Demonetarisierung durch Entwarenformung
Kolumne Immaterial World in der Wiener Zeitschrift Streifzüge.
Das Schlagwort von der Demonetarisierung ist ein neuer, schillernder Begriff im emanzipatorischen Diskurs. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich schnell Missverständnisse und Abgründe auftun. Einige von ihnen sollen hier diskutiert werden.
Naiv-anekdotisch tritt manchmal die lustig gemeinte Forderung auf, alle mögen ad hoc ihre Geldbörsen leeren, worauf man gleich zur Demonetarisierung durch Verbrennen der Geldscheine schreiten könne. Mit diesem „Witz“ verwandt ist die durchaus ernsthaft gemeinte moralische Anforderung, Befürworter_innen der Demonetarisierung dürften nicht nach Einkommen streben. Auf diese Weise wird jedoch ein gesellschaftliches Struktur- in ein individuelles Verhaltensproblem umgedeutet. Geld als dingliche Inkarnation des sich gesellschaftlich konstituierenden Werts kann nicht individuell umgangen werden. Daher sind alle gezwungen, in irgendeiner Form nach Geld zu streben.
Eine verwandte Diskursfigur ist die des moralischen Rankings von Einkunftsquellen. Danach gilt die staatliche Alimentation als akzeptabel, die abhängige Beschäftigung als legitim, die selbstständige Tätigkeit als zweifelhaft und die unternehmerische Tätigkeit mit der Größe des Unternehmens als wachsend verwerflich. Hierbei wird oftmals nicht die konkrete Handlungsweise beurteilt, sondern die Position als solche. Die dabei implizit vorgenommene „Adelung“ von Armut wird nur noch getoppt durch die agitatorische Denunziation des „arbeitslosen“ Einkommens von Kapitalist_innen, die nahtlos anschlussfähig ist an reaktionäre Diskurse, welche sich dann allerdings gegen die Ärmsten richten. Der Klassenkampffetisch lässt grüßen.
Selbstverständlich gibt es Unterschiede im Gleichen. Das Gleiche ist die monetäre Strukturlogik der Warengesellschaft. Sie bestimmt den Rahmen, in dem sich alle bewegen. Unterschiedlich ist die Position, die im gleichen Funktionszusammenhang eingenommen wird – ob als erfolgreiche oder -lose Selbst- oder Fremdverwerter_innen von Arbeitskraft. Die Position und die relative monetäre Verfügungsmasse bestimmt die Größe des Raums der Handlungsmöglichkeiten. Strukturell nahegelegte Handlungsformen determinieren keineswegs das individuelle Tun, doch die Weigerung, sich auf Kosten von anderen zu behaupten, muss man sich auch „leisten“ können. So redet es sich auch leichter von Demonetarisierung mit einem wohlgefüllten Bankkonto im Hintergrund als auf der Rutschbahn von einem Dispokredit zum nächsten.
Dabei ist Demonetarisierung als Befreiungsprojekt gedacht, als allgemeine Befreiung von der Not, sich oder andere verwerten und „zu Geld machen“ zu müssen. Warum rutschen wir trotzdem so oft in die moralische Schlangengrube? Weil heute die Miete bezahlt werden will, so einfach ist das. Die alltägliche Bedrückung lähmt. Umso wichtiger ist es, dass wir dies in unseren Zusammenhängen nicht noch verlängern – ohne der Illusion zu erliegen, wir könnten die Bedrückung interpersonal aufheben. Zwar gibt es Einzelne, die ohne Geld über die Runden kommen, jedoch nur, weil andere dies nicht tun.
Eine weitere Denkfigur ist die der solidarischen Demonetarisierung. Danach sei es möglich, die monetäre Logik durch Entfernung und Ersetzung von Befehlshierarchien in Unternehmen zurückzudrängen. Krönung dieser Idee ist der selbstverwaltete und -geleitete Betrieb, etwa Genossenschaften. Zunächst ist auch hier die Nähe zu neoliberalen Diskursen auffällig, die Schlüsselworte heißen hier Verschlankung, Abflachung der Hierarchien, Verbetriebswirtschaftlichung des Handelns, Eigenverantwortung am Markt usw. Doch wie oben erklärt, gibt es immer Handlungsmöglichkeiten. Man kann sich der Logik des Marktes vollständig unterordnen – darauf zielen die liberalen Ideologeme – oder versuchen, eigene Bedürfnisse gegen die Logik des Marktes zur Geltung zu bringen.
So wäre die Gleichsetzung von solidarischen mit gewöhnlichen Betrieben am Markt verfehlt. Genauso verfehlt ist jedoch die Glorifizierung von solidarischer Ökonomie als dem ganz Anderen. Solange sich Unternehmen am Markt bewegen und dort bewähren müssen, solange also die Warenform die Aktivitäten bestimmt, ist Demonetarisierung eine Illusion. Allenfalls Umverteilung – auch eine mögliche, aber keine grundsätzliche andere Handlung – ist möglich. Daraus kann man, so meine These, die zentrale Bedingung für eine strategisch angelegte Demonetarisierung ableiten: Keine Demonetarisierung ohne Entwarenformung.
Entwarenformung bedeutet, von der Warenform loszukommen. Produkte nehmen dann Warenform an, wenn sie in getrennter Privatproduktion hergestellt und anschließend in der Regel gegen Geld getauscht werden. Die Alternative sind Commons. Produkte nehmen Commonsform an, wenn ihre Herstellung und Nutzung jenseits des Tausches organisiert wird. Statt die Verteilung im Nachhinein über das Geld zu vermitteln, wird sie von vornherein gemäß der Bedürfnisse der Beteiligten verabredet.
Bedeutet diese Forderung aber nicht doch, dass wir bei allen Aktivitäten und Projekten von Geld absehen müssen? Wären wir also wieder in der moralischen Schlangengrube gelandet? Nein, keineswegs. Wie dargestellt entkommen wir der Geldbenutzung vorerst nicht, solange das Warenparadigma dominant ist. Aber es ist ein Unterschied ums Ganze, ob Geld etwa zum Zweck der Umwandlung von Waren in Commons eingesetzt wird oder weiterhin seine Funktion im erweiterten Kreislauf der Verwertung einnimmt. Ob wir also commons-basierte Produktionsstrukturen aufbauen, die eben keine Waren, sondern Commons herstellen und erhalten, die nicht getauscht, sondern nach Verabredung genutzt werden. Und dabei geht es nicht nur um immaterielle Güter wie Software und Wissen, sondern um ganz handfeste Dinge wie Kartoffeln und Maschinen.
