OSHW — Open Source Hardware
Obwohl Heise einen »Lizenz-Entwurf« meldet, der jetzt für offene Hardware vorläge, ist dem nicht so: freedomdefined.org hat eine Definition von »Open Source Hardware« (OSHW) vorgeschlagen und beschrieben, was eine Lizenz leisten müsse. OSHW ist also ein Kriteriensatz für die Erstellung einer Lizenz für offene Hardware, nicht aber selbst eine Lizenz. Soviel zur Entwirrung. Die OSHW orientiert sich an den Debian-Richtlinien für Freie Software bzw. der Open-Source-Definition.
Dass es mit offener Hardware nicht ganz so einfach ist wie mit Freier Software, hat Christian im Artikel »Copyleft für Hardware – ein kniffliges Problem« bereits beschrieben. Nachfolgend fasse ich die 11 Punkte der OSHW-Definition des englischen Entwurfs zusammen (eine deutschsprachige Fassung gibt es noch nicht).
- Dokumentation: erfolgt in einem offenen Format und muss eine Veränderung des Designs erlauben.
- Notwendige Software: für den Betrieb der Hardware muss beiliegen und unter einer Open-Source-Lizenz stehen.
- Abgeleitete Werke: sind möglich.
- Freie Verbreitung: darf nicht eingeschränkt werden (inkl. Verkauf).
- Namensnennung: ist erforderlich.
- Keine Diskrimination von Personen oder Gruppen: ist Pflicht.
- Keine Einschränkung der Anwendung: ist Pflicht.
- Verbreitung der Lizenz: erfolgt immer zusammen mit der Hardware oder Dokumentation.
- Keine Hardwareabhängigkeit der Lizenz.
- Keine Beschränkung anderer Hardware oder Software.
- Lizenz muss technologieneutral sein.
Silke wundert sich auf gemeingueter.de:
Merkwürdig finde ich, dass Beschränkungen des Einsatzzwecks (etwa militärische Nutzung) nicht erlaubt sind. Die Freiheit von Kontrolle durch andere schließt doch nicht die Freiheit ein zu tun was immer beliebt.
Das ist eine vergleichbare Frage, wie sie in den frühen Tagen der Freien Software auch diskutiert wurde. Es war seinerzeit eine weise Entscheidung, die »Freiheit 0: Das Programm zu jedem Zweck auszuführen« als erste von vier Freiheiten Freier Software zu definieren. Damit wurde erkannt und fixiert, dass sich die Gestaltung von Produkten nicht rechtlich steuern lässt. Stattdessen wird durch eine Nutzungsbeschränkung vor allem die Kooperation der Entwickler_innen und Nutzer_innen eingeschränkt.
Ganz praktisch wären Lizenzen mit unterschiedlichen Nutzungsbereichen oder -ausschlüssen zueinander inkompatibel, und Anwender_innen müssten sich in einem aufwändigen Verfahren darüber informieren, ob nun Produkt A mit Produkt B zusammen genutzt werden darf, ob es verändert werden darf, ob es in einen neuen Anwendungsbereich gestellt werden darf, ob darauf aufsetzend Weiterentwicklungen möglich sind etc. — Die Entscheidung auf »maximale Kooperation« statt »optionaler Einschränkung« war richtig.
Gleichwohl ist es ebenso völlig richtig, dass »Freiheit … nicht die Freiheit (einschließt) zu tun was immer beliebt«. Doch über das Produkt selbst wird man dieser sozialen Frage nicht beikommen können. Stattdessen ist der Zusammenhang umgekehrt zu fassen: In welcher sozialen Form produzieren wir, so dass die Produkte, die daraus entstehen, nicht Menschen schädigen, ausgrenzen, beherrschbar machen, die Ressourcen zerstören etc.
Unter kapitalistischen Bedingungen, unter denen grundsätzlich Gewinn der einen stets auf Kosten anderer realisiert wird, sind auch die Produkte entsprechend beschaffen. Die Produkte »enthalten« Kapitalismus (Militär, Folter, Verdummung etc.), über die Produkte selbst die soziale Form, aus der sie stammen, verändern zu wollen, kann nicht funktionieren — der Kapitalismus bietet ja durchaus die Freiheit, auch »freundliche Produkte« herzustellen und zu vermarkten.
Notwendig ist hingegen eine »Kritik der Produkte«, die klar macht, dass wir nicht nur andere Produkte brauchen, sondern vor allem eine Produktionsweise, die sie ermöglicht und erfordert. Dies kann nur eine Produktionsweise sein, in der die Entfaltung der einen die Entfaltung der anderen zur Voraussetzung hat: Einschlusslogik statt Ausschlusslogik.
