»Jungle World« über Commons

Nach den Zeitschriften CONTRASTE, Oya und analyse&kritik hat nun auch die Jungle World die Commons zu einem Schwerpunkt-Thema gemacht.

Die vier Artikel seien im Folgenden kurz besprochen.

Axel Berger setzt in »Nach Fair Trade jetzt auch Fair Property« die Commons im wesentlichen mit der »Genossenschaftsidee« gleich, was an der aktuellen Commons-Debatte weitgehend vorbei geht. Der Artikel reproduziert die Dichotomie zwischen der an den Markt gekoppelten Institutionen (wie Genossenschaften) und mit dem Staat liierten Institutionen (wie Planstaat oder Arbeiterstaat), um sie dann zu kritisieren. Dabei ist genau das bereits Inhalt der Commons-Debatte. So ist der letzte Satz zu unterstreichen, trägt jedoch Eulen nach Athen:

Die Perspektive einer »freien Assoziation der Individuen« (Marx) zu erarbeiten, die die individuelle Entfaltung nicht auf exklusive Gemeinschaften begrenzt, sondern gesellschaftlich einfordert, wäre eine Kritik an der Zerstörung der »Commons« auf der Höhe der Zeit.

Wolf-Dieter Vogel befasst sich in »Gemeine Güter und gute Gemeinden« mit dem wohlwollenden Bezug der »linken Commons-Debatte zu Lateinamerika. Zielgenau wird ein differierendes Interpretationsmuster in der Commons-Debatte erkannt. Die Einsicht, dass »Gemeingüter sich jenseits von Markt und Staat« bewegen, geht auf Elinor Ostrom zurück. Sie kann allerdings in zwei Richtungen interpretiert werden: »Gemeingüter koexistieren friedlich neben Markt und Staat« und »Gemeingüter widersprechen der Logik von Markt und Staat«. Beides kann man anerkennen, formuliert man jedoch »Gemeingüter müssen gestärkt werden, jenseits und in Ergänzung von Markt und Staat« (Zitat aus dem Commons-Report der Böll-Stiftung), dann wird hier mit der »Ergänzung« eine kapitalismus-konforme Richtung angezeigt, die man bei den Grünen durchaus erwarten kann (das »jenseits« im Satz deutet auf einen Kompromiss unter den doch unterschiedlich orientierten Autor_innen der Broschüre hin). Dies kann man kritisieren wie Vogel das tut, aber eine »linke Commons-Debatte« kritisiert er damit nicht. Interessanter wäre es hingegen gewesen, die inkompatible Leseart — wie sie auch hier im Keimform-Blog — eher vertreten ist, näher auszuleuchten. Der Artikel diskutiert stattdessen Widersprüche unterschiedlicher Commons-Bezüge der »linken« Regierungen in Südamerika. Das ist auch interessant, passt jedoch nicht recht zur eröffnenden Fragestellung. So bleibt unklar, wie die Abschlussfrage gelesen werden soll:

Warum nicht für kollektive Aneignung von Land, digitalem oder öffentlichem Raum kämpfen?

Ehm, aber genau darum geht’s doch?

Christian Schmidt fragt in »Vom Wissen lernen«, ob denn die Commons tatsächlich als einheitlicher Begriff taugen, um »einheitliche hoffnungsvolle Vision der postkapitalistischen Vergesellschaftung gewinnen«. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Commons tatsächlich die Frage nach »postkapitalistischen Vergesellschaftung« aufwerfen (können). Das ist etwas, was sie den staatslinken Diskursen voraus haben. Schmidt kritisiert, dass die Commons-Debatte nicht ausreichend »begriffsscharf« sei, um die tatsächlich wichtige Frage aufzuwerfen:

Mit den »Commons« müsste sich eine Vorstellung davon verbinden, wie die Reproduktion der nicht-kapitalistischen Gesellschaft organisiert werden soll.

Exakt, das ist die richtige Frage. Warum aber diese besonders an den Commons-Diskurs gerichtet werden soll, wo die Linke sonst nicht einmal in der Lage ist, die Frage so zu formulieren, will mir nicht einleuchten. Auch wenn es durch das forsche Fragen so klingt, als ob die Linke Tag und Nacht nichts anderes mache, als die »Reproduktion der nicht-kapitalistischen Gesellschaft« zu diskutieren, ist dem keineswegs so. Stattdessen verharrt diese eher in der (notwendigen) Negation des Bestehenden, worauf auch das »nicht« in dem Zitat auch verweist: Den Kapitalismus wollen wir nicht. Schön, aber was dann? Der Artikel landet bei den gleichermaßen unattraktiven (und unrealistischen) Konzepten einer rückwärts gewandten kleinbäuerlichen Pseudo-Idylle oder der ebenfalls historisch abgehakten »Idee staatlicher Großbetriebe«, dessen Spagat er am Ende folgerichtig für »reichlich überspannt« hält.

Der vierte Artikel des Schwerpunktes »Die Philosophie der Sozialdemokratie« von Felix Baum arbeitet sich nochmals an Hardt/Negris »Commonwealth« ab. Der dort gegebenen Einschätzung ist nichts wesentliches hinzuzufügen. Für die Commons-Diskussion hilft er allerdings auch nicht weiter.

Fazit: »Journalismus ist, wenn einfach berichtet wird, was der Fall ist. Da muss man nicht weiter denken« — So in etwa musste ich mir als Nicht-JW-Leser erklären lassen, warum der nörgelnde Stil bei der JW normal ist: »Die nörgeln einfach an allem«. Mir scheint allerdings, dass eine nörgelnden Grundhaltung mit »Kritik« verwechselt wird, die durchaus notwendig wäre, um auf Defizite der Commons-Debatte hinzuweisen. Dazu wäre es aber sinnvoll, tatsächlich auch den Stand wahrzunehmen (»was der Fall ist«), anstatt nur die je eigene Projektion auf die Debatte zur Grundlage zu nehmen.

Ein Kommentar

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