Muss ich erwähnen, dass dies ein ungeheuer schwieriger und widersprüchlicher Prozess ist? Dass damit der Kapitalismus nicht hier und heute aufgehoben wird? Wohl kaum. Wenn eine freie Produktionsweise in der Zukunft Waren, Tausch, Geld und Markt nicht mehr kennen soll, dann muss heute begonnen werden, eben jene Produktionsweise aufzubauen – noch unter den alten dominanten monetären Imperativen. Das ist dann tatsächlich Demonetarisierung. Wenn es nötig ist, unter Einsatz von Geld.
Ist es aber nicht trotzdem eine Ware mit Wert, die produziert wird, und ich für das andere Dinge in gleichem Wert erhalte? Oder ist bei diesem Prozess die Abgabe der Commons im Sinne eines Geschenks an die Gemeinschaft gedacht, in dem Wissen, dass ich für das, was ich gebe, schließlich von irgendwoher Anderes bekomme, was ich bedarf?VG Martin
@Martin: Mit »Wert« ist hier nicht »etwas für wertvoll halten« gemeint (subjektiver Wert), sondern Wert ist hier ein geellschaftliches Verhältnis von Waren, die getauscht werden müssen, um verteilt zu werden (objektiver Wert). Ebenso ist »Ware« nicht einfach ein »Gut als solches«, sondern ein Gut, dass zum Zwecke des Tauschs hergestellt wird. Eine Ware steht also immer auch für eine soziale Beziehung, nämlich der getrennten Privatproduktion und Exklusion.
Commons repräsentieren eine andere soziale Beziehung (mehr hier). Dort wird nicht getauscht, aber auch nicht »geschenkt« im traditionellen Sinne, wo ein »Gegengeschenk« erwartet wird. Trotzdem ist es so wie du sagst: »…in dem Wissen, dass ich für das, was ich gebe, schließlich von irgendwoher Anderes bekomme«. Allerdings gilt das nur für eine entfaltete Commons-Gesellschaft.
Hallo Stefan, kann man das nicht einfacher formulieren, ausgehend von p=c+v+m?
Hier meine Story: Demonetarisierung tritt automatisch ein, wenn frei assoziierte unternehmerisch tätige (also über v+m verfügende) Produzenten einen Teil der reproduktiven Bedürfnisse als auf eigenes gemeinsames Bedürfnis erkennen und dann auch so organisieren. Dazu muss man auch die Marxsche Arbeitswerttheorie nicht neu schreiben. Wertförmig ist nur Arbeit auf fremdes Bedürfnis, also entstehen in dem Kontext keine neuen Wertansprüche. Insoweit dabei Ressourcen verbraucht werden, also Wertansprüche tragende Produkte, müssen diese aus dem m=a+z+t+r der beteiligten Produzenten abgegolten werden. Aus Sicht der Werttheorie ein rein konsumtiver Akt, und so nennt es die klassische marxistische Ökonomie (siehe etwa Fleissner) auch: produktive Konsumtion. Also nix wirklich neues und Spannendes, allein spannend, dass dies hier (möglicherweise auch) aus z und nicht aus a (Abschreibungen) oder t (Transfers = Steuern minus Subventionen) genommen wird.
Stefan wrote: „… es ist ein Unterschied ums Ganze, ob Geld etwa zum Zweck der Umwandlung von Waren in Commons eingesetzt wird oder weiterhin seine Funktion im erweiterten Kreislauf der Verwertung einnimmt. Ob wir also commons-basierte Produktionsstrukturen aufbauen, die eben keine Waren, sondern Commons herstellen und erhalten, die nicht getauscht, sondern nach Verabredung genutzt werden. Und dabei geht es nicht nur um immaterielle Güter wie Software und Wissen, sondern um ganz handfeste Dinge wie Kartoffeln und Maschinen.“
Ich finde den Einwand von Martin diesbezüglich sehr richtig, dass „die Abgabe der Commons im Sinne eines Geschenks an die Gemeinschaft gedacht [ist], in dem Wissen, dass ich für das, was ich gebe, schließlich von irgendwoher Anderes bekomme, was ich bedarf?“ Er weist darauf hin, dass es sich immer noch um einen verdeckten Tausch handelt, weil die „Commons“ (oder Gemeingüter) immer noch reine Sachform sind, die erst im Nachhinein ihrer Existenz (z.B. als „Gemeindeacker“) soziale Verhältnisse bestimmt. Solange die Sachform selbst einzige Bestimmung ist, handelt es sich auch nur um eine Soziologisierung der Ware, die zwar im Vorhinein „bedürfnisorientiert“ entsteht (das ist in der Gebrauchswertproduktion so abstrakt genommen eigentlich auch unterstellt), aber sie tritt eben doch nur als Sache in eine gesellschaftliche Beziehung.
Die Vorstellung von Commons als Sachform eines „Commonismus“ will das Kernproblem des Ganzen umgehen, dass es bewusste politische Beziehungen geben muss, um Gesellschaft zu verwirklichen. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit hat dies immer wieder zu politischen Gewaltverhältnissen geführt. Solange die „Gemeingüter“ aber nicht die Gestalt eines Gemeinwesens haben, das auch politisch in einem sozialen Disput erstritten ist, wird sich das nicht ändern. Dies war für mich die Ausgangslage, meine Gedanken zu einer internationale Kommunalwirtschaft zu spezifizieren.
Das Spannende an der Sache ist, dass die praktisch tätigen Subjekte diese Notwendigkeit einer solchen vertraglichen Ausgestaltung ihres Innenverhältnisses längst verstehen, siehe etwa den Debian Social Contract. Schon länger verstehen sie auch, dass es ebenfalls um ein neu gestaltetes Außenverhältnis gehen muss, siehe insbesondere die umfassenden Debatten um die GPL v. 3. Damit beginnen sich (seit wenigstens 25 Jahren) vorsichtige Formen des Primats von Politik vor der Ökonomie zu entwickeln – das Gegenteil von Neoliberalismus.