Im übrigen sollten wir hier bei keimform.de überlegen, ob wir die Kategorie „Freie Hardware“ nicht besser in „Offene Hardware“ umbenennen sollten.
Aber mit einer Lizenz, die diesen elf Anforderungen an eine Hardwarelizenz genügte, wäre doch kein Pendant zur GPL gegeben. Oder irre ich mich da? In den elf Punkten wird nicht gefordert, dass das Design abgeleiteter Hardware immer offen bleiben muss und abgeleitete Hardware nicht wieder durch verschiedenste Maßnahmen privatisiert werden kann. Besonders 3., 4. und 10. sind fatal für freie/offene Hardware, falls sich die Lizenz bloß auf die Offenheit der Baupläne bezieht. Diese Freiheiten sind bereits die Schlupflöcher, durch die das frei produzierte Wissen wieder in kapitalistische, geschlossene, Projekte abgezogen werden kann.
Richtig, eine Copyleft-Regel (Lizenz darf nicht geändert werden) ist nicht vorgeschrieben, aber auch nicht ausgeschlossen. Insofern ist die OSHW-Definition ähnlich variabel wie die OSI-Definition für Software, auf desen Grundlagen ebenfalls Nicht-Copyleft- und Copyleft-Lizenzen möglich sind.
Das Problem bei Hardware ist aber noch ein anderes: Selbst wenn das Wissen (Dokumentation, Pläne etc.) unter eine Copyleft-Lizenz fiele, wäre ein mögliches physisches Produkt, was auf dieser Grundlage hergestellt wird, davon nicht tangiert. Sprich: Jeder kann es auf dieser Grundlage bauen und verwerten. Diese Problematik diskutiert Christian in dem bereits erwähnten Artikel. Einen »Lizenz-Hack« wie bei Freier Software gibt es bei Hardware jedenfalls nicht.
Danke, Stefan, ich hab was kapiert. Allerdings erfreut mich nicht so sehr, was ich kapiert habe. Copyleft – also über die Rechtsform das Problem in den Griff zu kriegen – ist vermittelbar. Ziemlich einfach sogar. Aber das Einfordern einer neuen Produktionsweise (was ich ja vollkommen teile), die dann blöderweise aber nicht zwangsläufig ein „paar harte Kriterien erfüllt“ (lassen wir das mit der militärischen Nutzung, den selbstgebastelten Genen oder der privaten Wiederaneigung mal weg – sagen wir einfach: CO2 neutral zu sein – auch so eine überlebenswichtige Frage), ist alles andere als ein schlagkräftiges Argument.
Tut mir leid, Silke, für die schlechte Nachricht, ich hätte ja auch gerne so einen »legal hack« wie das Copyleft für stoffliche Güter. Ist aber nicht (geniale Vorschläge nehme ich gerne an!).
Die »Lösung« über die Veränderung der Produktionsweise zu gehen, bedeutet aus meiner Sicht, auf die Commons zu setzen. Weil Commons — jenseits von Markt und Staat — heisst, dass Menschen mit ihren konreten Bedürfnissen die Produkte gestalten. Zumindest der Tendenz nach, nicht automatisch wie etwa DIY-genes zeigen.
Zu Punkt 5: „Namensnennung: ist erforderlich“ – das war offensichtlich eine Fehlformulierung, denn es hätte bedeutet, dass Lizenzen, die keine Namensnennung erfordern (z.B. GPL oder Public Domain) ausgeschlossen sind. Gemeint war, dass Lizenzen Namensnennung fordern dürfen, aber nicht müssen. Ich hab das (schon vor einigen Tagen) entsprechend geändert.
Ansonsten find ich die Definition eine gute Sache 🙂
hab hier http://openfarmtech.org/weblog/?p=2110 einen Artikel gefunden da geht es um was ähnliches oder ist es eh das selbe ? mein english ist nicht so gut..
@TraumSpinner:
Um Ähnliches – die OSHW-Definition ist eine allgemeine Definition, was Offene Hardware ausmacht, während die OSE-Leute eine spezifische Lizenz für ihre eigene Hardware (die auch offen sein soll) entwickeln wollen. Wie schon einige Kommentatoren angemerkt haben, klingt ihr aktueller Entwurf allerdings mehr nach Manifest als nach Lizenz.
Ich denke auch, dass es eigentlich schon genug Lizenzen gibt und nicht jedes Projekt seine eigene entwickeln sollte und hab das mal entsprechend kommentiert. Danke für den Hinweis auf den Artikel!
Die Definition hat jetzt die Fassung 1.0 erreicht und damit das Entwurfsstadium verlassen. Gegenüber der von Stefan vorgestellten Version haben sich aber nur kleinere sprachliche Präzisierungen ergeben; substanziell hat sich nichts geändert. Wem die fertige Definition gefällt, kann sie per Unterschrift gutheißen.