Monat: Januar 2007

Wikipedia vor neuen Herausforderungen

Telepolis hat einen Bericht über aktuelle organisatorische Probleme in der Wikipedia. Das Grundproblem ist wohl wie man eine sehr divergente Community mit der Idee einer NGO des Wissens unter einen Hut kriegt.
Anders als bei Freier Software, wo es oft einen Konflikt zwischen kommerziellen Interessen und Community gibt, gibt es hier einen Konflikt zwischen einem von Wales u.a. aufgestellten Anspruch der Menschheit etwas gutes zu tun und zu diesem Zweck eine schlagkräftige Organisation aufzubauen und eben sehr unterschiedlichen Kräften in einer weitläufigen und bunten Community.

Keimform mal anders

Telepolis bringt ein Interview mit Martin Sonneborn, Ex-Chefredakteur bei Titanic. Seine Sicht auf die Keimformfrage:

Die Titanic betreibt Medienkritik in der Form der Satire. Wie kamen Sie zu diesem Gewerbe?

Martin Sonneborn: Es gab kein Schlüsselerlebnis. Ich denke, das ist eine Charakterfrage. Man kann in fünferlei Weise mit diesem zunehmend irrer werdenden Gesellschaftssystem umgehen. Da ist der Weg in den bewaffneten Widerstand – heute eher antiquiert –, die Entwicklung zum Alkoholiker, die aktive Teilnahme am System oder die klassische Gesellschaftskritik. Und man kann versuchen, die Widersprüche in einem guten Witz aufzulösen, wofür ich mich entschieden habe.

Mit FLOSS gegen die Yankies?

Und hier is der Report der „European Communities“ (wohl bezahlt von Europäischen Steuergeldern), der u.a. zu dem Schluss kommt, dass (ich zitiere:)

  • While the U.S. has the edge in terms of large FLOSS-related businesses, the greater individual contribution from Europe has led to an increasing number of globally successful European FLOSS small- and medium-sized enterprises (SMEs).

FLOSS hat hier also noch einen unerwünscht/erwünschten Verbündeten, nämlich „Europa“ (vs. die USA – ok ich übertreibe, aber was wären wir ohne Zuspitzungen…?).

»Open Source Dossier«

Ok, jetzt hat’s auch die bpb gemerkt: »Open Source ist zu einer weltweiten sozialen Bewegung geworden, die antritt, nach der Software nun auch Wissen und Kultur zu „befreien“« — auch wenn das »Befreien« nur mit spitzen Fingern angefasst wird. Das altbekannte staatliche Wechselspiel von Integration und Repression läuft eben auch bei dieser sozialen Bewegung. Der bpb kommt die Rolle des Integrators zu, die Repression überlässt man dem Justizministerium. Nun gut, das Lesen des neuen Dossiers lohnt natürlich trotzdem. Anscheinend hat die bpb Teilnehmer/innen nach der letzten Wizards-of-OS abgegriffen — und fertig ist das Dossier.

Sudbury in Jena

In Jenas Uni gibt es einen Vortrag über Sudbury-Schulen. Pikant dabei: Veranstaltet wird das Ganze von der FDP-Parteistiftung, der Friedrich-Naumann-Stiftung. Meine These war ja schon immer, dass sich Keimformen (u.a.) dadurch auszeichnen müssen
mit der herrschenden liberalen Ideologie kompatibel zu sein (ohne sie deswegen komplett zu übernehmen). Es ist wie mit den frühen Bürgern, die durch die Aufträge der Fürsten groß wurden.

Solidarische Ökonomie: Stipendien für Frauen

Die Stiftung Fraueninitiative hat zwei Jahresstipendien ausgeschrieben für Frauen, die sich mit der Freien Gesellschaft beschäftigen wollen. Uups — nein, genauer:

die kreativ über neue Möglichkeiten des Wirtschaftens und Arbeitens im Kontext eines gewünschten Lebens nachdenken wollen. Gemeint sind Formen von solidarischer Ökonomie, die sich an gebrauchsförmigem und nicht-patriarchalem gemeinsamen Wirtschaften und Arbeiten orientieren und dabei unsere Natur sinnvoll nutzen und erhalten.

Klingt doch ganz gut…

Frist für Bewerbungen ist der 15. März 2007, die komplette Ausschreibung ist als PDF auf der Aktuelles-Seite der Stiftung zu finden.

Dort gibt es auch einen Bericht (ebenfalls PDF-Link) zu dem Workshop der Stiftung auf dem Kongress „Wie wollen wir wirtschaften?“, den die Veranstalterinnen für die Zeitschrift contraste geschrieben haben. Erwartungsgemäß enthält der Bericht eher Fragen als Antworten; die eine oder andere Anregung aus dem hauptsächlich von Stefan und mir eingebrachten „Keimform“-Spektrum habe ich dort auch wiedererkannt.

Wikipedia bald nicht mehr werbefrei?

Wikizine meldet: Anlässlich der aktuellen Spendenkampagne wurde zeitweilig auf allen Wikimedia-Projekten das Logo eines Großsponsors eingeblendet. Das führte zu einigen Kontroversen, die Logo-Befürworter haben sich wohl weitgehend durchgesetzt. Die Haltung des Wikipedia-Mitgründers und „benviolent dictators“ Jimbo Wales zu dem Thema ist schon lange, dass er bereit wäre, Werbung zu akzeptieren, sofern es der Verbreitung freien Wissens nützt. Die Community war bisher immer eher gegen Werbung eingestellt. Ändert sich das jetzt?