Verteilte commonistische Planung
Aus: Thomas Stölner, Uwe H. Bittlingmayer, Gözde Okcu (2023, Hg.): Anarchistische Gesellschaftsentwürfe. Zwischen partizipatorischer Wirtschaft, herrschaftsfreier Vergesellschaftung und kollektiver Entscheidungsfindung. Münster: Unrast.
Von Stefan Meretz, Simon Sutterlütti
Einleitung
Aus dem 20. Jahrhundert könnte man lernen, dass die »sozialistische Übergangsgesellschaft« mehr als nur einige »Muttermale« (Karl Marx) des Kapitalismus trägt, sondern mit diesem eine gemeinsame Basis teilt: Warenproduktion, Lohnarbeit, Abspaltung der Care-Arbeit, Geld, Externalisierung und Exklusionslogik. Das große Versprechen gesellschaftlicher Planung, Befreiung von Privateigentum und bedürfnisorientierter Produktivkraftentwicklung musste auf der fortbestehenden kapitalistischen Basis von Ware, Wert, Arbeitszwang etc. scheitern. Auch die vielfältigen aktuellen Alternativkonzepte von mehr markt- bis zu eher staatssozialistischen Ansätzen sind weiterhin von vielen dieser Muttermale gekennzeichnet. Deswegen vertreten wir mit dem Commonismus eine mögliche Gesellschaft, die viele Impulse der Commons – als heutiger re/produktiver Praxis »jenseits von Markt und Staat« (Elinor Ostrom) – aufnimmt und gesellschaftlich verallgemeinert. Das sei im Folgenden skizziert (vgl. Sutterlütti/Meretz 2018, 2023), bevor wir in diesem Text den Schwerpunkt auf die Planungsfrage legen.
Im Commonismus produzieren die einen, was die anderen brauchen. Die Vermittlung von Produktion und Bedürfnisbefriedigung geschieht über Commoning, der selbstorganisierten Planung und Koordination der notwendigen Prozesse, um in einem Commons (Betrieb, Kommune etc.) ein Ziel zu erreichen. Die Beziehungsweise des Commoning, die bereits heute erlernt werden kann und deren Handlungsmuster erforscht werden (Helfrich/Bollier 2019), besteht im Commonismus sowohl interpersonal (direkte Absprache) wie transpersonal (vermittelte Vereinbarung) – auf welche Weise, erläutern wir weiter unten. Die Beteiligung an allen dabei notwendigen Prozessen erfolgt freiwillig. Ein Arbeitszwang ist ausgeschlossen, denn jeder Zwang zersetzt Motivation. Wie die Kritische Psychologie gezeigt hat (Holzkamp 1983), werden Tätigkeiten selbst aus drängender Notwendigkeit dann motiviert übernommen, wenn die Verfügung über die Tätigkeitsbedingungen gegeben sind und sich die Beteiligten über die Umsetzung frei verständigen können. Arbeitszwang – durch personalen oder strukturellen Druck (»Wer nicht arbeitet, soll nicht essen«) – ist hingegen ein inhumanes Artefakt markt- oder staatsförmiger Warengesellschaften. Wenn zentrale Macht- und Zwangsmittel wie Eigentum und strukturelle Gewalt aufgehoben und die Verfügung über die erforderlichen Mittel (u.a. Produktionsmittel) in kollektiven Händen liegt, so sind Ziele nur erreichbar, wenn die Umsetzungsbedingungen (z.B. im Betrieb) so einladend und kooperativ gestaltet sind, dass sich genügend Menschen beteiligen wollen. Für dieses Wollen gibt es eine Bedürfnisgrundlage (ebd.): die produktiven Bedürfnisse. Menschen fühlen sich nicht schon zufrieden und sicher, wenn ihre sinnlich-vitalen Bedürfnisse (fremd)erfüllt sind, sondern sie wollen sich selbst an dem gesellschaftlichen Prozess der vorsorgenden Schaffung der Bedingungen beteiligen, die für die Befriedigung der sinnlich-vitalen Bedürfnisse langfristig erforderlich sind. Erst dann entsteht ein Gefühl von Sicherheit, das im Kapitalismus nie erreicht werden kann, weil die allermeisten von der Verfügung über die gesellschaftlichen Bedingungen ausgeschlossen sind. Im Commonismus erzeugt die Handlungsnahelegung der Kooperation eine Logik der reziproken Inklusion – statt einer Exklusionslogik, wie sie die Konkurrenz im Kapitalismus hervorbringt. Unsere These ist: Nur eine auf radikaler Freiheit basierende Gesellschaft ist in der Lage, Kooperation zu maximieren und so Sicherheit und langfristige Stabilität für alle hervorzubringen. Zentrale Herausforderung ist es, eine (anonyme) transpersonale Vermittlung auf den beschriebenen Grundlagen so aufzubauen, dass auch hochgradig tätigkeitsteilige Prozesse kohärent ineinandergreifen. Das soll im Folgenden gezeigt werden.
Vermittlung
Nahezu jede schöpferische Tätigkeit besteht aus zwei Teilen, dem Vorsatz und der Aktivität, anders ausgedrückt: Planung und Umsetzung. Was für individuelle Aktivitäten gilt, gilt erst recht für kollektive. Bis es hier zum ausgereiften Vorsatz, also zum Plan kommt, bedarf es zusätzlich der Abstimmung oder wie wir sagen wollen: der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen, Zielvorstellungen und Umsetzungsideen der Beteiligten. Immerhin, auf interpersonaler Ebene kann diese Vermittlung in direkter Kommunikation erfolgen. Anders auf gesellschaftlicher Ebene, hier geht es um die transpersonale Vermittlung zwischen anonymen Beteiligten.
Wesentliches Moment der Vermittlung ist der Informationsaustausch. Dabei können wir zwischen der Vermittlung innerhalb des Produktionsbereiches, der Planung und Koordination (Allokation), und der Vermittlung zwischen Produktion und Konsum, der Verteilung, unterscheiden. Planung bereitet die Produktion vor und Koordination ist notwendig, um die geplante Produktion umzusetzen1. Im Folgenden wollen wir uns auf die Planung konzentrieren. Sie benötigt neben Informationen zur Produktion und ihren Voraussetzungen auch solche aus der Verteilung (etwa Qualität und Quantität der Nachfrage). Planung ist ein adaptiver dynamischer Prozess der Zusammenfügung und Bereitstellung aller relevanten Informationen, um vor Ort produzieren zu können. Hier entstehen drei Fragen, die unterschiedlich beantwortet werden. Erstens, welche Informationen sind vor Ort nötig und woher kommen sie? Zweitens, wie ist der Prozess der Planung, also der Informationskumulation und -bereitstellung, organisiert? Drittens, wie ist der Prozess der Verteilung organisiert, und wie gelangen Informationen als Feedback in den Prozess der Planung?
Wenn es nachfolgend um die Produktion geht, dann sowohl um die interpersonal organisierte Haushalts- und Kommunalproduktion im Nahfeld2 wie um die transpersonal organisierte und tätigkeitsteilig strukturierte Produktion in der Gesellschaft. Dem liegt der Ansatz zugrunde, dass alle notwendigen Lebensbedingungen (materielle, symbolische und sozial-sorgende), einschließlich der Menschen selbst, an einem spezifischen Ort der Gesellschaft her- und/oder bereitgestellt werden. Produktion, die immer auch Reproduktion ist, ist in diesem Sinne umfassend zu verstehen. Daher sprechen wir auch allgemein von notwendigen Tätigkeiten und nicht spezifisch von Arbeit (vgl. Sutterlütti/Meretz 2018, 2023).
