Autor: Christian Siefkes

Das Freiwilligenspiel

Freiwillige beim Spielen(Voriger Artikel: Arbeitsteilung, aber wie?)

Was wäre ein guter Ansatz, die umfassende Quasi-Flatrate zu organisieren und die dafür notwendige Arbeit/N aufzuteilen? Die im vorigen Teil diskutierten Modelle der reinen Freiwilligkeit sowie der traditionellen Commons haben beide ihre Vor- und Nachteile, keines kann rundherum überzeugen. Das im Folgenden vorgeschlagene Freiwilligenspiel kombiniert Elemente dieser beiden Modelle und versucht dabei, ihre jeweiligen Schwächen zu vermeiden.

Das Freiwilligenspiel ist ein kooperatives Spiel, bei dem alle Mitspielerinnen nur gemeinsam gewinnen oder verlieren können. Ziel des Spiels ist, die für die Produktion der Quasiflat nötige Arbeit unter den Bewohnern der entsprechenden Koregion so aufzuteilen, das alles erledigt wird und sich niemand benachteiligt oder überfordert fühlt. Das Spiel ist gewonnen, wenn und solange die Quasiflat erfolgreich organisiert wird und alle nötigen Aufgaben zum benötigten Zeitpunkt und gut erledigt werden. Es ist verloren, wenn dies nicht klappt.

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Wie der Kapitalismus entstand

Streifzüge Nr. 60/2014Und was uns das über die Entstehungsvoraussetzungen der nächsten Gesellschaft lehrt

[Alle »Keimformen«-Artikel in Streifzüge 60/2014]

Die US-amerikanische Historikerin Ellen Meiksins Wood befasst sich in ihrem sehr lesenswerten Buch The Origin of Capitalism: A Longer View (London: Verso, 2002, Seitenangaben nachfolgend in Klammern) mit der Frage nach der Entstehung des Kapitalismus. Ihre Antwort ist dabei sowohl originell als auch plausibel, weshalb sie eine nähere Betrachtung verdient. Im Folgenden sollen zunächst Woods – im deutschsprachigen Raum bislang wenig diskutierte – Erkenntnisse vorgestellt werden. Anschließend erörtere ich kurz, wie weit ihre Rekonstruktion dem Keimform-Modell geschichtlicher Entwicklungen entspricht, wobei ich einige für die Keimformtheorie problematische Differenzen sehe. Dreht man Woods Analyse der Entstehungsvoraussetzungen des Kapitalismus um, erkennt man Merkmale, die eine Produktionsweise aufweisen muss, um nicht zwangsläufig wieder beim kapitalistischen Modell zu landen – das Thema des letzten Teils dieses Artikels.

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Arbeitsteilung, aber wie?

Rinder auf der Al(l)m(ende) (Foto von MadeleineSchäfer, CC-BY-SA, URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Weidende_Rinder_auf_der_Alm.JPG – zum Vergrößern klicken)(Voriger Artikel: Was ist Arbeit?)

Die kapitalistische Realität: Arbeit als schwer zu erfüllende Pflicht

Eine Möglichkeit der Arbeitsteilung kennen wir aus dem Kapitalismus: individuelle Arbeit als gesellschaftliche Existenzbedingung bei gleichzeitiger Konkurrenz um Arbeitsmöglichkeiten. Die meisten Menschen müssen heute arbeiten, um volle gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten zu erhalten und „Arbeitslosigkeit“ kann sogar existenzbedrohend werden (je nach Umfang der gesellschaftlichen Sicherungssysteme in dem Land, in dem man lebt). Gleichzeitig findet man Arbeitsmöglichkeiten nicht einfach wie Beeren im Wald, sondern muss sich um jede erst einmal „bewerben“ und sich dabei gegen andere durchsetzen, die sie ebenfalls wollen. Ähnlich wie beim Spiel „Reise nach Jerusalem“ ist es üblicherweise so, dass einige auf der Strecke bleiben und keinen „Arbeitsplatz“ bekommen. Schließlich können bei Konkurrenz definitionsgemäß nicht alle gewinnen und keinerlei gesellschaftliche Mechanismen sorgen dafür, dass es genug Arbeitsmöglichkeiten für alle gibt, die arbeiten wollen bzw. müssen.