@Hans-Gert:
Die Rede war davon, dass es nicht nur um einen Contract gehen kann (warum war ein solcher dann für Dich überhaupt Grundform des Warenhandels?), sondern dass dieser eine Existenzform haben muss: „die Gestalt eines Gemeinwesens …, das auch politisch in einem sozialen Disput erstritten ist“. Er muss also in Zeit und Raum als politisches wie wirtschaftliches Verhältnis existieren.
@Hans-Gert#3: Nein, kann man nicht einfacher formulieren, den qualitativen Bruch zur Warenform muss man schon explizit benennen. Deine Story bewegt sich innerhalb der Warenform.
@Wolfram#4: Nach meinem Eindruck verwechselst du Tausch und Arbeitsteilung. Für Commons gilt: Beitragen statt Tauschen. Gewaltverhältnisse entstehen aus Exklusionslogiken. Die kannst du »politisch« allenfalls »regulieren«, aber nicht verhindern. Inklusion für alle gibt’s nur jenseits der Warenform.
@Stefan#7: „Deine Story bewegt sich innerhalb der Warenform.“ In der Tat, das war auch Sinn meiner Übung.
@Wolfram#6: Der „Debian Social Contract“ ist ein Regelwerk, also ein Vertrag ähnlich dem Rousseauschen Gesellschaftsvertrag und ist zweifellos (wenigstens in meinem Verständnis von Gemeinwesen) von einem sich dabei konstituierenden Gemeinwesen auch „politisch in einem sozialen Disput erstritten“ worden. Dass er in Zeit und Raum als politisches Verhältnis existiert (ich würde genauer sagen: Wirkung entfaltet), kann, denke ich, leicht im Netz verfolgt werden. Dass er auch als wirtschaftliches Verhältnis Wirkung entfaltet, halte ich mit Blick auf die Reproduktionsleistung der dahinter stehenden Linux-Kernel-Community ebenfalls für evident.
@ Stefan#7:
Die Teilung der Arbeit, wie sie Marx begriffen hat, ist die Grundlage einer Gesellschaft, in welcher Arbeit sich nicht in der gesellschaftlichen Beziehung der Menschen ergänzt, sondern als Verhältnis isolierter Arbeitsteile, als Verhältnis von Privatarbeiten existiert. Diese können auch nur durch einen Warentausch aufeinander bezogen werden. Von daher ist Arbeitsteilung, die nicht im Arbeitsprozess selbst aufgelöst werden kann und also Waren produzieren muss, tatsächlich mit dem Warentausch identisch.
Die gesellschaftliche Macht, die der Wert hierdurch hat, wird dann zwangsläufig die Menschen auch an ihren Privatbesitz wechselseitig binden und den ohnmächtig machen, der keinen solchen Besitz hat und also nur seine Arbeitskraft veräußern kann. Richtig: „Inklusion für alle gibt’s nur jenseits der Warenform“. Aber gehts hier nicht gerade darum? Und deshalb geht es auch um eine bewusste Beziehung zur Arbeit selbst, die als Ergänzungsverhältnis begriffen sein muss, nicht als irgendein Beitrag, der wohl nicht mal einen Zug rechtzeitig zum richtigen Ort fahren lässt, wenn er nur aus der Situation eines Individuums heraus betrieben werden soll.
@Wolfram: Richtig, Marx bezog sich auf die Warengesellschaft, aka Kapitalismus. Jede Universalisierung von dort aus geht jedoch fehl (sowohl in die Vergangenheit wie in die Zukunft). Ausgangspunkt kann also nicht die warenproduzierende Arbeit sein, weder als solche, noch als „Ergänzungsverhältnis“ (was immer das sein mag).
Warum Beiträge von Individuen Züge nicht rechtzeitig zum richtigen Ort fahren lassen sollen, erschließt sich mir nicht. Dahinter steckt die Vermutung, dass wer nicht gezwungen wird (personal oder durch die sachliche Macht des Geldverdienen-Müssens), nicht verantwortlich handeln wird. Was ist das für ein Menschenbild? Die Commons zeigen schon heute in einer Situation der völligen Randständigkeit und Bedrängtheit, dass dem schlicht nicht so ist.
@Stefan:
„Dahinter steckt die Vermutung, dass wer nicht gezwungen wird (personal oder durch die sachliche Macht des Geldverdienen-Müssens), nicht verantwortlich handeln wird. Was ist das für ein Menschenbild?“
Ja siehste. So schnell sind wir schon wieder am simplen Kern der ganzen Veranstaltung: dem Menschenbild der Aufklärung, der Ideologie vom
vernünftigen Menschen, der jenseits aller Notwendigkeiten sich als Gleicher unter Gleichen in der Vorstellung eines kategorischen Imperativs einrichtet, weil er sich in der Gemeinschaft der Beiherträger seinem Geschwisterherz versichert sehen will und dem entsprechend „verantwortlich handelt“. Für diesen kleinbürgerlichen Lebenszauber hättest du nicht die Kritik der
politischen Ökonomie von Marx verwurschteln und ein groteskes Unverständnis derer Grundlagen verbreiten müssen. Es wäre besser
gewesen, seine „Kritik der heiligen Familie“ mal gründlicher zu studieren.
Notwendiges ist vom Sachzwang darin unterschieden, dass eine menschliche Not auch wirklich gewendet werden muss. Es ist die Basis aller Freiheit und
eine davon abgelöste Emanzipation war schon immer nur die Schutzbehauptung eines unhinterfragbar gemachten Machtbedarfs. Daran
werden auch die Commons in ihrem transformatorischen Anspruch scheitern und von ihrem marktförmigen Analog kassiert werden. Die
Auseinandersetzungen in den wirklichen Lebensverhältnissen werden sie nicht wesentlich beeinflussen können, weil es eben einfach schöner und netter ist, sich hiergegen schon selbst als Alternative zu verstehen. Im Nischendasein, wo im Wesentlichen doch nur Rezepte ausgetauscht werden, sind die herrschenden Lebensbedingungen einfach lockerer zu nutzen, besonders von den gesellschaftlichen Schichten, in denen Miete und Lebensunterhalt kein wirkliches Problem darstellen – und easy, weil sie von der Werbeindustrie auch so komfortabel zur Verfügung
gestellt werden,
@Wolfram
Auch an dich meine Frage, wie das epistemisch zu verstehen ist. Was ist „Arbeitsteilung, die nicht im Arbeitsprozess selbst aufgelöst werden kann“? In einem „entwickelten arbeitsteiligen System“ – deinem eigenen Körper – ist es ja ein sich in Raum und Zeit prozessierender Metabolismus konkreter biologischer Einheiten, der Zellen deines Körpers, der dein lebensweltliches Sein „ist“. Dieses Sein ist also wohl Bewegungsform eines synergetischen Verhältnisses „auf Zeit“, bis eben dieser Metabolismus mit dem Tod zusammenbricht, wofür es viele gute Gründe geben mag (nach der „Erfindung“ des Lebens ist die „Erfindung“ des Todes als biologisches Gestaltungsmoment nach meinem Verständnis der zweite wichtige Meilenstein des Heraushebens einer Biosphäre aus der Lithosphäre). Zellen reproduzieren dabei in einem weitgehend autonomen Prozess (gleicher Qualität) ihre eigene Funktionalität, und diese Prozessdimensionen sind miteinander verschränkt. Für die Beschreibung der Prozesse in den Zellen innerhalb der „arbeitsteiligen“ Vorgänge in deinem Körper sind also nach meinem Verständnis Innenverhältnis und Außenverhältnis zu unterscheiden, wobei das Außenverhältnis (aus Sicht der Zellen) selbst wieder Innenverhältnisse auf anderen Konkretionsebenen in mannigfacher Hinsicht umfasst und für deren Beschreibung Komplexitätsreduktionsmechanismen in Stellung bringt (Stichwort: Kontextreproduktion).