Dem umfassenden Verständnis von notwendigen Tätigkeiten entspricht unser Verständnis von Bedürfnissen. Bedürfnisse sind stets historisch spezifisch, an materielle, symbolisch oder sozial-sorgende Befriedigungsmöglichkeiten gebunden und besitzen zwei Dimensionen: Die sinnlich-vitale Dimension verweist auf existenziell-erhaltende Lebensaspekte, die produktive Dimension auf schöpferisch-vorsorgende Tätigkeiten. Die Aufspaltung in eine unverfügbare Produktion mit tendenziell befriedigungsferner Arbeit und einen (geldlich) verfügbaren Warenkonsum mit befriedigungsnahem Genuss ist eine kapitalistische Besonderheit. Es handelt sich daher um eine naturalisierende Verkürzung, den Tätigkeiten der Produktion auch in einer freien (sozialistischen etc.) Gesellschaft die Last und jenen der Konsumtion den Genuss zuzuordnen (Dapprich 2022).3 Ob eine Tätigkeit als Last oder Genuss empfunden wird (oder eine Mischung davon), ist individuell verschieden. Entscheidender ist, ob die Tätigkeit erzwungen oder motiviert (also freiwillig) ausgeführt wird. Ich kann eine Tätigkeit als Last empfinden und sie dennoch freiwillig vollziehen, weil sie mir in der Verbindung zu anderen Menschen wichtig ist und anerkannt wird oder sie langfristig eine verbesserte Lebenssituation (für mich oder andere) verspricht. Umgekehrt kann mich eine operativ leichte Tätigkeit demotivieren, wenn ich ihren Sinn nicht einsehen kann – weder im interpersonalen Bezug auf bekannte andere noch im transpersonalen Bezug auf eine nachhaltige, lebenswerte Zukunft.4
Informationen
Um die gesellschaftliche Vermittlung, hier fokussiert auf die Planung der Produktion und die Verteilung ihrer Ergebnisse, sicherzustellen, braucht es, allgemein betrachtet, zwei Informationen, eine qualitative und eine quantitative: Welche Art von Gütern (im Folgenden stets einschließlich von Diensten) wird benötigt und wie viel davon? Dabei sind sowohl die Güter zur direkten sinnlich-vitalen Bedürfnisbefriedigung gemeint wie jene, die als Vorprodukte und Produktionsmittel in die Produktion von Gütern eingehen. Es lassen sich zwei Konzepte für die Bereitstellung der benötigten Informationen unterscheiden: mediation in kind (MIK) und mediation by value (MBV).5
Im ersten Konzept werden die Güter selbst als Träger der Information für die Vermittlung genutzt. Hinzukommen muss allein die Menge des Guts, die benötigt wird. Das Gut spricht für sich, es hat eine konstitutive Eigenlogik und verkörpert sowohl die gesellschaftlichen Prozesse seiner Herstellung wie seiner Nutzung. Es ist sowohl klar, welche Nutzungsbedürfnisse es befriedigen kann (Qualitäten), wie auch, was es zu seiner Herstellung braucht, also welche Prozesse wie geplant werden müssen, damit das angestrebte Produkt in der angestrebten Menge entsteht (Quantitäten). Quantitäten bleiben dabei stets auf die Qualitäten verwiesen: Es geht um eine bestimmte Materialmenge, Energiemenge, Tätigkeitszeit etc. für ein bestimmtes Produkt. Die Verteilung ergibt sich aus der Praxis der Entnahme: entweder direkt als Konsum der Endprodukte oder indirekt als Verwendung von Vorprodukten und Produktionsmitteln innerhalb einer längeren Produktionskette. Die zu produzierenden Güter selbst bleiben Träger sowohl der qualitativen (Nutzung) wie der quantitativen (Menge) Information. Sowohl Planung wie Verteilung geschehen in situ und ex ante, das heißt, sie bewegen sich im gleichen Informationsraum und geschehen vor der Produktion. Es handelt sich um eine mediation in kind (MIK)6, also eine qualitative und quantitative Vermittlung mit der und durch die Sache selbst.
Im zweiten Konzept ist das anders, denn mit dem Kapitalismus übernimmt hier das Geld die Informationsfunktion. Als gesellschaftlich allgemeine unit of account (UOA) macht es alle Aufwände zur Herstellung von Waren vergleichbar und berechenbar. Produktion und Verteilung informieren sich über ein gemeinsames Maß, den Preis. Dabei werden die qualitative und die quantitative Information als Nützlichkeit und Vermittelbarkeit (Kapitalismus: Gebrauchswert und Wert) getrennt, tatsächlich jedoch verdoppelt. Die Nützlichkeit, die auf die sinnlich-vitalen Bedürfnisse verweist, ergibt sich durch die konkrete Gestalt des Produkts, das wiederum selbst qualitative und quantitative Dimensionen besitzt. Die Nützlichkeit spielt sowohl beim unmittelbaren Herstellakt wie beim Konsum die zentrale Rolle. Die Verteilung wird jedoch ex situ und ex post über einen eigenständigen, der Produktion nachgelagerten durch die UOA strukturierten Kreislauf als mediation by value (MBV) realisiert.7 Es entstehen so zwei Zyklen. In der Produktion wie in der Konsumtion geht es um die Sache selbst, um ihre qualitativen und quantitativen Eigenschaften, die am Ende – direkt oder bei Zwischenprodukten indirekt – auf die sinnlich-vitalen Bedürfnisse verweisen, die das Gut befriedigen kann: Gebrauchswert- oder Bedürfnislogik.8 Der Zyklus der Verteilung dreht sich um den Wert bzw. informationell betrachtet den Preis, der den gesellschaftlichen Aufwand repräsentiert, um das Gut herzustellen: Tausch- oder Wertlogik. Karl Marx führte diese Verdopplung auf den dualen Charakter der Ware zurück, einerseits Gebrauchswert (Nützlichkeit), andererseits Wert (Vermittelbarkeit) darzustellen – eine Erkenntnis, die für Marx »der Springpunkt ist, um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht« (Marx 1972 [1890], S. 56). Die Ware ist demzufolge eine besondere soziale und informationale Form, Güter zu planen, zu produzieren und zu verteilen. Der Vermittlung und damit der Wertlogik kommt hierbei der Primat zu.
Die Zyklenverdopplung schließt gleichzeitig ihre Kopplung ein. Ohne Verfügung über die gesellschaftliche Inkarnation der allgemeinen UOA, Geld, ist keine Teilhabe an Produktion und Verteilung – damit Erhaltung der eigenen Existenz – möglich.9 In MBV-Gesellschaften zeigt sich dies in der Produktion als konkurrenzgetriebener Wachstumszwang und in der Verteilung als Arbeitszwang.
Eine weitere Folge der Zyklenverdopplung ist eine polare Aufspaltung der gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten. Alle Ergebnisse von Tätigkeiten, die sich mittels der UOA darstellen, bewerten und vermitteln lassen, können in den MBV-Zyklus eingehen – ob dies der Fall ist, hängt von spezifischen Bedingungen ab (im Kapitalismus etwa, ob sich damit Profit erzielen lässt). Solche, die sich (noch) nicht mittels der UOA darstellen lassen oder etwa nicht (mehr) profitabel sind – etwa wesentliche Teile der Versorgung von Kindern, Alten und eingeschränkten Menschen –, werden in den interpersonalen Bereich der Haushaltsproduktion abgeschoben oder staatlich organisiert. Aufgrund der Intersektion mit dem historisch vorgängigen Patriarchat ist die gesellschaftliche Sphärenspaltung geschlechtlich strukturiert.
Planung10
MIK- und MBV-Systeme unterscheiden sich bei der Planung erheblich. Dabei ist zu beachten, dass es bislang keine hocharbeitsteiligen MIK-Gesellschaften gab. Die historischen Beispiele basierten auf einer niedrigen Produktivkraftentwicklung mit geringer Fertigungstiefe. MBV gibt bzw. gab es in der kapitalistischen bzw. sozialistischen Warenproduktion. Hinzu kommen neuere Vorschläge, die Aspekte von MIK- und MBV-Systemen kombinieren (vgl. Dapprich 2022).
