Studie: Linux-Desktops im Unternehmen
[Foto: marcn, CC-ByNcSa]
Wenn die Einschätzung richtig ist, dass Freie Software für Unternehmen Kosteneinsparungen bedeutet, wenn die proprietären Äquivalente ersetzt werden, dann ist die Frage, wie weit die Ersetzung bislang gekommen ist. Im Serverbereich ist Freie Software eine feste Größe, aber auf dem Desktop ist es zu einer klassischen Lock-In-Situation gekommen: Die Dominanz von Microsoft und Co ist so groß, weil die Abhängigkeit so groß ist — und umgekehrt. Ein Teufelskreis.
Nun gibt es andere Protagonisten Freier Software, die betreiten das Argument der Kosteneinsparung (übrigens in Übereinstimmung mit Gegnern Freier Software) und würden gerne das Freiheitsargument in den Vordergrund stellen. Die Botschaft ist: »Mit Freier Software vermeidet ihr den Lock-In-Effekt, die Abhängigkeit von einzelnen Anbieter wird verringert«. Das Argument ist sicher nicht falsch. Doch wie sieht die Situation wirklich aus?
Die Firma »Freeform Dynamics« hat kürzlich — gesponsort von IBM — in einer Studie »Linux auf dem Desktop« 1275 IT-Profis befragt, die Erfahrung mit einer Umstellung in ihrem Unternehmen haben.. Blöderweise steht die (kostenlos downloadbare) Studie nicht unter einer freien Lizenz und darf nur als Ganzes, aber nicht in Auszügen kopiert werden. So kann ich leider nicht die Grafiken der Studie nutzen, hier gibt es also nur Textwüste. Dass es die Autoren noch nicht mal geschafft haben, den Titel des PDFs (»Microsoft Word – 0905 -Desktop-Linux 1.0«) zu ändern, ist schon peinlich. Aber weg von diesen Oberflächlichkeiten…
Ergebnisse in Kurzform (Prozentangaben aus Grafiken geschätzt):
- Hauptantrieb auf Linux umzustellen: primär Kosteneinsparung (71%), gefolgt von Sicherheit (34%) und Zuverlässigkeit (32%).
- Hauptquellen der Einsparung: einfachere Absicherung (83%) leichtere und flexiblere Einrichtung (66%) und niedrigere Aufwände für Administration und Support (63%), was in Summe eine niedrigere TCO ergibt; geringere Lizenzkosten und Nutzung auf älterer Hardware waren weitere Quellen.
- Umstellungsgrad: die meisten (63%) haben erst weniger als 20% umgestellt, zukünftig wollen 48% mehr als ein Fünftel der Rechner umstellen, theoretisch denkbar halten das 80%.
- Umstellungshürden (starke/sehr starke): Unternehmenspolitik (63%), Nutzerwiderstand (60%), Anwendungsverfügbarkeit (52%); gefolgt von: Tool-/Prozess-Integration (32%), Prioritätensetzung (32%), Hardwarelieferanten-Support (31%), IT-Qualifikation (28%), Treiberverfügbarkeit (26%), ROI (24%), fehlende Migrationstools (17%), fragmentierte Linux-Distros (16%), Support/Consulting (13%).
- Zielgruppen (primäre): IT-Entwickler (72%), IT-Support (62%), professionelle Anwender (42%), Legacy-Anwender (39%), Ingenieure/Techniker etc. (30%), Office-Nutzer (18%), mobile Nutzer (17%), Kreative (8%).
- Umgestellte Gruppen: IT-Entwickler (60%), IT-Support (54%), Ingenieure/Techniker etc. (39%), professionelle Anwender (29%), Legacy-Anwender (22%), Office-Nutzer (20%), mobile Nutzer (17%), Kreative (13%).
- Risikominimierung durch: Berücksichtigung der Benutzerbedürfnisse (36%), Sicherstellen der Anwendungskompatibilität (32%), Pilotierung und Tests (23%), Schulung/Support (22%), Bestimmung der Windows-Anwendungserfordernisse (21%).
- Migrationstyp: bevorzugt mehrheitlich native Migration (Umstieg auf entspr. Linux-Anwendung) für Office, Browser, E-Mail, Softwareentwicklung, Support; weiterhin Win-Emulation, Virtualisierung, Dual-Boot oder Browserlösung für Unternehmens-, Spezial- und Kreativ-Anwendungen.
- Distro-Anforderungen (offene Frage): Benutzungsqualität (47%), Supportfreundlichkeit (30%), Zuverlässigkeit/Stabilität (12%), Integration (10%)
Fazit
Entgegen mancher Vermutungen ist der Hauptantrieb zur Migration auf einen Linux-Desktop-System die Kostenreduktion. Dabei sind nicht kurzfristige Lizenzkosten-Reduktionen im Fokus, sondern es werden Einsparungen über die gesamte Lebensdauer (TCO) erwartet. Der Umstellungsgrad ist mit unter 20% in den Firmen der befragten ITler noch gering, und auch die geplanten und überhaupt möglichen Umstellungsgrade deuten auf eine dauerhafte Koexistenz von proprietärer und Freier Software hin. Hauptzielgruppen sind die IT-nahen und technikaffinen Anwender, je »weiter weg« von der Technik, desto größer die Angst vor den unabsehbaren Folgen einer Umstellung und desto größer der Widerstand. Folgerichtig sollten nach Meinung der Befragten die Nutzerbedürfnisse ins Zentrum einer möglichen Umstellung gestellt werden. Dann sei eine Umstellung auch einfacher als gedacht, zumal es für die meisten Standardanwendungen bereits native (Linux-eigene) Lösungen gibt.
Auch in den Unternehmen sieht es also nicht besser aus als auf den Desktops der privaten Computer. Das M$-Lock-In funktioniert. Microsoft tut sein möglichstes, dass das so bleibt. So wurde M$ zwar dazu genötigt, eine Lese- und Schreibfunktion für das ISO-standardisierte offene OpenDocument-Format in seine Office-Programme einzubauen, doch die Implementierung zu »zufällig« so miserabel ausgefallen, dass sie vielfach als unbrauchbar eingeschätzt wird.
Aktuell scheint jedoch die ökonomische Krise der Open-Source-Durchdringung in Unternehmen einen kleinen Schub zu verpassen. Werden die IT-Etats gekürzt, zieht auch das Kostenargument stärker. Das gilt nicht nur für Unternehmen, sondern gerade auch für den Staat. Vielleicht ist es schließlich der kommerzielle Einsatz, der Freier Software allgemein auch auf dem Desktop zum Durchbruch verhilft.
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