Das halte ich auch für die ökonomische Betrachtungsebene für epistemisch erforderlich. Das auch heute noch allein auf ein „Verhältnis isolierter Arbeitsteile, als Verhältnis von Privatarbeiten“ zu reduzieren, hielte ich auch innerhalb einer Diskussion um Potenzen der Warenform für verfehlt. Umso mehr, wenn, wie hier auf keimform.de, daraus ein Postulat vom Ende der Warenform abgeleitet wird. Da müsste für mich schon mehr „Butter bei die Fische“. Ich entnehme deinen Ausführungen, dass du das ähnlich zu sehen scheinst.
Was also meinst du mit „bewusste Beziehung zur Arbeit selbst, die als Ergänzungsverhältnis begriffen sein muss“? Ist nicht die bewusste Wahrnahme der reproduktiven Dimensionen des Innenverhältnisses durch die beteiligten Akteure (wie etwa im Debian Social Contract praktischen Ausdruck findend) schlicht Voraussetzung für das Begreifen jener Ergänzungsverhältnisse (also Außenverhältnisse)? Und – die wirklich ketzerische Frage – macht das nicht der „fungierende Kapitalist“, der „mit schlauem Kennerblick … „ (MEW 23, Kap. 5), schon immer? Allein das Innenverhältnis spielt sich dort (noch) weitgehend in dessen Kopf ab. Da sind wir heute (auch innerhalb der Waren produzierenden Gesellschaft) wohl doch schon einen deutlichen Schritt weiter.
@Hans-Gert:
Zu Deinem Beispiel: Man kann Äußeres als Form von Innerem, also als Form von Inhalt ansehen. Damit ist es aber selbst noch keine Äußerlichkeit. Ein Körper mag als eine Form von vielen Zellen und Organen bescheibbar sein, nicht aber als deren Äußerlichkeit. Diese entsteht erst durch einen eigenen Inhalt der Form, durch eine Formbestimmung. Sie steht für eine der Form selbst äußerliche Bestimmung. Hierdurch steht die Form allerdings selbst im Widerspruch zu ihrem Inhalt. Eine derartige Arbeitsteilung innerhalb eines Körpers wäre schlimm, vielleicht – im im Beispiel zu bleiben – eine Krankheit. Aber sich selbst kann nichts äußerlich sein. Das hat einen äußeren Grund.
Ich habe den Begriff der Arbeitsteilung bei Marx, die ja ganz fundamental zum Verständnis der politischen Ökonomie ist, so verstanden, dass die einzelnen Privatarbeiten nicht einfach nur Formen der Arbeit, also einfache Arbeitsprodukte sind, sondern Warenform annehmen, weil die Arbeit aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang ihres Inhalts herausgetrennt ist, weil dieser also nicht in den Produkten verwirklicht wird, indem Waren als formbestimmte Arbeitsprodukte auf dem Markt kommen und dort ihrem Nutzer auf gut Glück oder auch perspektifisch gewollt, harren. Sie können in der Anarchie ihrer Beziehung deshalb nur über etwas ihnen Äußeres, über ihren Wert, bezogen und ins Verhältnis gesetzt werden.
Eine Waren produzierende Gesellschaft versetzt isolierte Arbeitsteile der Gesamtarbeit ins Verhältnis und folgt der Arbeitsteilung durch Abstraktion von ihrem Zusammenhang, also durch die Vermittlung über abstrakt menschliche Arbeit, welche die Form aller Beziehungen darin ausmacht, ihre Wertsubstanz darstellt und ihre Wertform begründet. Die Kritik einer solchen Gesellschaft geht daher einher mit einer Kritik dieser Vereinzelung von Arbeitsteilen, besteht also auf dem Zusammenhang einer gesellschaftlichen Arbeit im Ganzen. Und um diese ging es ja.
Die “bewusste Beziehung zur Arbeit selbst, die als Ergänzungsverhältnis begriffen sein muss”, besteht in dem Anspruch, im Teil auch das Ganze zu reflektieren, also nicht der Ware im Zusammenhang mit dem Kapital, auf das sich das Marxzitat von Dir bezieht, sondern als Teil eines Gemeinwesens, in welchem die Reproduktion und Produktion der gesellschaftlichen Lebenszusammenhänge sich vollzieht. Von daher reicht es nicht aus, sich über einen Sozialvertrag zur Gemeinschaft der einzelnen Produkte zu verpflichten, welcher die Gemeinschaft zu einer Autorität über die Arbeit macht, sondern es muss auch ein streitbares Verhältnis über die Erzeugung des gesellschaftlichen Zusammenhangs der Produktion in ihrem Raum und ihrer Zeit bestehen, also das, was z.B. eine Kommune ausmacht.