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Was ist Arbeit?

Sisyphus beim Arbeiten(Voriger Artikel: Die umfassende Quasi-Flatrate)

[Update: siehe Arbeit, Spiel und Selbstentfaltung]

Die im vorigen Artikel vorgeschlagene umfassende Quasi-Flatrate macht Arbeit, da die zum Leben nötigen Dinge nicht vom Himmel fallen. Aber was bedeutet das genau? „Arbeit“ ist ein schillernder Begriff, der sich schwer fassen lässt. Ohne Klarheit darüber, was mit einem Begriff gemeint ist, redet man jedoch leicht aneinander vorbei. Standarddefinitionen helfen nicht unbedingt weiter: „Zielgerichtete, soziale, planmäßige und bewusste, körperliche und geistige Tätigkeit“, meint das Gabler Wirtschaftslexikon (2014). Doch diese Definition ist viel zu breit, so werden auch Hobbys, Freizeitsport und überhaupt die meisten menschlichen Aktivitäten zu Arbeit.

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Die umfassende Quasi-Flatrate

Elinor Ostrom, Commonsforscherin und Wirtschaftsnobelpreisträgerin (Foto: Courtesy of Indiana University, zum Vergrößern klicken)(Voriger Artikel: Voraussetzungen für allgemeine bedürfnisorientierte Re/produktion)

Im letzten Teil hatte ich festgestellt, dass in einer postkapitalistischen, die allgemeine Emanzipation ermöglichenden Gesellschaft die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Produktionsprozesses stehen müssen. Die im Folgenden entwickelte Idee der umfassenden Quasi-Flatrate basiert auf der Erkenntnis, dass ein Großteil der Bedürfnisse aller Menschen durchaus ähnlich ist: alle müssen essen und trinken; alle wollen ein ausreichend geheiztes oder gekühltes Dach über dem Kopf; alle wollen gesund bleiben und brauchen bei Krankheit oder Unfällen medizinische Versorgung; alle wollen alt werden und brauchen im Alter, bei Krankheit oder Behinderung gegebenenfalls Pflege, alle brauchen als Kinder Menschen, die sich um sie kümmern; alle wollen auf die eine oder andere Weise etwas lernen, sich weiterbilden, neue Fähigkeiten entwickeln; fast alle wollen sich sportlich oder spielerisch betätigen, sich gelegentlich mit Freunden treffen oder feiern, kulturelle Ereignisse besuchen (z.B. Kino, Theater, Oper, Ausstellungen) etc.

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Voraussetzungen für allgemeine bedürfnisorientierte Re/produktion

Ellen Meiksins Wood (Bild von http://www.rosalux.de/documentation/45899/demokratie-gegen-kapitalismus.html, zum Vergrößern klicken)(Voriger Artikel: Dank Produktivkraftentwicklung zur neuen Gesellschaft?)

Von Modellen der selbstorganisierten, bedürfnisorientierte Kooperation, die vom spezifischen Stand der Technikentwicklung weitgehend unabhängig sind, handelte schon mein Buch Beitragen statt tauschen (Siefkes 2008). Nach meinem heutigen Reflexionsstand ist dabei allerdings kritisch zu fragen, wie weit die dort diskutierten Modelle für einen konsequenten Bruch mit der kapitalistischen Logik ausreichen. Wiederum angelehnt an Ellen Meiksins Wood (2002) halte ich drei Voraussetzungen für eine postkapitalistische Re/produktionsweise für essenziell (demnächst detaillierter begründet in Siefkes 2014):

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Dank Produktivkraftentwicklung zur neuen Gesellschaft?

