Schlagwort: wertkritik

Geht dem Kapitalismus die Arbeit aus? (Teil 1)

Verfallene Autofabrik in Detroit, wo die Verwertung ins Stocken geraten ist (Foto von Albert duce, CC-BY-SA, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Abandoned_Packard_Automobile_Factory_Detroit_200.jpg)Eine erste empirische Annäherung

In den an Karl Marx orientierten Theorien gibt es einige, die als wertkritisch bezeichnet werden können, weil sie das Kernproblem des Kapitalismus nicht lediglich in der Aufteilung des Mehrwerts sehen, sondern in der Tatsache, dass der Wert vermittelndes Moment des Produktionsprozesses ist. Daraus ergibt sich, dass eine Wert- und Warenproduktion „unter sozialistischen Vorzeichen“ (wie sie etwa in der DDR angestrebt wurde) als unmöglich erkannt wird. Ein konsequenter Bruch mit dem Kapitalismus würde vielmehr auch die Aufhebung der Wertform – und des Geldes als seiner allgemeinsten Form – erfordern.

Jenseits dieser Gemeinsamkeit gibt es unterschiedliche Einschätzungen dazu, was die „Zukunftsfähigkeit“ des Kapitalismus angeht. Lohoff und Trenkle (2012) sehen ihn in einem unauflösbaren Widerspruch gefangen, indem die Dynamik der Produktivkraftentwicklung ihm mehr und mehr seine essenzielle Grundlage entzieht, nämlich die Verwertung menschlicher Arbeit. Heinrich (2007) dagegen sieht trotz zyklischer Krisenhaftigkeit „Tendenzen zur Ausdehnung […] des Kapitalismus, die noch längst nicht an ihr Ende gekommen sind.“

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Vermieten ist kein Teilen — Thesen zur Shareconomy

Teilen — auf denglisch: sharing — ist voll „in“. So sehr „in“, dass Merkel die Shareconomy ausrief. Nachfolgend Folien eines Vortrags zum Thema vom letzten Jahr. Dazu gibt’s leider keinen Audio-Mitschnitt. Ist vielleicht dennoch interessant. Unten dann noch ein paar Thesen zum Thema (teilweise auch in den Folien enthalten).

Und nun noch ein paar… (mehr …)

Der Versuch, die Geschichte auf unsere Seite zu ziehen

Streifzüge Nr. 60/2014[Dieser Artikel erschien nicht in der Printausgabe. Alle »Keimformen«-Artikel in Streifzüge 60/2014]

Zur Kritik des Keimform-Ansatzes

Von Simon Sutter

Der Keimform-Ansatz wird als eine (dringend nötige) Alternative zu bekannten Transformationstheorien gehandelt. Wer Revolutionsromantik und Reformismus beiseite lassen will, findet in ihm einen Weg, emanzipatorische Transformation anders zu denken. Dieser Text hat nicht die Absicht, die Keimformtheorie als überholt oder falsch darzustellen, sondern will einige Aspekte des Keimform-Ansatzes einer kritischen Reflexion unterziehen.

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Vergebliche Suche nach Keimformen

Streifzüge Nr. 60/2014[Alle »Keimformen«-Artikel in Streifzüge 60/2014]

Kann der Bruch zwischen der kapitalistischen Gesellschaftsformation und der Gesellschaft der allgemeinmenschlichen Emanzipation zugleich als Übergang gedacht werden? Seinen weitestgehenden Versuch in diese Richtung unternahm Robert Kurz in Antiökonomie und Antipolitik (1997). Er spricht von Keimformen einer neuen Vergesellschaftung – innerhalb der heutigen kapitalistischen Gesellschaft noch marginalen, aber prinzipiell verallgemeinerbaren Entkopplungen von der herrschenden Warenproduktion. Kurz gab diesen Versuch wieder auf, ohne die eigenen Vorstellungen und die angewandte Methode ausdrücklich zu kritisieren. Für die heutige Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus ist es sinnvoll, das nachzuholen.
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Keimform und Elementarform

Streifzüge Nr. 60/2014[Alle »Keimformen«-Artikel in Streifzüge 60/2014]

Die Begriffe Keimform und Elementarform werden gerne in eins gesetzt, so etwa von Robert Kurz in dem Buch „Geld ohne Wert“ (Kap. 3, S. 57-67). Er verwirft beide Begriffe grundsätzlich. Das „Problem des methodologischen Individualismus …, hier in seiner historischen Dimension“ sieht er hier gegeben. Der methodologische Individualismus erklärt Gesamtphänomene aus der Bewegung von Einzelentitäten, also etwa die Ökonomie aus dem Handeln der nutzenmaximierenden Individuen (homo oeconomicus). Um zu klären, ob die Kritik berechtigt ist, sei die von Kurz eingeebnete Differenz zwischen Elementarform und Keimform erhellt.

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Keimform und gesellschaftliche Transformation

Streifzüge Nr. 60/2014[Alle »Keimformen«-Artikel in Streifzüge 60/2014]

Der analytische Begriff der „Keimform“ hat eine gewisse Karriere hinter sich, und wie bei so manchen Karrieren ist nach einer Weile nicht mehr so recht klar, was damit eigentlich gemeint ist. Eine Klärung sei versucht.