Der Unterschied zur Waren produzierenden Gesellschaft besteht darin, dass die Ergänzung nicht im Nachhinein der Produktion sich einfindet, weil die „freiwilligen“ oder unfreiwilligen Arbeitsbeiträge auch Anwender finden, sondern dass die Produktion selbst als gesellschaftlicher Zweck angesehen und auseinandergesetzt wird. Das dickste Problem ist also nicht das Produkt, sondern die bewusste Beziehung zur Gesamtarbeit, die bisher leider noch nirgendwo gelungen ist. Im Gegenteil. Es soll aber mit der Einbeziehung des Lebensraums, der Kommune usw. aber nichts aufgelöst werden, sondern nur der Standort des Problems und seiner Geschichte erfasst sein. Ohne Rücksicht auf diesen wird sich nach meiner Auffassung nichts Wesentliches ändern.
@Stefan#10:
„Die Commons zeigen schon heute in einer Situation der völligen Randständigkeit und Bedrängtheit, dass dem schlicht nicht so ist.“
Du kennst ja sicher die opensource ecology. Da gibts wirklich gute Sachen; weitaus bedeutsamer als die von Dir vorgestellten Autobauer:
Da hat z.B. ein Mensch ne Superidee und macht Anleitungen zum Selberbau von Landmaschinen und ähnlichem. Mit seinen Vorschlägen könnte man auf der ganzen Welt enorme Verbesserungen in der Produktivität und im Eigenengagement bewirken. Sofern die Natur- und Rohmaterialien und Energieressourcen und Pacht oder Miete erschwinglich und der Lebensunterhalt soweit gesichert ist, dass Zeit da ist zum Selberbauen, könnten damit viele Menschen einen neuen Startup in Gang setzen und vielleicht sehr viel besser leben als bisher. Man sollte das intensiv unterstützen. Es ist wirklich was Gutes und er tut es. Ähnlich waren auch die einfachen Erfindungen von westdeutschen Ingeneuren des Entwicklungshilfeministeriums im letzten Jahrzehnt, die in der Sahara mit einfachsten Mitteln ein Bewässerungssystem zum Selberbauen entwickelt haben, den Leuten Anleitung zum Selbstbau gaben und große Flächen dadurch fruchtbar wurden.
Nur: Warum dann nicht hierfür Geld einsammeln, Spenden usw. und … warum soll jemand, der sowas tut, nicht auch selber was verdienen? Dann geht doch alles viel effizienter und schneller. Der im Film Vorgestellte weiß es ja auch selbst und hat schon mit einem eigenen Finanzmanagement begonnen. So wie das angelegt ist und läuft braucht er möglichst viel Geld, um schneller zu Potte zu kommen und er muss viel reisen und Vorträge halten und jetten und auch noch selber leben können. Und ich drück ihm die Daumen und hoffe, dass ihm ganz viel Geld zur Verfügung gestellt wird.
Deshalb also meine Frage: Was hat das mit der Überwindung des Kapitalismus zu tun? Der ist doch gerade für so was sehr gut. Oder nicht? Wäre es nicht geradezu dumm, wenn man dafür einen Kredit von einer Bank verweigert? Wäre es auf Dauer nicht auch dumm, wenn die so kreativen Commons, bei der Existenz, die sie nun mal haben, nicht auch Geld nehmen, um ihre tollen Beiträge schneller und besser unter möglichst viele Leute zu bringen? Du wirst es sehen: Die Commons werden bald mit Geld hantieren. Die Behauptung, dass mit freiwilligen Beiträgen die Warenform zu überwinden sei, wird sich bald von selbst auflösen, weil die guten Menschen dort, wie du sie per Menschenbild verstanden haben willst, auf Dauer nicht so blöd sein werden, auf eine Kommunikation in größerem Maßstab zu verzichten.
@Wolfram: Ich sehe, dass sich deine Argumentation sehr stark in Hegelschen Begrifflichkeiten bewegt, die du offensichtlich auch nicht zu hinterfragen scheinst (anderenorts bis hin zum Vorwurf des Positivismus und Unverständnis der dialektischen Methode, wenn ich von einer anderen Epistemik ausgehe). Dabei war es ja eines der philosophischen Grundanliegen von Marx, vor allem die metaphysischen Setzungen bei Hegel (ohne Metaphysik kommt nach meinem Verständnis allerdings keine Philosophie aus) zu hinterfragen und als von Menschen gemacht aufzulösen. Ein Unterfangen, das besonders in den letzten 50 Jahren unter dem Label „Praxisphilosophie“ neue Aufmerksamkeit gefunden hat.
Insofern ist weitere Übersetzungsarbeit erforderlich, denn ich verstehe deine Aussage
schlicht nicht. Ich habe ja nicht vom Körper (Ding), sondern vom Metabolismus des Körpers (Prozess) geschrieben und diesen Metabolismus in Beziehung zum Metabolismus der Zellen gesetzt. Zwei verschränkte Prozessdimensionen, in der sich die eine – des Körpers – als äußerlich für den Metabolismus der Zelle darstellt. Es gibt also – wenigstens auf der Beschreibungsebene, die ich erst einmal gar nicht verlassen möchte – ein Innenverhältnis der Agenten, die den Metabolismus in der Zelle treiben, und ein Außenverhältnis (ja, von was?) zu dem, was ich in meiner Informatikersprache als Kontext bezeichne. Äußerlichkeit scheint aber für dich vollkommen anders semantisch konnotiert zu sein. Es wäre für mein Verständnis sehr hilfreich, wenn du deinen Sprachgebrauch an diesem überschaubaren Beispiel etwas genauer explizieren könntest. Vielleicht erschließt sich mir dann auch der Rest deiner Argumentation.
Zu deiner Kritik an Stefan siehe auch Robert Kurz „Der Unwert des Unwissens“.
@Hans-Gert:
Ich habe Schwierigkeiten, auf Dein Beispiel aus dem naturwissenschaftlichen Bereich einzugehen, weil die Formverwandlungen des Zellstoffwechsels dort mit den Formverwandlungen der Ware im Kapital von Marx m.E. nichts miteinander zu tun haben, bestenfalls den Ausschluss, den Marx kennzeichnet, dass kein Atom Naturstoff im Wert zu finden sei. Deshalb hatte ich es mit der Form-Inhalt-Beziehung übersetzt, um auf die Dopplung der Form in der Wertbeziehung hinzuweisen, die Marx mit dem simplen Satz einführt, dass die Ware ein „äußerer Gegenstand“ ist, also nicht Gegenstand, der ja selbst schon außer meinem Stand ist, sondern dem auch noch äußerlich ist. Damit hatte er eine Hegelsche Formulierung verwendet, die es ihm ermöglichte, in der Methode der Wesenslogik auf ein Grundproblem der Darstellbarkeit einzugehen, und zugleich die Richtung der Hegelschen Argumentation umzukehren: nicht die Idee als Grund der Entfaltung der materiellen Welt, sondern umgekehrt die Idealisierung als Metaphysik der materiellen Verhältnisse als Schein ihrer Wirklichkeit, als unwirkliche Wirklichkeit aufzuzeigen.
