefan Meretz zu, und hier(mit) nun ALLEN kritischen Anmerkungen zum gleichen Text von @libertär.
Nein, das ist kein Widerspruch, es ist nur zusammen (auch wie: zugleich) zu denken.
Während ich bei @Stefan Meretz alles, aber auch alles an Ideen vermißte, wie was nun anhand seiner Beschreibung weitergehen könnte, einschließlich einer exakteren faßbaren Zielbeschreibung (shareconomy erfüllt das nicht im Ansatz), während ich das also im Artikel vermisse, finde ich mich im Text von @libertär nur deshalb zurecht, weil ich die präzise und konsequent genutzte / eingesetzte Begrifflichkeit samt der dazugehöriger (darunter liegenden) scharfsinnigen Denkgebäude der progressiv orientierten Theoretiker (!!) des vorigen Jahrhunderts noch sehr gut kenne und erinnere.
Dazu gehören die Vortstellungen, die @libertär versucht, heute (!?) mit den „Klassen“, dem „Proletariat“ und dem „Kapitalisten“ zu benutzen und anzuwenden.
Sicher mag es außerhalb von Westeuropa noch reichlich Gegenden geben, wo wir dieses (!) Proletariat noch finden, schon sehr viel weniger in der Form, in der Proletarier sich als solcher selber sieht, sehen kann (!) oder will.
Da hat sich in den letzten Jahrzehnten soviel globalisiert (leider nicht: internationalisiert) verändert, daß diese Sprache samt dem dazugehörigen Denken fast niemand mehr versteht, weil sie aus einer anderen Welt kommt, weil es DIESE Klassen so längst nicht mehr gibt.
Wenn es denn Klassen sein müssen, sind sie völlig neu realitätsnah zu beschreiben, damit halt die Riten und Girlanden des Klassenkampfes und seiner Tradition nutzbringend weiter verwendbar bleiben, besser: werden.
Jedenfalls wären es dann heute einige (vertikal wie horizontal teilende) Klassen mehr, und die unterste nicht „Proletariat, sondern Prekariat, mit dem fast völligen Verlust der eigenen Teilhabe an allem, damit auch an gesellschaftlicher Bewegung.
In diesem Zusammenhang ist natürlich das deutlich hervorgetreten, was Stefan Meretz in seiner Antwort gut erkannt hat: Auch @libertär (besser nicht „auch“ sondern „besonders“) orientiert sich in Wortwahl und Gedankenfluß völlig nur an der „alten“ Warenwirtschaftsproblematik“, die sich längst globalisch „emanzipiert“ hat und die Regelwerke unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens längst völlig rhizomartig durchdrungen und vereinnahmt hat.
Beispiel:
Deutschland und EU werden gegenwärtig zum globalen Joint Venture-Nehmer durch angebliche „Freihandelsabkommen“ ohne jetzige und künftige Mitsprache gezwungen , die uns von allen seit Jahrhunderten errungenen Teilhaberechten auf einen Schlag „befreien“:
Multinationale Konzerne werden in staatlichen Verträgen über „private Nebengesetzgeber“ ihrer Lobbys zu Welt-Ressor-Regierungen für Gen-Produkte und Gifte aller Art gleich in einer Hand, samt „Privatgerichte“ zur Beendigung der Teilhaberechte der Werktätigen Menschen bei Investitionsgewinn-Verlust über unwiderrufbaren Staatsabstrafungen usw. usw.
Die in ihrer Partei mit über 90% wiederernannte Chefin und Merklerin des deutschen EU-Wesens ruft dazu „Deutschland muß ganz vorn dabei sein“ und verspricht Millionen neue Arbeitsplätze, der SPD-Erzengel Gabriel verspricht das Blaue vom Himmel (das kostet nichts und ist nicht überprüfbar) mit seinem Plädoyer für diese Art von FreihandelsKnast für Staaten und Arbeitnehmer.
Da ist es wohl inzwischen etwas – vorsichtig ausgedrückt – verschroben, noch weiterhin vom Klassenkampf zu reden, von Proletariern (die das nicht sein wollen) usw., ich schenke mir mal den Rest, so sozialromatisch, traditionell scharfsinnig in der Analyse und unverwendbar für politische / gesellschaftliche Praxis diese Orientierung bisher war.
Bekanntlich ist es fruchtlos, Nazis mit den Methoden von Nazis zu bekämpfen, da man in diesem Moment sich selber aufgibt indem man sich gleichstellt, oder anders: Kapitalismus mit den Mitteln des Kapitalismus, zu dem (!) der Klassenkampf gehört!!) zu bekämpfen dürfte nicht viel anders zu bewerten sein.