Das Keimform-Konzept will die Frage beantworten, wie eine neue gesellschaftliche Form in der Entwicklung entstehen und sich schließlich durchsetzen kann. Das traditionelle Transformationskonzept des Marxismus-Leninismus versuchte den Widerspruch zwischen Ökonomie und Politik zu lösen, indem eine Klasse geleitet durch eine Avantgarde die Macht ergreift. Historisch konnten auf diese Weise zwar die Notwendigkeiten der Warenproduktion etabliert werden (etwa in Russland nach der Revolution), eine kommunistische Produktionsweise ließ sich so jedoch nicht durchsetzen. Das Keimform-Konzept hingegen betrachtet die Spaltung in Ökonomie und Politik, von Warenproduktion und gesellschaftlicher Steuerung, selbst als das Problem. Es kann nicht darum gehen, die Ökonomie mittels der Politik zu verändern, sondern darum, eine neue gesellschaftliche Form durchzusetzen, in der lokale Produktion und gesellschaftliche Zwecksetzung nicht mehr auseinanderfallen. Was ist der Unterschied?
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Dank Produktivkraftentwicklung zur neuen Gesellschaft?

Illustration aus der Oya 8 zu meinem Artikel 'Eine Welt ohne Geld?' (zum Vergrößern klicken)Trägt jede Produktionsweise ihren eigenen Untergang in sich? Führten die inneren Widersprüche des Feudalismus dazu, dass der Kapitalismus entstand und ihn schließlich ersetzte? Und sorgen dementsprechend auch Entwicklungen innerhalb des Kapitalismus dafür, dass er sich selbst den Boden entzieht und zugleich den Weg für eine neue, zuvor noch nicht realisierte und realisierbare Produktionsweise bereitet?

In letzter Zeit war ich von einem solchen logischen Zusammenhang zwischen zeitlich aufeinanderfolgenden Produktionsweisen ausgegangen. Eine Reihe von Überlegungen, die vor allem durch Ellen Meiksins Woods Buch The Origin of Capitalism (2002) ausgelöst wurden, hat dazu geführt, dass ich diese Annahme nicht mehr plausibel finde.

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Bitcoins – Währung mit Zukunft?

[Repost von Radio-Z, Lizenz CC-by-nc-sa]

Sind Alternativwährungen wie der Bitcoin die Währung der Zukunft. Können  Zahlungsmittel stabil bleiben, die nur aus dem Glauben derer leben, die sie verwenden? Oder zeigt uns das neue Phänomen von Kunstwährungen wie Bitcoin, Litecoin und Ven nur, wie fragwürdig auch unser „richtiges“ staatlich kontrolliertes Geld ist?

Diesen Fragen gehen im Beitrag Michael Liebler und seine Gesprächspartner, der Wertkritiker Ernst Lohoff und der Bitcoin-Pionier Björn Gießler, nach. Noch zu Anfang des Jahres kannte ihn kaum jemand: den Bitcoin, eine digitale Kunstwährung, mit der man sicher und anonym via Internet bezahlen kann. Doch dann setzte ein regelrechter Boom ein. Der Kurs stieg und stieg.

Bitcoins werden nicht von einer zentralen Stelle ausgegeben und reguliert. Sie werden von einem Computernetzwerk in einem komplizierten Verfahren erschaffen. Die Energiemenge, die dabei verbraucht wird, hatte vor 2 Jahren noch die Größenordnung des Energieverbrauchs einer Stadt. Die Frage nach der ökologischen Vertretbarkeit ist eine der Fragen, denen der folgende Beitrag nachgeht (16:38 Min).

Zwei Arten von Gebrauchswert?

Auch in nicht besonders marxologisch bewanderten Kreisen wird gerne von »Gebrauchswert« und »Tauschwert« gesprochen. Mit »Gebrauchswert« ist in der Regel der sinnlich-nutzbaren Gegenstand gemeint, während der »Tauschwert« meist eine gesellschaftliche Größe bezeichnen soll, die — nomen est omen — erst im Tausch auftritt. Diese Sicht wird oft zusätzlich mit der Annahme verbunden, dass der Gebrauchswert in allen Gesellschaften existiert (also »überhistorisch« ist), während der Tauschwert nur im Kapitalismus vorkommt oder zumindest nur dort dominant (und somit »historisch-spezifisch«) ist. Dem hat Marx himself erheblichen Vorschub geleistet, als er im Kontext des Gebrauchswerts locker von »ewiger Naturnotwendigkeit« sprach.

Damit hat sich Marx in die Grütze geritten, meint Ernst Lohoff und erklärt ziemlich plausibel, was ich immer schon vermutete:

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Parecon versus Peer-Produktion Teil 2: „Einkommensgerechtigkeit“ meets „Wertkritik“

Contraste-Logo[Aus der Mai/Juni-2013-Ausgabe der Contraste; Übersetzung: Brigitte Kratzwald.]

Michael Albert, der Begründer des Konzepts „Participatory Economy“, kurz Parecon, und Christian Siefkes, Vertreter der Peer-Produktion, diskutieren online ihre Ideen. Contraste bringt in vier Folgen eine gekürzte deutsche Übersetzung der Diskussion. Der erste Teil erschien in Contraste Nr. 342.

Michael Albert: Die Peer-Produktion zweifelt an Parecon?

Du bist irritiert, Christian, dass sich in Parecon alles um bezahlte Arbeit dreht, und fragst, warum „alle gezwungen werden, für Geld zu arbeiten, um die Dinge zu kaufen, die sie zum Leben brauchen“. Stimmen wir darüber überein, dass es so etwas wie gerechte und ungerechte Verteilung in dem Sinne gibt, dass eine Person zu viel oder zu wenig des Sozialproduktes im Verhältnis zu ihrer Leistung bekommt, und dass in einer gute Ökonomie Arbeit und Freizeit auf alle gleich verteilt werden sollten?

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