Von daher beschreibt er diese in der Wertform als Form einer Formbestimmung, als Verhältnis, durch welches der Wert als Grund einer unwirklichen Beziehung, des „gemeinsamen Dritten“, das „hinter dem Rücken der Produzenten“ sich durchsetzt, erwiesen wird. Dies kann man auch als Verselbständigungsprozess einer Äußerlichkeit verstehen. Von daher unterscheidet sich meine diesbezügliche Verwendung des Begriffs tatsächlich von der Deinen und ich wollte dies am Unterschied von Äußerung, Äußeres und Äußerlichkeit, wie er von Hegel entwickelt worden war, einbringen.
Hoffentlich habe ich mich jetzt klarer formuliert. Besser wäre es nur sehr viel ausführlicher möglich (siehe Kompendium der Kulturkritik z.B. http://kulturkritik.net/kompendium/kommentare/230111.php#t0020) oder auch im Kulturkritischen Lexikon unter den Begriffen Entäußerung und Entfremdung).
@Wolfram: Nicht wirklich, denn ich habe noch immer nicht verstanden, was du genau mit dem Begriff Äußerlichkeit verbindest. Ich versuche mich mal in einer Interpretation deiner Antwort, aus der du vielleicht Ansatzpunkte entnehmen kannst, um nachzulegen.
(1) Zentral in deiner Antwort sehe ich den Satz „die es ihm ermöglichte, in der Methode der Wesenslogik auf ein Grundproblem der Darstellbarkeit einzugehen, und zugleich die Richtung der Hegelschen Argumentation umzukehren“. Ich sehe ein solches Grundproblem im Umstand, dass jede Beschreibung von Welt (ist das als Potenzialität deine Darstellbarkeit?) nicht nur Welt beschreibt, sondern mit ihrer Existenz selbst Teil von Welt und so Moment von Handlungsbestimmung anderer wird. Hier versucht Marx in der Tat, den Hegel „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen, allerdings versteht er – so lese ich Marx – sehr deutlich, dass es eben genau nicht mit einer Umkehrung der Richtung der Hegelschen Argumentation getan ist. Ist es dieses Grundproblem, von dem du schreibst?
(2) Es ist, ich schrieb es bereits anderenthreads, für mich ein fundamentaler Unterschied, die „Borniertheit“ aka Metaphysik in den Beschreibungen anderer zu thematisieren (das ist relativ einfach) oder die Metaphysik der eigenen Beschreibungen (die nach meinem Verständnis von Philosophie unhintergehbar ist) sprachlich zu adressieren. „… umgekehrt die Idealisierung als Metaphysik der materiellen Verhältnisse als Schein ihrer Wirklichkeit, als unwirkliche Wirklichkeit aufzuzeigen“ ist sicher Teilsatz 1 zuzuordnen, also auch als unwirkliche Wirklichkeit dennoch Wirklichkeit. Wie verhält sie sich zu dem, was du als Äußerlichkeit bezeichnest?
(3) „Wertform als Form einer Formbestimmung“ war eine Gedankenkonstruktion (Form einer Form), mit der Stefan als guter Hegelkenner (unterstelle ich einfach mal nach den vielen Jahren, die man sich in diesem Kontext hier mit Hegel befasst hat) überhaupt nichts anfangen konnte. Was meinst du also mit Form einer Formbestimmung?
(4) Mit den zwei Verweisen ins Kulturkritische Lexikon kann ich leider nicht viel anfangen, weil sich die Begriffsfassungen dort (für mich) vollkommen im Kreise drehen:
Ich sehe hier eine begriffliche Reihe „fremd“ – „Äußerung“ – „Entäußerung“ – „Entfremdung“, mit denen ich als Natur-Wissenschaftler, der sich schon länger mit Marx befasst, durchaus eine gewisse Semantik zu verbinden mag, die sich mir aber als vollkommen unzureichend darstellt, eine kooperative Praxis wie hier ja diskutiert begrifflich zu fassen. Die Stellung des Begriffs Äußerlichkeit in dieser Phalanx erschließt sich mir überdies nicht.
Ich gehe – dies in Parenthese angemerkt – selbstverständlich davon aus, dass in einer Beschreibung von Kapitalismus als kooperativer Praxis auch die Phänomene beschrieben werden müssen, die du mit der hier aufgereihten Begriffsfolge zu fassen versuchst. Hier müssten sich, nach meinem Verständnis, Ideologiekritik und ökonomische Analyse treffen.
@Wolfram#14: Über Open Source Ecology berichten wir hier immer wieder. Wir begleiten den Prozess kritisch-solidarisch, wie überhaupt alle Ansätze commonsbasierter Peer-Produktion. Du fragst nun:
Dagegen spricht gar nichts, im Gegenteil: Es ist die bevorzugte Methode, den monetären Transfer, der solange unabweisbar notwendig ist, wie das Projekt (oder andere Projekte) seine eigenen Voraussetzungen nicht produzieren kann, zu organisieren.
Es naheliegende Frage, dennoch reichlich naiv. Wozu sollte jemand etwas verdienen (wollen), wenn er/sie alles hat? Die Frage stellt sich so (naiv) doch nur, weil wir geldlos eben nicht an die Dinge kommen, die wir brauchen. Das ist das eigentliche Problem. Statt also in der herrschenden Form nach dem »Verdienen« als zunächst bloß abstraktem Zweck zu fragen, sollten wir danach fragen, woher wir all jede Dinge bekommen können, die wir uns wünschen. Das »Verdienen« als Zweck gilt es loszuwerden, anstatt die Handlungen daran zu orientieren.
Diesen Automatismus bezweifele ich, und ich denke, es gibt eine Menge empirische Evidenz, die zeigt, dass monetäre Anreize die eigene Motivation zerstören können. Auch darüber haben wir berichtet. Zusammengefasst lauten übereinstimmend die Ergebnisse der Forschungen zum Crowding-out-Effekt: Wenn die Existenz grundsätzlich gesichert ist, dann wirken monetäre Anreize destruktiv, sprich: nix geht schneller, sondern alles langsamer und schlechter.