Bei MIK-Systemen besteht die Herausforderung darin, die Mehrdimensionalität der Informationen als automatisch prozessierbare Daten in der Vermittlung qualitativ unreduziert11 zu transportieren und zu nutzen. Aufgrund der geringen Bandbreite der technischen Kommunikationssysteme (Briefe, Telegrafen, Telefon, Telefax etc.) war dies lange nicht möglich. Die erforderliche Reduktion auf wenige Kennzahlen führte unweigerlich zu Verzerrungen in der ökonomischen Koordination (für den Realsozialismus etwa bekannt als ›Tonnenideologie‹). Der unreduzierte Datentransport ist heute auf Basis moderner Informations- und Kommunikationstechnik möglich, womit MIK-Systeme sowohl mit zentraler wie mit dezentral-verteilter Planung konzeptuell denkbar werden12. Die Planung ist damit in der Lage, ex ante drei Felder von Produktionsbedingungen zu integrieren: die konkreten Produktionsvoraussetzungen (Materialien, Energie, Vorprodukte, Wissen, Tätigkeiten etc.), die Folgen der Produktionsumsetzung und ihrer Behandlung (Filterung, Aufbereitung, Recycling etc.) und die Bedingungen und Folgen der Produktion von Materialien, Energie, Vorprodukten etc., die andere bereitstellen. Voraussetzung ist dafür die generelle Informationstransparenz und der Zugriff auf automatisiert verdichtete Informationen über alle Aspekte der Produktionskette. Planung wird damit zu einer Erkundung von Realisierungsoptionen der Befriedigung von gesellschaftlichen Bedürfnissen, einschließlich der damit verbundenen Konsequenzen. Somit wird überhaupt erst das Verhältnis von sinnlich-vitaler wie produktiver Bedürfnisbefriedigung und ihren Konsequenzen bewusst gestaltbar. Die Menschen setzen sich damit (wieder) in die Lage, ihr Menschsein in der mehr als menschlichen Welt (Abram 1996) zu finden.
MBV-Systeme waren, allgemein betrachtet, die historische Antwort auf das gesellschaftliche Informationsparadoxon. Das Informationsparadoxon bestand darin, dass einerseits mit zunehmender Vergesellschaftung immer mehr Informationen bereitstanden, um eine bewusste gesamtgesellschaftliche Gestaltung der Mensch-Welt-Verhältnisse vorzunehmen; andererseits gab es kein Instrument, diese Informationsfülle in eine gesellschaftliche und davon abgeleitet lokale Handlungsfähigkeit (u.a. Planungsfähigkeit) zu übersetzen. Friedrich von Hayek (1945) formulierte das Problem:
»Der eigentümliche Charakter des Problems einer rationalen Wirtschaftsordnung wird gerade dadurch bestimmt, dass das Wissen über die Verhältnisse, von denen wir Gebrauch machen müssen, niemals in konzentrierter oder integrierter Form vorliegt, sondern nur als verstreute Bruchstücke unvollständigen und oft widersprüchlichen Wissens, das alle einzelnen Individuen besitzen« (eig. Übers.).
Die naheliegende Antwort war die radikale Reduktion der Informationsfülle auf eine eindimensionale Größe: den Preis. Nur ein sich über den Markt selbst organisierendes Preissystem könne das benötigte Wissen für Entscheidungen bereitstellen. Aufgrund des radikal reduzierten Informationsgehalts und des ex post Charakters der Verteilung enthält jede Planung einer Warenproduktion durch einzelne Individuen allerdings immer zu einem gewissem Grad eine Spekulation darüber, ob die Waren am Ende verkauft werden können.
Da grundsätzlich alle Marktteilnehmer für sich planen, gibt es keine Integration über die ganze Produktionskette. Die Endproduzenten haben keinen Einblick in die Produktionsbedingungen der Lieferanten von Rohmaterialien und Vorprodukten. Nur wenn der Staat die Betriebe bei Strafandrohung zwingt, werden sie selbst oder die Vertragspartner upstream elementare Menschenrechte und Umweltschutzanforderungen einhalten.13 Der strukturelle ex post Charakter von MBV-Systemen zeigt sich somit nicht nur aus der Sicht einzelner Betriebe, sondern auch aus Perspektive des Staates gegenüber der Ökonomie insgesamt.
Planung im Commonismus
Der Commonismus verallgemeinert das Konzept der Commons für die gesellschaftliche Ebene. Die eingebettete Planung spielt dabei eine zentrale Rolle. Zunächst soll jedoch die gesellschaftliche Vermittlungsstruktur dargestellt werden.
Der Commonismus ist eine konzeptuelle Konkretisierung eines polyzentralen MIK-Systems mit verteilter Planung. Die gesellschaftliche Vermittlung, also Planung, Koordination und Verteilung, erfolgt in situ. Zum leichteren Zugang sei eine Keimform, die sich im gegenwärtigen Kapitalismus ausgebildet hat, beschrieben: das Fediverse14. Die dargestellten Strukturen und Beispiele dienen nur der Illustration, wie ein inklusionslogisches System grundsätzlich funktionieren könnte. Die konkrete Ausgestaltung ist schließlich eine empirische Frage und kann weder ›ausgepinselt‹, noch gar ›vorgeschrieben‹ werden. Nach unser Erfahrung braucht es jedoch begriffliche Bausteine, mit denen wir im theoretischen Feld Optionen explorieren und uns aus der mentalen Fixierung auf die bestehenden bürgerlichen Formen lösen können.
Keimform Fediverse
Das Fediverse (Kofferwort aus engl. federation und universe) ist ein Netzwerk föderierter, aber voneinander unabhängiger dezentraler Internetdienste für Online-Publikation und Daten-Hosting. Die Föderation wird über gemeinsam verwendete standardisierte Protokolle realisiert, um Inhalte auszutauschen. In der Sprache der Commons handelt es sich um ein polyzentrales Netzwerk, wobei die Polyzentren verschiedene Dienste repräsentieren (zum Beispiel Micro- und Macroblogging, Audio- und Videostreaming, Imagesharing etc.), die ihrerseits Subnetze darstellen. Die Knoten (Server) innerhalb eines Subnetzes agieren semiautonom (Carlisle/Gruby 2019)15. Einerseits sind sie von der gemeinsamen Sprache als Form übergreifender Kommunikationsregeln (realisiert durch die Protokolle) abhängig, andererseits entscheiden sie selbstständig über die sozialen Regeln des Miteinanders innerhalb ihres Subnetzwerkes. Damit werden zwei Ebenen des Commoning adressiert: die kontinuierlich weiterentwickelte technische Ebene der Kommunikationsprotokolle, die die transpersonalen Vereinbarungen über die Basisregeln des Informationsaustausches innerhalb des Fediverse vergegenständlicht, und die soziale Ebene des interpersonalen (oder interpersonalisierbaren) Miteinanders innerhalb eines Subnetzes, die von den (ggf. kollektiven) Instanzbetreiber*innen betrieben werden. Individuell können sich Personen eine Identität schaffen und einfach nur teilnehmen oder selbst eine neue Instanz eröffnen und damit ein neues Subnetz erzeugen. Die dafür erforderliche Software steht unter freien Lizenzen zur Verfügung. Da Nutzer*innen ein Subnetz jederzeit verlassen und ihre Identität und Daten mitnehmen können, liegt es für die Instanzbetreiber*innen nahe, ihre Instanz einladend und inklusiv zu gestalten. Einen ähnlichen Regulationsmechanismus finden wir auf der übergeordneten Instanzenebene. Einzelne Instanzen können entscheiden, die Verbindung zu anderen Instanzen zu defederieren, also zu beenden, um unerwünschte Informationen (z.B. ›hate speech‹) außen vor zu halten. Da die Lebendigkeit der Instanzen nicht nur von der eigenen Mitgliedschaft, sondern auch von den Verbindungen zu anderen Instanzen abhängt, liegt es nahe, auch ›nach außen‹ freundlich und kooperativ zu agieren. Sowohl auf interpersonaler als auch transpersonaler Ebene bildet sich eine Tendenz zu einer Logik der Inklusion aus. Wer es versteht, Menschen unterschiedlicher Bedürfnisse einzubeziehen und kooperative Verbindungen zu anderen Subnetzen aufzubauen, kann sich langfristig entfalten und entwickeln. Als generelle Regel kann formuliert werden: Wer besser kooperiert, setzt sich durch.16
Das Fediverse operiert im digitalen Raum (obgleich es auch eine materielle Basis besitzt), und es ist nicht perfekt. Es muss sich in einer feindlichen kapitalistischen Umgebung bewähren, was eine Menge an Widersprüchen erzeugt, doch das ist bei Keimformen notwendigerweise immer der Fall. Wenn wir von diesen Widersprüchen abstrahieren, können wir die wesentlichen Elemente des Commonismus im Fediverse erkennen und für die materielle, symbolische und sozial-sorgende Herstellung aller Lebensbedingungen verallgemeinern. Diese seien im Folgenden beschrieben, womit wir auch wieder zum Fokusthema der Planung zurückkehren können.