Es gibt solche Klassen heute nicht, die im Kampf gegeneinander unsere gesellschaftlichen Probleme sinnvoll und nachhaltig gestalten können.
Was tun?
Sagte mal einer.
Das erreichbare Ziel in Begrifflichkeiten gießen, die verstanden werden wollen!
Teilhabe zur „Geilität“ unseres heutigen „Media“-Wesens machen, indem verdeutlicht wird:
Wir wollen nicht, daß,
wie uns der Bauer aus USA, der dort Farmer heißt, gestern im Radio (97,7) erzählt, er allein heute soviel Mais herstellt, wie früher hundert Farmerfamilien (wo sind die?), daß der so hergestellte Mais, dessen Saatgut jedes Jahr teurer von Monsanto nur gekauft werden kann, der so genverändert ist, daß er bis zu 3 Jahren Unkraut verdrängt und dann von diesem mannshoch überwuchert wird – es sei denn, man gibt zusätzlich als Farmer Geld nicht für Arbeiter sondern für Pestizide aus- natürlich bei Monsanto, was dieser Bauer nun schon über 5 Jahre (jedes Jahr mehr) macht. Auf die Frage, warum es so still auf seinen Feldern ist (700 ha), sagte er „weil keine Vögel da sind“, und nach dem Grund gefragt: „weil es keine Insekten mehr gibt“, und nach diesem Grund (Pestizide trotz GenSaat in der gesamten Anbaufläche) wurde er dann schon nicht mehr gefragt.
Wenn wir Teilhabe an der Gestaltung im Geiste von commons durchsetzen wollen, hilft uns nicht eine einzige Klassendefinition, nicht eine einzige shareeconomie, beides mutete angesichts globaler Entwicklungen beschriebener Art wie Kinderkino fürs unartige Kind.
Allerdings: Jeder Film hat einmal ein Ende, und dann: shareeconomy?
Wir werden erst zum Teilen des / am HABE kommen, wenn wir dafür sorgen, daß auch die Leiden geteilt werden.
Wenn Betroffenheit in all deinen Klassen greift, shareconomy wäre dann das Ergebnis und nicht der Beginn des Weges – Autopoiese in der Gesellschaft.
In dem Fall ist es richtig, trifft aber so nicht auf alle Waren in der Shareconomy zu. Alle Gebrauchswerte, die nicht mehr unentgeltlich (ehrenamtlich), sondern als Ware und damit mit Tauschwert behaftet bereitgestellt werden, stellen einen zusätzlichen Wert dar. (Bei deinem Beispiel der Bonbons ist das nicht der Fall, da die auch vorher schon kapitalistisch produziert wurden und somit einen Wert haben.) Solange die betreffenden Arbeiten ohne Tauschabsicht und ohne auf einem Markt getauscht zu werden verrichtet werden, schaffen sie keinen Wert. In der Shareconomy ändert sich das aber. Es fängt schon bei Vermietung an. Dabei wird Wert zugesetzt, indem Arbeit verrichtet wird. Es wird sogar (relativ zum realisierten Wert) noch viel mehr Arbeit zugesetzt als in der herkömmlichen Ökonomie, weil keine Massenproduktion und keine Rationalisierung zum Tragen kommen. Ein AirBnB-Vermieter muss sein(e) Zimmer reinigen und herrichten wie ein Hotel, verfügt aber nicht über die Produktionsmittel (professionelle Reinigungsutensilien, Wäscherei), die genormten Abläufe (wie auch bei ein bis zwei Zimmern!?) und das gedrillte und billige Personal (10-Minuten-Zimmermädchen), die dies auf ökonomische Weise erlauben. Insofern ist die Shareconomy als Forschungsobjekt eine ganz interessante Erscheinung, weil sie ansonsten unrentable Prozesse auf Kosten gewisser Teile des Proletariats marktfähig macht. Kurz gesagt: Es werden Sub-Standard-Produkte zum entsprechenden Billigpreis, aber zu Premiumkosten für den Anbieter, angeboten. (Dasselbe übrigens bei den Uber-Chauffeuren: Sie bleiben im Zweifel bei einem Unfall auf dem Schaden sitzen. Zu gewissem Grad ist das Sharing ein Glücksspiel für die Schwächsten der Gesellschaft, prekäre Proletarier, deren Arbeitskraft sonst nirgends gefragt ist.) Shareconomy heißt für viele kleine Anbieter Selbstausbeutung. Sie leisten unbezahlte Mehrarbeit, die aber wenig Wert schafft, da sie keine Durchschnittsarbeit, sondern weniger produktive Arbeit, ist.