Geld ist eben nicht bloß ein »neutraler Mittler«, sondern Fetisch und Geißel.
Das tun sie auch heute schon, und niemand sagt, dass sie das nicht tun (sollen). Was ich jedoch immer wieder betone, auch und gerade in der Diskussion mit den Projekten: Wenn ihr anfangt, eure Produkte zu verkaufen, um das Projekt zu finanzieren (darauf kommen die Projekte sehr schnell), dann besteht die Gefahr und Wahrscheinlichkeit, dass ihr nicht mehr primär eure eigenen Ziele verfolgt, sondern die Anforderungen des Marktes zu erfüllen trachtet (denn die Konkurrenz schläft nicht). Das zersetzt tendenziell das Projekt — sei es in Richtung Scheitern oder vollständiger Unternehmifizierung.
Oder in hier vertrauteren Worten: Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob du Waren produzierst oder Spenden sammelst: Warenproduktion ist (in der Regel) an die innere produktive Logik gekoppelt, Spenden gehen vor allem ein, wenn du die Projektziele gut vermitteln kannst und Leuten die Möglichkeit gibst, die Ziele mittels Geld zu unterstützen.
In dieser Verkürzung hat das niemand behauptet. Sondern freiwillige Beiträge sind ein Aspekt der commonsbasierten Peer-Produktion, die unter bestimmten Bedingungen das Zeug hat, die Warenproduktion zu überwinden. Was du hier aber eigentlich sagst, ist dies: Menschen müssen gezwungen werden. Das ist das bürgerliche Menschenbild.
Ich muss gar kein Menschenbild voraussetzen, eben auch kein negatives (oder wenn du so willst: eines, das alle Möglichkeiten offen hält). Das ist ein weiterer konstitutiver Aspekt: Um mitzumachen, muss niemand irgendwie »sein«, sondern nur etwas »wollen« (aka: Freiwilligkeit).
Bezeichnend finde ich, dass du jene Menschen, denen der »Verdienst« nicht so wichtig ist, als »blöd« bezeichnest. Nicht blöd ist der, der sich (gegen Geld) verdingt und entsprechend konsumiert wie die Werbung es fordert: »Ich bin doch nicht blöd«. Das habe ich jedenfalls so aus deiner Bemerkung gelesen, ich würde mich gerne irren.
Und zweitens verharmlost du den Geldfetisch als »Kommunikation in größerem Maßstab«. Das kenne ich aus der VWL: Geld als Information und Mittel der Kommunikation. Auch hier lasse ich mich gerne korrigieren.
Alles in allen gewinne ich den Eindruck, dass du auf Biegen und Brechen die Warenform verteidigst, in dem du nachzuweisen versuchst, dass nichts anderes möglich ist. Dann bleibt in der Tat nur die Ausgestaltung innerhalb der Warenform. Auch wenn noch nicht alle Ansätze mit der Warenform als Grundlage durchprobiert sein mögen, halte ich jedoch die Gangbarkeit für historisch widerlegt — zumindest wenn man die Aufhebung des Kapitalismus noch als Ziel hat.
@Stefan:
Du hast mich da ziemlich gründlich missverstanden. Ich wollte mit meinen Bemerkungen nicht die Warenform verteidigen, sondern die Konsequenz darstellen, die durch das Herbeizitieren von guten Einfällen als „Entwarenformung“ gerade innerhalb der Logik dieser Form bleibt. Dieses Modell lässt sich tatsächlich am besten als IKEA 2.0 für landwirtschaftliche Maschinen durchführen, weil es einfach nur auf Fortschritt an Produktivität setzt und diese natürlich wunderbar ins herrschende System passt. Es greift in keiner Weise die Warenform an, besteht alleine aus dem Gründungseifer einer guten Sache. Das haben wir in der Alternativbewegung, in den sogenannten „selbstverwalteten Betrieben“ schon gründlich genug als Fiasko eines Selbstbetrugs durchlebt, wenn dies als Alternative (heute „Keimform“) im Gesamtverhältnis des Kapitalismus aufgefasst wird. Der lässt sich nicht durch gute Einfälle sprengen. Im Gegenteil. Die besten Betriebe dieser Zeit sind schleichend aber gründlich zu Protagonisten einer neuen Generation der Kapitalanlage geworden, und die Individuen, die darin sich entwickeln konnten, hatten bald herausgefunden, dass der Eifer in den sozialen Konsequenzen zur blanken Selbstausbeutung führt und für die grundsätzlichen Probleme des Arbeitsprozesses (z.B. auch die Ausbildung, soziale Sicherheit usw.) die vorhandenen kapitalistischen Institutionen anzapfen muss und garnicht in der Lage sein kann, dies ohne eine eigene politische Form eines Gemeinwesens im Sinne eines ganzen gesellschaftlichen Zusammenhangs zu schaffen. Spätestens die Hinzukommenden werden sich fragen, wie man wirtschaftlicher arbeiten kann als es im moralischen Hickhack der Teilnehmer und Teilhaber und Teilgeber möglich ist.
Die Ideen und Bereitschaft zu einer veröffentlichten Produktion sind es nicht, die etwas verändern. Ganz tolle Ideen, die in diversen Garagen entstanden waren, hatten sich auch kapitalmäßig so aufgreifen lassen, dass heute Microsoft und Apple als Kaptalgiganten existieren können. Und auch Wikipedia ist inzwischen auch in den gewöhnlichen Kommerz wunderbar eingegangen, allerdings so undurchschaubar, dass niemand merkt, der dort schreibt, dass er nicht nur mitteilt sondern auch für Werte ausgebeutet wird, die anderweitig lukrativ verwendet werden.
Das Beklatschen guter Ideen führt eher vom Problem des Kapitalismus weg und in die Illussion einer netten Gemeinschaft, wie sie vorübergehend tatsächlich auch funktionieren kann, als dass damit auch nur ein Rädchen am Geldsystem verstellt werden würde. Die in diesem Verstand vorgestellte „Demonetarisierung“ ist eine Kopfgeburt, die schon eine lange und üble Geschichte hinter sich hat. Die sollte man ruhig mal bedenken. Ich kann nicht nur ein Lied davon singen, sondern musste auch die Konsequenzen tragen, die im netten Kreis der Existenzgründer nicht so recht bedacht werden wollten. Und dennoch möchte ich die Geschichte nicht missen, weil dabei immerhin die Vereinzelungen aufgerissen waren. Nur die Illussionen und Betrügereien hätten nicht sein müssen, die immer schlimme Konsequenzen in der Geschichte zeitigen.