Vergesellschaftung
Das gesellschaftliche Produktionssystem ist als globales Netzwerk darstellbar. Die Knoten bilden die Commons, die je nach gesellschaftlichem Ort Betriebe, Institutionen, Kommunen oder Haushalte sein können. Die Kanten sind die materiellen wie informationellen Verbindungen zwischen den Knoten. Aus der Perspektive eines transpersonal hergestellten Produkts stellt sich die gestaffelte Produktionskette von den Ausgangsressourcen bis zum Endprodukt als Föderation, d.h. als ein Ausschnitt aus dem globalen Netz, dar. Da ein Betrieb meistens in viele unterschiedliche Produktionsketten eingebunden ist, ergibt sich eine Überlagerung von Föderationen (im Unterschied zum Fediverse, das nur eine Föderation kennt17).
Analog zum Fediverse basieren die informationellen Verbindungen auf standardisierten Protokollen. Sie entstehen, wenn zwei Knoten eine Vereinbarung über eine Kooperation (z.B. Lieferverbindung) eingehen. Vereinbarungen sind Bestandteil des Protokolls, es sind Schritte, die von beiden Seiten bestätigt werden müssen. Vereinbarungen bekommen ihre Stabilität durch grundsätzliche Informationstransparenz sowie Zustimmung und Vertrauen in deren Tragfähigkeit. Bestandteil des Protokolls ist die Möglichkeit von Knoten, jederzeit Informationen über die vergangenen und gegenwärtigen Kooperationsergebnisse (z.B. Lieferungen) der föderierten Partnerknoten zu erhalten. Das schafft Vertrauen. Hier wirkt die Inklusionslogik des transpersonalen Commoning: Betriebe streben nach Zuverlässigkeit gegenüber ihren Kooperationspartner*innen, da sie sich selbst auch auf die Partnerbetriebe verlassen wollen, von denen sie abhängig sind. Umgekehrt erreichen unzuverlässige Betriebe weniger leicht ihre Ziele, da Partnerbetriebe die Unzuverlässigkeit nicht akzeptieren und sich anderen Betrieben zuwenden könnten. Betriebe sind in ihren Entscheidungen zwar grundsätzlich eigenständig, doch ihre eigene Handlungsfähigkeit hängt von der Kooperativität und Zuverlässigkeit gegenüber Dritten ab: Sie sind semiautonom (Carlisle/Gruby 2019). Entscheidungen der Betriebe nach außen sind Ergebnisse des Commoning innerhalb der Betriebe. Voraussetzung ist die kollektive Verfügung über die Betriebe.18
Doch nicht nur die Zuverlässigkeit geht in eine infrage stehende Kooperationsaufnahme ein, auch weitere unter kapitalistischen Verwertungsbedingungen häufig externalisierte Faktoren stehen auf dem Prüfstand: Arbeitsbedingungen, Umweltbelastungen, Energieverbrauch etc. Solche übereinstimmend als wichtig erachteten Aspekte können auf Protokollebene implementiert werden. Sie gehen damit in Standardroutinen der öffentlichen Transparenz und der Gestaltung von Vereinbarungen einschließlich daraus folgenden Kooperationsbeziehungen ein.
Protokollen kommt damit eine hohe Bedeutung zu. Sie sind gesellschaftlich gefundene Konsense über die Art und Weise der Kooperation und können potenziell alle Arten von Informationen und Vereinbarungen abbilden: Tätigkeitszeit, Emissionen, Energieverbrauch, Materialeffizienz (MIPS) etc. Betriebe können so erkennen, was in Produktionsmitteln und Vorprodukten steckt und danach ihre Kooperationspartner*innen wählen. Es sind Nahelegungen für das konkrete Handeln vor Ort. Legen Geld- und Marktlogik ein Gewinnstreben durch Unterbietung der Konkurrenz auf Kosten von Menschen und Umwelt nahe, so legen Semiautonomie, Informationstransparenz und Protokollvereinbarungen nahe, die Kooperation reziprok-inklusiv zu gestalten. Während Ersteres eine Exklusionslogik erzeugt, so erzeugt Letzteres eine Inklusionslogik. Beide Nahelegungen determinieren das Handeln nicht, dennoch ist die jeweilige Zielerreichung und damit am Ende die Existenzsicherung eng mit der Orientierung an diesen Nahelegungen verbunden: So wie es im Kapitalismus funktional ist, sich auf Kosten von Menschen und der mehr als menschlichen Welt durchsetzen, so ist es im Commonismus funktional, diese in die Kooperation einzuschließen.
Die Inklusion erstreckt sich auch auf die Haushalts- und Kommunalproduktion. Der Begriff Produktion im Kontext von Haushalt und Kommune klingt technokratisch, doch es soll damit verdeutlicht werden, dass die Schöpfungen des Menschseins in interpersonalen Nahbeziehungen, die gleichzeitig emotional wie materiell sind, wesentliche Grundlage für die menschliche Existenz überhaupt ist. Sie ist die Grundlage von allem. Die interpersonale Sorge im Nahbereich ist für den Kapitalismus nicht in Wert setzbar, sie muss aber dennoch getan werden und wird immer noch vorrangig an Frauen delegiert. Im Commonismus ist die interpersonale Sorge essenzieller und anerkannter Bestandteil der gesamten gesellschaftlichen Vorsorge. Dieser besondere Ort ist nicht wie im Kapitalismus von der Ökonomie getrennt, weil die Tätigkeiten darin wertlos sind, sondern er ist allererste Produktion, die Schöpfung des Menschen19. Der Unterschied zur transpersonalen vorsorgenden Herstellung der Lebensbedingungen sollte gleichzeitig nicht nivelliert werden, ist der Ort des vertraut-nahen Haushalts und der Kommune doch vollständig vom Funktionieren des anonym-fernen Haushalts der Gesamtgesellschaft abhängig. In der Antike wurde die Haushaltsproduktion als Oikonomia bezeichnet, im Kapitalismus hat sich jedoch die Ökonomie von dem Ort der menschlichen Lebensschöpfung abgespalten und zum »automatischen Subjekt« (Marx 1972 [1890], S. 169) verselbstständigt – als »Megamaschine« (Scheidler 2015), die jeden Winkel der Erde auf der Jagd nach Geldvermehrung durchpflügt.
Die mehr als menschliche Welt und die Menschen finden sich im Commonismus in einer wiederhergestellten Bezogenheit aufeinander wieder. Die Menschen sind eine besondere Naturform, aber sie sind Natur. Im Kapitalismus wurde dieser Zusammenhang in Form der Subjekt-Objekt-Trennung zerrissen und als eigentumsgestützte Sachherrschaft rechtsförmig besiegelt (von Redecker 2020). Es spiegelt die Abstraktion wider, die die Verwertungsmaschine an den Menschen und ihrer Mitwelt vollzieht. Es zählt nur das Zählbare, und alles wird zum äußeren, zu beherrschenden Objekt, auch die Subjekte, die mit Gewalt unterworfen werden oder sich selbst zurichten und dem äußeren Sachzwang unterwerfen.
