Streifzug-Review 3: »DRM«
Im dritten Teil meiner Kolumne »Immaterial World« der Wiener Zeitschrift »Streifzüge« ging es um ein Thema, das auch hier im Blog immer wieder vorkommt: »Digital Restrictions Management«. BTW: Interessanterweise hat Microsoft darauf verzichtet, im neuen grafischen Aufsatz »Vista« voll auf DRM zu setzen, obwohl doch viele Rechner inzwischen über entsprechende Hardware verfügen. Kennt jemand eine offzielle Begründung? – Anyway, zurück zum Review: Was wurde seinerzeit, Anfang 2005, diskutiert?
Maike Arft-Jacobi hinterfragt kritisch die Aussage des Artikels, »dass sich Informationsgüter nicht als Ware eignen und nur mit Gewalt in der Warenform gehalten werden können«. Sie formuliert die These, dass die Gewaltform grundsätzlich im Kapitalismus gelte, für Informationsgüter wie für »Grundstücke und Agrarflächen, Nutztiere, Wohnraum, Arbeitskraft, Wasser, Strom, Gesundheitsversorgung«. Daher laute die Frage: »Inwieweit lässt sich gegen DRM erfolgreich etwas unternehmen, ohne den Kapitalismus anzukratzen?«
Für Hektor Rottweiler ist das eine Frage der Redlichkeit. Er verweist aber darauf, dass es praktisch eine wesentlichen Unterschied zwischen der gewaltförmigen Warenförmigkeit von Grundstücken und Software gibt. Während stoffliche Güter wie Grundstücke für den Eigentümer an Gebrauchswert verlieren, sobald jemand anderes nutzend darauf zugreift, sei genau das bei unstofflichen Gütern wie Software nicht so: Dem jeweiligen Gut merke man einen Verbrauch gar nicht an, nur der nachlassenden Nachfrage.
Ganz unredlich (und begriffsunkritisch) gedacht könnte DRM jedoch schlicht an der komplizierten Benutzbarkeit scheitern, denn das ist ja immer noch das schlagende Argument für die Verwendung proprietärer gegenüber Freier Software: Es ist alles so toll einfach. DRM macht jedoch genau das »Einfache« kompliziert, es tritt plötzlich ein neuer »Nervfaktor« auf: Jeder Mausklick könnte potenziell eine Zahlung bedeuten. Oder das Lied, das ich eben noch hören konnte, ist nun gesperrt – was nun?
Um die User an diesen Nervfaktor zu gewöhnen, ist ein ungeheurer Aufwand erforderlich. Alle kostenlos zugänglichen Kopien oder Derivate des Produkts müssten aus dem Internet verschwinden. Tauschbörsen müssten global lahmgelegt werden, global müssten Staatsmaschinen bewegt werden, um die »Tauscher« zu belangen. Jene Tauscher, die doch eigentlich »Kunden« sein sollen. Ihnen müsste mit Hilfe einer ideologischen Gehirnwäsche eingebleut werden, dass ein Download doch eine »Wegnahme« bedeute, auch wenn es gar nicht so aussähe.
Microsoft schätzt ein, dass das nach hinten losgeht und fährt den Stress gegen die User runter. Schon 2004 hat sich Microsoft in einer Studie erklären lassen müssen: »Generell wurden private Raubkopien von den Befragten als eher normal empfunden – im Gegensatz z.B. zum Ladendiebstahl.« Zur Hardcorefraktion hingegen scheinen die Musik- und Filmindustrie zu gehören. Sie setzen weiter auf Verfolgung und Abschreckung.
Fazit und zugespitzte These: DRM wird an der inneren Widersprüchlichkeit der Warenform digitaler Produkte scheitern. Und wenn widerständige Bewegungen mit einem Tritt oder harmlose Tauscher mit ihren »illegalen« Downloads dabei helfen können, geht’s vielleicht etwas schneller:-)
Ich finde Maikes Kommentar besonders beachtenswert. Das Argument, dass der Gebrauchswert anderer Güter durch die gemeinsame Nutzung sinkt, bei digitalen Gütern aber nicht, führt in die Irre, denn um den Gebrauchswert geht es bei der Warenform ja gerade nicht. KritikerInnen des Kapitalismus und der Warenform verlangen ja auch nicht, dass ich meine Zahnbürste nun mit anderen teilen müsste.
Die Warenform wird erst da relevant wo der Gebrauch aufhört: warum hat jemand ein Recht, über Grundstücke, Wohnraum etc. zu bestimmen, den er oder sie nicht selber braucht (durch Vermietung, Verkauf etc.)? Dieses, aus nichtkapitalistischer Sicht willkürliche „Recht“ ist wohl tatsächlich überall, wo es eingeführt wurde, zunächst gewaltförmig durchgesetzt werden, und wird, wenn es nötig wird, auch immer wieder gewaltförmig verteidigt (wie etwa der Umgang mit Hausbesetzern zeigt).
Insofern ist die Willkürlichkeit der Warenform digitaler Güter tatsächlich nichts Neues – sie fällt uns nur mehr auf.