Sei einfach mal bescheidener und stell die Sache nicht in Bedeutungen und Beziehungen, die schlicht und einfach nicht existieren und einen Selbstbetrug darstellen. Am Gedanken zu „Gemeingütern“ ist ja das eine dran: Dass sie, wenn sie in einem politischen Gemeinwesen verwaltet werden, wenn sie also als ökonomische Politik funktionieren, auch den Kampf um diese politische Formen involvieren. Und um die geht es nach wie vor. Sind diese erreichbar, und dazu werden auch Existenzformen der Auseinandersetzung nötig sein, dann erübrigt sich alles andere, denn die Ideen werden dann sowieso freigelassen sein und es braucht dazu auch keine Schulmeister, die Vorträge über Warenform und so einen Quatsch wie „Entwarenformung“ halten, um durch einen bürgerlichen Fortschrittsglauben Blindheit gegen die Macht der herrschenden Formen, der Mieten und Kosten, die allem vorausgesetzt sind, zu erzeugen.
@Hans-Gert #17:
Ich glaube, das geht jetzt ein bisschen weit weg vom Thema. Deshalb so kurz nur soweit ich dich verstanden habe:
ad 1. Nicht auf Existenz bezogen sondern auf Bewusstsein, genauer: Geschichte (Empirie) und Begriff (Logik). Womit systematisch anfangen und einfach darstellen, was ungemein vielfältig ist? Hegel reduziert sich auf Logik und entfaltet den Begriff am „Beispiel“
der Geschichte als ihre Spekulation. Marx beschreibt die Wirklichkeit so, dass auf ihren abstrakten Grund verwiesen werden kann und also
die materielle Entwicklung als (bisherige) Geschichte zu einer und in einer Abstraktion (Wert) begreifbar wird, die ihre Widersprüche
erklärt.
Ad 2. „unwirkliche Wirklichkeit“ steht für Metaphysik wie bei Marx z.B. im
Warenfetisch ausgeführt; Äußerlichkeit ist deren Grund als
Wertform, als ein dem Menschen äußeres Verhältnis von Waren, das
zur Geldform geworden praktischer Fetisch ist, weil es sein Leben auf
den Kopf stellt und ihn an sich bindet.
Ad 3. Jede Form ist durch ihren Inhalt bestimmt. Wird sie gegen diesen
gleichgültig, d.h. gleich geltend (siehe Wert), so hat sie eine
zweite Bestimmung, eine Formbestimmung. Diese kann nur abstrakt sein,
von ihren Eigenschaften absehen, und bewirkt ihre unbestimmte
Bezogenheiten, macht die Wertsubstanz aus.
Ad4.
Ja, Ideologiekritik und ökonomische Analyse trifft sich ja
eigentlich überall in der Kritik der politischen Ökonomie,
ausgeführt wird sie im Warenfetisch, der nicht psychologisch zu
begreifen ist, sondern sich unmittelbar aus der Geldform erklärt.
Dies leider nur in dieser Kürze, um den thread hier nicht allzusehr zu
belasten. Kann sein, das ich dich nicht ganz richtig verstanden habe.
@Wolfram: Ich denke auch, dass wir unseren Disput beenden sollten, zumal sich das Ganze im Kreise dreht. Ein sehr persönlicher Nachsatz dennoch: So sehr ich deine oder auch Kurz‘ Kritik an den dünnen kapitalismus-analytischen Argumentationen der hier versammelten Community teile, so sehr bedauere ich es, dass euereins (vor dir waren das neben Kurz noch Dieter Wolf, Uli Weiß, Werner Imhof, die mir sofort einfallen) offensichtlich in keiner Weise in der Lage ist, sich mit dieser Kritik auf die positiven Erfahrungen von unsereins zu beziehen, die wir als unsere eigenen Praxiserfahrungen des Wandels, an technisch vorderster Front gewonnen, versuchen zu reflektieren. Ich nehme dies wahr als Unfähigkeit und partiell auch Unwilligkeit zu einem überreifen Diskurs. Der (mir nur zu gut bekannte) schulmeisterliche Ton (Wolfram#19) ist also fehl am Platze, denn in einem ist dir Stefan meilenweit voraus – er stellt sich diesem überreifen Diskurs und sucht ihm einen Ort zu geben. Das subtile Verhältnis von Sklaven und Freien, von Fremdbestimmtheit und Selbstentfaltung, ist nach meinem Verständnis eine Konstante in der Menschheitsentwicklung, die weit über das, was ihr als Kapitalismus bezeichnet, hinausreicht. Dass dieses subtile Verhältnis im digitalen Wandel gerade wieder eine Neuaustarierung erfährt, ist für unsereinen mit Händen zu greifen, allein die rechte Story dazu will noch nicht gelingen.
@Wolfram#19: Wenn du die »Entwarenformung« für einen Quatsch hältst, dann kann ich darin wieder eine emsige Verteidigung der Warenform erkennen — sehr schulmeisterlich obendrein. Mein Eindruck verhärtet sich, dass du Ansätze jenseits der Warenform stets nur abwertest, um deinen eigenen warenförmigen Ansatz aufzuwerten. That’s not fun.
Ja weißt du Stefan, wenn jemand die Warenform auflösen will und sagt, dass man dazu wohl Geld braucht, das allerdings mit der „Gefahr und Wahrscheinlichkeit“ behaftet ist, dass man dann „nicht mehr primär … eigene Ziele verfolgt“, dann ist das einfach nur noch blöd. Und wenn du meinst, dass ich nur einen „warenförmigen Ansatz aufzuwerten“ hätte, dann musst du das an meinem Ansatz auch nachweisen. Das ist doch eigentlich selbstverständlich.
Die Notwendigkeit der Demonetarisierung beschreibt ein Beitrag im Standard:
http://derstandard.at/1342139050994/Geld-raubt-Leben-und-schraenkt-unsere-Freiheit-ein Und wenn´s durch Entwarenformung gelingt, auch nur ein Stück, ist´s ein Schritt in die richtige Richtung! Wer einen besseren oder größeren Schritt in die richtige Richtung hat – raus damit! Hermann