Wird die selbstbezogene ökonomische Sachlogik, die im Kapitalismus als automatisches Subjekt über die Menschen herrscht, überwunden, so kann sich die beziehungsorientierte Soziallogik des Commonismus entfalten. In ihr sind die Bedürfnisse primärer Antrieb des Genusses und des Tätigseins. Wie dargestellt, hat jedes Bedürfnis zwei Aspekte, den der sinnlich-vitalen unmittelbaren Existenzerhaltung und den der vorsorgenden produktiven Schaffung der Bedingungen für die Befriedigung der Existenzbedürfnisse. Im Kapitalismus sind sinnlich-vitale und produktive Bedürfnisse in separate Sphären getrennt und überformt: Die sinnlich-vitale Bedürfnisbefriedigung hat die Form des Warenkonsums und der unbezahlten Sorgearbeit und geschieht im Privatbereich; die produktive Bedürfnisbefriedigung hat die Form der meist freudlosen Lohnarbeit (oder der Verwertung derselben) und findet nur in der Ökonomie statt. Diese Trennung und Überformung ist im Commonismus aufgehoben. Die sinnlich-vitalen Aspekte der produzierend-vorsorgenden Tätigkeiten sind ebenso bedeutsam wie die produktiv-schöpferischen Aspekte der sorgenden Tätigkeiten im interpersonalen Umfeld und umgekehrt. Vorsorge wird zur Sorge und vice versa. Beides macht die Lebensqualität aus, kein Bereich muss den anderen kompensieren, da die kollektive Verfügung und damit Gestaltbarkeit in allen Bereichen die Grundlage ist. Dies schließt die schwächsten Teile der Gesellschaft ein, die noch nicht oder nicht mehr beitragend tätig sein können. Da Vorsorge und Sorge tauschlogikfrei und damit bedingungslos sind, sind alle Menschen einbezogen. Während Entscheidungsfreiheit im Kapitalismus nur das Privileg autonomer, das heißt entbundener privilegierter Subjekte ist, hat Freiwilligkeit im Commonismus den Charakter von semiautonomer Verbundenheit. Freie Entscheidungen sind keine des getrennten Einzelnen, sondern reziprok-inklusiv bezogen auf andere Menschen, Situationen und Umwelten. Freiwilligkeit ist untrennbar mit Verantwortung verbunden. Sie ist nicht der Gegensatz der Notwendigkeit, sondern ein Bestandteil derselben.
Planung und Koordination
Die Planung der gesellschaftlichen Produktion ist keine von der Umsetzung getrennte Angelegenheit, etwa einer separierten Planbehörde, sondern Bestandteil der Produktion. Als eingebettete Planung orientiert sie sich an der Größe der zu realisierenden Aufgabe. Kleinere Ziele können von den Beteiligten selbst geplant werden, bei größeren Vorhaben, etwa bei Commonsverbünden, können Meta-Commons die betriebsübergreifende Planung und Koordination übernehmen. Das kann man vergleichen mit der Planung und Steuerung in kapitalistischen Unternehmen oder Konsortien durch Planungsbüros. Der Unterschied ist jedoch, dass dort die Grenze des Unternehmens oder des Konsortiums die Planungsreichweite markiert, alle Entscheidungen getrennt von Arbeitenden und allgemeiner Öffentlichkeit geschehen und an dritten Gründen (Profit) orientiert sind. So verwundert es auch nicht, wenn im Kapitalismus neben den Partialinteressen des Unternehmens eine parallele Sphäre der staatlichen Politik die allgemeinen Interessen der Gesellschaft vertreten muss. Im Commonismus ist hingegen die Spaltung von Ökonomie und Politik/Staat aufgehoben, die Planung und Koordination der gesellschaftlichen Angelegenheiten geschieht in den gleichen Strukturen. Daher sprechen wir von eingebetteter, verteilter Planung. Hier findet der Begriff der politischen Ökonomie erst seinen vollständigen Sinn, denn Ökonomie und Politik sind im Hegel’schen Sinne »versöhnt«.
Die konkrete Ausgestaltung der Governance-Struktur ist alleine abhängig von der konkret zu bewältigenden Aufgabe und den beteiligten Menschen. So unterscheiden sich vermutlich die Governance-Strukturen von so unterschiedlichen Bereichen wie Forschung, Produktion, Care, Bildung, Medien, Gesundheit, Energie etc. deutlich. Die Inhalte und Ziele werden von den beteiligten Menschen semiautonom, d.h. in Kooperation mit anderen Bereichen, von denen sie abhängig sind, gesetzt. Die Ausdifferenzierung erfolgt nicht entlang unterschiedlicher Logiken (Profit vs. Gemeinwohl), sondern in der gleichen (Inklusions-)Logik entlang unterschiedlicher Inhalte. Planung und Koordination sind besondere Aufgaben innerhalb der gesellschaftlichen Tätigkeitsteilung, genauso wie auch Brückenbau und Krankenpflege.
Auch die im Kapitalismus geschlechtlich strukturierte Sphärenspaltung zwischen transpersonal-gesellschaftlicher und interpersonaler Nahproduktion ist aufgehoben. Gleichwohl befinden sich die Haushalte und Kommunen am Ende der gesellschaftlichen Produktionsketten, d.h. alles, was nicht gesellschaftlich-vorsorgend hergestellt, aber benötigt wird, muss im Haushalt oder kommunal vor Ort geleistet werden. Tatsächlich können zwar viele benötigte Güter und Leistungen gesellschaftlich bereitgestellt werden, doch keineswegs alle. Welche Tätigkeiten vergesellschaftet und damit transpersonalisiert werden, ist eine empirische Frage, die nicht vorab beantwortet werden kann. In jedem Fall besteht prinzipiell die Möglichkeit, bewusst diese Entscheidung zu treffen, da es zwischen den unterschiedlichen Produktionsorten keine strukturellen Barrieren gibt.
In vielen Diskussionen wird die Frage der Durchsetzungsfähigkeit der planenden Instanzen zu Recht als wesentlich angesehen. Auch wir haben immer wieder darauf bestanden, dass die fertige Planung nicht per Kommando durchgedrückt werden kann, sondern als sinnvoller Vorschlag von den Produzierenden übernommen wird (Sutterlütti/Meretz 2018, S. 173; 2023, S. 158). Hier schwang auch bei uns immer noch eine Vorstellung der Getrenntheit von Planung und Umsetzung, von Politik und Ökonomie mit. Planung und Umsetzung sind zwar qualitativ unterschiedliche Tätigkeiten, sie laufen dennoch nicht ex situ in eigenen Sphären getrennt nebeneinander, sondern sind in situ eng aufeinander bezogen. Die Größe der Planung und damit die Distanz der Planung zur Umsetzung hängt alleine von der Dimension der zu bewältigenden Aufgabe ab. Dabei ist es keineswegs so, dass große Aufgaben – nehmen wir die Umstellung der globalen Produktionsketten aufgrund der Klimakrise – auch große Planungsstrukturen benötigen, die dann top-down die Anforderungen vom Zentralplan ausgehend nach unten als immer konkretere Teilpläne herunterbrechen. Sondern auch große Aufgaben können von vergleichsweise kleinen Commons bearbeitet werden, die dann Parameter erarbeiten, die regional oder lokal als Rahmenbedingungen in die Produktion einfließen (etwa ein Emissionsbudget nicht zu überschreiten). Andere große Aufgaben wie etwa der Neubau einer Fabrik für die Produktion von mikroelektronischen Bauteilen benötigen auch große Pläne, die konkret festlegen, was die einzelnen Partnerbetriebe im Verbund zu leisten haben. Voraussetzung ist, dass alle Verbundpartner*innen öffentlich bekundet haben, ihren Beitrag in das gemeinsame Projekt einzubringen (s.o.). Mit diesen beiden Beispielen können wir Zielplanungen und operative Planungen unterscheiden. Operative Planungen sind erst möglich, wenn alle (Teil-)Ziele feststehen. Für den Bau einer Chip-Fabrik braucht es nicht nur die Entscheidung für das Erreichen des primären Ziels, sondern ebenso, dass gleichzeitig weitere Ziele – wie die Einhaltung von Emissionsbudgets – internalisiert werden.20
Doch wie kommt es zu Entscheidungen wie dem Bau einer ressourcenintensiven Chip-Fabrik oder der Festlegung eines für alle verbindlich einzuhaltenden Emissionsbudgets? Sind dafür von der Produktion getrennte, politische Entscheidungsstrukturen notwendig?