Quelle dazu? Ich will das nicht als ein mögliches Szenario ausschließen, halte es aber für sehr viel unwahrscheinlicher als andere mögliche Entwicklungen. Wie es zu einer Erhöhung des Autoverkaufs kommen kann, habe ich dargestellt. Bei reinem Carsharing (ohne Fahrgemeinschaften) ändert sich an der Menge der konsumierten Autos pro Zeiteinheit (fast) gar nichts. Die gefahrenen Kilometer sind nur auf weniger Autos verteilt, diese werden dafür aber umso häufiger durch Neuwagen ersetzt. Ich würde sogar von einem erhöhten Autoabsatz ausgehen, da möglicherweise mehr gefahren wird. Geteilte Autos sind nämlich nicht wie das eigene Auto immer am gewünschten Ort, sondern müssen erst zu ihren Einsatzorten gefahren werden.
Man muss auch bedenken, dass die durch Sharing eingesparten Ausgaben der Haushalte anderweitig zum Konsum genutzt werden. Der Konsum wird sich verlagern und darum werden dem Kapital nicht notwendigerweise weniger Einnahmen zufließen. Darum sehe ich auch nicht, wieso die Shareconomy eine Krise fürs Kapital bedeuten könnte. Selbst wenn die Leute ihr eingespartes Geld auf die Bank legen anstatt zu shoppen, ist das Konsum, produktiver Konsum, weil damit Kredite gewährt werden und Kapitalisten investieren können.
Ein fürs Kapital angenehmer Nebeneffekt des Sharens ist die Senkung der Lebenshaltungskosten. (Man spart ja bei gewissen Dienstleistungen und kann sich selbst etwas durch Sharing dazuverdienen.) Die Reproduktionskosten des Lohnarbeiters sinken also, mithin muss auch sein Lohn sinken. Ich weiß nicht, wie groß die Shareconomy derzeit ist oder wie sie wachsen wird. Aber wenn sie mal einen nachweisbaren kausalen Einfluss auf die herkömmliche Ökonomie hat, dann wirkt sie wohl eher Krisen entgegen und verstärkt sie nicht. Absatzsteigerung und Lohnsenkung wirken normalerweise als Konjunkturprogramm.
Das meinte ich nicht. Deine Behauptung, dass stofflich so viel eingespart wird, halte ich für Unsinn. Begründet habe ich das auch. Da sich der Absatz nicht verringert, sondern eher stabilisieren dürfte, ist es auch Unsinn, dass die Shareconomy ökonomisch bedrohlich sein soll und die Krise befördert. Das habe ich ja eben auch noch mal ausgeführt.
Ganz einfach. Wenn etwas, was bisher nicht geteilt werden musste, nun geteilt werden soll, liegt der Verdacht nahe, dass das irgendeinem Mangel geschuldet ist. (Im Fall der Shareconomy ist das überwiegend zweifellos so. Die Wenigsten würden bei gleichem Preis eine AirBnB-Bude der Privatsspäre und dem professionellen Service in einem Hotel vorziehen, bloß weil das Sharing ja so toll sozial ist. Das ist Unsinn und eine ideologische Vereinnahmung von Leuten. Die Leute nutzen trotzdem AirBnB, weil es so billig ist. Nur deshalb können diese minderwertigen Dienstleistungen überhaupt in der Konkurrenz bestehen.) Und es führt auch zu weniger Reichtum für jeden Einzelnen und die Gesellschaft. Jemand kann dann nicht mehr allein über das Seine verfügen, sondern nur noch in Absprache mit anderen über ein Gemeingut, das allen und niemandem gehört. Das ist gesteigerter Mangel, nicht Fülle. Ich bin absolut dafür, Produktionsmittel als Commons zu verwalten. Aber wieso soll das auf Privatbesitz ausgeweitet werden? Wieso soll es meinen Reichtum und meine persönliche Freiheit erhöhen, wenn ich in eine WG umziehen muss? Zumal es an Wohnraum keinen Mangel – zumindest keine unbehebbare natürliche Knappheit – gibt, der so ein Teilen rechtfertigen würde. Die Notwendigkeit des Teilens ist aus der Not geboren. Warum soll man ohne Mangel teilen? Das wäre die spannende Frage an dich. Wie gesagt, bei Produktionsmitteln* bin ich ganz auf deiner Seite und befürworte die Organisation in Commons.
*) Weil irgendwann der Vorschlag kommen wird, man könne auch Privathaushalte weitgehend enteignen, da ja Messer, Tisch, Bleistift, Laptop usw. auch Produktionsmittel seien, schränke ich meine Aussage insoweit ein, als nur jene Produktionsmittel, die der Einzelne nicht mit vertretbarem Aufwand sich selbst beschaffen kann oder die er freiwillig und ohne Nachteil für ihn in ein Commons integrieren kann, als Commons genutzt werden sollen. Mir würde es sehr widerstreben, meinen Hausrat mit mehreren Leuten teilen zu müssen und das nicht als aufgezwungenen Mangel zu empfinden.