Illustration aus der Oya 8 zu meinem Artikel 'Eine Welt ohne Geld?' (zum Vergrößern klicken)Trägt jede Produktionsweise ihren eigenen Untergang in sich? Führten die inneren Widersprüche des Feudalismus dazu, dass der Kapitalismus entstand und ihn schließlich ersetzte? Und sorgen dementsprechend auch Entwicklungen innerhalb des Kapitalismus dafür, dass er sich selbst den Boden entzieht und zugleich den Weg für eine neue, zuvor noch nicht realisierte und realisierbare Produktionsweise bereitet?

In letzter Zeit war ich von einem solchen logischen Zusammenhang zwischen zeitlich aufeinanderfolgenden Produktionsweisen ausgegangen. Eine Reihe von Überlegungen, die vor allem durch Ellen Meiksins Woods Buch The Origin of Capitalism (2002) ausgelöst wurden, hat dazu geführt, dass ich diese Annahme nicht mehr plausibel finde.

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Aufruf gegen die Massenüberwachung: Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei

Logo der Autor_innen-Gruppe: Writers Against Mass SurveillanceEine Gruppe von Autor_innen, unter anderem Juli Zeh, hat sich in dem im folgenden dokumentieren Aufruf gegen die von der NSA und wohl praktisch allen anderen Geheimdiensten dieser Welt angestrebte Totalüberwachung aller digitalen Kommunikation ausgesprochen. Die, wie wir seid Edward Snowdens Enthüllungen wissen, heute schon in erschreckend großen Teilen Realität ist.

Über 500 Schriftsteller_innen haben den Aufruf unterschrieben, darunter Großmeister_innen wie Arundhati Roy, Umberto Eco und Margaret Atwood sowie Nobelpreisträger_innen wie Orhan Pamuk, Elfriede Jelinek und auch der unsägliche Günter Grass, zudem Künstler_innen wie Björk.

Inzwischen kann man den Aufruf auch auf change.org unterschrieben, und ich habe das (natürlich) gemacht. (mehr …)

Auf Reisen? Facebook muss zuhause bleiben!

Facebook muss zuhause bleibenWenn auch eher widerwillig, habe ich in letzter Zeit die proprietären sozialen Netzwerke Facebook und Google+ doch zumindest sporadisch genutzt. Allerdings habe ich feststellen müssen, dass das gar nicht immer geht. Ich bin derzeit nämlich auf Reisen in Südostasien unterwegs, und reisende Benutzer_innen sind zumindest bei Facebook offensichtlich nicht vorgesehen.

Es verweigert mir das Login gern mit der Meldung, ich würde mich von einem neuen Ort und unbekannten Gerät aus einloggen – tatsächlich verwende ich immer denselben Computer, aber Facebook erkennt ihn nicht wieder, weil ich alle Cookies beim Beenden von Firefox lösche. Um zu beweisen, dass ich ich bin, muss ich dann in der Regel Freund_innen auf Fotos identifizieren. (Nur manchmal, wenn es gut gelaunt ist, gibt sich Facebook stattdessen mit der Eingabe meines Geburtsdatums zufrieden.) Das Identifizieren ist schon deshalb nicht so leicht, weil die Fotos (anders als Facebook denkt) keineswegs immer die Person zeigen, die sie veröffentlicht hat. Zudem kenne ich nicht alle meine Facebook-Freund_innen aus „real life“ (anders als Facebook unterstellt/erwartet/hofft) und weiß deshalb nicht immer, wie sie aussehen.

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Free Sources or Why Production No Longer Worries Us (Part 2)

Cover of the book containing the German version of this text[Part 1 / Diesen Artikel gibt es auch auf Deutsch.]

Meshes and Routes

Re/production used to be a burden which kept countless people busy for most of their lives. No longer. It has become a relatively easy and mostly pleasant affair, not least because of our reliance on mesh networks. Decentralized mesh networks allow everyone to participate. They are organized in ways that avoid asymmetric dependencies and ensure that nobody can acquire a specifically privileged position.

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