Rahmenziele, Entscheidungen und Konflikte
Rahmenziele sind gesellschaftlich allgemein gültige Ziele.21 Sie sind Bestandteil der Protokolle, die die Verbindungen zwischen kooperierenden Einheiten (Commons) strukturieren. Neue Rahmenziele entstehen, wenn Menschen aus Gründen – Expertise, Betroffenheit, Reichweite etc. – bestimmte übergreifende Themen erforschen und in ihrer Relevanz für lokale, regionale, kontinentale oder globale Lebensbedingungen zur Geltung bringen. Ein aktuelles Beispiel ist der Weltklimarat (IPCC). Dieser könnte nicht nur Situationen und Szenarien beschreiben (wie heute), sondern auch Handlungsempfehlungen geben, die von weiteren Klima-Commons auf die entsprechenden geografischen und thematischen Bedingungen konkretisiert werden. Ein solches hierarchisches System von Commons könnte entsprechend angepasste Vorschläge erarbeiten, die als Rahmenziele implementiert durch Protokolle in die operativen Zielplanungen eingehen.
Vor Ort sind Entscheidungen unproblematisch, wenn alle Bedingungen für die zu entscheidenden Schritte zur Erreichung eines Ziels gegeben sind. Entscheidungen sind konfliktiv, wenn dem nicht so ist, wobei die Quellen des Konflikts vielfältig sein können, etwa Ressourcenbegrenzung, Beteiligungsmangel, widersprechende Rahmenziele und Zielkonflikte aufgrund von unterschiedlichen Bedürfnispriorisierungen. In diesem Fall kann die operative Planung nicht durchgeführt, sondern muss zugunsten einer Konfliktbearbeitung unterbrochen werden. Eine solche Konfliktschleife kann als kollektive »Lernschleife« (Holzkamp 1993, S. 183) verstanden werden, in der die beteiligten Personen alle Aspekte des Konflikts erkunden, bewerten, priorisieren und versuchen, einen Lösungsvorschlag zu entwickeln. Der Lösungsvorschlag wird dann an die beteiligten Betriebe gespiegelt und über die jeweiligen lokalen Entscheidungsverfahren (konsensuell, konsentuell22, mehrheitsdemokratisch, rätedemokratisch etc.) angenommen oder abgelehnt. Bei Annahme wird die Beteiligungszusage auf Protokollebene eingecheckt, sodass in der ganzen Produktionskette (und damit auch öffentlich) bekannt wird, wer sich unter den neuen Bedingungen beteiligen wird. Bei Ablehnung kann eine neue Konfliktschleife eingelegt werden oder Betriebe entscheiden sich, aus der Produktionskette auszuscheiden und sich eine neue zu suchen. Die Möglichkeit, aus einer Kooperation austreten zu können, ist die wesentliche regulative Eigenschaft einer freien Kooperation (im Unterschied zu erzwungenen Kooperationen, vgl. Spehr 2003). Diese Bestimmung gilt nicht nur für interpersonale, sondern auch für interinstitutionelle Kooperationen.
Treten wir einen Schritt zurück, dann wird deutlich, dass hier drei Konfliktdimensionen eine regulative Dynamik entfalten. Wir nehmen die Perspektive einer lokalen produzierenden Einheit ein. Erstens will die Produktionseinheit einerseits loslegen, um die eigenen Ziele zu erreichen, andererseits kann oder will diese u.U. nicht alle Bedingungen akzeptieren, die andere setzen. Zweitens gibt es die entsprechenden Konstellationen auch bei jenen lokalen Produktionseinheiten, die in irgendeiner Form Zulieferer von Vorprodukten oder Abnehmer der eigenen Produkte sind, an die die betrachtete Einheit Anforderungen hat oder von denen sie Anforderungen empfängt. Drittens: Angesichts gegebener Produktionsbedingungen (Verfahren, Maschinen etc.) widersprechen einzuhaltende gesellschaftlich-allgemeine Zielgrößen u.U. den eigenen Zielen, sodass ein Vernachlässigen der allgemeinen Ziele die partiellen Ziele leichter erreichbar zu machen scheint. Das Widerspruchsdreieck ist kein Spezifikum des Commonismus. Um die dortige Dynamik besser zu verstehen, schauen wir uns zum Kontrast zunächst die Bewältigung im Kapitalismus an.
Auch im Kapitalismus kann ein Betrieb, erstens, nur produzieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Zweitens müssen Vorprodukte, Energie, Arbeitskraft etc. so eingekauft werden, dass sie nicht zu teuer sind und die Gewinnmarge unter das Selbsterhaltungsniveau sinkt. Umgekehrt müssen sich die Preise der eigenen Produkte am allgemeinen Marktniveau orientieren. Drittens bieten Externalisierungen naheliegende Kostensenkungsoptionen, seien es Umweltzerstörungen oder Arbeitskraftzersetzungen durch schlechte Arbeitsbedingungen. Damit wird deutlich, dass die Exklusionslogik sowohl antreibende (die Konkurrenz exkludierende) wie destruktive (Kosten externalisierende) Wirkungen hat.
Im Commonismus müssen ebenfalls, erstens, die Rahmenbedingungen stimmen, bevor die Produktion starten kann. Vorprodukte, Energie, qualifizierte Personen etc. müssen gesichert verfügbar sein. Dabei achten, zweitens, sowohl die Zuliefernden und die lokalen Produzierenden darauf, dass ihre Anforderungen erfüllt sind, etwa inwieweit ihre Produkte in eine Weiterverarbeitung eingehen, die aus Sicht der Vorproduzent*innen erwünschte Kriterien oder Ziele (die am Ende die Bedürfnisse repräsentieren) realisieren, oder aus Sicht der vor Ort Tätigen solche Arbeitsbedingungen gegeben sind, die dem eigenen Wunsch nach produktiver Bedürfnisentfaltung entsprechen. Drittens erzeugen gesellschaftlich gefundene Kriterien einen Druck, die Produktion so zu gestalten, dass die gesetzten Zielgrößen auch eingehalten werden. Zwar gibt es die Möglichkeit, die Zieleinhaltung zu vernachlässigen, doch dies ist sowohl von Partnerbetrieben wie von der allgemeinen Öffentlichkeit sichtbar und kritisierbar, was insbesondere in der Produktionskette einen Handlungsdruck zur Behebung der Mängel erzeugt. Hilft das nichts, werden am Ende destruktive Betriebe auskooperiert, d.h. durch zielangemessener handelnde Partnerbetriebe ersetzt. Das ist der einzige, aber wirkungsvolle indirekte Sanktionsmechanismus, den es gibt, da erfolgreiche Kooperation umgekehrt die einzige Möglichkeit ist, die je eigenen Bedürfnisse und Ziele zu realisieren. Die Inklusionslogik wirkt also in zwei Richtungen, sie erzeugt eine inkludierende Reziprozität: Beide Seiten sind bestrebt, die Kriterien und Ziele, also Bedürfnisse, der jeweiligen Partner*innen zu berücksichtigen, so wie sie jeweils die eigenen Bedürfnisse berücksichtigt sehen wollen.
