Keimformtheorie – Vortrag bei der GRÜNEN JUGEND
Am 14.7.2018 habe ich bei der Jahresmitgliederversammlung der GRÜNEN JUGEND NRW einen Vortrag zur Keimformtheorie gehalten. In den Vortrag sind viele Aspekte des neuen Buches »Kapitalismus aufheben« eingeflossen. Hier das Video, in dem ich Folien und Audiospur synchronisiert habe.
Danke für die Zusammenfassung! Mit dem Buch bin ich ja immer noch nich durch :/
„Commoning“ als Vermittlung auf gesellschaftlicher Ebene für den Kommunismus (sorry, ich bleibe bei dem Wort) sozusagen parallel zum „Markt“ für den Kapitalismus zu setzen funktioniert einfach nicht und führt in die Irre. Commoning ist _definiert_ als interpersonale Absprache von Regeln und gemeinsamer Nutzung von Ressourcen durch eine _Gruppe_. Wenn Du den Begriff jetzt einfach für die gesellschaftliche (ich würde sagen metapersonale – und das ist auch genau so ein Fall wo diese Unterscheidung wichtig ist, weil transpersonal kann commoning ja vielleicht wirklich noch werden) Ebene verwendest, dann ist das eigentlich nicht mehr als ein Fragezeichen in der Tabelle, weil überhaupt nicht klar ist, was das dann sein soll. Mit commoning im Sinne der üblichen Bedeutung des Wortes hat es auf jeden Fall nix zu tun. Auf mich wirkt das wie der Versuch eine Leerstelle in der Theorie zu übertünchen. Ich fände es besser an der Stelle klar zu machen, dass einfach noch nicht klar ist, wie das funktionieren soll (oder natürlich besser rauszufinden, wie es funktioniert, aber so weit sind wir eben leider immer noch nicht).
#1: Stimmt, weiß ich auch eigentlich. Und Nobel hat sich vielleicht auch gedacht, dass „Wirtschaft“ nix ist, was jemals „der Menschheit den größten Nutzen geleistet“ (so sein Kriterium) hat oder leisten könnte 😉
#2: Wäre länger zu diskutieren. Aus meiner Sicht gilt die Gleichung Handel = Äquivalententausch nicht.
#3: Wir haben die Fragezeichen an der Stelle im Buch deutlich benannt, denn wir haben sie auch. Hier kommen wir dann aber zu unser Differenz: Eben weil das vermittelte oder transpersonale Commoning funktionieren kann, dies aber für mich der Übergang von der Handlungs- zur Strukturebene ist, geht das durchaus. Erst wenn du eine (von mir immer noch nicht verstandene) weitere Ebene des Metapersonalen einführst, die du (noch) nicht erklären kannst, entsteht der Eindruck des „ganz anderen“, das nicht Commoning sein kann.
Meine Basisthese, die ich im Moment nur gefühlsmäßig vorbringen kann, sagt mir, dass es im Commonismus/Kommunismus keine getrennten Logiken auf der Handlungs- und Strukturebene geben kann, wo die Strukturebene wie im Kapitalismus als Verselbstständigtes quasi unabhängig von den handelnden Menschen wirkt (aka Fetisch). Ich habe aber den Eindruck, dass du mit der Metaebene genau danach suchst und damit das gewohnte Motiv des Kapitalismus reproduzierst. — Das ist jetzt keine Kritik, ich wollte dir erstmal nur meinen unausgegorenen Eindruck schildern, kannst ja überlegen, was du damit machst. Vielleicht liegst du ja total richtig und ich nicht, aber so ist grad mein Stand.
#2: Ich würde dir glaub ich zumindest für das römische Reich widersprechen. Ich schreib dazu gerade ne Nebenhausarbeit und die Leute die ich da für vernünftig halte argumentieren eig relativ deutlich, dass der Handel und Tausch damals sehr stark mit politischer Macht aufgeladen war, so dass es häufig überhaupt nicht wirklich zur Konkurrenz kam und Neuankömmlinge ohne die richtigen politischen kontakte ganz schön Probleme hatten. Aber bald ist die Hausarbeit soweit fertig, dass ich sie euch schicken kann ;).