@libertär: „Die Notwendigkeit des Teilens ist aus der Not geboren.“
Das muss nicht pauschal so sein. Es gibt Güter, welche erst durch gemeinsames Nutzen ihren Sinn haben (Spiele, Lehrmaterial, Denkmäler), aber auch bei klassischen Gütern macht es – selbst bei rivalen Gütern – Sinn, diese zu teilen. Das teilen von Küchenutensilien in jedem Ehehaushalt, jeder WG oder jeder Vokü optimiert die ökonomische Effizienz des Utensils – anstatt 23 Stunden des Tages in der Schublade zu liegen, Platz zu verbrauchen und darauf zu warten, dass der einzige Eigentümer die Gabel zum Essen verwendet, wird diese rund um die Uhr von allen Bewohnern benutzt. Beim Auto ist das aufgrund des Verschleisses tatsächlich anders – aber auch hier ist es effizienter, wenn das Auto möglichst wenig parkt, sondern ständig in Benutzung ist.
Hier noch zwei ganz aufschlussreiche Videos zur Shareconomy. Die sind ganz kurz, könnt ihr ruhig anklicken. 🙂
https://www.youtube.com/watch?v=vNm9pHjMIhQ
https://www.youtube.com/watch?v=1Wh9xxFOATk
Da kriegt man doch so richtig Lust, zu sharen. Spaß beiseite. Shareconomy ist natürlich nichts anderes als dieselbe alte kapitalistische Scheiße zum tausendsten Mal neu aufgegossen und mit einem verführerischen Zuckerguss versehen. Genau wie ich geschrieben habe, scheint es sich um verschärfte Ausbeutung auf Kosten der Schwächsten zu handeln. Wie ein Krebsgeschwür breitet sich das Kapital auch in die letzten bisher verschont gebliebenen Winkel der Gesellschaft aus und versucht, jeden Atemzug mit einem Preisschild zu versehen. Und diese Entwicklung war auch abzusehen. Denn wenn man unter Beibehaltung der kapitalistischen Prämissen in eine vermeintlich neue Art des Wirtschaftens startet, muss man sich nicht wundern, wenn am Ende wieder Kapitalismus dabei herauskommt. Wie wäre es denn mal mit wirklichem Sharen? Einfach mal beim Juwelier oder im Supermarkt eine Themenwoche Ehrenamt ausrufen und sich frei bedienen. Es gehört sowieso alles uns Proleten, da allein wir es sind, die die Güter produziert haben. Sich selbst bestehlen geht ja wohl nicht.
Ich bleibe auch dabei, dass die Notwendigkeit des Teilens aus der Not geboren ist. Bei einigen der von Herbert Maschke genannten Beispiele handelt es sich nicht um Teilen, sondern um gemeinsames Nutzen, etwa bei Spielen. Der Gebrauchswert eines Gesellschaftsspiels realisiert sich eben erst in Gesellschaft so richtig. Das liegt an der Qualität des Gegenstandes. Eine Notwendigkeit ist hier auch nicht involviert. Es unterliegt meiner freien Entscheidung, ob ich an einem Spiel teilnehme. Wenn ich teilnehme, dann aus Lust. Der Imperativ, solidarisch zu sein und sich soweit zurückzunehmen, dass auch Schwächere zum Zug kommen, ist in unserer Gesellschaft ein Gebot, das der kapitalistischen Not entsprungen ist und diese Not nur weiter zementiert. Man denke nur daran, wie Charity die reichen „Spender“ noch reicher macht und die so beglückten „Empfänger“ noch mehr enteignet. Eine Gesellschaft, die für alle eine Fülle aller benötigten Gebrauchsgüter bereitstellt, braucht kein Teilen und keine Moralvorschriften wie Solidarität. Eine solche Gesellschaft schafft man gewiss nicht, indem man alles monetarisiert. Man müsste genau in die entgegengesetzte Richtung gehen: Nicht den Kapitalismus auf die verbliebenen Bereiche der nicht-monetären Betätigung ausweiten, sondern Lohnarbeit transformieren und dem Bereich der nicht-monetären Arbeit einverleiben, also das Kapital zurückdrängen, es auskooperieren.
Ein guter Beitrag im Öffentlich-Rechtlichen: http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2015/Schoene-neue-Welt-Der-Preis-des-Teilens,fakeeconomy180.html