Hier wird deutlich, dass die semiautonome Vernetzung viel stärker für eine wechselseitige Beeinflussung der Betriebe sorgt als im Kapitalismus, wo jeder Betrieb sich weitgehend von anderen abschottet und nur über Marktbeziehungen interagiert. Einfluss auf die Verwendung der eigenen Produkte, auf die Arbeitsbedingungen, auf die Produktionsfolgen etc. gibt es hier nicht. Solche Regulierungen obliegen dem Staat23. Statt einer Produktionskettenkontrolle ex post finden wir im Commonismus eine Produktionskettengestaltung ex ante.
Den Haushalten und Kommunen kommt eine Sonderrolle zu. Sie befinden sich am Ende der Güterproduktionsketten und nutzen die Produkte, deren freie Entnahme ein Upstream-Signal für die Produktion ist. Darüber hinaus ist ihr kooperativer Einfluss auf die Produktion geringer als von Betrieben innerhalb der Produktionsketten. Alle materiellen, symbolischen und sozial-sorgenden Voraussetzungen für eine befriedigende Lebensgestaltung, die nicht allgemein-vorsorgend bereitgestellt werden, müssen vor Ort in den Haushalten und lokalen interpersonalen Zusammenhängen geschaffen werden. Genau diese kollektive Verfügung über die räumlich, sozial und emotional nahen Lebensbedingungen kann explizit erwünscht sein. Umgekehrt kann der Bedarf entstehen, bestimmte soziale Infrastrukturen zu schaffen und allgemein zur Verfügung zu stellen. Im Kapitalismus werden die unprofitablen und die physisch-psychischen Care-Tätigkeiten den isolierten Haushalten zugewiesen. So bekommen diese eine Ausputzerfunktion für das Versagen der destruktiven Warenproduktion, das in klassistischer, sexistischer und rassistischer Segregation den vulnerabelsten Personen aufgedrückt wird, die kaum eine andere Wahl haben.
Im Commonismus gibt es keine funktionale Schranke zwischen der Haushalts/Kommune- und Gesellschaftsproduktion. Alle produktiv tätigen Menschen können sich entscheiden, ob ihre Tätigkeiten im interpersonalen Nahfeld für konkrete andere oder in der transpersonalen Produktion für anonyme andere (oder einer Kombination von beidem) liegen. Alle Tätigkeiten, deren Ergebnisse gebraucht werden und Bedürfnisse befriedigen, sind gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten. Das schließt auch Redundanz ein: Solche Tätigkeiten, die im Sinne der Existenzerhaltung von Menschen besonders sensitiv sind, können auch mit großen Puffern abgesichert werden, sodass Ausfälle verkraftet werden können. Im Kapitalismus figurieren solche Redundanzen als bloße Kosten, die in der nächsten Rationalisierungsrunde zu tilgen sind.
Topologischer Vergleich
Zum Abschluss zoomen wir heraus und werfen aus einer Netzwerksicht einen Blick auf die getrennt-lokal planende Marktwirtschaft, die Zentralplanwirtschaft und die verteilt-eingebettete Planung im Commonismus.
Die Marktwirtschaft ist ein dezentral-verteiltes, sich selbst organisierendes Netzwerk mit den jeweiligen Märkten (Ölmarkt, Kupfermarkt, Weizenmarkt etc.) als extrem starken Hubs. Diese Hubs bilden für ihren Markt (Subnetz) einen Single Point of Failure (SPOF), der bei Versagen das jeweilige Subnetz mit allen beteiligten Knoten (Unternehmen) kollabieren lässt. Die MBV über das Geld repräsentiert dabei ein Backbone, die alle Hubs und Knoten miteinander verbindet. Damit kann sich das einzelne Umkippen von Subnetzen dominoartig ins ganze Netz ausbreiten, was nur mit erheblichem Aufwand (staatliche Intervention) abgepuffert werden kann.24 Das Gesamtnetz weist zwar selbstähnliche und durch die Selbstorganisation hochgradig adaptive Teilnetze auf, deren potenzielle Resilienz wird allerdings durch starke Backbone-Verknüpfung unterminiert.
Die Zentralplanwirtschaft entspricht einem zentral-hierarchischen, gesteuerten Netz mit einer Planinstitution als Mega-Hub. Der zentrale Hub bildet gleichzeitig den zentralen SPOF. Aufgrund des geringen Selbstorganisationsgrads und des Steuerungscharakters der Netzhierarchie sind dominoartige Zusammenbrüche eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher sind Degradationserscheinungen aufgrund der großen Distanz von Plan-Hub und Ausführungsknoten (Unternehmen), geringen Fähigkeiten zu Topologieadaptionen und Innovationen und dem Wunsch von Unternehmen, sich dem zentralen Kommando zu entziehen und mehr eigenverantwortliche Handlungsfähigkeit zu erringen. In Netzwerken, in denen die Planung über MBV statt MIK geschieht (etwa im Realsozialismus), verschärfen sich wegen der gegenläufigen Logiken von stofflicher und wertförmiger Vermittlung die Probleme.
Die verteilt-eingebettete Planung im Commonismus ist ein Gegenmodell zu Zentralplanung und Marktwirtschaft. Sie entspricht einem dezentral-verteilten, sich selbst organisierenden Netzwerk, das eine selbstähnliche Topologie aufweist. Subnetze sind strukturähnliche Abbildungen des Gesamtnetzes. Sie sind ihrerseits polyzentral strukturiert, das heißt, die Hubs als Knoten der Infrastrukturorganisation und Planung sind über das Subnetz verteilt. Ihr Versagen hätte eine relativ geringe Schadensreichweite, es kommt zu keinen oder nur geringen Dominoeffekten. Auch wenn ein komplettes Subnetz kollabieren sollte (z.B. aufgrund eines externen Impacts), bleibt das Gesamtnetz intakt. Es handelt sich insgesamt um eine robuste und resiliente Netztopologie. Gleichzeitig ist sie wesentlich dynamischer und adaptiver als eine Zentralplanwirtschaft und strukturell eher einer Marktwirtschaft ähnlich. Allerdings sind hier die flexiblen, eigenständig agierenden Einheiten immer reziprok-inkludierend auf andere Einheiten bezogen, von denen sie abhängig sind und vice versa. Sie sind sowohl semiautonom als auch semiabhängig – oder in einem Wort abhängig-autonom. Der Commonismus ist also topologisch eher anschlussfähig an die Marktwirtschaft als der Staatssozialismus, denn worauf es ankommt, ist eine Revolution der Beziehungsweisen (sozial und logistisch) im Gegensatz zu einer Konzentrierung von Planung in einer zentralen Instanz, was einen enormen topologischen Umbau bedeuten würde. Mit dem Commonismus setzt sich auch eine neue historische Form der Wahrheitsproduktion jenseits von Markt (›Der Markt hat recht‹) und Essentialismus (›Ein Wesen muss zur Geltung kommen‹) durch: Es ist die Wahrheit der Bedürfnisse, die sich ihrer Historizität praktisch versichert.
Literatur
Abram, David (1996): The Spell of the Sensuous. Perception and Language in a More-Than-Human World. New York: Vintage Books.
Dapprich, Jan Philipp (2022): Tokens make the world go round: socialist tokens as an alternative to money. In: Review of Evolutionary Political Economy.
Hayek, Friedrich A. (1945): The Use of Knowledge in Society. In: The American Economic Review. 35 (4): S.519–530.
Helfrich, Silke/Bollier, David (2019): Frei, fair und lebendig. Die Macht der Commons, Bielefeld: transcript Verlag.