Äquivalententausch gibt es auch erst, wenn sich über die meisten Sektoren der Re/Produktion ein integriertes Preissystem herstellt … das geht einher mit Tauch- bzw. Marktabhängigkeit … dafür reicht nicht etwas Handel …
Ich würde auch nicht sagen, dass Tausch als Keimform einfach die Kommerzialisierungstheorie ist. Wood sagt ja, dass das Problem ist, dass auf einmal die Lebensgrundlage ertauscht werden musste (Land geriet unter die „ökonomische Ordnung“) – die Political Marxists (Wood, Brenner, etc.) betonen zu Recht Marktabhängigkeit – aber ich finde dies ist tatsächlich sehr ähnlich wenn wir sagen dass Kapitalismus bedeutet, dass Menschen Tauschabhängig werden …
#3: Da finde ich die Diskussion sehr spannend, ich hoffe wir gucken da bald nochmal gemeinsam drauf. Das wir hoffentlich auch der Clue für die Trafotheorie …
Sektoren der Re/Produktion ein integriertes Preissystem herstellt … das
geht einher mit Tauch- bzw. Marktabhängigkeit … dafür reicht nicht etwas
Handel …“ dann sagst du ja nix anderes als dass es äquivalententausch erst im kapitalismus gab. wie kann er dann aber ne keimform sein? das ist dann zwar keine kommerzialisierungstheorie aber auch nicht besser, weil dann auf wundersame weise der kapitalismus zusammen mit dem tausch aus dem nichts entsteht. ne keimform ist er so auf jeden fall auch nicht.
#Keimform: Tausch. wir sagen, dass Tausch die Keimform ist nicht Äquivalententausch. Äquivalententausch ist der Tausch dann als Elementarform, erst mit dem Dominanzwechseln, wenn der Tausch allgemein bestimmend ist, also erst im Kapitalismus.
#Kaiserreich und Äqu-Tauch: Es gibt nur einen Typen (Peter Temin), der ist so ein Ökonom der mal versehentlich Geschichte gemacht hat, der behauptet, dass tatsächlich die Preise über weite Regionen integriert sind im römischen Reich. Und ja Inflation gibt es, aber die ist dann eben nicht einheitlich sondern geographisch unterschiedlich und hängt ganz deutlich damit zusammen, dass der römische Staat die Münzen abwertet, aber die Inflation ist halt auch nicht geographisch unterschiedlich.
Ok, ich beginne zu verstehen, dass es für euch erst dann äquivalententausch ist, wenn es ein voll funktionierendes globales wertsystem gibt, dass es das bei den römern nicht gab, mag sein.
aber zurück zum (normalen, nicht äquivalenten, älteren) tausch. auch auf die gefahr hin mich zu wiederholen: das ist ja dann eben doch wieder einfach nur handel, womit wir wieder bei der kommerzialisierungstheorie wären. ok, ihr nennt es keimform, was impliziert dass es nicht nur ein quantitativer unterschied ist, aber dennoch ist das doch eben genau _nicht_ das was am kapitalismus neu ist sondern einfach etwas das es schon immer gab und dass erst aufgrund der kapitalistischen dynamik eine neue form annimmt. wieso soll ausgerechnet das die keimform sein? also außer halt man sieht das spezifische am kapitalismus eben doch mit dem handel verknüpft.
@Benni#7: Im Buch unterscheiden wir zwischen Selbstständigkeit von Gesellschaften, die immer gilt, und Verselbstständigung, also einer sachlichen Dynamik, die den sozialen Prozess strukturiert. Nur letzteres ist mit dem Fetischbegriff assoziiert. Wenn es dir ausschließlich um die Ebene der Selbstständigkeit geht, dann sind wir uns einig. Dann aber ist TP=MP, weil alle TP diese Selbstständigkeit erzeugen. Warum MP als Begriff trotzdem sinnvoll sein kann (trotz TP=MP), argumentiere ich bei einem anderen Kommentar (Frage der Perspektive).
Genau, die Inklusionslogik vergegenständlicht sich, so dass je mir nahegelegt wird, inklusiv zu handeln (womit ich die inklusive Logik reproduziere), auch wenn mir das gerade nicht bewusst ist. Siehe meinen Kommentar zur Bedeutung der Mittel. Die Gegenstände oder Mittel sind nicht nur materieller, sondern auch symbolischer oder sozialer Art. Diese sind in unterschiedlichen Graden dem bewusst-gestaltenden Commoning zugänglich, sind aber immer Resultat desselben. Eine direkte Gestaltung ist nicht nur für Sprache schwierig (aber auch dort geschieht es), sondern für viele andere »sehr große« Mittel.
Warum? Insbesondere _alle_ TP? Also _jede_ Beziehung zu jemanden den ich nicht kenne soll Selbstständigkeit von Gesellschaft erzeugen? Das find ich ja erst mal ne steile These. Aber ich bin noch nicht so weit im Buch glaub ich.
@Benni: Haha, lustig, jetzt bringst du den Fetisch! — Warum sollte eine Betrachtung als Mittel Verdinglichung sein? Ist es denn eine überhaupt noch eine Frage, dass Sprache, Wissen, Scrum oder Linux Mittel sind?
Es ist doch keine Alternative: Beziehungen oder Mittel. Fast alle Beziehungen sind vermittelt. Das hab ich bei Binis BZW nicht als Gegensatz gefunden, eher: Es war dort kein Thema.
Mit „alle“ meinte ich das „Gesamt“ (also nicht jede einzeln) der TP.