Holzkamp, Klaus (1983): Grundlegung der Psychologie. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
Holzkamp, Klaus (1993): Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
Marx, Karl (1973 [1875]): Kritik des Gothaer Programms, in: MEW 19, Berlin: Dietz Verlag.
Marx, Karl (1972 [1890]): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. 4. Auflage (hrsg. von Friedrich Engels), in: Marx-Engels-Werke 23, Berlin: Dietz Verlag.
Neurath, Otto (1919): Wesen und Weg der Sozialisierung. München: G.D.W. Callway.
Redecker, Eva von (2020): Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag.
Scheidler, Fabian (2015): Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation. Wien: Promedia Verlag.
Spehr, Christoph (2003): Gleicher als andere. Eine Grundlegung der freien Kooperation. Berlin: Dietz Verlag.
Sutterlütti, Simon/Meretz, Stefan (2018): Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken. Hamburg: VSA Verlag.
Sutterlütti, Simon/Meretz, Stefan (2023): Make Capitalism History. A Practical Framework for Utopia and the Transformation of Society. Cham: Palgrave Macmillan.
Anmerkungen
1 Dazu gehören Organisation, Beschaffung, Steuerung etc.
2 Haushalt ist breit verstanden und nicht bloß auf Familienstrukturen bezogen. Kommunalproduktion meint die den Haushalt überschreitende Bereitstellung von Befriedigungsmitteln im personal erreichbaren Umfeld (Nachbarschaften, Kiez, etc.).
3 Häufig wird die kommunistische Perspektive »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!« (Marx 1875) so gelesen, dass die Fähigkeiten auf die Arbeit und die Bedürfnisse auf den (freien) Konsum verweist – obwohl Marx im gleichen Satz von der Arbeit als »erstes Lebensbedürfnis« schreibt. Dazu hat allerdings auch Marx beigetragen, der sich im zweiten Teil für das passive »jedem« statt des aktiven »jeder« entschieden hat.
4 Freiwilligkeit ist also nicht mit unmittelbarem Spaß und dieser umgekehrt nicht mit Motivation zu verwechseln.
5 Grundlage für die folgende Analyse ist das Konzept der Stigmergie, das wir hier aus Platzgründen nicht ausführen können (vgl. Sutterlütti/Meretz 2018, S. 175; 2023, S. 160).
6 Üblicherweise ist hier von calculation in kind oder calculation in natura die Rede, was aber nur auf den quantitativen Aspekt abzielt und damit die qualitative Frage, welche Bedürfnisse befriedigt werden sollen, abschneidet.
7 Die Produktionsplanung erfolgt zwar (wie jede Planung) ex ante, doch dabei einbezogene Vorprodukte vermitteln sich aus Sicht der Lieferanten wiederum ex post. Auch langfristige Lieferverträge oder Konsortienbildung sind nur partielle Mittel, um gegen die Unvorhersehbarkeit der ex post Vermittlung anzugehen.
8 Daran ändert auch die Überformung durch die Wertdimension, die sich etwa durch die Schaffung neuer Konsumanreize mittels Werbung etc. zeigt, nichts.
9 Wenn die UOA als Grundeinkommen leistungsunabhängig verteilt werden würde, müsste der gesellschaftliche Arbeitszwang in anderer Form etabliert werden.
10 Da dieser Beitrag auf die Planung fokussiert, werden Aspekte der Verteilung im Folgenden nur peripher behandelt.
11 Das bedeutet, dass sich eine quantitative Größe stets auf ihre Qualität bezieht: eine Materialmenge x der Materialqualität y, eine Tätigkeitsmenge a der Qualifikation b etc. Eine allgemeine UOA abstrahiert von der Qualität, zerschneidet den Zusammenhang und wird zur bloßen Quantität. Eine tiefere Diskussion der UOA können wir hier nicht leisten.
12 Historisches Vorbild eines zentralen MIK-Systems ist die von Otto Neurath (1919) entworfene Naturalwirtschaft mit Vollsozialisierung.
13 Ein Beispiel sind die (meist unzureichenden) Lieferkettengesetze in einigen europäischen Ländern.
14 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Fediverse
15 Auch kapitalistische Betriebe sind semiautonom. Sie sind allerdings nicht von konkreten anderen abhängig, sondern von einer abstrakt-allgemeinen Marktlogik. Erstes ist verhandelbar, zweites nicht.
16 Dass damit ein komplettes Gegenmodell zu den kommerziellen, exklusionslogisch operierenden Walled Gardens wie Twitter oder Facebook etabliert wird, muss hier nicht ausgeführt werden.
17 Im Fediverse wird auch über die Möglichkeit von Silos diskutiert, etwa anlässlich des massenhaften Eintritts von Alt-Right-Instanzen ins Fediverse, da die massenhafte Deföderation auch zur Trennung von ganzen Bereichen führen kann. Produktionssilos im commonistischen Netz sind hingegen in das Gesamtnetz integrierte virtuelle Teilnetze.
18 Das bedeutet, dass das Eigentum aufgehoben ist. Auch diesen Aspekt können wir nicht weiter ausführen.
19 Statt Lohn für Hausarbeit einzuführen, was auch Cyber-Sozialist*innen vorschlagen (Dapprich 2022), geht es darum, den Lohn aus der Produktion zu entfernen und die eigene Existenz bedingungsfrei zu machen.
20 Die Internalisierung ist somit die sachliche Seite der Inklusionslogik.
21 Aktuell sind das zum Beispiel die UN-Menschenrechtscharta oder das Pariser Klimaschutzabkommen.
22 Im Gegensatz zum Konsens, bei dem alle zustimmen müssen, ist ein Konsent erreicht, wenn es keine schwerwiegenden Einwände gibt.
23 Aktueller Versuch sind die in wenigen europäischen Ländern erlassenen und meist völlig unzureichenden Lieferkettengesetze.
24 Exemplarisch war 2008 der Zusammenbruch des Immobilienmarkts in den USA mit den entsprechenden Schockwellen rund um die ganze Welt.
Ich fühle, glaube, hoffe: eine Sensation!
Schöne Erklärungen!! – Wie nützen die mir jetzt im praktischen Alltag?
Eine Liste der Unternehmen, Initiativen, Aktivisten, Institutionen, Gemeinden,.. die sich so (am Gemeinwohl orientiert, ’semi-autonom‘, ’semi-abhängig‘,..) organisieren wäre mal toll, noch besser wären deren Internet-Präsentationen auf einer Seite, Noch besser wäre, wenn alle in einem ’sozialen Netzwerk‘ wären, das deren Vernetzung, solidarisches Wirtschaften und gegenseitigen förderalen Umgang miteinander fördert z.B: ‚WeChange‘, ‚KarteVonMorgen‘, ‚SMart-eG‘,…
Im Buch „Pluriversum,..“ (einem hilfreichen Lexikon des ‚Guten Lebens für alle) werden ja zukunftsweisende Organisations-Formen, Kulturen, Praktiken,.. beschrieben, auch Orte, Gemeinschaften, wo zukunftsfähige, umweltfreundliche, ressourcenschonende,.. ‚Kultur-Elemente‘, Wirtschafts-Praktiken,.. erlebt werden können,.. Als Herausgeber sind Ashish Kothari, Ariel Salleh, Arturo Escobar, Federico Demaria, Alberto Acosta genannt. Die Autoren sind sehr viele und im Buch benannt. Auch Sponsoren sind viele genannt u.a. ich · Roy Rempt, Zukunftswerkstatt Lychen. Ich hoffe ihr habt Zeit zum Lesen und zum Erleben vieler der zukunftsweisenden Kultur-Elemente, Wirtschafts-Praktiken,.. und verbreitet die Inhalte. » https://agspak.de/pluriversum/ Sprecht mich an, wenn ihr einiges davon erlernen wollt. Nutzt die vorhandenen Internet-Netzwerke und Initiativen, bündelt die Kräfte und wirtschaftet noch ressourcenschonend(er) mit allen Energien, auch mit der Zeit der Menschen.